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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 585 Bewertungen
Bewertung vom 19.09.2023
Verlogen / Mörderisches Island Bd.2
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlogen / Mörderisches Island Bd.2


ausgezeichnet

Ein rundum gelungener Kriminalroman

Ein Hochgenuss war für mich die Lektüre dieses Kriminalromans. Denn er enthält alles, was das Leserherz erfreut: einen über die Seiten hinweg andauernden Spannungsbogen, eine geschickt und mehrbödig sich entwickelnde Story, psychologisch logisch nachvollziehbare Protagonisten und einen flüssig-lebendigen Sprachstil.

Marianna, eine völlig überforderte alleinerziehende Mutter, verschwindet spurlos. Alle vermuten Selbstmord. Doch sieben Monate später wird ihre Leiche in einem Lavafeld vollkommen verwest entdeckt. Marianna war zweifelsfrei ermordet worden. Kommissarin Elma und ihr Team beginnen den damalig vermuteten Suizid neu aufzurollen und entdecken völlig Unerwartetes…

Zu Beginn der Lektüre hatte ich einige Schwierigkeiten, die Fülle an Namen zeitlich und in ihren Beziehungen zueinander geordnet in meinem Kopf zu sortieren, da die Autorin immer wieder die Zeitperspektive wechselt. Vermutlich hätte die Kenntnis des ersten Bandes diese Schwierigkeiten zu vermeiden geholfen. Das hilfreiche Personenverzeichnis entdeckte ich leider erst ganz zum Schluss der Lektüre. Dennoch war ich sehr schnell von der raffiniert sich entwickelnden Geschichte fasziniert. Immer wieder gab es neue Wendungen, immer wieder wurde ich als Leserin völlig überrascht. Immer wieder ergaben sich neue Sichtweisen, sodass ich mit meinen Vermutungen und Überlegungen immer wieder in Sackgassen geriet. Die Autorin versteht es perfekt, durch einen gekonnt flüssig-lebendigen Sprachstil und die raffiniert gestrickte Geschichte den Spannungsbogen stets hoch zu halten. In die psychologisch klug dargestellten Protagonisten konnte ich mich gut einfinden. Ganz besonders beeindruckt war ich jedoch von den feinen Schilderungen der isländischen Landschaft, die den idealen Rahmen bildeten zu diesem rundum empfehlenswerten Kriminalroman.

Bewertung vom 29.08.2023
KRYO - Die Verheißung
Ivanov, Petra

KRYO - Die Verheißung


sehr gut

Ist Leben ohne Tod möglich?

Auf diesen vorliegenden Thriller, den ersten Band einer geplanten Trilogie, war ich sehr gespannt. Die Autorin ist Gerichtsreporterin und Journalistin, kann also sowohl gut beobachten als auch gut schreiben. Zudem ist sorgfältige Recherche Grundlage ihres Berufes. Genau deshalb hatte ich durchaus hohe Erwartungen an dieses Buch, insbesondere wegen des brisanten Themas.
Zum Inhalt: Nichts lässt größeren Umsatz erwarten als das Versprechen auf Überwindung des Todes. So arbeiten große Unternehmen weltweit auf ganz unterschiedlichen Wegen an der Erforschung, das menschliche Leben zu verlängern. Doch welche Forschungswege sind ethisch vertretbar, welche nicht? Können Maschinen tatsächlich menschliches Bewusstsein übernehmen? Der angehende Arzt und Journalist Michael Wild stellt solche und weitere Fragen. Sein plötzliches Verschwinden zwingt Julia, seine Mutter, eine Frau mit brisanter Vergangenheit, aus ihrem zurückgezogenen Leben herauszutreten. Ihre Nachforschungen bringen sie jedoch in allergrößte Gefahr.
Glücklicherweise wurde dem Buch ein Personenverzeichnis vorangestellt. Denn durch die Zeitsprünge und die vielen Personen kommt man beim Lesen leicht durcheinander, auch wenn der Schreibstil als solcher leicht und gut lesbar ist. Mir persönlich fehlte irgendwie die Möglichkeit, mich emotional mit den Protagonisten zu verbinden. Zu nüchtern, zu verstandesmäßig orientiert wurden die handelnden Personen dargestellt. Den Schwerpunkt legte die Autorin ganz offensichtlich auf wissenschaftliche Erläuterungen, auf die Ergebnisse ihrer durchaus fundiert wirkenden Recherchen. Interessant einerseits und eigene Überlegungen anregend, den Spannungsbogen andererseits jedoch immer wieder unterbrechend.
Fazit: Ein Thriller, der mit seiner brisanten Thematik, wissenschaftlich gut recherchiert, punktet, dabei jedoch die erzählerisch-emotionale und Spannung gebende Seite eines Thrillers ein wenig vernachlässigt.

