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kleincaro89

Bewertungen

Insgesamt 31 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2022
Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach
Mattera, Julia

Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach


weniger gut

Robert ist anders. Der Mann, der als Junggeselle angesehen werden kann, ist mit seinem Gemüse und seiner Küche verheiratet. Niemanden sonst lässt er an sich ran. Dabei ist es nicht gerade von Vorteil, dass seine Schwester auf dem gemeinsamen Hof einen Gasthof betreibt, zu der Robert das Essen liefert. Doch als ein neues Zweigespann aus Mutter und Sohn auf dem Hof auftaucht, scheint Roberts Fassade zum ersten Mal zu bröckeln. Langsam öffnet er sich und spricht nicht nur noch zu Möhren, Tomaten und Sternen.

Der Titel ist witzig und ansprechend gewählt, das Cover durch die warmen Farben ebenfalls. Der Inhalt des Buches klang allein von der Inhaltsangabe her sehr interessant, doch leider wurde meine Euphorie und meine Lust am Lesen im Laufe des Buches ein bisschen gedämpft.
Robert, der Hauptcharakter des Buches, ist nicht gerade eine leichte Person. Verschlossen, mürrisch und nicht sonderlich leicht zu erfassen, ist er es, den der Leser im Laufe des Buches begleitet. Doch auch auf dieser Reise vom 223 Seiten schaffte es die Autorin nicht, eine Verbindung zwischen Robert und mir herzustellen. Ein schwieriger Zeitgenosse, der entsprechend auch auf mich wirkt. Leider waren auch immer wieder Ausdrücke und Wortwendungen versteckt, die es für mich etwas holprig zu lesen machten und erschwerten, in die Geschichte selbst zu kommen.
Ansonsten ist das Buch abwechslungsreich, weist eine wahre Wandlung auf, eine Reise, die der Leser begleiten darf. Doch leider war diese Reise nicht meine Reise.

Bewertung vom 23.02.2022
Der Gräber
Persson Winter, Fredrik

Der Gräber


gut

Das Cover ist gut gewählt, fasst es den Inhalt der Geschichte im Prinzip zusammen und verbreitet bereits ein unangenehmes Gefühl. Denn das Buch dreht sich um den Keller der Häuser, bzw. um das, was jährlich geschieht. Von unten aus dem Erdreich kommend buddelt sich irgendetwas in den Keller von bestimmten Häusern und entführt seine Opfer. Sie werden nie gefunden. Die Polizei ermittelt, doch steht auf der Stelle. Als parallel dazu die Lektorin Annika ein Manuskript zugespielt bekommt, das sich mit genau der Thematik beschäftigt, muss sie es einfach veröffentlichen. Dass sie sich damit ins Visier der Ermittlungen katapultiert, ist ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Doch auch vieles andere ist ihr da noch nicht bewusst.

Das Buch wird zunächst aus zwei Sichten erzählt: Aus der Sicht von Annika, der Lektorin, und aus der Sicht von Cecilia, der Polizistin. Während es dem Leser leichtfällt, sich in Annikas Situation und in alles hineinzufinden, ist es bei Cecilia noch allzu einfach. Nichtsdestotrotz kann der Leser der Geschichte an sich folgen und wird hineingezogen.
Der Schreibstil ist einfach zu erfassen und man kann ihm gut folgen, auch wenn die Abschnitte der Annika von mir mehr begrüßt wurden als andere.
Allerdings scheint die Story mit voranschreitender Länge der Geschichte ein wenig utopisch und sehr weit hergezogen, sodass ich mich an der ein oder anderen Stelle gewundert habe, wie so etwas tatsächlich sein könnte. Auch die Praktiken der Polizei sind an manchen Stellen weniger gut durchdacht und lassen den Leser zweifeln. Letztendlich arbeitet alles auf das ultimative Ende hin, das mich leider auch nicht komplett überzeugt und gefesselt hat.

Während also der Klappentext das Interesse des Lesers geweckt hat, konnte mich das Buch an sich leider nicht überzeugen.

Bewertung vom 26.12.2021
Die falsche Zeugin
Slaughter, Karin

Die falsche Zeugin


sehr gut

Als Anwältin hat Leigh es geschafft, die Dunkelheit ihrer Vergangenheit hinter sich zu lassen. Gut gestellt mit einem bewundernswerten Job, einem Ex-Mann, der für sie da ist, und einer toughen Tochter scheint der Traum in Erfüllung gegangen zu sein. Doch es gibt etwas in Iberer Vergangenheit, das ist immer wieder Kummer bereitet, auch wenn es schon lange Jahre zurückliegt. Nun steht Leigh vor dem Scheideweg, denn ihr neuer Mandant, der so unübersehbar schuldig ist, weiß genau, worauf es bei Leigh ankommt, um sie aus dem Konzept zu bringen.

