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TL

Bewertungen

Insgesamt 41 Bewertungen
Bewertung vom 14.06.2021
Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4
Winkelmann, Andreas

Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4


gut

Spannendes Thema endet in ungeklärten Fragen

Als Lennart Wolff eines Abends den Müll rausbringt, beobachtet er eine Person, die das Haus seiner Nachbarinnen ausspioniert. Er versucht ihn zu stellen und liefert sich eine Verfolgungsjagd, bei der der Angreifer ihm ein Messer ins Auge rammt. Kurz darauf begibt sich eine der beiden Frauen aus dem Nachbarhaus zu ihrer abendlichen Joggingrunde, schaltet aber nach einiger Zeit einen Alarm in ihrer Lauf-App, da sie sich beobachtet vorkommt. Gleichzeitig beobachtet Kommissarin Becca Oswald, wie ein Mann mit einem abgetrennten Fuß auf dem Gepäckträger eines Fahrrads durch die Straßen fährt.

Der Thriller startet spannend, mit gewohnt vielen Handlungssträngen, die alle vielversprechend klingen. Der Leser bekommt Einblicke in den bedrückenden Alltag eines Mädchens, welches vom Vater verlassen wird und von der Mutter seither darauf getrimmt wird, alle Männer zu hassen. Gleichzeitig kommen immer wieder kurze Szenen, in denen der Wahnsinn des Mörders Stück für Stück enthüllt wird. Die Kommissare tappen lange im Dunkeln und erst ganz langsam werden Verbindungen und Zusammenhänge klar.

Was mir gut gefallen hat war eindeutig die Spannung, die relativ gleichmäßig vorhanden war und sich zum Ende hin nochmal steigern konnte. Auch die Ermittler waren mir wieder sympathisch und man hat sie gerne bei ihrer Arbeit begleitet. Das Buch hat es geschafft, einen oft mit bedrückter Stimmung und etwas nachdenklich zurück zu lassen, was gar nicht so einfach ist.

Leider überwiegen die negativen Punkte bei diesem Thriller. Zwar kann man nicht ins Detail gehen ohne zu viel spoilern, aber einige Dinge waren einfach unlogisch. Das blinde Hineinlaufen in die Gefahr und auch der Prozess, welcher zu dieser Tat motiviert haben, laufen so nicht ab, um es einmal kryptisch zu formulieren. In dem Thriller wird gleichzeitig noch ein weiteres Thema behandelt: Unsere Männerdominierte Gesellschaft und wie sich Frauen darin behaupten müssen. Leider fand ich das Ganze nicht wirklich gut umgesetzt. Es gibt so viel mehr als notorische Frauenhasser und auf der anderen Seite notorische Männerhasser. Mal ganz davon abgesehen, dass wir das Klischee der männerhassenden Lesben doch bitte langsam mal wirklich hinter uns lassen könnten. Gerade da wir so viel Einblick in die Entwicklung eines der Charaktere bekommen, müsste dessen Hass auf Männer und Frauen recht ausgeglichen sein. Da immer wieder betont wurde, um was für selbständige, toughe Frauen es sich handelt, wäre es doch vielleicht schöner gewesen, die Beiden ein Stück dabei zu begleiten, wie sie gewisse Hindernisse meistern, anstatt erst mal alles zu verteufeln, was ein Mann von sich gibt. Der nächste Punkt, der mir nicht wirklich einleuchtet: Was ist mit dem eigentlichen Thema passiert? Laut Titel und Klappentext geht es um Fitnesstracker und im weitesten Sinne die Gefahren des Internets. Mitnichten ist das jedoch Thema in dem Thriller. Deswegen ist mir auch überhaupt nicht klar, welches Motiv den Täter zu seinen späteren Werken motiviert hat bzw. allgemein zu der Art der Umsetzung. Die Auflösung lässt mich etwas verwirrt zurück, da dem Täter nun nicht der Platz oder das Genie eingeräumt wird, auf das im ganzen Buch hingewiesen wird.

Mein Fazit: Leider konnte, für mein Empfinden, dieser Teil nicht mit den Vorigen mithalten. Oft hat der Zusammenhang gefehlt: Wieso die Karte, wieso die App? Das Thema an sich wäre doch so genial gewesen! Über die teils unlogischen Stellen hätte ich gerne hinwegsehen können, allerdings lässt einen das Ende dann wieder mit einem Haufen ungeklärter Fragen zurück. Auch fand ich das Thema Emanzipation, falls es darauf denn abzielen sollte, nicht glücklich umgesetzt. Nichtsdestotrotz konnte ich den Thriller an einem Tag lesen, da er ein recht durchgängiges Spannungsniveau hatte was ein Beiseitelegen schwer machten. Vor allem die Ermittler reißen noch mal einiges an Sympathiepunkten raus und lassen mich etwas versöhnter mit dem Thriller zurü

Bewertung vom 27.05.2021
Der neunte Arm des Oktopus / Oktopus Bd.1
Rossmann, Dirk

Der neunte Arm des Oktopus / Oktopus Bd.1


weniger gut

Lose Fäden, lose Enden, viele Fragezeichen

Die drei Supermächte Amerika, Russland und China schließen sich zusammen, um eine Öko-Allianz zu bilden und radikale Maßnahmen durchzusetzen, um die Klimakrise abzuwenden. Getreu dem Motto friss oder stirb, muss der Rest der Welt mitziehen, sonst drohen Sanktionen der sogenannten G3. Offensichtlich sind nicht alle Länder mit dieser Diktatur der neuen Weltordnung einverstanden. Besonders Brasilien probt den Aufstand und bringt seine Bürger in Gefahr.

