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gudrun4
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NWu

Bewertungen

Insgesamt 30 Bewertungen
Bewertung vom 17.01.2022
Ende in Sicht
von Rönne, Ronja

Ende in Sicht


weniger gut

Spannende Idee durch unpassenden Stil entwertet

Die Hörprobe war nicht der Anfang des Buches, sondern ein gut gewählter Abschnitt, der mich neugierig machte.  Um so enttäuschender dann das Hörbuch selbst, diese Art bemühter, ironisch humorvolle Stil gefällt mir nicht. Wenn mit Anstrengung nach “lustigen” Wortkombinationen - wie  z.B. obdachlose Worte; einen Schluck Kaffee inhalieren; der ihrer Stimme folgsam nach tanzende Graph ihrer Diktier-App - gesucht wird, ist das der Geschichte nicht zuträglich. Oft wirkt die Sprache gestelzt oder sperrig.  Sogar für Zitate aus dem Werbefernsehen war sich die Autorin nicht zu schade.  Nach einem Drittel des Buches erwischte ich mich bei der Frage: “Ist noch kein Ende in Sicht?” 
Dabei hatte ich mich sehr auf dieses Hörbuch gefreut. Die Inhaltsangabe klang hochinteressant, das Cover in seiner Schlichtheit ließ mich keinen Klamauk erwarten. Aber ich fand keinen Zugang zu den beiden Charakteren. Hella war mir unsympathisch, Juli blieb sehr undurchsichtig.  Die Konstellation Hella - Juli schien mir doch sehr weit hergeholt und dadurch fehlte die Identifikationsmöglichkeit mit wenigstens einer Person. Aber es gab auch Positives: Zwischendrin überraschten mich angenehm "normale Abschnitte", in denen die Problematik des vernachlässigten Teenagers und der Einsamkeit des gealterten Schlagerstars zu Tage traten. Doch führte alles, was die beiden über ihr Leben preisgaben, eher zu Mitleid als Interesse. 
Doch dann kamen wieder so aberwitzige Episoden wie im Schwimmbad, die ich bei einem gedruckten Buch überblättert hätte. Es passte einfach nichts zusammen.
Die erfolgreich von vielem Gelaber verdrängte Dramatik des Geschehens und das eigenartige Ende lassen bei mir die Frage im Raum stehen: Wem sollte ich dieses Buch empfehlen? Vielleicht Comedy-Fans? 
Ich habe mich durchgekämpft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.11.2021
Liebesnähe (eBook, ePUB)
Ortheil, Hanns-Josef

Liebesnähe (eBook, ePUB)


sehr gut

Wieviel Worte braucht die Liebe?
Es ist eine nicht alltägliche Liebesgeschichte, die sich innerhalb weniger Tage in der Abgeschiedenenheit eines Luxushotels im Gebirge abseits von Touristenzielen entwickelt.
Abwechselnd werden die Erlebnisse und Gedanken von IHM und IHR in separaten Kapiteln erzählt, dadurch weiß der Leser immer mehr als die Protagonisten, trotzdem aber fügen sich die interessanten Puzzleteile erst so tropfenweise zueinander, dass eine permanente Spannung entsteht. Dadurch können die Schilderungen der künstlerischen Projekte. an denen SIE arbeitet, welche die Handlung nur wenig voranbringen, nicht ermüdend werden.
Was macht die Handlung trotzdem so interessant? Es ist die Frage, wieviel Worte nötig sind, wenn man sich ganz auf eine geliebte Person einlässt. Es ist nichts mystisches oder übersinnliches dabei, es scheint eher einfach zu sein, wenn man genau beobachtet, die Situation wirken lässt und nicht mit banalem Smalltalk zerredet. Auf mich wirkt es dennoch streckenweise surreal: nie stört eine ganz alltägliche Situation, nie kommt zufällig jemand vorbei, der die magische Spannung zerreißt... die profane Welt ist ausgesperrt, einfach märchenhaft. Bereits in den ersten Kapiteln wurde aus dem "Kopfkissenbuch" von Sei Shonagon, dem Tagebuch einer japanischen Hofdame am Kaiserhof des 11. Jahrhunderts, zitiert. Ich habe mir davon eine Leseprobe besorgt, weil es doch die Gedankenwelt der Protagonisten verständlicher macht. Das soll aber nicht heißen, dass die "Liebesnähe" schwer zu lesen wäre! Im Gegenteil, die Sprache ist klar und dennoch so bildhaft, dass man alles "sieht". Mir hat dieses Buch gut gefallen.

