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katl2

Bewertungen

Insgesamt 36 Bewertungen
Bewertung vom 01.01.2022
Pyria (eBook, ePUB)
Bedelis, Elin

Pyria (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Schatten. Sie sind Leéns einzige Chance, ihren Vater aus dem Gefängnis zu holen. Die berüchtigten Handlanger des schwarzen Fürsten, die ihre Mitgliedschaft durch weiße Handschuhe kennzeichnen, sind zwar alles andere als hilfsbereit, aber Leén hat keine andere Wahl. Machairi, der Messerdämon bietet ihr einen Handel an – wenn sie bereit ist, ihn auf eine Reise zu begleiten, würde er ihren Wunsch erfüllen. Mangelns Alternernativen schließt sie sich dem Schatten uns seinem Gefolge an und begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse.
Sprache und Stil
Vier verschiedene Perspektiven erzählen die aufregende Reise des Schattens durch einen unbekannten Kontinent. Gwyn, Vica, Mico und Leén – sie alle nehmen unterschiedliche Dinge wahr, legen, geprägt durch ihre Vergangenheit, auf andere Sachen wert und zeigen durch ihre persönlichen Gedanken und Gefühle, wie facettenreich und vielschichtig das Leben und die Menschen sind. Besonders durch die unterschiedlichen Betrachtungsweisen des Schattens, dem jeder von ihnen einen anderen Namen gibt, um ihn nicht Machairi zu nennen, verdeutlicht dies.
Elin Bedelis benutzt eine beschreibende Sprache, die die Welt rund um Machairi zum Leben erweckt. Lange, verschachtelte Sätze sowie persönliche Gedanken bringen die Charaktere unglaublich nahe. Sie findet eine perfekte Mischung zwischen Aktion reichen Handlungssträngen und ruhigeren Szenen, die keineswegs langweilig werden.
Der Schatten der Geschichte
Machairi, der Messerdämon, steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Unberechenbar und tödlich strahlt er eine unglaubliche Anziehungskraft aus, der sich keiner entziehen kann – ebenso wenig wie ihm kaum einer für längere Zeit in die Augen blicken kann. Ein menschlicher Dämon oder ein dämonischer Mensch ohne Skrupel – er ist beides und dennoch etwas völlig anderes. Ein Schatten mit einem Ziel, das niemand kennt.
Fazit
Pyria ist ein faszinierendes Buch. Eine völlig neue Welt, erzählt von vier Charakteren, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Die unerfahrene Leén, der grimmige Mico, der gutgelaunte und die blinde und misstrauische Vica. Sie alle verbindet nur eines – sie sind der Anhang von Machairi, dem Messerdämon. Farbenfroh und packend erzählt Elin Bedelis die Geschichte von einem Schatten und seinem Gefolge, von Magie und der Frage nach Treue. Ein gelungener Auftakt eines Fantasyromans – absolut empfehlenswert für jeden, der dieses Genre liebt.

Bewertung vom 09.11.2021
Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1
Weigold, Christof

Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1


ausgezeichnet

Der Schatten der Goldenen Zwanziger

Ein erfolgloser Schauspieler ist in Hollywood keine Seltenheit. Hardy Engel ist nur einer von vielen. Sein Versuch, als Privatdetektiv über die Runden zu kommen, ist ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt. Bis eines Tages eine attraktive, rothaarige Frau um eine Audienz bei ihm bittet. Und mit einem Schlag ändert sich im Leben von Hardy Engel alles. Seine Ermittlungen führen ihn hinter die Bühnen und Scheinwerferlichter von Hollywood zu den dunklen und verdorbenen Geheimnissen der Filmwelt. Schnell wird ihm klar, dass hier nichts so ist, wie es scheint und dass es manche Vorfälle gibt, die nie in das Licht der Öffentlichkeit geraten sollen.

Der Detektiv

Hardys Wunsch, ein Komiker zu werden, ist nicht sonderlich von Erfolg gekrönt und so beschießt er, sich seine Erfahrungen als Polizist zunutze zu machen und beschließt, Privatdetektiv zu werden, anfangs mit einer niedrigen Beschäftigungsrate. Ein unscheinbarer Auftrag ändert dann alles. Seine Hartnäckigkeit und sein Talent, stehts zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, stoßen den zynischen und sturköpfigen Hardy mitten hinein in die Welt des Filmes, wo es von Geheimnissen und Unwahrheiten nur so wimmelt. Doch für Hardy Engel ist klar, dass er letztendlich nur der Wahrheit dient. Und die will er finden, koste es was es wolle.