Aufgrund des Klappentextes habe ich einen Roman in Richtung Black Out erwartet, der die Konsequenzen und Auswirkungen auf die Welt und die Bevölkerung durch diese drastischen Einschnitte darstellt. Vielleicht auch eine differenzierte Gegenüberstellung ob dieser Weg überhaupt möglich und sinnvoll ist. Jedoch ist nichts dergleichen passiert. Okey, man kann nicht erwarten, dass ein unbekanntes Buch subjektive Erwartungen erfüllt, aber wie es sich dann tatsächlich entwickelt hat, war für mich fern von allem möglich Tolerierbarem.

Zunächst fallen extrem viele Orts-/ Zeit-/ und Figurenwechsel auf. Teilweise wird in das Jahr 2100 gesprungen, wo man einen Sci-Fi artigen Rückblick auf die 20er Jahre bekommt. Diese Ausflüge beinhalten auch so gut wie die einzigen Schnittstellen mit dem titelgebenden Oktopus.

Von der Allianz der drei Supermächte weiß man von Anfang an, allerdings passiert zu diesem Thema erst ab circa der Buchhälfte irgendetwas, in dem die Präsidentin eine Inaugurationsrede hält, die eher einem Vertragsabschluss gleicht. Hier diktiert sie die einschneidenden Regeln, denen sich der Rest der Welt beugen soll. Wie es überhaupt zu dieser Allianz kommt, bleibt unklar. Es gab kein auslösendes Ereignis, den PräsidetInnen fällt es wohl urplötzlich wie Schuppen von den Augen und sie stellen alles hinten an, um das Klima zu retten. Jetzt frägt man sich sicherlich, ob sich der Rest der Welt diese Regeln und strengen Sanktionen einfach so diktieren lässt: Natürlich nicht, aber wer sich widersetzt, dem droht Krieg! Diesem Gesetz der Logik folgend, sollte es sich hierbei dann aber wenigstens um einen Atomkrieg handeln, damit der Verursacher des Klimaproblems ausgelöscht wird – der Mensch. Komischerweise scheint Brasilien aber auch das einzige Land zu sein, welches diese Maßnahmen aktiv ablehnt.

Die ganze Zeit ist nicht so wirklich klar, auf was der Fokus gerichtet ist. Auf diese Allianz, auf den Widerstand (in den jeweiligen Ländern gibt es natürlich hohe Funktionäre in Wirtschaft, Militär, etc. die ihre Existenz bedroht sehen) oder auf unzählige Nebenfiguren, die mal in die Geschichte hineinschneien und dann wieder vergessen werden. Ich persönlich bin kein Fan davon, bekannte Personen, die – noch – im öffentlichen Leben stehen, in einem Roman agieren zu sehen (Hier bspw. Kamala Harris, Wladimir Putin, Bill Gates). Das nimmt dem Ganzen jegliche Authentizität. Aber das ist Geschmackssache.

Zum Schreibstil allgemein: Mir kam es so vor, als wären Informationsblöcke mit etwas Handlung dazwischen zusammengeschustert worden. Leider kommen diese Einschübe oft auch an den unpassendsten Stellen, wie bspw. als es einmal wirklich spannend wird, aber mitten im Kampf eine Ausführung über Messer platziert wird – und Spannung ade! Nichtsdestotrotz haben mir die kurzen Episoden mit der brasilianischen Geheimdienstagentin wirklich gut gefallen. Zu der „schönen“ Sekretärin und der „hübschen“ Reporterin sage ich, genauso wie zu diesem Epilog, einfach nichts.

Meiner Meinung nach passiert zu dem eigentlichen Thema einfach gar nichts. Ein halbes Buch wird um diese Klimaallianz herumgeredet, bis sie dann in Kraft tritt und das war es dann. Oft habe ich mich gefragt wo denn jetzt der Punkt ist, es gibt tausend lose Fäden und so viele angefangene Geschichten und die einzige Sichtweise ist die Glorifizierung dieser Allianz und keinerlei kritische Betrachtung, außer durch Kriminelle Widerständler? Für mich wirklich leider enttäuschend, trotz des Potenti

Bewertung vom 19.05.2021
Venezianische Verwicklungen (MP3-Download)
Gesing, Daniela

Venezianische Verwicklungen (MP3-Download)


sehr gut

Jagd durch Venedig

Der Kunstprofessor Konstantin Becker reist mit seiner Assistentin nach Venedig, um ein plötzlich aufgetauchtes Bild auf seine Echtheit zu überprüfen. Es soll sich um einen bislang unbekannten Picasso handeln. Kurz darauf wird Becker tot aufgefunden und Commissario Luca Brassoni übernimmt mit seinem Kollegen Goldini die Ermittlungen. Bald stellen sie fest, dass Becker und das Museum, dem das Bild zugespielt wurde, nicht die einzigen sind, die, sollte es sich tatsächlich um einen echten Picasso handeln, auf diesen Schatz aus sind. Der anderen Partei ist jedes Mittel recht, sich den Weg zu dem Gemälde frei zu bahnen.

Die Geschichte rund um die Jagd auf das Gemälde nimmt einen mit auf eine Reise durch Venedig. Die verschiedenen Schauplätze werden detailliert beschrieben und man erhält allerhand Hintergrundinformationen. So schafft es die Story oft, einen gedanklich in die Lagunenstadt zu entführen.

