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Benutzername: 
gudrun4
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NWu

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 24.03.2022
Via Torino
Leuthner, Aja

Via Torino


gut

Bewegende Familiengeschichte um drei starke Frauen

Dieser Roman erzählt von 3 Frauen: Großmutter, Mutter und Tochter, die sich sowohl in Italien als auch Deutschland behauptet haben. Das klang im Klappentext sehr interessant, aber es brauchte mehr als ein halbes Buch, bis man sich in das Gewirr von Zeitebenen hineingefunden hatte. Es gab ja nicht nur 3 Zeitebenen, sondern sie überschnitten sich oder waren sogar für ein und dieselbe Person (z.B. Rosalia 2012 weit vor Rosalia 1995) nicht chronologisch. Wären die Charaktere nicht so fesselnd gewesen, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, eine Liste von Namen und Jahreszahlen anzulegen. Ich hätte dieses verwirrende und unnötige Spiel mit Zukünftigem, Gegenwärtigem und Vergangenem einfach nicht mehr weiter gelesen.
Ich habe mich gefragt, was es dem Leser gebracht hat, mitten in den Wirren der Arbeiteraufstände in Turin urplötzlich in die 70er Jahre nach München zu wechseln, zu erfahren, dass da ein Kind aufwächst und wegen seines italienischen Vaters in der Schule gemobbt wird.
Ich könnte noch jede Menge weiterer Beispiele finden, die das Lesen sinnlos erschwert haben. Einzig das letzte Drittel war für mich logisch aufgebaut und führte gerade durch die Sichtwechsel der 3 Frauen zu einem hervorragend und stimmig gestalteten Ende.
Sehr gut hat mir der in den Sechziger Jahren beginnende Handlungsstrang um Eleonora gefallen, die einzige der drei Frauen mit unbelasteter Kindheit, die einfach aus der Überzeugung, dass die Welt gerechter werden muss, zur Unterstützung der Aufständischen bei Fiat nach Turin ging und dort u.a. ihren späteren Ehemann, einen Sizilianer kennen lernte. Aus dieser Verbindung entstanden für Ihre gemeinsame Tochter Rosalia und die Enkelin Milena aus ganz unterschiedlichen Gründen Probleme. Rosalia versuchte es mit Totschweigen, Milena mit Neugier und unbändiger Energie, die Geschehnisse zu verarbeiten, bzw den Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Das alles hätte tatsächlich einen viel spannenderen und besser lesbaren Aufbau des Buches verdient.

Bewertung vom 08.03.2022
Die Kinder sind Könige
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


ausgezeichnet

Ein brisantes Thema
Dieses Buch behandelt ein Thema, dass vermutlich sehr viele angeht: die Darstellung der Privatsphäre von Kindern im Internet, das Marketing mit Kindern und die daraus möglicherweise erwachsenden Folgen, unmittelbar oder auch erst viel später.
Die Autorin zeichnet das Bild einer Mutter, Melanie, die ihre Kinder im Internet vermarktet und überzeugt ist, ihnen damit nur Gutes zu tun. “Die Kinder sind Könige” betont sie in der Öffentlichkeit. Ihr gegenüber steht die Polizistin Clara, die diese virtuelle Welt in solch einer Ausprägung überhaupt nicht kannte und eine Kindesentführung aufklären muss, die anscheinend auf solche Medien zurückgeht.
Solange die Autorin erzählt, ist der Stil flüssig und gut zu lesen. Die Charaktere sind so gezeichnet, dass man ihre Handlungen und Motive versteht, ja sogar Mitgefühl entwickeln kann. Im Fall von Melanie gelingt mir das immer schlechter, obwohl ich begreife, dass sie die Defizite ihrer Kindheit und Jugend den eigenen Kindern ersparen will. Mir ist ihre Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen ihrer Kinder unheimlich. Die Lebensläufe von Melanie und Clara werden in Rückblenden teils mosaikartig, teils chronologisch sehr ausführlich erzählt. Das erklärt viele ihrer Motivationen und Verhaltensmuster.
In jedem Kapitel sind Vernehmungsprotokolle und systematische Analysen der Youtubevideos eingefügt. Die heben sich von der Erzählung schon durch ein geändertes Schriftbild deutlich ab. Das sieht zwar auf den ersten Blick sehr technisch aus, zerhackt auch scheinbar die Handlung, sorgt aber auch dafür, dass sich das Bild der handelnden Personen rundet, besonders die Kinder betreffend.
Claras akribische und scharfsinnige Ermittlungsarbeit und ihr immer wieder dabei aufkommendes Entsetzen über die Mechanismen im Milieu der Influencer lassen auch beim Leser den Atem stocken.
Auch wenn der Roman streckenweise sehr dokumentarisch wirkt, sorgen überraschende Wendungen immer wieder für Spannung. Sehr gelungen finde ich das in die Zukunft verlegte Ende des Romans.
Das ganze Buch ist eine Fiktion. Zum Glück, möchte man meinen. Doch es ist auch eine sehr beklemmende Analyse unserer aktuellen Welt der sozialen Medien.
Dieses Buch sollten Eltern lesen. Doch ob es solche obsessiven Influencer wie Melanie in die Finger kriegen, wage ich zu bezweifeln.

