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bedard

Bewertungen

Insgesamt 50 Bewertungen
Bewertung vom 12.03.2023
Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1
Sander, Karen

Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1


gut

Auftakt einer Trilogie mit abruptem Ende
Im ersten Teil der Trilogie wird die gehörlose 19jährige Lilli vermisst. Sie ist zu einer Verabredung am Strand nicht erschienen und bei der ungewöhnlich schnell eingeleiteten Suchaktion wird ihr Fahrrad aufgefunden. Der verwitwete Kommissar Tom Engelhardt, der sich erst kürzlich auf die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst hat versetzen lassen, ermittelt gemeinsam mit der Kryptologin Mascha Krieger. Sie wurde hinzugezogen, weil Lillis Freundin Fabienne seltsame Nachrichten vom Handy der Vermissten erhält.

Besonders reizvoll an diesem Roman ist der Handlungsort sicher für diejenigen, die die Halbinsel kennen, auch wenn der Ort Sellnitz fiktiv ist. Sowohl die reizvolle Landschaft als auch die langen Wege hat die Autorin treffend beschrieben. Die Machtstrukturen, die eine nicht unerhebliche Rolle spielen, sind ebenfalls gut nachvollziehbar dargestellt. Allerdings kommen im Lauf der Geschichte zu viele Personen und Nebenschauplätze ins Spiel, die der Spannung abträglich sind. Vieles wird angedeutet, aber nicht zu Ende gebracht. Auch die ausführlichen Einblicke in den privaten Alltag insbesondere von Tom Engelhardt sind etwas zu viel des Guten.

Aufgrund des angenehm lesbaren Schreibstils und des völlig offenen Endes, in dem nicht einmal ansatzweise das Verschwinden Lillis aufgeklärt wird, werde ich vermutlich auch den jetzt erscheinenden nächsten Teil lesen.
Als Neueinstieg in die Trilogie würde ich aber empfehlen, den Sommer abzuwarten und alle drei Romane am Stück zu lesen.

Bewertung vom 21.02.2023
Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1


sehr gut

Mäßig spannender, trotzdem unterhaltsamer Auftakt einer neuen Krimireihe

Im ersten Band der „Mörderisches Island“-Reihe um die Polizistin Elma kehrt diese nach einem traumatischen Beziehungsende in ihren Geburtsort Akranes zurück. Nachdem sie sich in ihrer neuen Dienststelle langsam eingewöhnt hat, wird in der beschaulichen Kleinstadt die Leiche einer unbekannten Toten aufgefunden, die offensichtlich ermordet wurde.

Die Autorin lässt den vielen verschiedenen Charakteren sehr viel Raum, sich zu entwickeln. Auch die Handlung wird eher langsam vorangetrieben. Besonders zu Beginn wird nicht immer deutlich, ob die beschriebenen Szenen für den weiteren Verlauf relevant sind. Trotzdem lässt sich der Schreibstil sehr angenehm lesen, wenn man sich auf das langsame Tempo und die Vielzahl an isländischen Namen einlassen mag. Von den Namen einmal abgesehen, hätte der Roman aber auch irgendwo am Meer spielen können, allzu viel Island-Atmosphäre wird nicht verbreitet.
Zeitlich spielt die Handlung auf zwei Ebenen, wobei eine lediglich kurze, aber sehr gelungene Einschübe in der Vergangenheit darstellt. Gerade diese machen den besonderen Reiz des Romans aus. Deutlich früher als die ermittelnden PolizistInnen erahnt man Zusammenhänge, wird aber auch auf falsche Fährten geführt. Gelegentlich gibt es hier ein Zuviel des Guten. Die Auflösung ist leider nicht mehr so überraschend und gibt nicht auf alle Fragen Antworten, weder für die handelnden Personen noch für die Lesenden. Vermutlich klärt die Autorin im Folgeband das eine oder andere Rätsel, aber der Fall selbst scheint abgeschlossen.