Zeitweise fand ich das Privatleben des Commissarios etwas zu präsent, was ein bisschen Spannung aus der Geschichte genommen hat. Allerdings wird dies vielleicht noch für die folgenden Bände eine Rolle spielen und so hat man Brassoni privat etwas besser kennen lernen können. Ob er momentan ein Sympathieträger ist, bleibt jedoch jedem selbst zu beurteilen.

Die Kulisse Venedigs und der Plot rund um ein altes Gemälde, verleihen dem Krimi eine ganz eigene Atmosphäre. Die Mysteriöse Stimmung wird von einem Ausflug auf die Geisterinsel Poveglia komplettiert und so wird immer wieder für schaurige Momente gesorgt. Eine Verfilmung könnte ich mir hier wunderbar vorstellen.

Da der Commissario auch Wurzeln in Deutschland hat, fließen neben typisch Italienischen auch immer wieder Deutsche, speziell Bayrische, Elemente ein. Durch die Vorliebe Brassonis für Kulinarik, werden vor allem Gerichte immer wieder detailliert beschrieben und man bekommt selbst Lust, direkt zum Italiener des Vertrauens zu gehen. Die Kombination aus guter italienischer Küche und deftigen, bayrischen Gerichten ist wirklich unterhaltsam und sehr gut nachvollziehbar (bis auf die Kombination aus Grießnockerlsuppe und Wurstsalat).

Obwohl die Spannung zwischenzeitlich kurz nachlässt, wartet das Ende wieder mit einem rasanten Showdown auf. Man konnte wunderbar miträtseln und hatte den ein oder anderen Verdacht, der sich dann eventuell bestätigt hat oder auch nicht. Mir hat diese spannende Reise nach Venedig und das Geheimnis rund um das Gemälde gut gefallen und ich bin auf die Fortsetzung gespannt.

Bewertung vom 04.05.2021
Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1


sehr gut

Der Donnerstagsmordclub gehört noch lange nicht zum alten Eisen

In der Seniorenresidenz „Coopers Chase“ wird das „Puzzlezimmer“ akribisch genau zwischen verschiedenen Clubs aufgeteilt. Die Treffen der Frankreichbegeisterten finden genauso wie gemeinsames Häkeln zu bestimmten Zeiten statt und so eben auch der Donnerstagsmordclub jeden Donnerstag. Mit von der Partie sind Elizabeth, eine ehemalige Geheimagentin, Ron, ein ehemaliger Gewerkschaftsführer und Ibrahim, ehemals Psychiater. Bisher war auch Penny teil des Clubs und hat als ehemalige Kommissarin, alte Akten und somit interessante Fälle beigesteuert. Da sie nun nicht mehr im Stande dazu ist, wird Joyce, eine ehemalige Krankenschwester mit ins Boot geholt. Plötzlich hat der Club das Glück, nicht nur verstaubte alte Fälle zu analysieren, sondern einen brandaktuellen Mordfall aufzulösen, als plötzlich ein naher Mitarbeiter des Eigentümers in seinem Haus ermordet wird. Alle vier tragen mit ihren jeweiligen Fähigkeiten dazu bei, einen immer größeren Teil der Geschichte zu enthüllen.

Der Roman war durchweg humorvoll erzählt und man musste über viele Situationen, die einem selbst bekannt vorkommen, schmunzeln. Genauso liegt aber eine gewisse Ernsthaftigkeit über der Geschichte und bestimmte Elemente regen sehr zum Nachdenken an. Interessant ist vor allem, dass der Großteil aus der Sicht der Bewohner von Coopers Chase berichtet wird, man also alles aus den Augen einer Person sieht, die unglaublich viel Lebenserfahrung besitzt. Deshalb werden Situationen vielleicht anders bewertet und man bekommt selbst einen neuen Denkanstoß.

Bei den vier sympathischen älteren Herrschaften handelt es sich um eine derart lustige Truppe, dass es einfach nur Spaß macht sie durch den Roman zu begleiten. Die Charaktere sind mit allen ihren Marotten liebevoll gezeichnet. Egal ob die energische, renitente Elizabeth mit einer pfiffigen Idee etwas einfädelt – denn sind wir mal ehrlich, die Fäden hat ganz alleine sie in der Hand – oder die gutmütige Joyce, die um ihre Schwächen weiß und es immer wieder schafft, für eine Überraschung zu sorgen. Gerade im Umgang mit ihrer Tochter beweist sie so viel Scharfsinn und Verständnis, was einen manchmal echt Tränen lachen lässt.

Aufgrund der vielen Verstrickungen und Hintergrund- /Nebengeschichten, musste man sich sehr konzentrieren, um der eigentlichen Geschichte folgen zu können. Vielleicht hätte ein bisschen weniger nicht geschadet, da man oft von dem eigentlichen Fall abgekommen ist und gedanklich erst wieder alles einordnen musste. So ist auf jeden Fall zu empfehlen, keine längeren Lesepausen einzulegen.

Was mir sehr gut gefallen hat ist, dass hier ein positives, hoffnungsvolles Bild von Seniorenheimen gezeichnet wird. Zwar kann man „Coopers Chase“ nicht mit normalen Einrichtungen, zumindest solchen, die mir bekannt sind, vergleichen, die Bewohner jedoch schon. Wie Joyce‘ Tochter so schön zusammenfasste, als sie ihrer Mutter erzählte, dass sie dachte der Umzug in diese Wohnung wäre für ihre Mutter das Ende, jetzt aber würde sie sehen, dass es erst der Anfang gewesen sei. Mir gefällt diese Sichtweise, dass es sich um den Anfang eines neuen Lebensabschnittes hält, der so viel bereithalten kann und definitiv nicht den Stempel „Endstation“ verdient.