Bewertung vom 05.03.2022
Kaiserstuhl
Glaser, Brigitte

Kaiserstuhl


sehr gut

Zwischen 1962 und 1963, in der Zeit der beginnenden deutsch-französischen Freundschaft, spielt diese bis in höchste diplomatische Kreise reichende Geschichte über die Verwirrungen und Aufregungen um eine ganz spezielle Champagnerflasche des Jahrgangs 1937.
Rückblenden und die Erinnerungen der fiktiven Hauptgestalten Henny und Paul, Kätter und Kaspar, lassen die Ereignisse ab 1938 aus deren ganz privater Sicht lebendig werden. Die historisch verbürgten Ereignisse der Annäherung von De Gaulle und Adenauer, die im Deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1963 gipfelten, wurden derart raffiniert und spannend mit der fiktiven Geschichte der Protagonisten verwoben, dass man als Leserin fast nebenbei fundierte Geschichtskenntnisse vermittelt bekommt
Doch die Dramatik der Handlung resultiert nicht nur aus der Frage: Was ist an dieser Champagnerflasche aus dem Jahre 1937, dass sie unbedingt bis zu dieser Vertragsunterzeichnung gefunden werden und nicht in die falschen Hände gelangen darf, sondern vor allem auch aus Hennys Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit, mit ihrer Schuld, die sie an einem glücklichen Leben mit Paul gehindert hat.
Ob "Kaiserstuhl" der einzig passende Titel für diesen Roman ist, erschließt sich mir nicht, denn hier geht es durchaus um mehr, als das Weingut von Kätter, der Schwiegermutter von Henny. Für mich gleich wichtig ist Pauls Geschichte, seine Verbindung zum Elsass und seine Liebe zum Kino, die er an Kaspar, Hennys Ziehsohn, weitergegeben hat.
Für noch mehr Lesegenuss wäre es tatsächlich gut, einige der zitierten Filmklassiker gesehen zu haben.

Mein Fazit:
Ein spannender Roman, der sehr aufwändig recherchierte historische Fakten mit einer spannenden Handlung kombiniert und sich mit den Problemen von Angst, Verrat, Liebe, Ehrlichkeit und Vergebung auseinandersetzt.

Bewertung vom 24.01.2022
Brummps
Zipfel, Dita;Davies, Bea

Brummps


ausgezeichnet

Wirklich ein Kinderbuch ab Sechs?
Mit diesem Buch hatte ich als Oma viel Spaß beim Lesen, habe nicht nur einmal laut gelacht.
Allerdings musste ich mich immer wieder fragen: Ist diese Sprache für kleine Leser wirklich angemessen?
Mit der Geschichte als solche haben Kinder sicher keine Probleme und auf eine warmherzige Art werden Themen wie Anderssein, kulturelle Unterschiede, Mobbing, aber auch Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Liebe angegangen. Dabei kam der Humor nicht zu kurz, oft jedoch zu ironisch oder hintersinnig für Grundschulkinder. Doch weil die Handlung spannend ist, werden die kleinen Leser sicher dran bleiben. Insofern ist es tatsächlich ein Buch für die ganze Familie und wahrscheinlich am Besten zum Vorlesen.
In Verbindung mit den fantasievollen Illustrationen hat mir das Buch sehr gut gefallen, wenngleich die Texte auf dunklem oder unruhigem Hintergrund oft schwer lesbar waren. Meine Enkel im Alter von 8 und 10 Jahren haben Übung im Lesen von Comics, das werden sie bei solch einem Buch brauchen können.

