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bookloving
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Munich

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Insgesamt 321 Bewertungen
Bewertung vom 12.04.2024
Das späte Leben (MP3-Download)
Schlink, Bernhard

Das späte Leben (MP3-Download)


ausgezeichnet

*Bewegende Geschichte übers Abschiednehmen*
In seinem neuen Roman „Das späte Leben" erzählt der deutsche Autor Bernhard Schlink eine leise, bewegende Geschichte, die berührt, nachdenklich stimmt und dazu anregt, über das eigene Leben, die Liebe, das Älterwerden, die Endlichkeit des Seins und das Abschiednehmen zu reflektieren.
Der in drei Teile angelegte Roman wird aus der Perspektive des Protagonisten erzählt und trägt deutlich autobiografisch geprägte Züge.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 76-jährige angesehene Berliner Rechtswissenschaftler Martin Brehm, der mit einer fatalen Krebsdiagnose konfrontiert wird und nach anfänglichem Verleugnen erst allmählich realisiert, dass ihm bleibt nur noch wenig Zeit zum Leben bleibt. In bewegenden und bisweilen unfreiwillig komischen Episoden haben wir Anteil daran, wie er beginnt sich in den wenigen verbleibenden Monaten seines Lebens mit den letzten Dingen auseinandersetzen und zugleich in selbstkritischen Rückblicken Bilanz zu ziehen. Intensiv hinterfragt er sein bisheriges Leben, seine Errungenschaften, seine Persönlichkeit und fehlende Emotionalität und ergeht sich in Selbstzweifeln. Vor allem beschäftigt er sich mit dem Gedanken, wie er seine Frau und seinen erst sechsjährigen Sohn auf das Leben nach seinem Ableben vorbereiten kann. In einem Abschiedsbrief hinterlässt er seinen Sohn eine Art geistiges Vermächtnis, in dem er die großen philosophischen Themen Liebe, Glaube, Gerechtigkeit und weitere Lebensweisheiten behandelt. So begleiten wir Martin in den unterschiedlichen Phasen der Selbstreflexion und der schonungslosen Auseinandersetzung mit seinem eigenen Leben, seinen vergangenen Erlebnissen und Erkenntnissen auf dem Weg des Abschiednehmens und Sterbens. Doch auch aktuelle Verwicklungen stellen ihn vor zusätzliche Herausforderungen und überschatten seine letzten Lebenswochen.
Der prägnante Schreibstil passt hervorragend zu der eher nüchternen Persönlichkeit und dem gelassenen, wenig emotionalen Wesen des Protagonisten, so dass wir nicht in ein Auf und Ab von überbordenden Gefühlswelten eintauchen, sondern Martin in sehr reduzierter Form bei seinem Sterbeprozess erleben.
Schlink ist insgesamt eine sachliche, unterhaltsame und nachdenklich stimmende Auseinandersetzung mit dem Thema Tod gelungen, die uns dazu anregt, über die großen Fragen des Lebens und des Sterbens nachzudenken.

Zum Hörbuch:
Das Hörbuch wird von Schauspieler und versiertem Sprecher Ulrich Noethen gekonnt präsentiert. Mit seiner angenehm ruhigen warmen Stimme passt er perfekt zum Charakter des Protagonisten und erweckt ihn sehr überzeugend zum Leben. Durch geschickte Wechsel des Lesetempos, Verändern der Intonation und Lautstärke gestaltet der Sprecher die sehr ruhige Handlung dennoch abwechslungsreich, so dass wir immer tiefer in die atmosphärisch dichte Geschichte hineingezogen werden. Insgesamt eine rundum gelungene Lesung!
FAZIT
Eine gelungene Reflexion über die Endlichkeit des Seins und das Abschiednehmen vom Leben- warmherzig einfühlsam geschrieben, tiefgründig und sehr nachdenklich stimmend!