Im Buchumschlag heißt es: „Bis nächsten Donnerstag!“ und das würde ich mir auch sehr wünschen! Gerne würde ich noch weiterverfolgen, wie der Donnerstagsmordclub weitere Fälle aufdeckt und die Ermittlungen aufmischt.

Bewertung vom 28.04.2021
Die Katze und die Leiche in der Scheune / Clarice Beech Bd.1
High, Kate

Die Katze und die Leiche in der Scheune / Clarice Beech Bd.1


sehr gut

Schauderhaft schöner Krimi und Katzen noch dazu

Clarice Beech ist die Tierliebe in Person. Sie besitzt einen alten Hof und nimmt dort pflegebedürftige Hunde und Katzen auf, die sie wieder aufpäppelt und einige davon in ein liebevolles neues Zuhause vermittelt. So auch den dreibeinigen, fast zahnlosen Kater Walter, den sie bei ihrer Bekannten, Lady Vita Fayrepoynt, untergebracht hat. Allerdings ist Walter mal wieder per Anhalter von seinem Zuhause ausgebüxt. Als Clarice ihn wiederfindet, macht sie gleichzeitig eine andere, schaurige Entdeckung: Bei dem Versuch Walter aus dem Gebälk der alten Galgenscheune zu befreien, stürzt sie in die Tiefe und landet prompt auf der sich bereits zersetzenden Leiche von Rose Miller. Das weckt Clarice‘ Spürnase und sie stellt Ermittlungen auf eigene Faust an. Dabei kreuzen sich ihre Wege des Öfteren mit denen des eigentlichen Leiters der Ermittlungen: Ihrem Noch-Ehemann Rick.

„Die Katze und die Leiche in der Scheune“ bietet das beste Rezept für einen typischen englischen Krimi: Ein kleiner Ort mit all seinen Bewohnern und ihren Eigenheiten sowie tief verborgene Familiengeheimnisse in aristokratischen Kreisen.

Zu Beginn gewinnt man den Eindruck, es handle sich um einen entspannten Cosy-Krimi, der viel Wert auf die Atmosphäre legt und welchen man zu einer guten Tasse Tee genießen kann. In der Sekunde, in der Clarice jedoch von dem Balken stürzt, ändert sich die Stimmung schlagartig von gemütlich zu schauderhaft und selbige Tasse Tee möchte einem vor Schreck beinahe aus der Hand fallen. Mir hat es richtig gut gefallen, dass man nicht lange warten musste, bis etwas passiert. So ist man sofort von der Geschichte gefesselt. Die gemütliche Atmosphäre wird ebenso wie die schön schauderhaften Momente wunderbar transportiert und nach kurzer Zeit hat man das Gefühl, selbst durch die Straßen des Örtchens zu fahren.

Im Laufe der Geschichte lernt man sehr viele Menschen wie Tiere kennen. Teilweise sind die vielen Namen eine ganz schöne Herausforderung. Viele der Personen sind irgendwie in den Fall verstrickt, sodass man ziemlich viel gleichzeitig überblicken muss. Gerade die ganzen Verwandtschaftsverhältnisse der Fayrepoynts waren teils recht komplex, was aber vermutlich keine Seltenheit in Adelsfamilien mit langem Stammbaum ist.

Die Protagonistin war mir durch und durch sympathisch. Auch ihre Bekannten und Freunde wurden alle sehr individuell gezeichnet, wodurch man einen guten Einblick in ihre Welt bekommt und man sich dort durchaus wohlfühlt. Da sich Clarice in die Ermittlungen verbissen hat, bringt sie allerhand Neues ans Tageslicht und manövriert sich dadurch in die Schusslinie schmieriger Typen. Ihre Reise in die Familiengeschichte der Fayrepoynts enthüllt explosives Material, was dann zu einem ebensolchen Showdown führt.

Der Krimi war sehr kurzweilig geschrieben und man konnte ihn gut und schnell lesen. Da es nicht bei diesem einen Verbrechen bleibt, kommt immer wieder genug Spannung in die Geschichte und der Leser wird des Öfteren auf eine falsche Fährt gelockt. Auch die bildhafte Sprache und amüsanten Vergleiche machen viel Spaß zu lesen.

Die Auflösung fand ich teils sehr gelungen und hat mich fast schon schadenfroh zurückgelassen. Andererseits waren mir dann einige Teile etwas zu weit hergeholt und von zu vielen Annahmen geprägt. Zumindest konnte ich nicht immer sehen, wie man auf diese und jene Wendung gekommen ist. Ebenso wurden nicht alle Rätsel aufgedeckt, was ich etwas schade fand, da diese in den folgenden Teilen wohl ebenso nicht mehr von Bedeutung sein werden.

Auch wenn für meinen Geschmack die Katzen eine noch viel Größere Rolle hätten spielen dürfen, gibt’s von mir, für die heldenhaften Katzen und ihre Dosenöffnerin Clarice, 4 Sterne.