Bewertung vom 17.01.2022
Ende in Sicht
von Rönne, Ronja

Ende in Sicht


weniger gut

Spannende Idee durch unpassenden Stil entwertet

Die Hörprobe war nicht der Anfang des Buches, sondern ein gut gewählter Abschnitt, der mich neugierig machte.  Um so enttäuschender dann das Hörbuch selbst, diese Art bemühter, ironisch humorvolle Stil gefällt mir nicht. Wenn mit Anstrengung nach “lustigen” Wortkombinationen - wie  z.B. obdachlose Worte; einen Schluck Kaffee inhalieren; der ihrer Stimme folgsam nach tanzende Graph ihrer Diktier-App - gesucht wird, ist das der Geschichte nicht zuträglich. Oft wirkt die Sprache gestelzt oder sperrig.  Sogar für Zitate aus dem Werbefernsehen war sich die Autorin nicht zu schade.  Nach einem Drittel des Buches erwischte ich mich bei der Frage: “Ist noch kein Ende in Sicht?” 
Dabei hatte ich mich sehr auf dieses Hörbuch gefreut. Die Inhaltsangabe klang hochinteressant, das Cover in seiner Schlichtheit ließ mich keinen Klamauk erwarten. Aber ich fand keinen Zugang zu den beiden Charakteren. Hella war mir unsympathisch, Juli blieb sehr undurchsichtig.  Die Konstellation Hella - Juli schien mir doch sehr weit hergeholt und dadurch fehlte die Identifikationsmöglichkeit mit wenigstens einer Person. Aber es gab auch Positives: Zwischendrin überraschten mich angenehm "normale Abschnitte", in denen die Problematik des vernachlässigten Teenagers und der Einsamkeit des gealterten Schlagerstars zu Tage traten. Doch führte alles, was die beiden über ihr Leben preisgaben, eher zu Mitleid als Interesse. 
Doch dann kamen wieder so aberwitzige Episoden wie im Schwimmbad, die ich bei einem gedruckten Buch überblättert hätte. Es passte einfach nichts zusammen.
Die erfolgreich von vielem Gelaber verdrängte Dramatik des Geschehens und das eigenartige Ende lassen bei mir die Frage im Raum stehen: Wem sollte ich dieses Buch empfehlen? Vielleicht Comedy-Fans? 
Ich habe mich durchgekämpft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.11.2021
Liebesnähe (eBook, ePUB)
Ortheil, Hanns-Josef

Liebesnähe (eBook, ePUB)


sehr gut

Wieviel Worte braucht die Liebe?
Es ist eine nicht alltägliche Liebesgeschichte, die sich innerhalb weniger Tage in der Abgeschiedenenheit eines Luxushotels im Gebirge abseits von Touristenzielen entwickelt.
Abwechselnd werden die Erlebnisse und Gedanken von IHM und IHR in separaten Kapiteln erzählt, dadurch weiß der Leser immer mehr als die Protagonisten, trotzdem aber fügen sich die interessanten Puzzleteile erst so tropfenweise zueinander, dass eine permanente Spannung entsteht. Dadurch können die Schilderungen der künstlerischen Projekte. an denen SIE arbeitet, welche die Handlung nur wenig voranbringen, nicht ermüdend werden.
Was macht die Handlung trotzdem so interessant? Es ist die Frage, wieviel Worte nötig sind, wenn man sich ganz auf eine geliebte Person einlässt. Es ist nichts mystisches oder übersinnliches dabei, es scheint eher einfach zu sein, wenn man genau beobachtet, die Situation wirken lässt und nicht mit banalem Smalltalk zerredet. Auf mich wirkt es dennoch streckenweise surreal: nie stört eine ganz alltägliche Situation, nie kommt zufällig jemand vorbei, der die magische Spannung zerreißt... die profane Welt ist ausgesperrt, einfach märchenhaft. Bereits in den ersten Kapiteln wurde aus dem "Kopfkissenbuch" von Sei Shonagon, dem Tagebuch einer japanischen Hofdame am Kaiserhof des 11. Jahrhunderts, zitiert. Ich habe mir davon eine Leseprobe besorgt, weil es doch die Gedankenwelt der Protagonisten verständlicher macht. Das soll aber nicht heißen, dass die "Liebesnähe" schwer zu lesen wäre! Im Gegenteil, die Sprache ist klar und dennoch so bildhaft, dass man alles "sieht". Mir hat dieses Buch gut gefallen.