Bewertung vom 22.08.2023
Ein Fluss so rot und schwarz
Ryan, Anthony

Ein Fluss so rot und schwarz


ausgezeichnet

Ein kraftvoller Roman, schaurig und nachdenkenswert

Anhand der kurzen Inhaltsangabe auf dem Buchrücken konnte ich mir nicht im Geringsten vorstellen, was die Lektüre dieses dystopischen Romanes in mir auslösen würde. Das Buch ist von einer immens großen und grausamen Kraft, die einen Schauder nach dem anderen über den Rücken jagt.

Das Szenario ist beängstigend: Sechs Menschen, die auf einem selbststeuernden Militärschiff erwachen, neben einer Leiche. Sechs Menschen, denen jegliche Erinnerung geraubt worden war. Sechs Menschen mit ganz unterschiedlichen, fast automatisch ablaufenden Fähigkeiten. Durch dichten Nebel dringen grauenhafte Schreie. Über ein Satellitentelefon erhalten die sechs Menschen von einer Maschinenstimme Anweisungen, ohne weitere Erklärungen oder Informationen. Sie erkennen, dass sie immer näher der völlig zerstörten Stadt London kommen. Und dass die auf dem Schiff reichlich vorhandenen Waffen nicht genug sein werden für ihre Mission…
Wann wird eine Dystopie zum lange nachwirkenden Albtraum? Wenn sie brillant geschrieben ist zum einen. Und brillant geschrieben ist dieser Roman. Man hört, man riecht, man sieht als Leser Ungeheuerliches in seinem Kopfkino entstehen. Anthony Ryan schreibt entsetzlich intensiv, eindringlich, schonungslos und tief erschreckend. Und eine Dystopie wird zum lange nachwirkenden Albtraum, wenn ihre Handlung unserer vertrauten realen Welt ganz nah kommt, sodass man sie nicht als Fantasy abtun kann. Sondern das wahre Grauen entsteht durch den Gedanken, dass das Beschriebene in einer gar nicht so fernen Zukunft so oder ähnlich geschehen könnte. Wie nah sind wir im realen Leben der Apokalypse? Wann wendet sich die Umwelt endgültig gegen uns, gegen uns Menschen, die wir uns so arrogant die Welt gefügig machen wollen? Wenn Mutation der Motor der Evaluation ist, was geschieht, wenn wir Mutation steuern können? Wenn eine Dystopie Fragen wie diese auslöst, ist sie viel mehr als nur schaurige Unterhaltung. Und genau das ist Anthony Ryan mit dem vorliegenden Roman perfekt gelungen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.08.2023
Das Pferd im Brunnen
Tscheplanowa, Valery

Das Pferd im Brunnen


gut

Starke Sprache, verwirrende Erzählweise

in kleines Buch mit luxuriösem Lesebändchen, mit einem augenverwirrenden Cover und in einer augenunfreundlichen Schrift. Die Inhaltsangabe machte neugierig. Doch die Lektüre ließ mich verwirrt zurück – also sehr passend zum Cover. Ein Buch, für das ich nur die Beurteilung „einerseits – andererseits“ finde.

Zum Inhalt verweise ich ausnahmsweise auf die Verlagsangabe. Mir persönlich ist es nicht möglich, einen roten Faden zu finden, anhand dessen ich eine Handlung in Kurzform erzählen könnte. Die Autorin erzählt teils autobiographisch, wie ich annehme, von vier verschiedenen Frauen aus ihrer Familie, jede für sich in dieser Familie besonders, eigen, teils skurril wirkend, immer aber hart zu sich selbst und zu anderen, vielleicht liebend, aber es nie zeigend.