Karin Slaughter weiß, wie man den Leser einfängt und der Leser weiß, worauf er sich mit dieser Autorin einlässt. Im Nu überzeugt sie mit einer Geschichte, die mehr ist als es auf den ersten Blick scheint und die so viele Wenns und Abers zulässt, dass es nur gut werden muss.
Auch wenn sich die Geschichte auf den fast 600 Seiten an manchen Stellen zieht, schafft die Autorin es dennoch, den Spannungsbogen so aufrechtzuerhalten, dass es im Grunde nie langweilig wird. Auch die Tatsache, dass die Charaktere so zugänglich und vertrauens- wie liebenswürdig sind, spielt darin sicherlich eine Rolle. Der Leser kann sich wunderbar sowohl in die einzelnen Personen, die aus ihrer Sicht der Dinge Teile der Geschichte beschrieben, hineinversetzen, wie auch in die Szenerie selbst, die drumherum aufgebaut wird.

Ein tolles Buch, dass viele der dunklen Winterstunden füllen wird.

Bewertung vom 30.11.2021
Meeressarg / Fabian Risk Bd.6
Ahnhem, Stefan

Meeressarg / Fabian Risk Bd.6


sehr gut

„Meeressarg“ ist das letzte Buch der Reihe um den Ermittler Fabian Risk. Während er in seinen Jahren bei der schwedischen Polizei den ein oder anderen nervenaufreibenden Fall bearbeitet und gelöst hat, so hat ihn doch immer Kim Sleizner, Polizeichef der dänischen Polizei in Kopenhagen, an seine Grenzen gebracht. Doch er ist nicht allein, denn seine ehemalige Kollegin, ja fast so etwas wie eine Verbündete, war stets auf seiner Seite, wenn auch im Hintergrund agierend. Doch nun deutet der neue Fall der dänischen Polizei in fast ausschließlich eine Richtung, die gegen das dänische Oberhaupt gehen wird. Doch wird der Verdacht von zwei einzelnen Personen reichen, um den Erzfeind aus dem Verkehr zu ziehen? Denn der Polizeichef ist nicht das einzige hohe Tier, das am längeren Hebel sitzt.

Wer Stefan Ahnhem kennt und die Vorgänger des neuen Buches gelesen hat, weiß, worauf er sich einlässt. Allerdings muss ich an dieser Stelle sagen, dass ich von diesem Buch weitaus mehr begeistert war als von einigen der Bücher zuvor.

Auch wenn das Cover in die Szenerie der nordischen Länder passt, so ist der Bezug zum Buch an dieser Stelle aus meiner Sicht nicht gegeben. Nichtsdestotrotz tut dies dem Inhalt des Buches einen Abbruch, und bereits nach wenigen Seiten ist der Leser wieder auf einer Wellenlänge mit dem Autor. Gekonnt nimmt er den Faden des direkten Vorgängers auf, lässt Charaktere wieder aufleben und bringt den Leser wieder auf Reiseflughöhe. Mit gekonnter Sprache, Umschreibungen und Wortwendungen artikuliert sich Ahnhem zum Genuss des Lesers, welcher die Worte aufsaugt und einverleibt. Abwechslungsreich, sprunghaft und spannend, so ist das neue Buch wohl treffend zu beschreiben.

Der rote Faden ist durch das gesamte Buch sehr gut zu verfolgen, bringt den Leser an nervliche Grenzen und fordert ihn zu Ruhe heraus. Alle Facetten scheint das Buch anzusprechen, sodass viele Leser auf ihre Kosten kommen werden.

Bewertung vom 18.11.2021
Das Geheimnis des Bücherschranks
Skybäck, Frida

Das Geheimnis des Bücherschranks


gut

Das Buch „Das Geheimnis des Bücherschranks“ erzählt die Geschichte von Rebecka, welche als erfolgreiche Frau in Stockholm mit ihrem Verlobten ihr Leben lebt und leider keine Zeit mehr für links und rechts und ihre Familie in ihrer Heimat hat. Bis eines Tages ihre Oma einen Unfall hat und ins Krankenhaus kommt. Hals über Kopf packt sie alle Sachen zusammen und fährt zurück, um das Haus ihrer Oma zu pflegen und ihrer Oma beizustehen. Beim Aufräumen stößt sie dabei auf alte Briefe, alte Bilder und die Vergangenheit ihrer Oma, von der sie bisher nichts gewusst hat. Als sie neben den neuen Erkenntnissen auch noch mit der Unfreundlichkeit des neuen Nachbars konfrontiert wird, nimmt sie sich Großes vor, um sich selbst erneut zu beweisen.