Trotz einiger Kritikpunkte ist der Krimi durchaus zu empfehlen. Wer sich auf die isländischen Namen und einen gemächlichen Spannungsaufbau einlassen mag, kommt hier sicher auf seine Kosten. Für mich ist die Fortsetzung kein Muss, aber ausschließen werde ich es auch nicht.

Bewertung vom 13.02.2023
Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum
Stehn, Malin

Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum


sehr gut

Reizvoller Blick hinter bürgerliche Fassaden
In der Schulzeit waren Nina und Lollo engste Freundinnen. Inzwischen haben sie fast erwachsene Töchter und verbringen mit ihren Familien nur noch bestimmte Feiertage miteinander. Als Lollos Tochter Jennifer nach der Silvesternacht spurlos verschwunden ist, stürzen beide Familien in eine tiefe Krise.

Malin Stehn beschreibt sehr ausführlich, welche Gefühle dieses Ereignis bei den einzelnen Personen auslöst. Abwechselnd schildern vor allem Nina, Lollo und Ninas Ehemann Fredrik das Geschehen aus ihrem Blickwinkel. Dabei entsteht wie bei einem Puzzle langsam ein vollständiges Bild, auch wenn einige Teile dann wieder korrigiert werden müssen. Die Charaktere sind durch dieses Stilmittel sehr detailliert beschrieben und auch glaubwürdig entwickelt. Echte Sympathieträger gibt es aber nicht.

Der Roman ist unterhaltsam und angenehm zu lesen, stellenweise aber etwas zu langatmig. Für einen Thriller feht es ein wenig an Spannung, trotzdem hat die Erzählweise einen besonderen Reiz.

Bewertung vom 04.12.2022
Kerl aus Koks
Brandner, Michael

Kerl aus Koks


ausgezeichnet

Unterhaltsam und viel besser als erwartet
Michael Brandner erzählt in seinem stark autobiographisch geprägten Erstlingswerk die Geschichte von Paul.
Paul ist knapp vier Jahre alt, als seine Mutter ihn ohne Vorwarnung aus seiner bayerischen Pflegefamilie nach Dortmund verpflanzt. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Hier die ländliche Idylle mit seinen sehr liebevollen Pflegeeltern, dort der Ruhrpott mit einer Mutter, die mit ihrem Leben in beengten, ärmlichen Verhältnissen hadert und Paul wenig Zuwendung zuteil werden lässt. Trotzdem sind diese frühen Kindheitsjahre glücklich, denn sein liebevoller Stiefvater Helmut kümmert sich rührend um Paul. Erst mit der Einschulung wird es komplizierter. Paul mangelt es an Disziplin und Ehrgeiz, ganz im Gegensatz zu den Erwartungen seiner Mutter. Erfolg und Ansehen sind für sie alles, während Paul und Helmut sich mit wenig zufrieden geben.
Das ändert sich auch in späteren Jahren nicht. Paul hat viele Interessen und Talente, probiert alle möglichen Berufe und auch Lebensformen aus. Auch Beziehungen zu Frauen sind nicht von Dauer. Er lebt intensiv, aber auch gefährlich. Mehr Glück als Verstand, das trifft auf ihn sicher zu.

Mich hat dieses Debüt positiv überrascht. Obwohl das Cover wirklich hinreißend und extrem passend ist, war ich skeptisch aufgrund der Fülle an Romanen, die von Künstlern aus anderen Bereichen erschienen sind und wenig überzeugen konnten. Michael Brandner kann aber erzählen, auch wenn mich der erste Teil – Kindheit und Jugend - noch ein bisschen mehr abholen konnte. Nichsdestotrotz vermittelt der Autor anhand Pauls Geschichte ein umfassendes Bild der gesellschftlichen Athmospäre in der BRD, beginnend mit der spießigen Nachkriegszeit, der Auflehnung der jüngeren Generation in den späten sechziger-Jahren mit der anschließenden RAF-Hysterie bis zu der angepassteren Phase gegen Ende des Jahrhunderts.