Bewertung vom 03.04.2024
Arthrose endlich heilen
Feil, Wolfgang;Homburg, Tobias

Arthrose endlich heilen


sehr gut

*Ein informativer, aber nicht ganz überzeugender Ratgeber*
Das im GU-Verlag erschienene Sachbuch „Arthrose endlich heilen – Die revolutionäre Strategie zur Knorpelregeneration nach Dr. Feil“ ist ein hochinformativer und praxisnaher Ratgeber rund um das Krankheitsbild Arthrose, der mit vielen Vorurteilen und überholten Behandlungskonzepten in der Medizin aufräumen möchte. Nach Meinung vieler Ärzte gilt Arthrose nämlich als unheilbar, da von einer Nichtgenerierbarkeit von Knorpel ausgegangen wird, und daher ein schmerzfreies Leben letztlich nur durch einen operativen Eingriff möglich ist.
Die Autoren Dr. Wolfgang Feil, als Nährstoffspezialist und einer der weltweit führenden Arthrose-Experten, sowie Ernährungsberater und Physiotherapeut Tobias Homburg stellen uns in ihrem Buch ihre innovativen Methoden zur Arthrosebekämpfung und Knorpelregeneration vor, die sie anhand wissenschaftlicher Analysen und langjähriger Praxiserfahrung entwickelten und im Rahmen der Dr. Feil-Strategie auch sehr erfolgreich anwenden.
Die Autoren vertreten die Auffassung, dass Arthrose als eine Entzündungserkrankung, die alle Gelenke betreffen kann, durchaus heilbar sei und die Regeneration von Knorpel in zahlreichen Studien belegt ist.
Angesichts der recht reißerischen und vollmundigen Versprechungen (beispielsweise eine deutliche Schmerzreduktion in nur 1 bis 3 Monaten!) kommt bei mir etwas Skepsis auf.
In der interessanten Einleitung wird zunächst auf die der Erkrankung zugrundeliegende Problematik und physiologischen Zusammenhänge eingegangen.
Die Zusammenhänge werden anfangs für medizinische und naturwissenschaftliche Laien auch recht nachvollziehbar erläutert, doch im weiteren Verlauf wird es dann aber hochkompliziert mit vielen Fachausdrücken und Abkürzungen, so dass man leider nur noch mit viel Akribie und Hintergrundwissen den Ausführungen folgen kann. Durch die übersichtliche Anordnung und ansprechende Gestaltung der einzelnen Kapitel findet man sich gut zurecht. Veranschaulicht werden die Texte mit interessanten Infografiken und Illustrationen, zahlreichen höchst detaillierten Tabellen und nützlichen Checklisten, die einen guten Überblick über Inhaltsstoffe von Lebensmitteln und empfehlenswerten Nährstoffen geben.
Im Hauptteil des Ratgebers wird uns die ausgeklügelte Dr. Feil-Strategie vorgestellt, die auf einer körpereigenen Umprogrammierung von Knorpelzellen und Knorpelregeneration über den sogenannten M2-Heilungsweg basiert und eine Ausheilung der Arthrose zum Ziel hat.
Im ersten Abschnitt  "Die 4 Bausteine der Dr. Feil-Strategie" werden die grundlegenden Komponenten bestehend aus entzündungssenkender Ernährung, körperlicher Aktivität, Stärkung der Psyche sowie die Knorpelregeneration durch ergänzende Nährstoffe vorgestellt. Im nächsten Teil erfahren wir, wie sich die einzelnen Bausteine mühelos in den Alltag einbauen lassen. Im Mittelpunkt steht hierbei hilfreiches Ernährungswissen und wichtige Lebensmittel. Es schließt sich ein umfangreiches Übungsprogramm mit 30 gezielten Übungen für die Gelenke an sowie nützliche Tools für eine starke Psyche mit Übungen zur Stressbewältigung und Mentaltraining. Der letzte Baustein umfasst schließlich eine Vorstellung der Top-Nährstoffe für die Knorpelregeneration. Laut Autoren ist leider eine entzündungssenkende Ernährung allein nicht ausreichend, so dass auf kostspielige Produkte von Nahrungsergänzungsmitteln zurückgegriffen werden muss, um zum Erfolg zu kommen. Für mich ein großes Manko dieser Dr. Feil-Strategie!  
Im letzten Abschnitt erfahren wir schließlich, wie Mahlzeiten geplant und zubereitet werden können. Die vorgestellten Rezepte für den Einstieg sind sehr schön aufgemacht und bieten einige gute Anregungen. Insgesamt ist der Rezeptteil allerdings viel zu kurz geraten.
Den Autoren ist es insgesamt zwar gut gelungen, die wissenschaftlichen Grundlagen und das Konzept ihrer Dr. Feil-Arthrosestrategie anschaulich und nachvollziehbar zu präsentieren, doch durch die Vielzahl an Details werden ihre Ausführungen rasch zu komplex und für Laien unverständlich. Dennoch konnte ich mir viele hilfreiche Informationen und wertvolle Anregungen zu einer entzündungshemmenden Ernährung und wichtige Nahrungsergänzungsstoffe mitnehmen.
Etwas aufdringlich und für ein wissenschaftlich seriöses Sachbuch unangemessen empfand ich allerdings die für meinen Geschmack zu prominent eingefügten positiven „Erfolgsgeschichten“ und Patienten-Empfehlungen.

FAZIT
Ein informativer und übersichtlich aufbereiteter Ratgeber, der anschaulich und eindrucksvoll Zusammenhänge und Fachwissen rund um das Krankheitsbild Arthrose aufzeigt. Das überzeugend präsentierte, aus vier Bausteinen bestehende Konzept der Dr. Feil-Strategie zeigt einen vielversprechenden Weg zur Knorpelregeneration und möglichen Arthroseheilung auf.
Für Laien ist dieser Ratgeber allerdings aufgrund vieler wissenschaftlicher Detailinformationen nicht immer leicht verständlich!