Bewertung vom 08.09.2021
Der perfekte Kreis
Myers, Benjamin

Der perfekte Kreis


ausgezeichnet

Fantasievoll und ungewöhnlich

Das außergewöhnliche Cover hat mich magisch angezogen und diese Magie ist durch das gesamte Buch zu spüren. Es ist schon ein bisschen verrückt, über die 1989 in Südengland gehäuft auftretenden Kornkreise, ihre sehr realen, aber anonymen Schöpfer und die Reaktionen der Bevölkerung und der Presse zu lesen.
Aber es ist eine durchaus realistische und amüsante Sicht auf solche "mythischen" Ereignisse. Episodenhaft erzählt das Buch, gebunden an die die zehn im Laufe des Sommers entstehenden Objekte, die prägenden Erlebnisse in der Vergangenheit der beiden Protagonisten und macht dadurch deutlich, was sie antreibt, warum sie so und nicht anders können.
Redbone und Calvert haben ganz unterschiedliche Lebensläufe, aber beide haben viel Leid und Ungerechtigkeit gesehen und erlebt. Sie sind keine Philosophen, doch sie ziehen Schlüsse aus allem Erlebten und Beobachteten, die durchaus Allgemeingültigkeit haben; zum Beispiel die Diskussion um den perfekten Kreis, als Redbone behauptet, das nichts Menschengemachtes je perfekt sein könne.
Für beide ist die Essenz ihres Lebensziels: "Nähre den Mythos und strebe nach Schönheit."
Sie haben begriffen, dass Kriege und Streit nichts bringen, sondern nur zerstören. Deshalb finden sie Kraft in ihrer Leidenschaft für fantasievolle, noch nie da gewesene Kornkreise:
"Etwas zu erschaffen, das betört und verblüfft, das begeistert und verwirrt - etwas so Fantastisches und Faszinierendes und Unerwartetes -, etwas, das über Nacht auftaucht wie ein Pilz aus der Erde, ein Geschenk an die Menschen, … , ein radikales und wohltätiges Werk reinster und höchster Güte."
Dieses Buch ist nichts für Leute, die beim Lesen eine spannende Handlung zum Abschalten brauchen. Wenn man Freude an bilderreichen Landschaftsbeschreibungen, lebendigen Naturszenen sowie an skurrilen Gedankengängen und humorvollen Dialogen hat, kann man sich sehr wohl in diesen Geschichten fest lesen, über die Widersprüche des Daseins oder die Schönheit der Natur sinnieren und neue Sichten auf das Alltägliche gewinnen.
Ich habe die Lektüre genossen.

Bewertung vom 05.09.2021
Der Sucher
French, Tana

Der Sucher


gut

Sehr düster und beklemmend

Bisher kannte ich noch kein Buch von dieser Autorin.
Es ist eine düstere und beklemmende Geschichte in einem Dorf mit eigenen Regeln für das Zusammenleben und, wie es scheint, sehr eigenen Auffassungen von Recht und Gesetz. Für mich fühlte es sich sehr beklemmend an, was in so einer Dorfgemeinschaft passieren kann, was für Geschehnisse von allen toleriert werden und wie dadurch eine eigene Moral und eigenes Rechtsempfinden entsteht.
Ich wollte ein paarmal abbrechen, weil mir die derbe Sprache nicht gefiel, weil mir manche Brutalität zu vordergründig dargestellt wurde und manch innerer Monolog des "Suchers" Cal zwar interessant aber zu langatmig war. Ich musste einige Passagen diagonal überfliegen um zum Ende zu kommen.
Doch das Kind Trey wurde so eindringlich, feinfühlig und empathisch geschildert, dass ich dann doch wissen wollte, wie es ausgeht. Für mich war es einfach eine erschütternde Geschichte, zumal man annehmen muss, dass es reale Vorkommnisse dieser Art wirklich gibt.
Im Fall dieses irischen Dorfes handelt es sich nicht um Rassismus, aber um ähnliche Mechanismen wie Mobbing und Ausgrenzung. Dass dies auch vor 13-jährigen Kindern nicht Halt macht, fand ich verstörend.
Ich dachte immer, das kann sich doch nicht in der Gegenwart abspielen. Doch, es kann.
Ich würde dieses düstere Buch kein zweites Mal lesen und nur bedingt weiterempfehlen. Es gibt ja vielleicht Leser, die sich für dunkle Charaktere interessieren...