Ein Platz, an dem Träume zur Wirklichkeit werden

Hollywood – ein Platz voller Träume, berühmter Persönlichkeiten und ein Himmel auf Erden. Zumindest scheint es so. Christof Weigold malt ein anderes Bild von Hollywood. Drogen, Alkoholismus und sexuelle Vergnügungen stehen an der Tagesordnung der großen Stars. Die vermittelte Illusion existiert nicht, und doch kämpft die Filmbranche darum, eben jene Illusion aufrecht zu erhalten. Doch der Skandal, der durch den Tod von Virginia Rappe ausgelöst wird, lässt die Fassade bröckeln und ermöglicht den Medien einen Blick hinter die sorgsam verborgenen Kulissen. Die Aufregung ist groß. Zeitungen erkennen ihre Chance zu Massenabnahmen ihrer Schlagzeilen, die Filmproduzenten fürchten um ihren Ruf, Schauspieler und Produzenten haben Angst um ihre Karriere. Am Ende ist sich jeder selbst der nächste. Und, wie Hardy später klarstellt: Im Krieg und im Film ist die Wahrheit das erste Opfer.

Fazit

Ein spannungsgeladener, actionreicher Kriminalroman der 1920er Jahre. Unerwartete Richtungsänderungen und Entwicklungen machen die Handlung unberechenbar und sorgen für eine fesselndes Leseereignis. Hardy Engel ist ein symphytischer Ermittler, der sich seiner eigenen Schwächen und Fehler durchaus bewusst ist und mit seinem zynisch-ironischen Blick auf die übertriebene Welt um ihn herum, einen angenehmen Gegenpol zu den undurchsichtigen Persönlichkeiten des Buches bildet. Ich habe diesen Ausflug in die Goldenen Zwanziger genossen, jede einzelne Seite davon. Für Menschen, die verwickelte Handlungsstränge lieben, ein absolutes Muss.

Bewertung vom 26.10.2021
Die Clique der Ehrlosen (eBook, ePUB)
Majhen, Thomas

Die Clique der Ehrlosen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Geschichten von und über den 2.WK sind bekannt, erschütternd und grausam, aber bis zu einem gewissen Grand sie sie ähnlich – Geschichten von den Tagen an der Front, die bedrückenden Erzählungen von Menschen, die das KZ überlebt haben, der pure Wille zu Überleben bei der Bevölkerung.
Thomas Majhen wählt einen neuen Winkel: durch die Augen eines Offiziers, Hans Oster, und eines Jungen, Christoph Goeben, berichtet er vom Vorabend des Krieges.
Bei Hans Oster steht die Blomberg-Fitsch-Affäre im Zentrum der Erzählungen. Seine Teile sind wie ein spannend geschriebenes Geschichtebuch – zahlreiche Namen und Fakten, die der Autor in einen spannend geschriebenen Kontext verpackt hat.
Christoph Goeben erlebt erster Hand die Veränderung der Bevölkerung: das systematische Verschwinden der jüdischen und nicht-deutschen Bevölkerung, der wachsende Druck der Gesellschaft zur Parteibeitritt, die schrittweise Ausbildung zu Soldaten. Die Leichtigkeit der Jungs schwindet im Schatten der Hakenkreuze.
Fazit
Ein großartiges Buch. Thomas Majhen liebt lange, verschachtelte Sätze, die ideal auf mein normales Leseverhalten abgestimmt war. Für Leserinnen und Leser, die kurze, einfache Satzstrukturen bevorzugen, könnte das Buch etwas mühsam werden. Der Inhalt ist hervorragend recherchiert und aufgearbeitet. Ein historischer Roman, dem es an Spannung und Fakten nicht fehlt.