Bewertung vom 12.04.2021
Die Toten vom Gare d'Austerlitz
Lloyd, Chris

Die Toten vom Gare d'Austerlitz


sehr gut

Mordermittlungen im Krieg

Was zunächst konfus klingen mag, ist die Realität in diesem Roman: Im 1940 von den Deutschen besetzten Paris werden am Gare d’Austerlitz vier tote Polen aufgefunden. Édouard, Eddie, Giral übernimmt die Ermittlungen, bei denen ihm die Deutschen unendlich viele Steine in den Weg legen. Für ihn beginnt ein Drahtseilakt, bei dem auch sein eigenes Leben immer wieder in Gefahr gerät. Er versucht den Täter zu entlarven, ohne den Deutschen zu sehr auf die Füße zu treten, was nicht immer gelingt. Er trifft auf unerwartete Widerstände in den eigenen Reihen und muss versuchen, sich selbst treu zu bleiben, da die Deutschen ständig versuchen, die Ermittlungen in die von Ihnen gewünschten Bahnen zu lenken. Gleichzeitig hat er mit sich selbst und den Vorwürfen seines überraschend aufgetauchten Sohnes zu kämpfen.

Die Geschichte wird aus Sicht Eddie Girals erzählt, den wir bei seinen Ermittlungen begleiten. Der Charakter wird sehr lebhaft mit all seinen Schwächen und seinen inneren Kämpfen gezeichnet, was ihn nahbar und sympathisch macht. Gleichzeitig ist Eddie aber auch ein durchtriebener Ermittler, der durch perfide Kniffe, meist mit hohem Risiko verbunden, diejenigen austrickst, die ihn manipulieren wollen, um seine Ermittlungen voranzutreiben. Immer wieder tauchen kürzere Episoden aus seiner Vergangenheit zwischen den Kapiteln auf, in denen man viel über seine Beweggründe und Entscheidungen erfährt. Dadurch, dass die Rückblenden so kurz gehalten werden, tun sie der Spannung keinen Abbruch, sondern liefern vielmehr nützliche und spannende Informationen, die für das weitere Verständnis der Geschichte und des Charakters notwendig sind.

Der Krimi spielt immer wieder mit der Frage, worin der Sinn liegt, während eines Weltkrieges mit tausenden von Toten, nach den Mördern einzelner Personen zu suchen. In dieser hoffnungslosen Situation scheinen Mordermittlungen wie ein Tropfen auf den heißen Stein, ja fast schon unsinnig zu sein. Auch Giral muss diese Frage für sich selbst beantworten und gleichzeitig bekommt der Leser immer wieder neue Ansätze geliefert, die Antworten bieten, was, wie ich finde, wunderbar gelöst ist. Giral beantwortet diese Frage für sich, in dem er versucht „Gerechtigkeit für die vier Männer zu erlangen […], um den ungestraften Mord an Millionen zu entschuldigen“. Seine Aufgabe sei es eine „Lösung für das geringere Übel zu finden“. An anderer Stelle wird gewarnt, „dass wir Mord gegenüber nicht gleichgültig werden und nicht mehr unterscheiden können, was akzeptabel ist und was nicht.“ Die wohl einfachste Antwort findet sich in der Aussage „[…] damit die Zivilisation nicht zusammenbricht, müssen wir Mord weiter bestrafen […]“.

Man hat den Eindruck, dass sich Giral in die Ermittlungen stürzt, um in diesen Zeiten irgendeinen Sinn zu finden und nicht verrückt zu werden. Er steht unter enormem Druck, da er sich gegen alle Seiten behaupten muss und ein gefährliches Spiel mit den Nazis zu spielen beginnt. Ironischerweise erinnern die Entscheidungen, mit denen er sich konfrontiert sieht, an de Gaulles „Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg!“. Diese Frage muss Giral bei seinen Ermittlungen des Öfteren abwägen: Die Mörder identifizieren oder einem höheren Ziel zugunsten schweigen. Dabei handelt er sehr viel besonnener als sein Sohn, dessen Aktionen des Öfteren jugendlichem Leichtsinn zu entspringen scheinen.

In diesem Roman habe ich eine andere Sicht auf den zweiten Weltkrieg kennen gelernt, was wirklich spannend war. Die Auflösung musste ich zwei Mal lesen, da sie recht kompliziert war und es viele Verstrickungen gab. Das Buch hat mich des Öfteren zum googlen – bspw. historischer Begebenheiten – animiert, was für mich immer positiv zu bewerten ist. Auch die Anmerkungen des Autors am Ende fand ich hilfreich und wertvoll. Ein spannender Kriminalroman in den wirren des zweiten Weltkriegs: Für Krimiliebhaber und alle mit Interesse an Frankreich während der deutschen Besatzung, eine k

Bewertung vom 11.04.2021
Der Heimweg
Fitzek, Sebastian

Der Heimweg


gut

Kampf mit der inneren Angst

Auf der Flucht vor ihrem Liebhaber, der sich unmittelbar zuvor als psychopathischer Killer entpuppt hat, hört Klara Vernet auf einmal die Stimme eines Mannes aus ihrem Handy. Sie vermutet, dass sich die Wahlwiederholung selbständig gemacht hat und bei dem Begleittelefon Service angerufen hat. So gelingt es Jules, dem Begleittelefonmitarbeiter am anderen Ende der Leitung, nach und nach ihr ihre Geschichte zu entlocken, bei der man das Gefühl hat, sie sei ausgedacht, so furchtbar klingt sie. Jules begleitet daraufhin Klara telefonisch auf ihrer Flucht und keiner bemerkt, wie beide immer mehr in die grausamen Geschehnisse involviert werden.