Bewertung vom 13.03.2024
Paris Requiem
Lloyd, Chris

Paris Requiem


ausgezeichnet

*Packender historischer Krimi*
Mit „Die Toten vom Gare d’Austerlitz" ist dem britischen Autoren Chris Lloyd ein sehr spannender Auftakt einer neuen historischen Krimi-Reihe gelungen, der vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs während der deutschen Besatzung der französischen Hauptstadt durch die Nazis angesiedelt ist und sich mit dem Spannungsfeld von Kollaboration und Widerstand beschäftigt. Mit dem fesselnden zweiten Band „Paris Requiem“ führt Chris Lloyd gekonnt die Geschichte rund um seinen faszinierenden Protagonisten Inspecteur Eddie Giral fort und lässt uns in die düstere Stimmung und hochkomplexe politische Lage im herbstlichen Paris von 1940 eintauchen. Der Autor hat viele wenig bekannte und hervorragend recherchierte zeitgeschichtliche Details in seinen undurchsichtigen, sehr vielschichtigen Kriminalfall eingearbeitet, der mich vor allem durch seine beklemmende Atmosphäre, rätselhaften Verwicklungen und den mit viel Fingerspitzengefühl aufgeworfenen ethisch-moralischen Fragestellungen, denen sich seine Hauptfigur Giral stellen muss, in den Bann gezogen hat.
Rasch werden wir an der Seite des französischen Inspecteur Eddie in ein packendes Katz- und Mausspiel mit fatalen Folgen hineingezogen. Sehr fesselnd ist es mitzuerleben, wie Inspecteur Giral bei seinen Ermittlungen zu einem Spielball von undurchsichtigen Machtspielen von Wehrmacht, SS, Gestapo und Deutscher Abwehr wird, fragwürdige Entscheidungen treffen muss und schließlich auch er in höchste Gefahr gerät. Nach der Entmachtung der französischen Polizei durch die deutschen Besatzer ist er ständiger Beobachtung, Willkür, Bedrohung und Manipulation ausgesetzt und muss auch in eigenen Reihen gegen so manche unsichtbare Gegner kämpfen, die verdeckt mit den Nazis kollaborieren. Lloyd versteht es jedoch hervorragend, Spannung aufzubauen, so dass man dem cleveren und unerschrockenen Giral bei seinen komplizierten und brandgefährlichen Ermittlungen gebannt durch das besetzte Paris folgt, um die Hintergründe einer perfiden Verschwörung aufzudecken.
Mit seinen lebendigen, detailreichen Schilderungen gelingt es dem Autor hervorragend, die komplizierte politische Lage und die Schrecken jener dunklen Zeit einzufangen und uns anschaulich nicht nur die alltäglichen Sorgen und Nöte der Pariser Bevölkerung durch die Besatzung sondern auch die zunehmende Juden-Verfolgung vor Augen zu führen. Nachdrücklich beleuchtet er auch die vielen Schattierungen von geheimem Widerstand bis hin zu opportunistischer Kollaboration mit den Nazis sowie die psychologischen Hintergründe. Zudem greift er in einer Nebenhandlung auch unfassbare Gräueltaten der deutschen Wehrmacht während des Frankreichfeldzugs auf und verwebt diese sehr schlüssig mit dem Handlungsverlauf.
Die verschiedenen Charaktere bis hin zu den Nebenfiguren sind sehr lebendig dargestellt und umfassen eine große Anzahl an undurchsichtigen Figuren und finsteren Widersachern, die geschickt in den faszinierenden zeitgeschichtlichen Zusammenhang eingebettet sind. Herausragend hat mir erneut die feinfühlige und facettenreiche Charakterzeichnung seines etwas unnahbaren Protagonisten Giral mit seiner komplexen Persönlichkeit gefallen. Nach und nach lernen wir den durch den 1. Weltkrieg traumatisierten Giral mit seiner Vorgeschichte und inneren Dämonen immer eingehender kennen, können sein Verhalten und seine schwierigen Gewissensentscheidungen in diesen dunklen Zeiten auch besser nachvollziehen. Die Hoffnung auf Wiedergutmachung für vergangene Fehler, der Wunsch nach Gerechtigkeit und der Bewahrung von Menschlichkeit aber auch die Einsicht, sich bisweilen zum Selbst- und Fremdschutz auf moralisch verwerfliche Kompromisse einzulassen – all dies macht Eddie Giral zu einem höchst faszinierenden Charakter in einer völlig aus den Fugen geratenen Welt.
Nach einigen höchst überraschenden Wendungen gipfelt die komplexe Handlung schließlich mit einer sehr nachdenklich stimmenden Auflösung des Falls, die mich einer Fortsetzung sehr gespannt entgegen sehen lässt.

FAZIT
Sehr spannende Fortsetzung einer anspruchsvollen historischen Krimi-Reihe im besetzten Paris 1940 - mit einem unterhaltsamen, vielschichtigen Kriminalfall, einfühlsamer Charakterstudie und tollem Zeitkolorit.