Bewertung vom 14.08.2021
Die Hebamme
Hoem, Edvard

Die Hebamme


ausgezeichnet

Ein mit historischen Karten und Titelfoto sehr schön gestalteter Einband stimmt auf den historischen Hintergrund ein. Dieser Roman ist etwas Besonderes: Alle handelnden Personen haben, verbürgt durch Eintragungen in Kirchenbücher und ähnliche Register, wirklich im 19. Jahrhundert im Norden Norwegens gelebt. Dass es dennoch ein Roman ist, liegt an den fehlenden Aufzeichnungen aus der Region. Edvard Hoem hat die Lücken kenntnisreich und einfühlsam so gefüllt, dass eine glaubhafte Geschichte entstanden ist. Beim Lesen wird man 200 Jahre zurück versetzt und es gelingt dem Autor fast spielerisch, Marta Kristine in ihrem Umfeld am Fjord lebendig werden zu lassen.
Ihr Leben ist voller Hürden und wird auch durch die Heirat mit ihrer großen Liebe Hans, der aus dem Krieg traumatisiert zurück kommt, nicht leichter. Doch Marta Kristine hat eine Vision: sie will Hebamme werden und als solche auch Anerkennung finden. Unbeirrt ordnet sie alles ihrem Ziel unter. Und sie schafft es!
Mich hat ihre Liebe zu Hans, der zwar immer an sie glaubt, praktisch aber kaum Unterstützung bei der Versorgung der Familie bringt, sehr beeindruckt. Er ist psychisch krank, macht Schulden, hat ständig unvernünftige Ideen, wie er zu Geld kommen könnte. Letztlich muss Marta Kristine nach seinem frühen Tod zusehen, wie ihr Hab und Gut versteigert wird, um die Gläubiger zu bedienen.
Sehr beeindruckend auch der Zusammenhalt in der Familie, Marta Kristine kann sich jederzeit auf ihre Eltern verlassen, auch ihre älteste Tochter opfert sich für ihre zahlreichen jüngeren Geschwister auf und ermöglicht so die zeitaufwändigen und nicht immer gefahrlosen Hebammeneinsätze ihrer Mutter.
Sicher hatte Hebammen-Stina ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Ihr Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, aus kleinen Dingen und glücklichen Momenten Kraft zu schöpfen, können uns auch heute Motivation sein.
Wer Norwegen schon einmal bereist hat, findet in diesem Buch nicht nur die Lebensgeschichte einer Hebamme vor 200 Jahren, sondern auch Bilder von alten Höfen, die man gerade aus ländlichen Gegenden im Norden vor seinem inneren Auge behalten hat.

Bewertung vom 05.07.2021
Der Brand
Krien, Daniela

Der Brand


ausgezeichnet

Allem vorangestellt: Dieses Buch sprach mich sofort ganz persönlich an und ich konnte es nicht wieder aus der Hand legen, habe es in einem Zug durchgelesen. Die Autorin könnte vom Alter her meine Tochter sein. Ihre einfühlsame Art, auch über Ältere zu schreiben, zeugt von Menschenkenntnis und guter Beobachtungsgabe. Alles in einer klaren, empathischen Sprache so zu formulieren, dass man sich in die handelnden Personen ohne Mühe hinein versetzen kann, macht das Buch für mich zu einem bemerkenswerten und nachhaltigen Leseerlebnis.
Der Brand - der Titel scheint mir nur für den Anfang des Buches passend. Das geplante Feriendomizil in den Bergen wird durch einen Brand kurz vor der Reise vernichtet. Deshalb zögert Rahel nicht, gemeinsam mit ihrem Ehemann Peter das Haus ihrer Tante für 3 Wochen zu hüten. 
Die plötzliche Krankheit ihres Onkels ist mindestens ein gleichwertiger Aufhänger für das folgende Geschehen.
Die drei Wochen auf dem Land entwickeln sich zu einer Bestandsaufnahme ihrer in die Jahre gekommenen Ehe. Anfänglich geht das Bestreben zur Auseinandersetzung mehr von Rahel aus, doch es zeigt sich, dass auch Peter durchaus davon profitiert, auszusprechen, was seine Befindlichkeit ausmacht.
Für die Leser entsteht durch die vielen Rückblenden ein dichtes Bild der ganzen Familie, sehr interessant dabei die Mutter-Tochter-Beziehungen in den verschiedenen Generationen.
Es ist nur folgerichtig, über den Einfluss der Eltern und Großeltern auf das eigene Schicksal nachzudenken. Daniela Kriehn macht das mit leichter Hand, unaufdringlich und dennoch eindringlich.
Ein tolles Buch und eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 02.07.2021
Das Land der Anderen
Slimani, Leïla