„Der Heimweg“ ist der erste Roman, den ich von Sebastian Fitzek gelesen habe und welcher mich ein bisschen zwiegespalten zurücklässt. Wüsste ich nicht, von wem der Roman stammt, hätte ich vermutet einen amerikanischen Serienkiller/Psychopathen Thriller einer der Autor*innen dieses Genres vor mir zu haben. Das Setting, die Entdeckung, die Klara bei ihrem Liebhaber macht, ist schauderhaft und verspricht einen Roman, der eben diese Richtung einschlägt. Allerdings passiert im Folgenden SEHR viel. Sehr, sehr viel. Ich hätte gerne einen Thriller über den „Kalender Killer“ gelesen, einen über fragwürdige Experimente in psychiatrischen Einrichtungen, einen Thriller über die perversen Machenschaften und Vorgänge im „Le Zen“ oder im sog. „Stall“, einen der sich um das echte Begleittelefon dreht oder auch gerne einen über Wahrnehmungsstörungen, aber nicht alles in einem einzigen Thriller verpackt. Nachdem alle diese Themen, die jeweils einen eigenen Roman thematisch füllen könnten, hier angeschnitten werden und irgendwie in der Handlung vorkommen, kommen zwangsläufig auch alle diese Themen zu kurz. Häusliche Gewalt kommt schon häufig in einem weitaus weniger ausufernden Ausmaß, wie hier geschildert wird, vor. Klar ist hier einiges wohl der Dramaturgie geschuldet, da nebenher aber noch so viel anderes passiert, verliert man ein bisschen den Blick für diese reale Problematik.

Nicht übertrieben sondern einfach unlogisch fand ich kleinere Handlungsstränge, bspw. als Klara einem Mann mit einem Auto über die Füße gefahren ist, von einem anderen Mann überwältigt wurde und daraufhin größere Strecken – schnell – zu Fuß zurückgelegt hat oder ein anderer, der trotz Messer in den Rippen und bedrohlichem Blutverlust, akrobatische Kunststücke an der Hausfassade vollbringen konnte. Auch über den Titel und den Zusammenhang zum Inhalt lässt sich irgendwie streiten. Man würde annehmen, dass eine Frau auf ihrem Heimweg ein ungutes Gefühl hat, glaubt verfolgt zu werden oder wie es der Buchrücken sagt „eine beruhigende Stimme braucht“ und deshalb beim Begleittelefon anruft. Allerdings befindet sich die Protagonistin auf der Flucht und möchte eben gerade nicht nach Hause, ja dieses sogar nie wiedersehen.

Jedoch ist dieses Buch ein echter Pageturner. Die Spannung reißt kein einziges Mal ab, sodass man das gesamte Buch gut in einem Rutsch lesen könnte. Man weiß bis zum Ende nicht, was stimmt, was wahr und was eingebildet ist oder eventuellen Wahrnehmungsstörungen geschuldet ist. Das Ende hält nochmal einige Überraschungen bereit und hat mir persönlich gut gefallen. Dass der Ausgang offen gehalten wurde, ist wohl Geschmackssache, in diesem Fall war es für mich allerdings sehr stimmig.

Wer einen fesselnden Thriller mit hohem Tempo und sich überschlagenden Ereignissen schätzt, ist hier richtig. Spannung pur ist hier garantiert, dass man das Buch gar nicht aus der Hand legen mag. Für mich sind zu viele Themen angerissen worden, lesenswert ist „Der Heimweg“ aber allemal und für den Spannungskick zwischendurch absolut zu empfehlen.

Bewertung vom 06.04.2021
Die Wahrheit der Dinge
Thiele, Markus

Die Wahrheit der Dinge


sehr gut

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“

Frank Petersen, Strafrichter, befindet sich an einem Wendepunkt in seinem Leben. Seine Frau wohnt vorübergehend mit dem gemeinsamen Sohn Jannis bei ihren Eltern und möchte eine Pause von der Ehe. Außerdem nagt der Zweifel, besonders über zwei Urteile, welche er gefällt hat, an ihm. Zum einen ist da der Fall Korkmaz, bei dem seine Frau entschieden Vorwürfe gegen sein Urteil erhebt und der Fall Corinna Maier. In einem früheren Verfahren hat sie kurz vor der Urteilsverkündung den Angeklagten im Gerichtssaal niedergeschossen. Da ihre Haftstrafe nun endet, reißt der Fall bei Petersen alte Wunden auf. Indem er Corinna Maier aus der Haftanstalt abholt, möchte er endlich ungeklärte Fragen klären. Ob beide damit ihren Frieden finden werden?

Die Erzählung erfolgt in zwei Handlungssträngen: Zum einen die Gegenwart, welche aus der Sicht Frank Petersens erzählt wird und von seiner Sinnkrise, die über eine Midlife-Crisis hinausgeht, berichtet. Zum anderen bekommt der Leser immer wieder Einblick in die Vergangenheit Corinna Maiers. Langsam setzt sich ein Bild zusammen, was den Leser erkennen lässt, was sie zu dieser Tat getrieben hat. Das harte Schicksal, welches dieser Frau widerfahren ist, sprüht nur so vor Ungerechtigkeit und lässt einen schockiert zurück. Hier sieht man sich bereits mit dem ersten Dilemma konfrontiert, man kann ihre Beweggründe nachvollziehen, Selbstjustiz jedoch auch nicht gutheißen.

Relativ schnell stellt sich heraus, dass der Fall Korkmaz das Fass für Britta zum Überlaufen gebracht hat und sie deshalb eine Auszeit wollte. Man weiß, dass es mehrere Dilemmata gibt, die Petersen hin und herreißen, allerdings zieht sich die Erzählung, bis man herausfindet, um was es konkret geht. Lange wird man im Dunkeln gelassen, sodass man sich selbst keine Gedanken machen und abwägen kann.