Bewertung vom 13.03.2024
Die Verletzlichen
Nunez, Sigrid

Die Verletzlichen


sehr gut

*Faszinierender Roman*
Mit „Die Verletzlichen“ hat die New Yorker Erfolgsautorin Sigrid Nunez erneut einen höchst faszinierenden Roman vorgelegt, in dem sie sich auf ihre ganz unvergleichliche Art und mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen den großen und kleinen Fragen unseres Lebens widmet. Eine Vielzahl von Themen wird von der Autorin äußerst prägnant, oftmals humorvoll, selbstironisch oder auch provokant beleuchtet und reicht von der Gleichstellung der Geschlechter, über Gesellschaftskritik, psychische Erkrankungen bis hin zum Klimawandel und unsere Beziehung zu Natur und Tieren. Höchst vergnüglich sind auch ihre Seitenhiebe auf den Literaturbetrieb und die Schriftsteller.
Zeitlich ist sehr assoziativ erzählte Geschichte, die im eigentlichen Sinne gar keine richtige Handlung beinhaltet, zu Beginn der Corona-Pandemie angesiedelt. Sehr unterhaltsam setzt sie sich mit dem alltäglichen Coronawahnsinn und diversen Pandemie-Marotten der Menschen im Lockdown auseinander und gewährt uns Einblicke in eine zutiefst gestörte Gesellschaft, in der sich Klassenunterschiede nur noch mehr vertiefen. Doch auch dieser Ausnahmesituation kann man durchaus etwas Positives abgewinnen und ganz neue Seiten des Lebens für sich entdecken. Es ist zugleich ein wundervoller Roman für Literaturliebhaber mit philosophischen Reflexionen, wundervollen tiefgründigen Einsichten sowie zahllosen, gekonnt eingestreuten Literaturverweisen, die zum Innehalten und Nachdenken anregen.
Der Einstieg in den Roman ist mir zunächst aufgrund der sprunghaften, abschweifenden Erzählweise, die einem Gedankenkarussell gleicht, und den vielen uerverweisen etwas schwer gefallen. Doch die Passagen über die einsame, ältere Schriftstellerin und den jungen orientierungslosen Studienabbrecher, die zusammen in einer luxuriösen Wohnung einer gemeinsamen Freundin einen temperamentvollen Papagei namens Eureka betreuen, haben mich sehr fesseln können. Es ist zunehmend berührend, mitzuerleben, wie die beiden Fremden sich allmählich annähern, füreinander sorgen und schließlich in ihrem Unglück zusammenwachsen, während draußen die Welt innehält und nichts mehr so ist, wie zuvor. Der Autorin gelingt es hervorragend, eine besondere Nähe zu uns Lesenden herzustellen, so dass es eine große Bereicherung ist, an ihren aufschlussreichen Gedanken über Tiere und das menschliche Verhalten, über Moral und die Unwägbarkeiten des Lebens aber auch über die Kunst des Schreibens selbst teilzuhaben.

FAZIT
Ein warmherzig erzählter Roman über die verschiedenen Facetten von Mitgefühl, Nähe und Zuneigung in außergewöhnlichen Zeiten!
Eine kurzweilige, aber anspruchsvolle Lektüre, die zum Nachdenken anregt!

Bewertung vom 20.02.2024
Die geheime Gesellschaft
Penner, Sarah

Die geheime Gesellschaft


sehr gut

*Sehr mystischer Histokrimi*
In ihrem mitreißenden historischen Roman „Die geheime Gesellschaft" entführt uns die amerikanische Autorin Sarah Penner in die faszinierende Welt des Okkulten und von Geheimgesellschaften der viktorianischen Ära im London des 19. Jahrhunderts. Der Autorin ist eine interessante Mischung aus historischem Hintergrund, spannenden Krimielementen sowie übersinnlichem Episoden gelungen. Die düstere, geheimnisvolle und sehr mystische Atmosphäre sowie der lebendige Erzählstil der Autorin haben mich auf Anhieb fasziniert und in ihren Bann gezogen.
An der Seite der zwei recht rätselhaften Protagonistinnen - Spiritualistin und Wahrsagerin Vaudeline D’Allaire und ihre junge Assistentin Lenna Wickes - tauchen wir in eine höchst bizarre Welt um 1873 ein, in der Séancen, Geisterglaube und okkulte Beschwörungen in der gehobenen Gesellschaft äußerst populär waren. Die verwickelte Geschichte entfaltet sich auf zwei unterschiedlichen Erzählsträngen und wird aus zwei Perspektiven erzählt. Zum einen erleben wir die Geschehnisse aus Ich-Perspektive von Mr. Morley und zum anderen aus Sicht der jungen Lenna, die eigentlich den Mord an ihrer Schwester Evie aufklären möchte.
Während ihrer heiklen Mordermittlung zu einem außergewöhnlichen Verbrechen im Umfeld der exklusiven, nur aus Männern bestehenden Geheimgesellschaft »Séance Society« werden die beiden schon bald mit mysteriösen Rätseln, dunklen Geheimnissen undurchsichtigen Intrigen konfrontiert.
Penner versteht es, historische Fakten und mysteriöse Elemente geschickt miteinander zu verknüpfen und zu einer temporeichen Geschichte zu verweben. Die komplexe Handlung hält zahlreiche überraschende Wendungen für uns bereit und konnte mich mit ihrem gekonnt aufgebauten Spannungsbogen sehr fesseln. Insbesondere die lebendigen und detailreichen Beschreibungen der damaligen Zeit und die Abläufe der Séancen sorgen für eine besondere, atmosphärisch dichte Stimmung, die mir hervorragend gefallen haben. Zudem erhalten wir interessante Einblicke in die Rolle der Frauen in der Gesellschaft und der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts.
Die Autorin hat ihre Charaktere sehr liebevoll und lebensnah ausgearbeitet, so dass man sich recht gut in ihre Welt und Handlungen hineinversetzen kann.
Die spannende Handlung gipfelt in einem packenden Finale mit einer nicht ganz überraschenden, aber äußerst stimmigen Auflösung, in der schließlich alle Fäden zusammengeführt werden.