Bewertung vom 08.09.2021
Der perfekte Kreis
Myers, Benjamin

Der perfekte Kreis


ausgezeichnet

Fantasievoll und ungewöhnlich

Das außergewöhnliche Cover hat mich magisch angezogen und diese Magie ist durch das gesamte Buch zu spüren. Es ist schon ein bisschen verrückt, über die 1989 in Südengland gehäuft auftretenden Kornkreise, ihre sehr realen, aber anonymen Schöpfer und die Reaktionen der Bevölkerung und der Presse zu lesen.
Aber es ist eine durchaus realistische und amüsante Sicht auf solche "mythischen" Ereignisse. Episodenhaft erzählt das Buch, gebunden an die die zehn im Laufe des Sommers entstehenden Objekte, die prägenden Erlebnisse in der Vergangenheit der beiden Protagonisten und macht dadurch deutlich, was sie antreibt, warum sie so und nicht anders können.
Redbone und Calvert haben ganz unterschiedliche Lebensläufe, aber beide haben viel Leid und Ungerechtigkeit gesehen und erlebt. Sie sind keine Philosophen, doch sie ziehen Schlüsse aus allem Erlebten und Beobachteten, die durchaus Allgemeingültigkeit haben; zum Beispiel die Diskussion um den perfekten Kreis, als Redbone behauptet, das nichts Menschengemachtes je perfekt sein könne.
Für beide ist die Essenz ihres Lebensziels: "Nähre den Mythos und strebe nach Schönheit."
Sie haben begriffen, dass Kriege und Streit nichts bringen, sondern nur zerstören. Deshalb finden sie Kraft in ihrer Leidenschaft für fantasievolle, noch nie da gewesene Kornkreise:
"Etwas zu erschaffen, das betört und verblüfft, das begeistert und verwirrt - etwas so Fantastisches und Faszinierendes und Unerwartetes -, etwas, das über Nacht auftaucht wie ein Pilz aus der Erde, ein Geschenk an die Menschen, … , ein radikales und wohltätiges Werk reinster und höchster Güte."
Dieses Buch ist nichts für Leute, die beim Lesen eine spannende Handlung zum Abschalten brauchen. Wenn man Freude an bilderreichen Landschaftsbeschreibungen, lebendigen Naturszenen sowie an skurrilen Gedankengängen und humorvollen Dialogen hat, kann man sich sehr wohl in diesen Geschichten fest lesen, über die Widersprüche des Daseins oder die Schönheit der Natur sinnieren und neue Sichten auf das Alltägliche gewinnen.
Ich habe die Lektüre genossen.

Bewertung vom 05.09.2021
Der Sucher
French, Tana

Der Sucher


gut

Sehr düster und beklemmend

Bisher kannte ich noch kein Buch von dieser Autorin.
Es ist eine düstere und beklemmende Geschichte in einem Dorf mit eigenen Regeln für das Zusammenleben und, wie es scheint, sehr eigenen Auffassungen von Recht und Gesetz. Für mich fühlte es sich sehr beklemmend an, was in so einer Dorfgemeinschaft passieren kann, was für Geschehnisse von allen toleriert werden und wie dadurch eine eigene Moral und eigenes Rechtsempfinden entsteht.
Ich wollte ein paarmal abbrechen, weil mir die derbe Sprache nicht gefiel, weil mir manche Brutalität zu vordergründig dargestellt wurde und manch innerer Monolog des "Suchers" Cal zwar interessant aber zu langatmig war. Ich musste einige Passagen diagonal überfliegen um zum Ende zu kommen.
Doch das Kind Trey wurde so eindringlich, feinfühlig und empathisch geschildert, dass ich dann doch wissen wollte, wie es ausgeht. Für mich war es einfach eine erschütternde Geschichte, zumal man annehmen muss, dass es reale Vorkommnisse dieser Art wirklich gibt.
Im Fall dieses irischen Dorfes handelt es sich nicht um Rassismus, aber um ähnliche Mechanismen wie Mobbing und Ausgrenzung. Dass dies auch vor 13-jährigen Kindern nicht Halt macht, fand ich verstörend.
Ich dachte immer, das kann sich doch nicht in der Gegenwart abspielen. Doch, es kann.
Ich würde dieses düstere Buch kein zweites Mal lesen und nur bedingt weiterempfehlen. Es gibt ja vielleicht Leser, die sich für dunkle Charaktere interessieren...