Für mich war dieses Buch eine echte Überraschung. Unterhaltsam und leicht zu lesen, aber nicht seicht. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 27.08.2022
Die Arena
Djavadi, Négar

Die Arena


ausgezeichnet

Das andere Paris

Der zweite Roman von Négar Djavadi spielt hauptsächlich in den Teilen von Paris, in die Touristen nie einen Fuß setzen und die sie bestenfalls mit Berichten von Ausschreitungen in den Banlieues aus den Nachrichten verbinden. In einer Art Domino-Effekt wird das Leben der Protagonisten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, komplett verändert. Der banale Auslöser höchst dramatischer Ereignisse ist der Verlust eines Handys:

Benjamin Grossman hat das Problemviertel seiner Kindheit hinter sich gelassen und ist erfolgreicher Manager bei BeCurrent, einem Streaming-Unternehmen. In seinem Handy finden sich die Nummern der prominentesten Schauspieler. Aber er weiß, dass er auch schnell alles verlieren kann. Als er durch einen unglücklichen Zufall nach einem seltenen Besuch bei seiner Mutter das Handy vermisst, verdächtigt er einen Jugendlichen des Diebstahls, es kommt zu einer tätlichen Auseinandersetzung. Tags darauf wird der Junge bei einem Routineeinsatz der Polizei tot aufgefunden, die Polizistin, die wenig sensibel die Leiche mit einem Fußtritt zum Aufstehen bewegen will, wird von einer Jugendlichen gefilmt, die das Video ins Netz stellt…

Auf den ersten Blick könnte es sich bei diesem Roman um einen einfachen Krimi handeln, doch mit dieser Erwartung ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Allein die Vielzahl an Personen mit völlig unterschiedlichen Biografien und Lebensentwürfen erfordert gerade zu Anfang viel mehr Konzentration als ein einfacher Krimi. Themen wie Gentrifizierung, Rassismus, Armut und Chancenlosigkeit sowie eine deutliche Kritik an der bedenkenlosen Nutzung sozialer Medien sind alles bestimmend. Gleichzeitig legt die Autorin viel Wert auf eine detaillierte Charakterzeichnung. Hier gibt es kein Schwarz-Weiß, Vorurteile und einfache Erklärungen werden nicht bedient. Armut ist nicht gleich ungebildet, bedrohliches Teenagergehabe nicht gleichzusetzen mit innerlicher Verrohung. Die besten Vorsätze können bei Négar Djavadi durchaus in die größte Katastrophe führen. Obwohl das Ende des Romans lange vorhersehbar war, ist das Ausmaß und die Wucht am Ende deutlich heftiger als erwartet. Nicht alle Fragen werden beantwortet, das Schicksal etlicher Protagonisten wird nicht auserzählt. Insofern lässt die Autorin die Leser*innen etwas ratlos zurück, ähnlich wie am Ende einer Serie, die Raum für eine weitere Staffel lässt.

Trotz des anspruchsvollen und nicht leicht zu konsumierenden Inhalts ist der Schreibstil wirklich sehr angenehm zu lesen. Auch hier spürt man, dass Négar Djavadi Drehbücher geschrieben hat.