Bewertung vom 13.02.2024
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

*Beeindruckender historischer Roman*
Mit ihrem neuesten Werk „Das Gemälde“ hat die in Sydney geborene Pulitzerpreisträgerin und New-York-Times-Bestseller Autorin Geraldine Brooks einen opulenten und höchst beeindruckenden Roman vorgelegt. Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt sie in ihrem hervorragend recherchierten Roman die fesselnde und sehr berührende Geschichte über die außerordentliche Karriere des reinrassigen Vollbluthengstes Lexington, der als Ausnahmetalent des Pferderennsports in die Analen einging.
Zudem widmet sich die Autorin in diesem großartigen Roman natürlich auch vielen spannenden und hochinteressanten Aspekten der Wissenschaft, Kunst, Sklaverei und des Rassismus, die mich nachdenklich zurückgelassen haben aber auch zu weiteren Recherchen inspirierten.
Ausgangspunkt ihres sehr vielschichtig angelegten Romans ist ein faszinierendes Gemälde von einem berühmten Rennpferd und seinem schwarzen Reitknecht, das Mitte des 19. Jahrhunderts von Thomas Scott, einem Portraitmaler von Vollblütern, angefertigt wurde und durch Zufall aus dem Sperrmüll geborgen wurde.
Kunstvoll hat die Autorin die verschiedenen Handlungsstränge um die Entstehung des Gemäldes und dessen weiterem Schicksal im Laufe der bewegten Zeiten sowie die unterschiedlichen damit verbundenen Charaktere miteinander verwoben. Herausgekommen ist dabei eine sehr fesselnde und tiefgründige Geschichte, die uns sehr aufschlussreiche Einblicke in die Wurzeln und das Wesen des Pferderennsports, in weniger bekannte Kapitel amerikanischer Geschichte sowie in Kunst und faszinierende wissenschaftliche Forschungsbereiche gewährt. Zugleich konfrontiert sie uns aber auch mit Vorurteilen, Diskriminierung, strukturellen Rassismus und systematischer Ausbeutung, die damals wie heute verbreitet sind.
Die Autorin hat ihre komplexe Handlung auf drei sich abwechselnden Zeitebenen angelegt. Die Haupthandlung spielt vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der 1850er-Jahre in Kentucky, in der wir den jungen Sklaven und Pferdetrainer Jarrett kennenlernen, der eine enge Bindung zu dem Vollblutfohlen Darley aufbaut, das später als berühmtes Rennpferd und Zuchthengst Lexington in die Geschichte eingegangen ist, und dessen Lebensgeschichte eng mit Lexingtons Erfolg verbunden war. Ein weiterer Handlungsstrang rund um die bekannte New Yorker Kunsthändlerin und Galeristin Martha Jackson spielt im Jahr 1954 und die in Washington, D.C in der Gegenwart von 2019 angesiedelte Rahmenhandlung erleben wir aus der Perspektive der beiden fiktiven Protagonisten Jess und Theo.
Dank des sehr ansprechenden, bildgewaltigen Schreibstils und der interessanten Charaktere fällt es nicht schwer, in die fesselnde Geschichte einzutauchen und voller Spannung und Anteilnahme den Fortgang der Geschehnisse aus den verschiedenen Perspektiven zu verfolgen. Vor allem die bewegende Handlung um den Sklaven Jarret in der Vergangenheit hat mich mit ihrer Intensität in den Bann gezogen hat und mich zudem mit seinen vielen historischen Hintergrundinformationen sehr begeistern können.
Der Autorin ist eine einfühlsame, facettenreiche Figurenzeichung ihrer Protagonisten gelungen.
Hervorragend hat mir vor allem die vielschichtig gezeichnete fiktive Figur von Jarrett als Sklaven gefallen, die stellvertretend für viele schwarze Pferdeknechte, Trainer und Jockeys steht, und die mit ihren außergewöhnlichen Talenten und durch ihre gnadenlose Ausbeutung zum äußerst lukrativen Geschäft mit den Vollblütern Blüte brachten.
Einfühlsam und eindringlich erzählt die Autorin die beeindruckende Persönlichkeitsentwicklung und das Schicksal des talentierten Sklaven, der mit seinem großen Einfühlungsvermögen eine tiefe Bindung zu Lexington aufbaut. Ohne das Recht selbst über sein Leben zu entscheiden, ist er der Willkür und Gnade seiner Master ausgeliefert und permanenten Demütigungen und Grausamkeiten ausgesetzt. Dennoch gelingt es ihm ihnen einen gewissen Respekt abzunötigen, sich kleine Freiräume zu schaffen und allmählich Selbstbewusstsein zu erlangen.
Am Beispiel der beiden Wissenschaftler Theo und Jess führt uns die Autorin anschaulich und ernüchternd vor Augen wie stark auch heute noch rassistische Diskriminierung und Ungleichbehandlung ethnischer Gruppen verbreitet sind und mangelndes Verständnis und Einfühlungsvermögen oft für Konflikte und Frustration im alltäglichen Miteinander sorgen. Insgesamt wirkten die Charaktere von Theo und Jess allerdings etwas farblos und insbesondere die Dynamik zwischen ihnen sehr blass und wenig authentisch auf mich.
Gekonnt lässt die Autorin schließlich die verschiedenen Handlungsfäden ihrer fesselnden Geschichte schließlich zusammenlaufen. Nach dem recht zuversichtlich stimmenden Ausklang im historischen Handlungsstrang endet der Roman jedoch im Gegenwartsstrang mit einem überraschend dramatischen und sehr beklemmenden Finale endet, das mich sehr aufgewühlt und bestürzt zurückgelassen hat.
Abgerundet wird der Roman mit einem Nachwort, in dem die Autorin ihre Recherchearbeit erläutert.