Bewertung vom 02.10.2021
Das Lied der Alemannen (eBook, ePUB)
Fernandez, Thomas

Das Lied der Alemannen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Alemannen lebten friedlich und im Einklang mit der Natur in den Wäldern des Schwarzwaldes. Doch dann kamen die Franken, und die Welt begann sich zu ändern. Missionare versuchten den Glauben des Alemannen und die damit verbundenen Bräuche und Rituale auszulöschen. Sie wollten sie zu wahren Gott führen. Dabei brandschatzten sie heilige Orte und verhängten hohe Strafen gegenüber denen, die sich gegen die neuen Gesetze auflehnten. In dieser turbulenten und brutalen Zeit wuchs der junge Folkwart heran. Ganz nach den Traditionen der Alemannen. Doch Verrat ist den Alemannen nicht fremd und schon bald muss Folkwart beweisen, dass er der Tücke und Verschlagenheit der Missionare gewachsen war.
Ein Volk des Waldes
Die Geschichte spielt zu einem Zeitpunkt des Aufbruchs. Der Glaube der Alemannen war fest in der Natur verankert. Geister, Gestaltwandler und die Kräfte der Bäume. Runen und Zauber bringen erfolgreiche Ernte und helfen bei Verletzungen oder Schmerzen. Thomas Fernandez wirft mit seinem Buch einen Blick auf die Lebensweise des Volkes. Rechtsprechung, Begräbnisse, Hochzeiten. Auf die Sitten und Bräuche der Alemannen. Diesen Traditionen steht ein neuer Glaube gegenüber. Ohne Rücksicht werden die Menschen missioniert. Wer nicht gehorcht, wird bestraft. Nur wenige wagen es, aufzustehen. Mut, Treue, Ehre und Tapferkeit stehen Feigheit, Gier, Faulheit und dem menschlichen Streben nach Macht gegenüber. Ein unglaublich faszinierendes Buch, das von einem Volk erzählt, das ich bisher nicht gekannt habe.
Und im Hintergrund erklingt die Laute
Der Autor benutzt eine beinahe poetische Sprache, mit der er den Klang dieses Werkes perfekt zur Geltung bringt. Leicht verständliche erzählt er seine Geschichte in moderne Sprache. Und dennoch erkennt man das Lied der Alemannen im Hintergrund. Wie die alten Heldengesänge erzählt dieses hier seine Geschichte. Die Geschichte eines Mannes, dessen Volk dem Untergang geweiht ist. Schwingt in den Kapiteln der Christen die Härte und Unnachgiebigkeit der Kirchenvertreter wider, erlebt man bei den Teilen der alemannischen Kultur den warmen Hauch der Melancholie.
Fazit
Ich habe dieses Buch verschlungen. Die Art und Weise wie der Autor sein Wissen über die Alemannen verpackt hat, ist einzigartig. Man lernt ein altes Volk kennen, so als wäre man mitten im Geschehen. Die detailreiche und beinahe epische Schreibweise passt zu der Geschichte wie die Faust aufs Auge. Absolut empfehlenswert für alle, die es lieben, Geschichte hautnah zu erleben.

Bewertung vom 03.09.2021
Schach mit dem Tod
Jacobsen, Steffen

Schach mit dem Tod


ausgezeichnet

Ein Blick hinter die Kulissen

Das Jahr 1945. Während in Europa der 2. Weltkrieg tobt, arbeiten Wissenschaftler aus aller Welt an einem mehr oder weniger geheimen Projekt: der Erschaffung der ersten Atombombe, die den Krieg gegen das Nazi-Deutschland und vor allem gegen die Japaner entscheiden soll. Der Elektrotechniker David Adler wird zu diesem Forscherkreis, der unter dem Decknamen Manhatten-Projekt arbeitet, hinzugezogen. Als Fachkraft und Verwandter von Nils Bohr erlebt er diesen weltverändernden Prozess hautnah mit. Doch im Krieg ist, wie in der Liebe, alles erlaubt und die Grenzen zwischen den verschiedenen Fronten sind nicht so eindeutig, wie es den Anschein hat. Intrigen, Spionage und eigene Interessen beeinflussen den Lauf der Dinge, während der Augenblick der Bombenzündung immer näher rückt.

Manhatten-Projekt, 1945

Steffen Jacobsen entführt in eine Welt der Spionage und der Wissenschaft in eine Zeit, an der die Welt gespalten war. Tod und Gewalt regierten. Die eine Seite des Atlantiks versank im Blut, während auf der anderen die Köpfe rauchten, auf der Suche nach einer Lösung, eine Bombe zu erschaffen, die mehr Zerstörung anrichtet, als sich je irgendjemand vorstellen konnte. Gemeinsam mit David taucht man ein in die Ränge der Wissenschaftler. Ein berühmter Name wechselt den vorherigen ab. Niels Bohr, Robert Oppenheimer, George Kistiakowsky. Sie alle sind beteiligt bei diesem haarsträubenden Experiment, das die Welt für immer verändert hat.