Das Land der Anderen


ausgezeichnet

Wenn man sich für Marokko und seine Geschichte interessiert, kann man dieses Buch nicht wieder aus der Hand legen.
Die junge Elsässerin Mathilde heiratet nach dem 2. Weltkrieg in Frankreich einen Marokkaner, ohne sich der Konsequenzen dieser Verbindung bewusst zu sein. Sie geht mit ihm in sein Heimatland, um der Enge ihrer Familie zu entfliehen, um Abenteuer zu erleben. Was sie findet, ist die Familie ihres Ehemannes und die Einschränkungen der fremden Kultur. Das Bild von Mathildes Leben in der Fremde, ihre anfängliche Naivität, die Unkenntnis der Kultur, der Gepflogenheiten rundet sich durch die Erzählung aus verschiedenen Perspektiven. Das Buch beschreibt ihre Entwicklung zu einer verantwortungsbewussten Frau und Mutter in einem fast hoffnungslosen Kampf um ihre Eigenständigkeit, ihre Würde als Frau.
Mathildes Weg ist von vielen Zweifeln geprägt, aber auch von ihrem starken Willen, etwas zu bewegen und gebraucht zu werden. Dabei muss sie vieles verkraften können, was sich ihr als Frau eines Marokkaners in dieser Zeit der Unabhängigkeitskämpfe in Marokko an Problemen und Feindseligkeiten in den Weg stellt.
Als sie nach dem Tod ihres Vaters für einige Zeit zu ihrer Familie reist, hält sie die eisige Kälte und das Unverständnis ihrer Schwester davon ab, dort zu bleiben und nie mehr nach Meknes zurückzukehren. Denn auch in Frankreich wird sie inzwischen als eine “Andere” gesehen. Sie gehört dort nicht mehr hin. Mathilde beginnt, ihren Platz bei ihrem Mann und ihren Kindern zu akzeptieren.
Viele Geschehnisse sind aus gegenwärtiger Sicht fast unvorstellbar. Doch die Demütigungen und Verletzungen, die aus dem Kolonialismus und Rassismus resultieren, werden so ergreifend beschrieben, dass sich das Mitgefühl beim Lesen sofort einstellt, obwohl man das Verhalten einzelner Personen mit unserem heutigen Wissen vielleicht für naiv oder unvernünftig halten mag.
Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, die klare und bildhafte Sprache ließen oft ein regelrechtes Kopfkino entstehen. Hier denke ich, muss man auch die Leistung der Übersetzerin würdigen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.07.2021
Fritz und Emma
Leciejewski, Barbara

Fritz und Emma


ausgezeichnet

Die zwei Handlungsebenen dieses Romans machen das Buch am Anfang sehr spannend. Der Erzählstrang in der Vergangenheit wirkt auf mich sehr stark, mich berührt das tragische Schicksal von Fritz und Emma sehr und ich überlege, ob es nicht doch schon in der Vergangenheit zu einem guten Ende hätte kommen können. Doch ich kann Fritz in seiner Angst nicht verurteilen, eher bewundere ich seine Entscheidung.
Die Handlung in der Gegenwart kommt zunächst ganz locker daher, Marie ist mir sofort sympathisch. Doch dann verstärkt sich immer mehr der Eindruck eines Lebenshilfebuches in Romanform. Voraussehbar und fast trivial wirkt alles, als Maries tatkräftige, optimistische und in ihrer Selbstlosigkeit fast unglaubwürdige Schwester auftaucht und ein ganzes Dorf umkrempelt. Was Sarah und Marie in dem verschlafenen Dorf auf die Beine stellen, ist im höchsten Maße unglaubhaft, es funktioniert alles wie im Märchen, alle spielen mit. Zwischenrein erfährt man immer mehr von Emmas und Fritz Lebenslauf. Das zumindest ist nicht so trivial, sondern spannend und gelungen erzählt. Doch auch hier neigt die Autorin zu Übertreibungen: Muss ausgerechnet der Flugunfall in Ramstein auch noch das Schicksal der beiden beeinflussen? - Doch dank Marie endet alles schön simpel und vorhersehbar und der Pfarrer muss auch nicht seiner Frau zuliebe den Job hinschmeißen...
Es war durchaus unterhaltsame Lektüre, aber nur für Leute, die viel Zeit haben und mal einen gefühlvollen Heile-Welt-Roman lesen wollen.