Bewertung vom 31.01.2024
Easy Indien
Wahi, Alex

Easy Indien


ausgezeichnet

*Indisch kochen leicht gemacht*
In seinem tollen, im Gräfe und Unzer Verlag erschienenen Kochbuch „Easy Indien - Lieblingsrezepte aus meiner zweiten Heimat“ bringt uns der sympathische Fernsehkoch und Gastronom Alex Wahi die einzigartige und unglaublich facettenreiche indische Küche näher.
Hierin zeigt uns der Spitzenkoch Wahi, worauf es in der indischen Küche wirklich ankommt. Auch mit wenigen Zutaten und ohne großen Aufwand lassen sich äußerst authentische kulinarische Köstlichkeiten auf den Tisch zaubern, die uns die spannende exotische Aromenwelt Indiens erleben lassen. Ganz wesentlich dabei ist nämlich der richtige Umgang mit den Gewürzen und landestypischen Zutaten. Wie uns Wahi in seinem kurzen Vorwort erläutert, mag er es, Gerichten aus aller Welt einen indischen Touch zu verleihen bzw. traditionelle indische Gerichte zu modernisieren. Daher tragen die in diesem Buch vorgestellten Rezepte auch deutlich seine individuelle Handschrift. Mir hat es sehr gut gefallen, dass bei ihm die Kreativität beim Kochen im Vordergrund steht, und so ermuntert er auch uns, mit fremden Zutaten und Gewürzen zu experimentieren und Variationen auszuprobieren. Der Fantasie sind also keine Grenzen gesetzt – ein tolles Motto beim Kochen.
Von Vorspeisen und Snacks über Hauptspeisen und diverse Beilagen bis hin zu Desserts und Drinks - bei dieser vielfältigen Auswahl an ansprechenden Rezepten sollte jeder etwas Passendes finden, das sich unkompliziert zubereiten lässt und sich für einen gemütlichen Abend mit Familie oder Freunden anbietet. So kann man es kaum abwarten, die ersten Rezepte zum indischem Soulfood auszuprobieren.

Der eigentliche Rezeptteil, in dem sich eine spannende Zusammenstellung von etwa 75 wundervollen Köstlichkeiten findet, ist untergliedert in die Kapitel
Grundrezepte, Snacks & Streetfood, Beilagen, Fleisch & Fisch, Vegetarisch & Vegan sowie Drinks & Sweets.
An jedes Kapitel ist zudem unter BASICS eine doppelseitige Erläuterung zum jeweiligen Themenbereich der zuvor präsentierten Rezepte angehängt. Neben einigen allgemeinen Grundlagen und Informationen zur außerordentlichen Vielfalt der indischen Küche erzählt Wahi auch, woher die Inspirationen für seine Rezeptkreationen und ganz persönlichen Interpretationen stammen.
Besonders gut gefällt mir, dass Wahi die Rezepte so angepasst hat, dass man die Zutaten auch ohne großen Aufwand bei uns bekommen kann. Zu den Must Haves der Easy-Indischen-Küche gehören Koriander, Kreuzkümmel, Fenchel und natürlich Ingwer.
Bestimmte typische Gewürzmischungen, Ghee, Curry-Butter oder Paneer-Käse, der als eine Art Kuhmilchfrischkäse perfekt als Fleischersatz bei Currys verwendet werden kann, lassen sich auch als kleiner Vorrat problemlos selbst herstellen.
Zudem gibt es eine sehr ansprechende Auswahl an vegetarischen und veganen Gerichten, die aber auch mit Fleisch ergänzt werden können. Die vielfältige Verwendung von Kichererbsen liefert tatsächlich erstaunliche Resultate und hat mich sehr überzeugen können.
Ob nun Samosas für den kleinen Hunger (Gefüllte Teigtaschen) mit Fleisch oder vegetarisch, verschiedene Variationen des klassischen Naan-Brots, Chicken-Kokos-Curry, die indischen Reispfannkuchen Uttapam oder eine Limetten-Ingwer-Limo – die Auswahl an raffinierten herzhaften bis süßen Rezepten ist äußerst vielfältig, die Zubereitung unkompliziert und die Resultate sind zudem absolut köstlich!

Die Zubereitung wird sehr verständlich und Schritt für Schritt nachvollziehbar beschrieben, so dass auch Hobbyköche keine Probleme beim Nachkochen haben dürften. Zu jedem Rezept findet sich eine übersichtliche, meist für 4 Personen ausgelegte Zutatenliste, Angaben zur Zubereitungszeit sowie die Kalorienzahl pro Portion. Ein ganzseitiges, appetitanregendes Foto von den kreativ angerichteten Gerichten, wundervoll in Szene gesetzt von Vivi D’Angelo darf natürlich nicht fehlen. Bisweilen sind noch hilfreiche Tipps beispielsweise zu Alternativen und Variationen der vorgestellten Rezepte angeführt.