„Die Arena“ gehört zu den Romanen, auf die man sich einlassen muss. Die Autorin bietet keine sympathischen Identifikationsfiguren und gibt auch keine einfachen Antworten. Trotzdem ist „Die Arena“ ein sehr lesenswerter, aktueller Gesellschaftsroman im besten Sinne. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 22.05.2022
Kopf über Wasser im Alltagschaos
Davis, KC

Kopf über Wasser im Alltagschaos


sehr gut

Sehr gelungener, empathischer Ratgeber, der sich in erster Linie an Menschen in besonderen Lebenssituationen richtet

KC Davis' SELFCARE-Aufräumbuch - so der Aufdruck auf dem Cover - wendet sich aus eigener Erfahrung an Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen vorübergehend oder dauerhaft mit der Bewältigung der im Haushalt anfallenden Aufgaben überfordert sind. Es handelt sich also ausdrückllich nicht um ein weiteres Optimierungsbuch mit dem Ziel, den perfekten Haushalt zu führen, sondern um das genaue Gegenteil: "Gut genug ist perfekt" ist ein Motto der Autorin. Leider geht das aus dem Text auf dem Cover nicht hervor, erst der Klappentext nennt die Zielgruppe.

Auf 200 Seiten beleuchtet KC Davis in kurzen, sehr leicht lesbaren Kapiteln die Schwierigkeiten, die mit der Führung eines Haushalts mit und ohne Kinder auftauchen können. Dabei verurteilt sie nicht, sie wirbt um Verständnis und betont immer wieder, dass der Wert eines Menschen nicht von der Erfüllung bestimmter Aufgaben abhängt. In erster Linie richtet sie sich dabei an die Zielgruppe, für die alltägliche Haushaltsführung eine besondere Herausforderung darstellt, wobei das punktuell auf jeden Menschen zutrifft.

Sehr detailliert werden einzelne Aufgaben beschrieben, Hürden benannt und Lösungsvorschläge gemacht. Beeindruckend ist die Kreativität, aber auch die Toleranz, die die Autorin hier erkennen lässt. Es gibt kein Falsch oder Richtig, es sind Anregungen, die aufgegriffen werden können oder eben auch nicht.

Es geht darum, richtige Prioritäten zu setzen, die dem Menschen und nicht dem Haushalt nützen. Immer wieder betont die Autorin, wie wichtig Selbst-Mitgefühl ist und das Recht darauf.

Auch wenn ich nicht zu der Zielgruppe gehöre, mich hat die Sichtweise beeindruckt und die eine oder andere Anregung kann ich hoffentlich auch mitnehmen. Empfehlenswert ist dieses Buch uneingeschränkt für die eigentliche Zielgruppe und alle, die Interesse an einem anderen Blickwinkel fernab des Optimierungswahns haben.

Bewertung vom 10.05.2022
Mongo
Darer, Harald

Mongo


sehr gut

Umstrittener Titel für einen Roman mit Tiefgang

Katja ist ungeplant schwanger und verzweifelt. Nicht, weil sie keine Kinder will, sondern weil sie fürchtet, ihr Kind könnte ebenso wie ihr Bruder Markus das Down-Syndrom haben. Harry ist von der Reaktion seiner Freundin überfordert und sucht für sich einen sehr rationalen Weg, mit der Situation umzugehen. Er beginnt, eine Art Pro und Contra – Liste zu erstellen, in der er seine persönlichen Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen Revue passieren lässt.

In der Kindheit des Autors gab es wenige Kontakte zu Menschen mit Behinderung, und wenn war das eigene Verhalten gedankenlos oder sogar brutal. Erst durch Katjas Bruder ändert sich das. Unsicher, liebevoll und manchmal auch einfach zu naiv geht Harald Darer mit seinem Schwager um.
Katjas Verhältnis zu ihrem Bruder hingegen ist ambivalent. Einerseits liebt sie ihn und will ihn schützen, andererseits hat Markus Behinderung Auswirkungen auf ihr gesamtes Leben gehabt, die sie so nicht wollte. Ihre Eltern haben ihr dabei nicht wirklich zur Seite gestanden und viel zu wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse des "gesunden" Kindes genommen.

Mich hat sehr beeindruckt, wie der Autor die Unsicherheit beschreibt, die die werdenden Eltern angesichts des eigentlich erfreulichen Ereignisses empfinden. Dazu gehören die recht drastischen Erfahrungen mit Ärzten, die pränatale Diagnostik ohne Empathie betreiben.