Einen gelungenen Titel hat das Buch, denn die Geschichte des Pferdes im Brunnen, die dem Kind erzählt wird, steht für die Vision einer anderen Welt, jenseits unserer Realität. Und genauso erzählt die Autorin. Nie weiß man, woran man ist. Ist es Realität, ist es Lüge, ist es Fantasie, ist es Traum, ist es Wunsch? Und so komme ich zum Einerseits: Bestechend schön ist die Sprache, in der Valery Tscheplanowa erzählt. Sie schreibt in einer außerordentlich starken, bildhaft-poetischen Sprache. Was sie schildert, hat man bei Lektüre sofort bildhaft vor Augen. Andererseits jedoch besteht aus Buch aus Erzählsplittern, die weder chronologisch noch von Erzählerseite irgendeiner Ordnung folgen. Erinnerungen legen sich über Gegenwärtiges und ergeben ein neues Muster. Für mich äußerst verwirrend. Von der Lektüre ist mir außer der Freude an der starken Sprache nur geblieben, dass die Großmutter „das hässliche Gift, niemand zu brauchen“ weitergegeben hat. Vielleicht auch an die Autorin, die sich nicht sonderlich darum bemühte, verstanden zu werden.
Fazit: Starke Sprache – verwirrende Erzählweise

Bewertung vom 10.08.2023
Tasmanien
Giordano, Paolo

Tasmanien


ausgezeichnet

Ein großer Roman

Für dieses Buch waren mir die vorgegebenen 3 Wochen Lesezeit zu kurz. Deshalb ist dieser Versuch einer Rezension eben nur ein Versuch. Denn dieses Buch von Paolo Giordano ist irgendwie nicht fassbar, nicht einordenbar und doch zutiefst verstörend. Es ist kein Sachbuch, obwohl viel sachlich Wissenswertes darin zu finden ist. Es nennt sich zwar Roman, aber auch mit diesem Begriff hadere ich, obwohl er per definitionem richtig ist. Fiktionales Nachdenken über die mögliche Zukunft, philosophisches Nachdenken über Gegenwart und Zukunft, also der Spagat zwischen unserem realen Sein und dem fiktiv Denkbaren – nichts weniger als all das wird in der Schilderung des Mannes Paolo vereint.
Paolo ist gerade mal knapp 40, von Beruf Journalist. Dass seine Frau die frustranen Versuche künstlicher Befruchtung einstellt, wird zur Lebenskrise für Paolo. Und so flieht er zur Klimakonferenz nach Paris, spricht mit Fachleuten über klimatische Phänomene und über Terrorismus, er reist um die Welt, um seinem eigenen Leben zu entfliehen und gleichzeitig die Schrecken der möglichen Zukunft zu erdenken.
Das Buch ist in seiner Tiefgründigkeit nicht einfach nur schnell durchzulesen. Immer wieder lohnt es sich, Pausen beim Lesen zu machen und nachzuforschen, wo man selbst gedanklich steht, ob man Paolo folgen kann in seinem Versuch, der Zukunft einen Hoffnungsschimmer zu verleihen oder ob man eher dazu neigt, die Zuversicht zu verlieren aufgrund der drohenden und zu erwartenden Katastrophen. Der treffend schöne Sprachstil erfordert ebenso ein sehr sorgsames, aufmerksames Lesen. Für mich ist „Tasmanien“ ein Buch, das ich immer wieder neu in die Hand nehmen möchte, weil es mich von Mal zu Mal neu dazu herausfordert, mich den existentiellen Fragen zu stellen und mein persönliches Tasmanien zu suchen. Paolo Giordano hat hier meiner Meinung nach einen wirklich großen Roman geschaffen.