Sprache und Spannungsbogen

Kurz und knackig, ohne unnötige Schnörkellein berichtet Steffen Jacobsen die historischen Ereignisse. Hautnah erlebt man die Männer hinter den großen Namen. Erkennt ihre Macken und Fehler, ihre Visionen und Taten. Fiktion und Fakten vermischen sich zu einem atemberaubenden Leseerlebnis, das sich nur schwer aus der Hand legen lässt. Fachliche Analysen werden auf eine Sprache heruntergebrochen, die es auch einem Laien möglich machen, den Aufbau und die Wirkungsweise einer Atombombe nachvollziehen zu können. Die ständige Angst vor Spionage, die die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit verspüren, erhöht den aufgebauten Druck innerhalb der Geschichte zusätzlich. Beinahe hört man die Uhr im Hintergrund ticken, die das Ende unweigerlich näherbringt.

David Adler

Ein Mann mit einem klaren Ziel: seine Familie zu beschützen. Als Jude zur Zeit des Nationalsozialismus ist das keine leichte Aufgabe. Intelligent und sympathisch, sucht er einen Weg, das Unmögliche zu erreichen. Er trennt sich von seiner Familie, versucht Geld zu verdienen, um sie nachholen zu können. Obwohl er kein Wissenschaftler ist, kommt er mit den Fachjargons und Eigenheiten der Gruppe gut zurecht. Er findet seinen Platz in einer Gesellschaft, die nicht unbedingt die seine ist. Je weiter das Buch voranschreitet desto mehr lernt man Davids Vergangenheit kennen und schnell wird klar, dass auch seine Weste nicht so rein ist, wie es zunächst den
Anschein hat.

Fazit

Ein packender Thriller, gewürzt mit Fakten und wissenschaftlichen Erklärungen. Ein intelligenter Held, gefangen in einer grausamen und brutalen Zeit, der mir durch seine Fehler und moralische Einstellung sehr ans Herz gewachsen ist. Das Buch bietet einen Blick hinter die Kulissen der Weltgeschichte, einen Blick auf die Männer hinter den großen Namen der Wissenschaft und den Weg von der Idee bis zur zerstörerischen Energie der Atombombe.

Bewertung vom 12.08.2021
Ein neuer Morgen für Samuel
Druart, Ruth

Ein neuer Morgen für Samuel


ausgezeichnet

Der Franzose Jean-Luc lebt schon seit Jahren mit seiner Frau und ihrem Sohn Samuel in den USA. Eines Tages wird er von schwarz gekleideten Männern von Zuhause abgeholt und Jean-Luc wird unfreiwillig erneut mit seiner Vergangenheit konfrontiert. 1944 verrichtete er Frankreich seinen Dienst als Gleisarbeiter. Züge sieht er nie. Antworten bekommt er keine. Doch dann kommt es zu einem technischen Effekt und mit einem Schlag ändert sich sein ganzes Leben.
Aufbau und Spannungsbogen
Die Geschichte, die uns Ruth Druart hier präsentiert, gliedert sich in zwei Abschnitte: zum einen spielt sie in der Vergangenheit – in Frankreich des Jahres 1944 und zum anderen in der Gegenwart, die von dieser Zeit stark beeinflusst wird. Obwohl man das Schicksal der verschiedenen Charaktere durch die Kapitel in der Gegenwart und den Klappentext bereits kennt, ist es eine interessante und durchaus spannende Reise. Das Buch ist an keiner Stelle langatmig oder fad. Wie ein junger Bach plätschert sie unaufhörlich dahin – manchmal schneller, gelegentlich etwas langsamer. Aber stets in Bewegung. Eine Geschichte, die fesselt bis zum Schluss.
Schreibstil
Die Autorin besitzt ein unglaubliches Fingerspitzengefühl, dass bei einer solchen Handlung auch von Nöten ist. Trotz der düsteren Thematik besitzt sie einen leichten Schreibstil, so als würde sie auf Zehenspitzen durch das Leben tanzen. Auf den ersten Blick scheint dieser Stil nicht zu dieser Art von Geschichte passen, aber dem ist nicht so. Mit viel Emotion und moralischen Konflikten zieht Ruth Druat in ihren Bann. Was würdest du in einer solchen Situation tun? Was ist richtig, was ist falsch? Sie stellt diese Fragen, ohne zu richten, ohne zu urteilen. Sie stehen im Raum und gehen nicht mehr aus dem Kopf.
Charaktere
Die Geschichte wird von fünf Charakteren erzählt: von Jean-Luc, seiner Frau Charlotte, Samuels Eltern David und Sarah und von dem Jungen selbst. Die unterschiedlichen Erzählperspektiven beleuchten die Geschichte von allen Seiten. Denkweisen und Handlungen werden klarer, verständlicher. Sie alle haben ihre Fehler, ihre Macken und Eigenheiten. Sie sind nicht perfekt. Keiner von ihnen. Und deshalb wachsen sie einem ans Herz. Weil sie ihre Fehler machen, diese einsehen und versuchen daraus zu lernen.
Fazit
Ein wunderbares Buch, das hoffentlich noch viele Menschen lesen werden. Es erzählt von einer Zeit, die man nicht vergessen sollte, in der Menschen Unaussprechliches erleben mussten, die Zahlreiche nicht überlebt haben. Bücher darüber gibt es viele. Aber dieses ist anders. Es erzählt nicht nur vom Schmerz und vom Tod, sondern richtet seinen Fokus auf ein kleines Stückchen Hoffnung: auf den kleinen Samuel, der überlebte.