Der Sprachstil ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig und ich hatte auch Verständnisschwierigkeiten bei einigen österreichischen Begriffen. Trotzdem habe ich diesen Roman gerne gelesen und fand die Mischung aus ernster Thematik mit viel Humor und Situationskomik gelungen. Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass Menschen mit Trisomie 21 das gleiche Recht auf ein glückliches und möglichst selbstbestimmtes Leben haben wie alle anderen auch. Und das das Zusammenleben vielleicht nicht immer einfach ist, aber trotzdem bereichernd sein kann.

Bewertung vom 28.03.2022
DIE LÜGEN
Kara, Lesley

DIE LÜGEN


gut

Unterhaltsam und gut geschrieben, allerdings auch zu vorhersehbar

Lizzie ist Epileptikerin und ihr bisheriges Leben ist durch ihre Krankheit bestimmt worden. Tragischer Höhepunkt war der Unfalltod ihrer Freundin Alice, als die damals 13-jährigen Mädchen gemeinsam unterwegs waren und Lizzie einen Anfall hatte. Das genaue Geschehen konnte nie aufgeklärt werden, weil Lizzie sich nur bruchstückhaft erinnern konnte. Mitschülerinnen und Alice' ältere Schwester Catherine haben ihr deshalb das Leben zur Hölle gemacht.

Inzwischen ist Lizzie Mitte Zwanzig, plant endlich zu studieren und zieht mit ihrem Verlobten Ross in sein neues Haus in London. Zur Einweihungsfeier kommt das gesamte Kollegium des Arztes. Völlig unvorbereitet steht Lizzie nach vielen Jahren Catherine gegenüber, die inzwischen als Krankenschwester arbeitet. Nach dem ersten großen Schock fast Lizzie Vertrauen zu Catherine und zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine Freundschaft...


„Die Lügen“ ist mein erstes Buch der Autorin, deren Roman „Das Gerücht“ mir wiederholt empfohlen wurde. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen. Tatsächlich ist mein Fazit zweigeteilt. Der Schreibstil lässt sich wirklich sehr gut lesen, man fliegt nur so über die Seiten. Das liegt sicher auch daran, dass es relativ wenige Charaktere gibt und die dann auch nicht sehr komplex sind. Leider liegt darin auch eine Schwäche des Buches. Die Charakterzeichnungen sind fast schon plakativ, ohne dass es wirkliche Sympathieträger:innen gibt. Selbst Lizzie mit ihrer Naivität, die ein eher anachronistisches Frauenbild verkörpert, konnte bei mir nicht wirklich punkten.

Der Spannungsaufbau war leider auch nicht so überzeugend, ab einem recht frühen Zeitpunkt war zumindest ein Teil der Auflösung deutlich vorhersehbar. Das Ende wirkte dann fast ein bisschen zu gedrängt, als müsste die Autorin zum Abschluss kommen.


Eine Leseempfehlung würde ich deshalb nicht geben, aber für zwischendurch ist dieser Roman aufgrund des Schreibstils durchaus geeignet.

Bewertung vom 31.01.2022
Die falsche Zeugin
Slaughter, Karin

Die falsche Zeugin


sehr gut

Ein typischer Slaughter - hart und (zu) intensiv
Die Schwestern Leigh und Callie könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein:
Die eine ist erfolgreiche Strafverteidigerin in einer großen Kanzlei, verheiratet und hat eine Tochter im Teenageralter. Die andere ist seit zwanzig Jahren drogenabhängig, lebt an wechselnden Orten und die einzige Konstante in ihrem Leben ist die Liebe zu Tieren.
Als Leigh mit der Verteidigung eines brutalen Serienvergewaltigers beauftragt wird, der ausdrücklich sie angefordert hat, gerät ihre hart erarbeitete Existenz in Gefahr. Denn Leigh und Callie haben ein Geheimnis, von dem außer ihnen eigentlich niemand wissen kann.