FAZIT
Ein rundum gelungenes Kochbuch, das uns die authentisch indische Küche mit unkomplizierten, alltagstauglichen und absolut köstlichen Rezepten näherbringt!
Eine absolute Empfehlung für alle, die diese facettenreiche Küche in ihrer unendlichen Geschmacksvielfalt kennenlernen und mal etwas Neues ausprobieren wollen!

Bewertung vom 23.01.2024
Be Your Own Healer - zurück zu Energie und Gesundheit
Abbassian Korasani, Susanne

Be Your Own Healer - zurück zu Energie und Gesundheit


sehr gut

*Informativer und motivierender Ratgeber*
Mit dem Sachbuch „Be your own healer: Die Selbstheilungskräfte wecken – voller Energie neu durchstarten“ ist der Autorin Susanne Abbassian Korasani, die Heilpraktikerin und Holistic Health Coach für Phytotherapie und Heilnahrung ist, ein informativer und praxisnaher Ratgeber gelungen, der uns aufzeigt, wie wir unsere körpereigenen Selbstheilungskräfte aktivieren, unser Gesundheitskonto wieder aufladen und zu Kraft und Energie zurückfinden können.
Neben lehrreichen Einblicken in die Naturmedizin vermittelt sie uns sehr anschaulich ihren eigenen ganzheitlichen Therapieansatz, den sie im Laufe ihrer langjährigen praktischen Tätigkeit entwickelt und optimiert hat.
Der Ratgeber stellt somit eine gelungene Mischung aus Aufklärung rund um die Thematik Phytomedizin und –therapie und nützlichen praktischen Anleitungen in Form von vielen Rezepten und Rezepturen sowie weiterführenden Zusatzmaterialien wie Planungstools und einer Audio-Meditation zum Download dar.
Der Autorin ist es sehr gut gelungen, in ihrem Buch aufzeigen, wie man mit Hilfe hochpotenter Heilpflanzen, adäquater Ernährungsumstellung und Entgiftung im Rahmen einer Selbstbehandlung durchaus Selbstheilungskräfte im Körper mobilisieren kann. Über die wieder hergestellte Balance und neu erlangtes Wohlbefinden ist somit in vielen Fällen auch eine Heilung mit rein natürlichen Mitteln möglich.
In ihrer interessanten Einleitung geht Susanne Abbassian Korasani sehr anschaulich auf die vielen Erkrankungen zugrundeliegende Problematik ein. Diffuse Beschwerden wie ständige Müdigkeit, Erschöpfung, häufige Verdauungs- und Schlafstörungen, diverse Hautprobleme oder hohe Infektanfälligkeit stellen Warnsignale des Körpers dar, denen man unbedingt auf den Grund gehen sollte, um schwerere Erkrankungen wie beispielsweise Darmkrebs rechtzeitig abwenden zu können. Häufig liegt die Ursache für diese Symptome in stillen Entzündungen (silent inflammations) und Ungleichgewichten im Körper, die sich über Jahre hinweg entwickelt haben und in falscher Ernährung und ungünstigen Lebensgewohnheiten begründet sind.
Ausführlich geht die Autorin in den unterschiedlichen Stationen ihrer Heilreise beispielsweise auf die hochwirksame Phytotherapie mit Heilpflanzen ein, erläutert das Konzept der entzündungshemmenden Ernährung, um die Selbstheilung zu fördern und widmet sich dem sanften Detox mit Supplementen und Kurprogrammen.
Durch die übersichtliche Anordnung und ansprechende Gestaltung der einzelnen Kapitel findet man sich gut zurecht. Die Texte sind lebendig und gut verständlich geschrieben und durch eingefügte Abbildungen und Fotos sowie verschieden farbige Seiten abwechslungsreich gestaltet. Gut gefallen hat mir, dass Kernbotschaften durch Fettdruck hervorgehoben werden. Zunächst werden die theoretischen Grundlagen zum jeweiligen Thema unter Berücksichtigung der Prozesse in Körper und Psyche sowie der Wirkweisen erläutert. Es folgen praktische Anwendungen zur Veranschaulichung, interessante eingestreute Schilderungen von Praxiserfahrungen sowie hilfreiche Hinweise zur Umsetzung. Am Ende finden sich jeweils eine übersichtlich Zusammenstellung mit Hacks also konkreten Handlungsanweisungen und in einigen Fällen auch Rezepten.
Egal ob man mehr über eine geeignete Hausapotheke aus verschiedenen Heilpflanzen oder den schädlichen Einfluss von Zucker und säurehaltigen Lebensmitteln erfahren möchte oder sich für die Bedeutung der Schleimhäute und Behandlung der stillen Entzündungen im Körper mit Hilfe der Korasani-Heilmethode interessiert – man findet in diesem Buch neben allerlei Wissenswertem viele hilfreiche Tipps und motivierende Anregungen, wie man mit Hilfe der Naturheilkunde das Selbstheilungspotenzial des Körpers bei den verschiedenen Beschwerden aktivieren kann.
Etwas vermisst habe ich hierbei allerdings fundiertes Hintergrundwissen beispielsweise zum Themenkomplex Silent Inflammations. Auch aus dem umfangreichen Kapitel Heilnahrung konnte ich zahlreiche nützliche Anregungen zur Ernährung mitnehmen. Insgesamt hätte ich mir allerdings eine strukturiertere thematische Darstellung und vor allem weniger Redundanzen gewünscht.
Äußerst gelungen fand ich die am Ende zusammengestellten Hacks und Helfer, die einen schönen Überblick über viele natürliche Heilpflanzen in der Naturheilkunde geben und deren praktische Anwendung, Eigenschaften und Wirkungen erläutern.
Abgerundet wird der Ratgeber mit einem umfangreichen Anhang, der einen Hinweis für Interessierte, einen Bildnachweis, weiterführende Literatur sowie detaillierte Quellennachweise umfasst und zudem ein ausführliches alphabetisches Register.