Bewertung vom 08.08.2021
Dampfer ab Triest
Neuwirth, Günter

Dampfer ab Triest


ausgezeichnet

Gefahr auf hoher See
Brunos Leben verläuft friedlich und in geregelten Bahnen. Sein Leben gefällt ihm und um ehrlich zu sein hat er keine Lust, an Bord der Thalia über das Mittelmeer zu schippern und heimlicher Bodyguard des Grafen Urbanau zu sein. Doch sein Vorgesetzter lässt ihm keine Wahl. Unauffällig mischt er sich unter die anderen Fahrgäste, fest davon überzeugt, dass seine Anwesenheit völlig überflüssig ist. Doch er sollte sich irren.
Triest, 1907
Die Geschichte beginnt einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg in der Hafenstadt Triest, die damals noch Teil der Österreich-Ungarischen Habsburgermonarchie war. Mit schriftstellerischem Geschick und Fingerspitzengefühl gelingt es dem Autor nicht nur frühere Sprachgewohnheiten und Redensarten wieder zum Leben zu erwecken, sondern bietet auch einen interessanten Blick auf die Denk- und Lebensweisen der Menschen von damals. Moderne Technik steht der Nostalgie gegenüber, der Kampf der Frauen nach Freiheit und Rechten den strengen Normen der Gesellschaft, der Wunsch nach Unabhängigkeit einzelner Volksstämme gegen herrschende Monarchien. Eine turbulente Zeit, die unterschiedlichste Strömungen und Denkweisen aufgewiesen hat und die Günter Neuwirth eine fabelhafte Kulisse für seine Geschichte geboten hat.
Sprache und Stil
Der Autor versucht das Leben von damals, durch den Gebrauch von fremdartigen Ausdrücken und Sprechweisen näher zu bringen. Während mir sein Stil sehr gefallen hat und ich gut damit zurecht gekommen bin, gibt es bestimmt Leserinnen und Leser, die die moderne Sprache vorziehen und das Lesen dadurch etwas beschwerlicher finden. Die Sprache passt zu der Zeit, in der die Handlung stattfindet, aber sie ist nicht für jeden was.
Der Handlungsverlauf und Charaktere
Die Geschichte beginnt ganz im Zeichen ihres Protagonisten – gemütlich und ohne Stress. Langsam, aber stetig werden die verschiedenen Figuren in die Handlung miteingeflochten. Der Autor nimmt sich dafür genügend Zeit, so dass später keine Probleme mit der Identifizierung der Charaktere mehr auftritt und auch ähnliche Namen wie Friedrich und Ferdinand für keine Verwirrung mehr sorgen. Dann zieht die Handlung stramm an und das Buch bleibt bis zum Schluss spannend und unberechenbar.
Fazit
Leserinnen und Leser, die gerne mit zahlreichen und unterschiedlichen Charakteren zu tun haben, ist das Buch ideal. Ein zügiges Tempo, aber nicht zu rasch. Eine ideale Sommerlektüre, die man auch mal ein paar Tage aus der Hand legen könnte (falls die aufgebaute Spannung es zulässt). Ein tolles Buch, dass ich nur weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 23.07.2021
Wild Card
Thompson, Tade