Der neue Roman von Karin Slaughter ist ein sehr aktueller Stand Alone, der auch das Thema Corona nicht ausspart. Auf mehr als 500 Seiten rollt die Autorin die Geschichte von hinten auf, wechselt häufig die Perspektiven und überrascht immer wieder aufs Neue. Eigentlich wäre dieses Buch ein echter Pageturner, so spannend und gut geschrieben ist die Geschichte. Wäre da nicht die Intensität, mit der brutalste Szenen beschrieben werden und auch die Schilderung des Schmerzes, den die Protagonistinnen empfinden. Das war an etlichen Stellen schwer zu ertragen und hat dazu beigetragen, dass sich die Lektüre deutlich in die Länge gezogen hat.

Beeindruckend und teilweise sehr berührend ist die Charakterisierung insbesondere der beiden Schwestern, die nach ihrer schrecklichen Kindheit so verschiedene Lebenswege eingeschlagen und trotzdem eine sehr enge Verbindung aufrechterhalten haben. Gerade Callie wird sowohl in ihrem Elend als Junkie, aber eben auch als sehr liebenswerte, empfindsame Frau gezeichnet, deren Charakter alle menschlichen Facetten beinhaltet. Es fällt schwer, für sie keine Sympathie zu empfinden. Auch für die meisten anderen Personen gilt, dass schwarz-weiß Kategorien nicht greifen und eigentlich unentschuldbares Handeln zumindest Verständnis hervorruft. Nur das abgrundtief Böse bleibt böse.

Eine klare Leseempfehlung kann ich für dieses Buch nicht geben, dafür sind einige Szenen zu drastisch und das Ende hinterlässt bei mir einen schalen Beigeschmack. Nichts für zartbesaitete Gemüter, aber die würden den Roman ohnehin nicht lesen wollen.

Bewertung vom 15.12.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


ausgezeichnet

Sprachlich überzeugend und zutiefst bewegend

Tom lebt mit seiner Frau Lorna und der zehnjährigen Tochter Lilly in Belfast. Sein Sohn Luke studiert in Sunderland, 400 Meilen entfernt. Er hat eine schwere Grippe und ist ganz allein in einem alten, kalten Haus, die anderen Studenten sind über Weihnachten längst bei ihren Familien. Schwere Schneefälle haben den Flugverkehr lahmgelegt, die Straßen sind kaum passierbar. Obwohl es Wahnsinn ist, macht Tom sich mit dem Auto auf den Weg, um Luke über Weihnachten nach Hause zu holen.
Während dieser Reise hat er regelmäßig telefonischen Kontakt zu Luke, Lorna und Lilly. Er trifft auch einige wenige Personen, aber meist ist er mit seinen Gedanken allein. Dort taucht erst flüchtig, dann immer vehementer Daniel auf, der älteste Sohn.

David Park hat keinen einfachen Roman geschrieben. Auf nur 200 Seiten begleiten LeserInnen den Fotografen Tom dabei, sich in starken Bildern einer fast unerträglichen Wahrheit zu stellen. Zunächst unverständliche Handlungsweisen werden auf dieser Reise - im doppelten Sinne - nachvollziehbar.

Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem die einzelnen Charaktere so stimmig beschrieben wurden und in ihrer Verschiedenheit geradezu perfekt aufeinander abgestimmt waren, um die Aussage des Romans zu verdeutlichen.

Sprachlich gebührt neben dem Autor auch der Übersetzerin ein großes Lob. Die Sätze sind geschliffen formuliert, präzise und ohne überflüssige Schnörkel.

Dieser Roman verdient nicht nur wegen seines wunderschönen Covers einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal.
Ein großartiger Roman, der in starken Bildern eine tragische Geschichte erzählt und trotz allem tröstlich endet.