Bewertung vom 10.08.2023
Kontur eines Lebens
Robben, Jaap

Kontur eines Lebens


ausgezeichnet

Tief bewegend

Die Lektüre dieses Buches hat mich umgehauen. Vielleicht, weil ich fast so alt bin wie Frieda, die Erzählerin im Buch, und weil ich sowohl die Sechzigerjahre mit ihren strengen Moralvorstellungen aus eigenem Erleben kenne, als auch das Alter mit seinen zunehmenden Einschränkungen und den immer öfter rückgerichteten Erinnerungen an das gelebte Leben. Das Buch hat mich aber auch umgehauen, weil sein Erzählstil so treffend ist, so mit leichter Hand, in kurzen Sätzen geschrieben, in die Tiefe der Gefühlswelt von Frieda eintauchend und sowohl ein Zeitbild als auch ein Seelenbild abgibt, wie es treffender und stimmiger nicht sein könnte.
Der Roman bewegt sich auf zwei Zeitebenen: Da lernen wir die 81-jährige Frieda im Seniorenheim kennen. Soeben hat sie ihren Mann begraben, der stets für sie da gewesen war. Sie kämpft mit dem zunehmenden körperlichen Verfall und mit der Trauer um ihren Mann. Sie lebt in ihrer eigenen Welt, fordert ihre Bedürfnisse ein und zeigt kaum Empathie für ihren Sohn und dessen Frau. Und so empfindet der Leser wenig Sympathie für Frieda. Immer öfter schweifen ihre Erinnerungen zurück in die Zeit, als sie eine junge, naive Frau in den Sechzigerjahren war, Floristin von Beruf. Hier liegt eine traumatische Erfahrung, geschuldet dem katholisch geprägten Umfeld und der strengen Moralvorstellungen dieser Zeit. Denn ihre Liebe zum verheirateten Otto hatte Folgen, ein Skandal! Die Puzzlestücke der Erinnerungen formen sich für den Leser nach und nach zu einem Teil von Friedas Leben mit einer tief im Inneren verschlossenen unendlichen Trauer, die sich schließlich unerwartet Bahn bricht. Und spätestens da empfindet man als Leser uneingeschränktes Mitempfinden für Frieda – und für so viele Frauen, denen es so oder ähnlich ergangen ist in diesen moralisch gnadenlosen Zeiten.

Jaap Robben hat einen Roman geschrieben, der ergreifend ist, tief bewegend, und doch mit leichter Hand, ohne Larmoyanz erzählend. Ein starkes, ein sensibles Buch, dessen Lektüre emotional tief berührt.

Bewertung vom 02.08.2023
Mein Leben als einsamer Axolotl
Bondestam, Linda

Mein Leben als einsamer Axolotl


ausgezeichnet

Hinreißend gestaltetes Bilderbuch über unsere geschundene Welt

Die finnische Autorin hat ein ganz besonderes Bilderbuch geschaffen, das sowohl vom Text her als auch von den Illustrationen und der dahinterstehenden Botschaft absolut ungewöhnlich und besonders ist. Ein Bilderbuch, das für Vorschulkinder in allen Facetten vielleicht noch nicht verständlich ist, aber das beim Vorlesen und begleitenden Gesprächen mit den vorlesenden Erwachsenen durchaus seine Botschaft verständlich werden lässt. Und ein Bilderbuch, das älteren Kindern und Erwachsenen mehr als Herz geht als man vielleicht erwartet.

Der namenlose Axolotl ist der letzte seiner Art. Er ist einsam, aber er freut sich dennoch seines Lebens. Er erfreut sich an Fundstücken, die die Plumplinge ins Wasser werfen. Er besucht die Unterwasserschule und hat eine Weile lustige Tigersalamander-Freunde, bis diese an Land auswandern. Das Wasser wird trüber, die Luft wird heißer, die Einsamkeit wird größer. Bis eine Riesenwelle den Axolotl durch die Gegend schleudert und er, völlig unerwartet, in eine neue Zukunft startet.

Von der naiv wirkenden, aber unsagbar eindringlichen Gestaltungskraft von Linda Bondestam bin ich hingerissen. Ich wüsste nicht, welche Geschichte über die Zerbrechlichkeit unserer Erde mir bisher so sehr ans Herz gegangen wäre. Der liebenswerte Axolotl, der sich mit allem, was ist, zufrieden gibt, hat es verdient, zu überleben und letztlich sein Glück zu finden. Vielleicht ganz ohne Plumplinge. Denn die Erde weiß sich zu helfen. Wenig einfacher und doch sehr aussagekräftiger Text ist eingebettet in intensivfarbige großflächige Illustrationen, aus denen der winzige Axolotl hervorscheint. Vieles aus unserer gegenwärtigen Umwelt lässt sich in den Bildern finden. Und der Wandel, den die Erde vollzieht, ist elementar. Was Plumpiane nicht schaffen, gelingt Axolotl wie von selbst: unerschöpflicher Lebensmut.