Wild Card


ausgezeichnet

In der Hitze von Afrika

Weston Kogi wollte eigentlich nur das Begräbnis seiner Tante besuchen. Immerhin hat sie ihn großgezogen und dafür gesorgt, dass er nach London ziehen konnte. Kurz die letzte Ehre erweisen und dann zurück nach Europa. Ganz einfach. Doch dann begegnet Weston seinem Bully aus der Schulzeit wieder. Ein paar Beleidigungen hier, ein paar Übertreibungen da – nichts Ernstes. Vor allem, da Weston Afrika ohnehin so bald wie möglich wieder verlassen würde. Doch dann wacht er auf und mit einem Schlag ist alles anders.

Ede City, Alcacia, Westafrika

Tade Thompson entführt in eine Welt, die zumindest mir bisher gänzlich unbekannt war: nach Afrika. Ein Kontinent voller Leben, voller Gewalt, voller Korruption und Emotion. Dieses Buch hat mir das Leben und die Denkweisen der Menschen in Afrika nähergebracht. Kommunikation durch Gefühle, Korruption als alltägliches Mittel zum Zweck, die Bedeutung von Ehe und Religion. Der Eid auf das Stierhorn als Unbrechbarer Schwur. Die Sprache der Gewalt (die nicht nur in Afrika zu finden ist). Die ständige Gegenwart von Geistern, Zauberern und anderen Übernatürlichen Dingen. Es war eine spannende Reise durch eine völlig neue Welt.

Sprache

Trocken, derb, sarkastisch. Das sind die drei Worte, mit denen ich die Erzählweise von Tade Thompson (Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet) beschreiben würde. Sie passt zu seinem Helden. Alles andere als perfekt, aber dennoch sympathisch und mit einem eigenen Sinn für Humor, der besonders dann zum Vorschein kommt, wenn seine Lage alles andere als rosig zu bezeichnen ist.

Fazit

Eine enorm fesselnde Geschichte, die sich schneller dreht als der Wind. Die Seiten verschwinden unter den Fingern. Ein Krimi verpackt in einem politischen Konflikt, bei dem beide Seiten nicht vor Gewalt zurückschrecken. Kein Buch für schwache Nerven, aber absolut empfehlenswert.

Bewertung vom 06.07.2021
Im Westen ist Amerika
Möller, Dirk

Im Westen ist Amerika


sehr gut

Ein Junge auf der Suche nach Glück

Der junge Johannes ist auf der Flucht. Um seine Familie vor dem Hungertod zu bewahren, nutzte er seine Schießkunst zum Wildern. Er wird erwischt, doch kann entkommen. Bei seiner Flucht tötet er den Sohn des Oberforstmeisters, der daraufhin eine große Hetzjagd nach dem Mörder seines Jungen organisiert. In seiner Angst wählt Johannes den einzigen Weg, der ihm Sicherheit bieten könnte: ein Schiff nach Amerika. In das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Johannes

Der siebzehnjährige Junge war schon immer anders. Seine Eltern sind nicht religiös, was sie zu dieser Zeit zu Ausgestoßenen der Gesellschaft macht. Ohne Freude wächst er heran. Aber dafür hat er etwas, das andere Menschen oft in ihrem Leben missen: er ist unglaublich anpassungsfähig und hat das Glück gepachtet. Immer wieder gelingt es ihm, sich aus scheinbar ausweglosen Situationen zu befreien. Unbeirrt und mutig geht er seinen Weg, der ihn immer weiter in den Westen bringt.

Sprache und Stil

Der Autor liebt Namen. Jegliche Figur, die in seinem Roman auftritt, wird namentlich erwähnt, oft noch mit einem Stück Hintergrundgeschichte. Das kann anfangs für Verwirrung sorgen, entpuppt sich jedoch als interessante Methode, der Geschichte ein Gefühl von Tiefe zu geben. Der Erzählstil ist rasch. Ein Ereignis jagt das nächste. Kaum ist ein Abenteuer bestanden, klopft das nächste bereits an die Tür. Die kurzen Sätze und die wechselnden Erzählperspektiven erhöhen den Effekt zusätzlich. Zwischen historischen Fakten und detaillierten Beschreibungen von Situationen und Orten bewegt sich auch der Mann mit dem grauen Mantel, der in den raschen Erzählstrom auch noch das Gefühl des drohenden Unheils einflechtet.