FAZIT
Ein informativer und motivierender Ratgeber, der aufzeigt, wie wir mit Hilfe von Heilpflanzen und der von der Autorin entwickelten ganzheitlichen Korasani-Heilmethode die natürlichen Selbstheilungskräfte unseres Körpers ankurbeln kann.

Bewertung vom 09.01.2024
Lichtspiel (eBook, ePUB)
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Faszinierendes Lichtspiel*
In seinem neuen Roman rückt der deutsche Autor Daniel Kehlmann mit Georg Wilhelm Pabst 1885 – 1967) einen inzwischen in Vergessenheit geratenen österreichischen Filmregisseur ins Rampenlicht, der in der damaligen Epoche im Dritten Reich zu einem der Größten des Kinos galt und vor allem für seine außergewöhnliche Schnittkunst berühmt war. In seinem Roman nähert sich Kehlmann diesem einstigen Filmgenie erzählerisch auf sehr faszinierende Art an und lässt uns gekonnt an den künstlerischen und persönlichen Licht- und Schattenseiten von G. W. Pabsts Leben teilhaben, das so manche ungewöhnliche Entwicklung nahm. Zugleich beleuchtet er gekonnt, die unterschiedlichen Facetten der künstlerischen Arbeit während der NS-Zeit.
Mit sozialkritischen Filmen machte sich der „rote“ G. W. Pabst einen Namen und machte Greta Garbo berühmt. Zur Machtergreifung drehte er in Frankreich und emigrierte schließlich nach Hollywood, wo es ihm allerdings nicht gelang Fuß zu fassen und an seine Filmerfolge anzuknüpfen. Durch die Verkettung nicht ganz nachvollziehbarer Geschehnisse reiste Pabst zum Besuch seiner kranken Mutter in seine Heimat Österreich zurück, wurde vom Kriegsausbruch überrascht und vom Propagandaministerium mit verführerischen Versprechungen als Filmregisseur angeworben.
In Lichtspiel versucht Kehlmann jedoch nicht, ein möglichst realistisches Portrait von Pabst zu zeichnen, sondern präsentiert uns in einer fesselnden filmischen Inszenierung eine facettenreiche, rätselhafte und Persönlichkeit. Inspiriert von Pabst genialer Schnittkunst setzt der Autor aus immer neuen Perspektiven und oftmals surrealistischen Einstellungen unterschiedliche Szenen und bedeutsame Stationen aus Pabst Leben zusammen. Wie durch ein Kameraobjektiv spult sich die Handlung vor unserem inneren Auge ab. Aus einer gewissen Distanz lässt uns Kehlmann in die außergewöhnliche Welt des hochtalentierten Künstlers und durch seine Kollaboration mit den Nazis umstrittene Figur der Filmgeschichte eintauchen. Aus den wechselnden schlaglichtartigen Eindrücken – mal skurril bis urkomisch, mal bis ins Absurde überzeichnet und surreal - zeigt sich uns im permanenten Wechsel zwischen historischen Fakten und fiktiven Episoden schließlich ein faszinierend vielschichtiges Gesamtbild eines Menschen, der im Spannungsfeld zwischen seiner künstlerischen Leidenschaft, Idealismus, ethisch-moralischen Überzeugungen, Selbstbetrug, Opportunismus und den politischen Zwängen der Nazi-Regimes gefangen war. Sehr eindringlich zeigt Kehlmann nicht nur das persönliche Schicksal von Pabst als typischem Vertreter des Mitläufertums auf, sondern auch den Wahnsinn und die Unmenschlichkeit von Diktaturen. Gekonnt veranschaulicht er in bisweilen höchst überspitzter Form das Verhalten und die vielfältigen Verstrickungen von Menschen angesichts von Manipulation und Repressionen. Absolut genial und unvergesslich als unwirklicher Horrortrip ist beispielsweise Pabsts Zusammentreffen mit dem Propagandaminister Goebbels in Berlin gestaltet.

FAZIT
Ein faszinierend erzählter, sehr nachdenklich stimmender Roman, der uns den renommiertesten Filmregisseur der Weimarer Republik G. W. Pabst mit all seinen Licht- und Schattenseiten ein Stück näher bringt.
Ein ganz besonderes, sehr empfehlenswertes Leseerlebnis!