Bewertung vom 23.07.2023
Memora Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit
Pfeiffer, Marikka

Memora Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit


sehr gut

Ein Kinderbuch, fantasievoll-spannend trotz der etwas komplizierten Zeitreisen

Dieses Buch war für mich eine rundum positive Entdeckung! Die Geschichte enthält im Grunde alles, was ein gutes Kinderbuch ausmacht. Zunächst eine spannende Handlung, denn was gibt es spannenderes, als die Möglichkeit der Zeitreisen zu entdecken? Dazu kommen noch handelnde Personen, die den Leser nicht kalt lassen, im Guten wie im Negativen. Dies alles angesiedelt in einem Ambiente, das wie geschaffen ist für fantastische Geschichten. Und nicht zuletzt ist neben reicher Fantasie auch ein ganz klein wenig Sinnhaftigkeit dabei.

Holly war mit großer Freude ganz allein aufgebrochen zu Memora Castle, einem großen Herrenhaus, um dort Tante Claire zu besuchen, ihre Lieblingstante. Doch Tante Claire ist nicht da, besser gesagt, sie ist wie vom Erdboden verschwunden. Die grantigen Bediensteten geben keinerlei Erklärung. Es ist kalt, der Koffer von Holly ist unterwegs verloren gegangen, und Holly friert. Sie inspiziert aus Langeweile das alte Haus und wundert sich über eine gemalte Tür auf der Balustrade und den seltsamen Kuckuck in der Standuhr. Glücklicherweise kommen Cousine Ilana und ihr Stiefbruder Janko zu Besuch, und gemeinsam versuchen sie, den Rätseln des Hauses und der Zeit auf die Spur zu kommen.

Ein schönes Thema hat die Autorin gewählt: Durch den Schleier zwischen den Zeiten hindurchgehen und dabei die Geheimnisse der Familie aufdecken und dabei erfahren, wie wichtig Erinnerungen sind. Denn Erinnerungen sind magisch, sie enthalten den gesamten Reichtum des Lebens. Und genau deshalb sollte man seine Tage so oft wie möglich mit Gutem und Schönem anfüllen. Die Szenen werden sehr plastisch und eindrücklich geschildert, auch die Wege des Entdeckens sind nachvollziehbar. Leider entstehen durch allerlei notwendige theoretische Erklärungen, wie, warum und wann die Zeitreisen funktionieren oder nicht, gewisse Längen im Text, die die eigentlich spannende Handlung unterbrechen. Und leider beschränken sich die Illustrationen auf kleine Vignetten zum Kapitelanfang. Ein paar Zeichnungen mehr im Text hätten dem Buch und der Lesefreude sicher gut getan.

Fazit: Ein spannendes Kinderbuch, fantasievoll und bildhaft geschrieben. Die etwas komplizierten und erklärungsbedürftigen Zeitreisen sind trotz kleiner Längen im Text aufregend geschildert. Die Geschichte eignet sich sehr gut zum Selberlesen ab 10 Jahren und zum Vorlesen ab 8 Jahren.

Bewertung vom 18.07.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


weniger gut

Ratlos

Am besten gelungen am Buch ist meiner Meinung nach das Cover. Es zeigt ein Dorf, versteckt hinter Schilf. Und genau das wollen die Oblivisten, deren verschrobenes Anliegen ist, das Dorf Nincshof im Burgenland in die Vergessenheit zu führen. Erst wenn keine Fremden, keine Durchreisenden, keine Touristen mehr nach Nincshof kommen, könnte das Dorf in völliger Ruhe und Freiheit leben, so wie es nach historischer Überlieferung schon einmal geschehen war. Erna Rohdiebl, die freiheitsliebende alte Frau, wollen die Oblivisten dazu bewegen, ihre Pläne, den Ort verschwinden zu lassen, zu unterstützen. Doch Planung und Wirklichkeit passen wie so oft nicht zusammen.