Historischer Hintergrund

Ende des 18. Jahrhunderts war eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderung. Der größte Teil der Bevölkerung ist arm. Hygiene ist ein Fremdwort. Aber die Menschen wollen weiter. Träumen von anderen, besseren Zeiten. Von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Doch die, die viel haben, wollen das nicht hergeben. Nutzen jedes bisschen Macht, die sie besitzen, schamlos aus. Amerika ist nicht das Paradis, das angepriesen wird. Seuchen, Gewalt und Sklaverei prägen das Land. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren. Man muss nicht reich sein, obwohl das ebenfalls kein Nachteil ist. Aber je schneller du bist mit dem Colt, je besser du dich behaupten kannst, desto weiter oben bist du in der Gesellschaft des neuen Kontinents.

Fazit

Ein Buch über das Leben der einfachen Menschen zu einer Zeit des Umbruches. Man kennt die großen Namen, die Erfolge und die Niederlagen. Die brutale Wahrheit wird häufig verschwiegen und ignoriert. Nüchtern und ohne Ausschmückungen erzählt Dirk Möller die Geschichte eines Jungen, der versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen. Ein spannendes Buch, schnell erzählt und gut erklärt. Für jemanden, der sich mit der damaligen Zeit auseinandersetzen möchte, kann ich es nur empfehlen.

Bewertung vom 06.07.2021
Erben wollen sie alle
Hennig, Tessa

Erben wollen sie alle


ausgezeichnet

Kurz zum Inhalt
Bianca hat Glück: mit ihren 75 Jahren findet sie noch einmal den Weg zur Liebe. Wolfi ist zwar etwas jünger, aber hat dafür alles, was man sich nur wünschen kann. Er ist ein Gentleman, macht gerne Späße, ist alles andere als schüchtern und hat tolle Ideen. Wie die, eine Weltreise zu machen. Biancas Kinder haben kaum noch Kontakt zu ihr. Allein ihre Enkelin Luise trifft sich noch regelmäßig mit ihrer Omi. Und sie ist die Letze, die Bianca von diesem Abenteuer abhalten würde. Entschlossen beginnen sie zu planen. Doch dann steht plötzlich Biancas gesamte Familie vor der Tür. Sie haben von der Sache Wind bekommen und können auf keinen Fall zulassen, dass Bianca ihr Erbe verschleudert. Doch so schnell gibt Bianca nicht auf.

Eine selbstbewusste Frau
Bianca ist alles andere als auf den Kopf gefallen. Sie weiß was sie will und lässt sich nur schwer von ihrem Kurs abbringen. Ihre Enkelin liebt sie über alles, ebenso wie ihre Kinder und sie leidet unter der Distanz, die sie zueinander aufgebaut haben. In Wolfi findet Bianca jemanden, der sie wieder zum Lachen bringt, der sie schätzt und respektiert. Modern für ihr Alter schreibt sie ihr Tagebuch am Notebook. Eine alte Frau, die mit der Zeit ging und die man einfach ins Herz schließen muss.

Cover und Gestaltung
Ein Buch, das man bereits am Cover als Tessa Hennig identifizieren kann. Lange Nasen mit Brillen und eher unproportionierte Figuren mit einem karikaturistischen Touch. Diese Buchgestaltungen passen ideal zu ihrer Art zu schreiben.

Sprache und Stil
Mit Witz und Scharm, gepaart mit sarkastischen Bemerkungen, erzählt Tessa Hennig dieses Familiendrama auf Mallorca. Kurze Sätze, wechselnde Erzählperspektiven und das pure Gefühl von Sommer geben dem Roman eine Leichtigkeit, so dass das Lesen zum Genuss wird.

Fazit
Ein amüsanter Roman, der zu dieser Zeit des Jahres passt. Drama, Ironie und bildhafte Landschaftsbeschreibungen wechseln einander ab. Eine unterhaltsame Sommerlektüre, die seine Figuren und das Leben selbst nicht ganz so ernst nimmt, wie sie es gerne haben würden. Ein gutes Buch für zwischendurch, das für ein Lächeln auf den Lippen sorgt.