Bewertung vom 21.03.2021
Als wir uns die Welt versprachen (eBook, ePUB)
Casagrande, Romina

Als wir uns die Welt versprachen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein wunderbares Buch!
Edna, eine hochbetagte Südtirolerin, macht eine abenteuerliche Reise aus dem Etschtal nach Ravensburg, um ihrem Freund aus Kindertagen seinen Papagei zurückzubringen und damit ein Versprechen einzulösen.
Der Leser wird mitgenommen, erlebt die guten, die beängstigenden, die hoffnungsvollen und dramatischen Momente hautnah mit. Mir gefiel am Roman ganz besonders, dass die Erzählungen der Kindheitserlebnisse, Erinnerungen und Träume ganz gekonnt in diese Reise eingewoben wurden, immer nur gerade so viel, dass sie die Neugier des Lesers nicht ganz befriedigten und die Spannung hoch hielten. So lernt man Ednas Leben Stück für Stück kennen.
Die Erlebnisse der kleinen Edna haben mich sehr berührt. Die Schilderung der historischen Tatsachen um die „Schwabenkinder“ am Beispiel von Edna und Jacob auf dem Hof bei Ravensburg fand ich erschütternd, gerade aus der Sicht von Edna konnten sie nicht eindrucksvoller erzählt werden. Soziale Ungerechtigkeit als Quelle unendlichen Leides, unfassbar, was damals tausenden Kindern angetan wurde.
Die Reise selbst mit allen unvorhersehbaren Wendungen und Schwierigkeiten fand ich unerhört beeindruckend. Dass da immer Menschen waren, die an Ednas Reise Anteil nahmen, ihr aus fast ausweglosen Situationen halfen oder sie begleiteten, schien mir fast ein wenig fantastisch. Doch dafür war es ein Roman.
Auch die Rolle von Papagei Emil, zuerst als Hoffnungsträger der beiden Kinder, dann als Objekt ihrer Fürsorge und später als Schlüsselfigur für die Zugehörigkeit zu Jacob machte die Geschichte so faszinierend. Und gelungen ist auch der überraschende, wunderbare Schluss der Geschichte.
Fazit:
Ich hatte den Eindruck, dass die Seiten nur so flogen. Dieses Buch hatte alles:
Ein bisschen Märchenhaftes, viel Spannung und Abenteuer, eine Menge Zwischenmenschliches, und ein ganzes Stück Zeitgeschichte das aber niemals trocken oder moralisierend daher kam, eher ziemlich verrückt. Und diese Mischung fand ich sehr ansprechend.
Der starke Wille, diese daraus wachsende Kraft der alten Dame sind Mutmacher für alt gewordene Menschen, die noch nicht zum alten Eisen gelegt werden wollen. Absolut lesenswert!

Bewertung vom 08.10.2020
Ada (eBook, ePUB)
Berkel, Christian

Ada (eBook, ePUB)


sehr gut

Ada erzählt ihrem Psychiater ihre Lebensgeschichte. Da ist sie Mitte Vierzig und erinnert sich an erstaunlich vieles aus ihrer Kindheit und Jugend und versucht dabei Antworten zu finden. Was hat sie zu der werden lassen, die sie geworden ist? War es nur die Reaktion auf ihre Mutter und deren Art, durch Verschweigen allen unliebsamen Fragen aus dem Weg zu gehen, auf die Ablehnung, die Ada zu spüren glaubte?
Ada ist in Argentinien und Westberlin aufgewachsen in Zeiten, in denen ich selbst wohlbehütet in einer intakten Familie auf dem Land nahe Leipzig groß wurde und von den Studentenunruhen, Drogen und Wohngemeinschaften nur aus den damals zugänglichen Medien wusste. Um so spannender, diese Zeiten mal aus völlig anderer Perspektive kennenzulernen. Auch die Kapitel, die in Paris 1968 handeln und natürlich Woodstock waren sehr eindrucksvoll. Die Unmittelbarkeit von Adas Erzählung wirkt sehr authentisch und hat mich sehr gefesselt.
Den Punktabzug musste ich machen, weil ich das Buch in sich nicht ganz stimmig fand, es gab große zeitliche Lücken, für die mir das Verständnis fehlt. Urplötzlich waren wir in den Neunziger Jahren, das Ende kam abrupt und ich verstand nicht, wieso. Vielleicht muss man doch den "Apfelbaum" vorher gelesen haben? - Ich werde mir dieses erste Buch von Christian Berkel als nächstes vornehmen, denn seine Erzählweise finde ich gut. VIelleicht füllt das ja die offenen Lücken.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.