Bewertung vom 14.08.2021
Die Hebamme
Hoem, Edvard

Die Hebamme


ausgezeichnet

Ein mit historischen Karten und Titelfoto sehr schön gestalteter Einband stimmt auf den historischen Hintergrund ein. Dieser Roman ist etwas Besonderes: Alle handelnden Personen haben, verbürgt durch Eintragungen in Kirchenbücher und ähnliche Register, wirklich im 19. Jahrhundert im Norden Norwegens gelebt. Dass es dennoch ein Roman ist, liegt an den fehlenden Aufzeichnungen aus der Region. Edvard Hoem hat die Lücken kenntnisreich und einfühlsam so gefüllt, dass eine glaubhafte Geschichte entstanden ist. Beim Lesen wird man 200 Jahre zurück versetzt und es gelingt dem Autor fast spielerisch, Marta Kristine in ihrem Umfeld am Fjord lebendig werden zu lassen.
Ihr Leben ist voller Hürden und wird auch durch die Heirat mit ihrer großen Liebe Hans, der aus dem Krieg traumatisiert zurück kommt, nicht leichter. Doch Marta Kristine hat eine Vision: sie will Hebamme werden und als solche auch Anerkennung finden. Unbeirrt ordnet sie alles ihrem Ziel unter. Und sie schafft es!
Mich hat ihre Liebe zu Hans, der zwar immer an sie glaubt, praktisch aber kaum Unterstützung bei der Versorgung der Familie bringt, sehr beeindruckt. Er ist psychisch krank, macht Schulden, hat ständig unvernünftige Ideen, wie er zu Geld kommen könnte. Letztlich muss Marta Kristine nach seinem frühen Tod zusehen, wie ihr Hab und Gut versteigert wird, um die Gläubiger zu bedienen.
Sehr beeindruckend auch der Zusammenhalt in der Familie, Marta Kristine kann sich jederzeit auf ihre Eltern verlassen, auch ihre älteste Tochter opfert sich für ihre zahlreichen jüngeren Geschwister auf und ermöglicht so die zeitaufwändigen und nicht immer gefahrlosen Hebammeneinsätze ihrer Mutter.
Sicher hatte Hebammen-Stina ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Ihr Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, aus kleinen Dingen und glücklichen Momenten Kraft zu schöpfen, können uns auch heute Motivation sein.
Wer Norwegen schon einmal bereist hat, findet in diesem Buch nicht nur die Lebensgeschichte einer Hebamme vor 200 Jahren, sondern auch Bilder von alten Höfen, die man gerade aus ländlichen Gegenden im Norden vor seinem inneren Auge behalten hat.

Bewertung vom 05.07.2021
Der Brand
Krien, Daniela

Der Brand


ausgezeichnet

Allem vorangestellt: Dieses Buch sprach mich sofort ganz persönlich an und ich konnte es nicht wieder aus der Hand legen, habe es in einem Zug durchgelesen. Die Autorin könnte vom Alter her meine Tochter sein. Ihre einfühlsame Art, auch über Ältere zu schreiben, zeugt von Menschenkenntnis und guter Beobachtungsgabe. Alles in einer klaren, empathischen Sprache so zu formulieren, dass man sich in die handelnden Personen ohne Mühe hinein versetzen kann, macht das Buch für mich zu einem bemerkenswerten und nachhaltigen Leseerlebnis.
Der Brand - der Titel scheint mir nur für den Anfang des Buches passend. Das geplante Feriendomizil in den Bergen wird durch einen Brand kurz vor der Reise vernichtet. Deshalb zögert Rahel nicht, gemeinsam mit ihrem Ehemann Peter das Haus ihrer Tante für 3 Wochen zu hüten. 
Die plötzliche Krankheit ihres Onkels ist mindestens ein gleichwertiger Aufhänger für das folgende Geschehen.
Die drei Wochen auf dem Land entwickeln sich zu einer Bestandsaufnahme ihrer in die Jahre gekommenen Ehe. Anfänglich geht das Bestreben zur Auseinandersetzung mehr von Rahel aus, doch es zeigt sich, dass auch Peter durchaus davon profitiert, auszusprechen, was seine Befindlichkeit ausmacht.
Für die Leser entsteht durch die vielen Rückblenden ein dichtes Bild der ganzen Familie, sehr interessant dabei die Mutter-Tochter-Beziehungen in den verschiedenen Generationen.
Es ist nur folgerichtig, über den Einfluss der Eltern und Großeltern auf das eigene Schicksal nachzudenken. Daniela Kriehn macht das mit leichter Hand, unaufdringlich und dennoch eindringlich.
Ein tolles Buch und eine unbedingte Leseempfehlung!