Der Roman regt sehr zum Nachdenken an. Es gibt viele Punkte, über die man nachgrübelt, da man beide Seiten verstehen kann. Ganz besonders deutlich wird dies durch Petersen und seine Frau widergespiegelt. Auf der einen Seite der rationale Petersen mit den harten Fakten im Blick, auf der anderen Seite Britta, die eine emotionale Sichtweise und einen Blick für den Kontext mitbringt. Man stellt fest, dass beides seine Berechtigung hat, wichtig ist und es eigentlich nie die eine Wahrheit gibt.

Ebenso wird das Dilemma Familie und Job beleuchtet. Was tun, wenn das eine das andere negativ beeinflusst und sich beides nicht mehr richtig anfühlt? Petersen steht zwar hinter seinen Entscheidungen und kann „sich selbst noch im Spiegel ansehen“, aber das ist nicht das Einzige was zählt. Auch die Menschen, deren Urteil wir schätzen, die das Beste in uns herauszuholen vermögen müssen uns weiter in die Augen sehen können.

Selbst wenn man jedes für und wider abwägt, heruntergebrochen geht es um Schicksale, um Menschenleben, um Menschen, denen bereits alles genommen wurde und denen nichts mehr bleibt außer die Hoffnung auf einen Funken Gerechtigkeit. Man fragt sich das ein oder andere Mal durchaus, ob Dummheit und Ignoranz überhaupt diese differenzierte und offene Betrachtung verdienen. Aber wie Petersens Chefin so deutlich sagt: „Ohne Leute wie Sie, geht unser Rechtsstaat zugrunde“. Liegt nicht genau darin die Aufgabe, ständig und mit aller Kraft dafür zu kämpfen, unsere so fragilen und verletzlichen Gebilde Demokratie und Rechtsstaat aufrecht zu erhalten?

Empfehlenswert ist dieser Roman allemal. Vor allem für diejenigen, die sich für die Zusammenhänge und Fragen der Justiz interessieren. Dabei ist alles auch für Laien absolut verständlich aufgearbeitet. Leichte Kost ist „Die Wahrheit der Dinge“ sicherlich nicht, wer aber nicht davor zurückschreckt, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, für die es kein klares ja oder nein gibt und seine eigenen Wahrheiten zu hinterfragen, für den ist dieser Roman mit Sicherheit sehr wertvoll.

Bewertung vom 29.03.2021
Geiger / Geiger-Reihe Bd.1
Skördeman, Gustaf

Geiger / Geiger-Reihe Bd.1


gut

Die losen Enden des kalten Kriegs

Stellan Broman, eine ehemals große Nummer im schwedischen Fernsehen und seine Frau Agneta sind ein älteres Ehepaar, welches ihre Enkelkinder in den Ferien zu Besuch hat. Gerade als die Kinder wieder von ihren Eltern abgeholt werden und die Großeltern sich endlich entspannen können, klingelt das Telefon. Als Agneta abhebt, wird sich das Leben der ganzen Familie schlagartig ändern, denn aus heiterem Himmel schießt sie ihrem Mann in den Kopf und flüchtet.

Nach diesem Szenario staunt man als Leser nicht schlecht, was für ein Auftakt! Manchmal denkt man es wäre spannender nicht mehr zu wissen als die Ermittler, hier verhält es sich aber genau umgekehrt. Dass man bereits über die Täterin Bescheid weiß, es aber immer noch nicht glauben kann und kein Motiv für die Tat erkenntlich ist, macht alles umso spannender. Dieser Mord ruft eine Kindheitsfreundin der Broman Töchter auf den Plan, die mittlerweile als Polizistin arbeitet und inoffiziell eigene Nachforschungen anstellt. Sara entdeckt bald darauf Verbindungen des Falls zum kalten Krieg und sticht in ein Wespennest aus Stasi Geheimaktionen und DDR-Sympathisanten und es tun sich menschliche Abgründe auf, die man sich schlimmer nicht vorzustellen vermag.

Es ist auch spannend zu sehen, wie sich die Dynamik zwischen den Frauen entwickelt, da Sara, der Polizistin, nach und nach klar wird, dass ihre sorglosen schönen Erinnerungen an die Kindheit idealisiert und verklärt ist, in Wirklichkeit aber ungesunde, manipulative Verhältnisse zwischen den Kindern geherrscht haben.

In diesem Buch gibt es gefühlt zwei vorherrschende, polarisierende Themen: Politik und die bereits erwähnte Polizistin Sara. Ihr Leben, ihre Arbeit sowie die kleinen und größeren familiären Probleme nehmen viel Platz ein. Wird man jedoch mit der hartnäckigen Ermittlerin, die auch gerne mal Grenzen überschreitet, warm, stehen die Chancen gut, schon mal einen Großteil des Buches zu mögen. Da viele Stasi Akten auch heute noch unter Verschluss stehen, hat dieses Thema also durchaus Potential. Es gibt viele geschichtliche Hintergrundinformationen, kleinere Exkurse in die schwedische Geschichte und der BND spielt ebenfalls eine Rolle. Es ist als nur von Vorteil, wenn man sich für diese Thematik auch interessiert. Das klingt zwar nur logisch, man wird aber nirgends vorgewarnt, dass sich dieses Buch mit den genannten Themen beschäftigt.