Um es klar zu sagen: Was die Autorin uns mit ihrem Roman sagen will, ist und bleibt mir schleierhaft. Der Roman mäandert zwischen volkstümelnder Heimatliebe und politisch fragwürdigen Gedankenexzessen. Teils komisch, teils unendlich langweilig, teils surreal wandert die Handlung von Ruanda über Bosnien zum Nachbarpool und verliert sich in reichsbürgerähnlichen Fantasien. Zusammenhanglos reihen sich einzelne Szenen aneinander ohne Tragweite für das Gesamtgeschehen. Für mich ohne erkennbaren Sinn. Der Text ist meist leicht lesbar, an weiteren Stellen dröge langweilig und mitunter mit seltsam pseudoliterarischen, gewollt wirkenden Wortbildern geschmückt. Uneinheitlich also.

Ein Roman, den ich nicht ernst nehmen kann, weder vom Inhalt noch vom Schreibstil her. Allein schon die Bezeichnung „Roman“ erscheint mir überhöht zu sein. Aber vielleicht fehlt mir auch einfach nur das Verständnis für dieses Buch.

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Bewertung vom 11.07.2023
Die Zeitreisende
Lemper, Ute

Die Zeitreisende


ausgezeichnet

Ein absoluter Lese-Leckerbissen


Normalerweise sind Autobiographien, von Prominenten (oder Ghostwritern) geschrieben, nur mäßig interessant und vor allen Dingen sprachlich ohne Anspruch. Das Buch von und über Ute Lemper, zum 60. Geburtstag herausgebracht, ist eine rühmliche Ausnahme. Ute Lemper haben wir in Deutschland irgendwie aus den Augen verloren, obwohl sie doch eine der Wenigen ist, die sich ein echter Weltstar nennen darf und auf die wir stolz sein könnten. Ihre Vielseitigkeit, ihr überragendes Können als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin, kurzum als beeindruckende Künstlerin, hat die Welt überzeugt. Dazu kommt für mich nach Lektüre des Buches noch ihre außerordentliche schriftstellerische Begabung. Das Buch lohnt sich zu lesen!



Ute Lemper hat schon einmal vor Jahren eine Autobiographie geschrieben. Aus dieser zitiert sie in der ersten Buchhälfte sehr viel, aber nicht aus Bequemlichkeit, sondern unter gleichzeitiger Reflektion ihrer Entwicklung seit diesem ca. 30 Jahre alten ersten Buch. Solch eine Reflektionsfähigkeit ist wahrlich nicht jedem Künstler gegeben. Sie beschreibt die hellen und dunklen Seiten ihres prall vollen Künstlerlebens ungeschönt, offen und selbstkritisch. Immer aber spricht aus den Erzählungen ihre unabdingbare Leidenschaft für ihr Tun. Sie weiß was sie kann, wurde mit vielen Preisen im Verlauf ihrer Weltkarriere ausgezeichnet, aber sie zeigt sich an keiner Stelle im Buch überheblich. Wir gewinnen einen tiefen Einblick in die vielen Facetten des Denkens und Fühlens der Ute Lemper als Künstlerin, als Mensch, als Frau, als Mutter. Und wir dürfen erahnen, welch ungeheuere Bandbreite ihr künstlerischen Tun auszeichnet. Ihre hellwachen Gedanken zu zeitgeschichtlichen Ereignissen fand ich ebenso interessant. Was für mich das Buch jedoch zusätzlich zu einer besonderen Lektüre machte, war die wunderbare, teilweise fast poetisch zu nennende Sprache, in der Ute Lemper erzählt. Ihr gelingt es auf beeindruckende Weise, Innerseelisches in Wortbilder zu fassen. Manche Sätze möchte man am liebsten in großen Buchstaben an die Wand hängen.



Kurzum: Eine außergewöhnlich gut geschriebene, facettenreiche und sehr offene Autobiographie einer Vollblutkünstlerin und ein echter Lese-Leckerbissen!