Mir war Sara durchaus meistens sympathisch und auch für die politischen Themen konnte ich ein gewisses Interesse aufbringen. Allerdings waren andere Handlungsstränge für mich teilweise unlogisch oder unverständlich. Wo die geschichtlichen Hintergründe akkurat recherchiert sind, besteht der fiktionale Teil des Romans für mich doch aus zu vielen unrealistischen Elementen. Die eigentlichen Ermittlungen werden dermaßen laienhaft ausgeführt und die offensichtlichsten Hinweise ignoriert, dass man sich fragt, wofür die Ermittler überhaupt da sind. Auch die Auflösung war mir persönlich zu weit hergeholt und übertrieben. Es gab durchaus überraschende und geschickt eingefädelte Elemente, die jedoch im weiteren Verlauf wieder an Glaubhaftigkeit verloren haben.

Der Schreibstil konnte mich die meiste Zeit fesseln. Es war angenehm zu lesen und gab witzige Passagen genauso wie Anspruchsvolle und teilweise Verwirrende. Die Geschichte startet unglaublich spannend und man staunt nur so, ob der Geschehnisse, die man so gar nicht begreifen kann. Spannungstechnisch hängt der Mittelteil dann etwas durch, jedoch nimmt die Geschichte zum Ende hin nochmal richtig Fahrt auf und die Spannungskurve erreicht fast so einen Stand wie zu Beginn.

Trotzdem bin ich auf die Fortsetzung gespannt, da man doch eine ganze Zeit lang mit den Protagonisten mitgefiebert und mitgefühlt hat. Wer sich für die Themen kalter Krieg und DDR und Schwedens Verwickelungen darin, interessiert und einen spannenden Spionage-Thriller lesen will, ist hier an der richtigen Stelle.

Bewertung vom 27.03.2021
Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1


ausgezeichnet

Dieser Roman ist ein wahrer Glanz

Magda Fuchs versucht ihrer Vergangenheit zu entfliehen und verlässt ihre Heimat Hildesheim um in der großen, unbekannten Stadt Berlin als Polizeiärztin neu anzufangen. Sie findet eine Unterkunft in der Pension „Bleibtreu“, welche gleichzeitig zu einem Ort der Begegnung zwischen den so vielseitigen Frauen dieses Romans ist. Während Magda mit der Unterstützung eines einzigen Kollegen und der Fürsorgerin Ina gegen die Ungerechtigkeit und Brutalität, die den in Armut lebenden Kindern in der Großstadt widerfährt, anzukämpfen versucht, bemüht sich Celia aus dem Gefängnis ihrer Ehe zu befreien, um ihren Traum vom Medizinstudium verwirklichen zu können.

Ich habe – unverständlicherweise – die Reihe um „Die Ärztin“ von Helene Sommerfeld bisher nicht gelesen und wusste also nicht was mich erwarten würde. Nun kann ich es kaum erwarten, dass die Fortsetzung dieser neuen, wunderbaren Reihe endlich erscheint. Der Roman hat alles was man sich nur vorstellen kann: Couragierte Frauen, überhaupt interessante, vielseitige Charaktere, spannende Ermittlungen, menschliche Abgründe, Elend und Leid aber genauso große Gefühle, familiärer Zusammenhalt und Hoffnung. Man ist bestürzt, schockiert, fiebert mit den Figuren mit und steckt zusammen mit ihnen in ihren Dilemmata, bei denen man froh ist, nicht selber diese Entscheidungen treffen zu müssen.

Immer wieder sind Frauen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten Teil der Handlung, die alle versuchen ihren Weg zu gehen. Langsam erkennen sie, dass auch sie eine Stimme haben und lernen diese auch einzusetzen. Es ist schön zu sehen, wie die Frauen einander unterstützen und Mut machen. Es ist „die Zeit von Frauen […], die ihr Leben selbst in die Hand nehmen“. Damals standen diese mutigen Frauen vor riesigen Herausforderungen und haben uns durch ihr mutiges Handeln den Grundstein geschaffen, 100 Jahre später auf so viel bereits Erreichtes zurückzublicken und dennoch weiter kämpfen zu können und zu müssen.

Der pessimistisch konnotierte Titel lässt wenig Platz für Hoffnung und oft hat man das Gefühl, all die Anstrengungen der Charaktere seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Roman schafft es aber auf überzeugende Weise die Hoffnung in den Vordergrund zu stellen und „mahnt“ den Glauben an jeden Einzelnen nicht zu verlieren: „Auch nur einen Menschen zu retten, heißt, die ganze Menschheit zu retten."

Der Roman liest sich wunderbar und kann spannungstechnisch locker mit einem Kriminalroman mithalten. Vor allem die weiblichen Charaktere sind so unterschiedlich und vielschichtig gestaltet, dass man mit mindestens einer Figur sympathisieren kann. Die Darstellung von Celias Vater hat mir besonders gut gefallen, da dieser Charakter so erfrischend gegensätzlich zu den gewohnt konservativen und spießigen Darstellungen ihm ähnlicher oder gleichaltriger Figuren ist.

Die detailreichen, historischen Gegebenheiten lassen einen ganz in das Berlin der „Goldenen Zwanziger“ eintauchen und man bekommt ein unglaublich gutes Gefühl für die Stimmung in dieser Stadt. Mir gefallen auch die Charaktere, die im breitesten Berlinerisch reden und ihre „Berliner Kodderschnauze“ nicht verstecken, da es das ganze so viel authentischer macht. Einfach dufte! Dank der tollen Recherche, welche diesem Roman zugrunde liegt, lernt man gleich noch was dazu. Nun weiß ich über die Bedeutung hinter der Abkürzung AVUS auch Bescheid.

Für mich ein absolut empfehlenswerter historischer Roman mit starkem Frauenbild und authentischem Einblick in das Berlin der goldenen 20er.