Das Buch ist niedlich geschrieben und die Charaktere liebevoll gewählt. Voller Hingabe und Vertrautheit erzählt die Autorin nicht nur die Entdeckungen von Rebecka, sondern lässt auch Einblicke zu in die Vergangenheit von Oma Anna, die in den vierziger Jahren als junge Frau die Ausläufer des Kriegs in Europa miterlebt hat. Beide Geschichten sind sehr schön miteinander vereint, sodass der Leser keinerlei Schwierigkeiten hat, sich in den Geschichten zurechtzufinden und Verbindungen zu den Personen aufzubauen. Der rote Faden durch das Buch ist wunderbar wiederzufinden, auch wenn er an einigen Stellen etwas zu offensichtlich in manche Richtungen zeigt.
Dennoch ist es eine schöne Ablenkung für Wintermonate, leichte Kost für zwischendurch und für jedermann geeignet, der ein bisschen Ablenkung braucht und dem dabei ein bisschen warm ums Herz werden soll.

Bewertung vom 27.10.2021
Das Buch der verschollenen Namen
Harmel, Kristin

Das Buch der verschollenen Namen


sehr gut

Kristin Harmel verfasste in ihrem Buch „Das Buch der verschollenen Namen“ eine Geschichte, die nicht nur an die Opfer der Nazi-Herrschaft erinnerte, sondern auch an die, die dabei geholfen haben, vielen Menschen das Leben zu retten. Die junge Eva konnte den Fängen der Nazis 1942 in Paris nur knapp entkommen, doch leider schaffte dies ihr Vater nicht. Zusammen mit ihrer Mutter machte Eva sich auf, um sich in Sicherheit in die neutrale Schweiz zu flüchten, doch kommt alles anders. In einem kleinen französischen Dorf, abgelegen von der großen Show und komplett unbedeutend für weiteres, trifft sie auf Menschen, die sie zum Umdenken bringen. Nun macht es Eva sich zur Aufgabe, nicht nur sich und ihre Mutter retten zu wollen, sondern auch denen, denen noch geholfen werden kann. Als Fälscherin macht sie sich einen Namen, wird immer besser in dem, was sie tut, und retten vielen Kindern auf diese Weise das Leben. Doch für Eva ist die wahre Identität der Kinder wichtig und so entwickelt sie eine Möglichkeit, altes zu bewahren. Doch als plötzlich das Buch verschwindet und die Zelle verraten wird, bricht für Eva schier eine Welt zusammen.

Das Cover verkörpert bereits viel von dem, was der Leser im Buch selbst wiederfindet. Neben Geheimnissen spiegelt es auch Offenheit und Willkommen dem Leser gegenüber wider. Dies ist auch die Sprache, womit die Autorin den Leser willkommen heißt. Ein leichter Schreibstil, offene Worte und zugängliche Charaktere machen es dem Leser sehr einfach, in die Geschichte zu kommen.
Dabei begleitet der Leser ausschließlich die junge Eva auf ihrem Weg. Dies jedoch parallel in der Gegenwart und zugleich damals, als junge Frau in Paris. Der Hauptteil jedoch spielt in der damaligen Zeit, doch auch hier ist es auf Grund der Gegebenheiten des Buches eine Einfachheit, sich im Buch und in der Geschichte zu verlieren, Anschluss zu finden und sich treiben zu lassen.

Das Buch ist voller Wärme und Freude, trotz aller negativen Umstände schafft es die junge Frau stets, dem Leser die positiven Dinge des Lebens und der damaligen Zeit aufzuzeigen. Sich nie unterkriegen zu lassen, scheint Evas Devise zu sein, mit der sie ihr Leben bestreitet und weiterkommt.

Ein wunderbares Buch, das von einigen der Situation geschuldeten schweren Passagen begleitet wird, das jedoch dennoch nicht das Positive aus den Augen verliert.

Bewertung vom 13.10.2021
Der Sucher
French, Tana

Der Sucher


ausgezeichnet

Der ehemalige Polizist aus Chicago, Cal Hooper, versucht, seinem früheren Leben den Rücken zu kehren und flüchtet sich nach Irland. Auf dem Land, in einem kleinen heruntergekommenen Haus will er versuchen, sich selbst wiederzufinden und mit seiner Vergangenheit abzuschließen. Doch seine früheren Sinne lassen ihn nicht los: immer wieder fühlt er sich nicht alleine, immer wieder fühlt er sich beobachtet. Bis schließlich ein Kind bei ihm auftaucht, das eine kuriose Bitte und Aufgabe an ihn richtet. Währen Cal mit sich ringt, ob er seine Nase in fremde Angelegenheiten stecken soll, passieren in dem kleinen, beschaulichen und ruhigen Dorf immer mehr kuriose Dinge, die alle zusammen ein komisches Gesamtbild abgeben. Wie sollte es anders sein: Nicht lange dauert es, bis Cal in alte Muster verfällt und sich der Sache des Kindes annimmt.

Das Cover ist passend zum gewählten Ort gestaltet und verbreitet von Beginn an eine düstere Atmosphäre, die zur Grundstimmung des Buches passt. Cal, der ehemalige Polizist und Protagonist des Buches, scheint ebenso mit dieser Art der Ruhe und Gelassenheit gesegnet zu sein, vielleicht auch mit einer gesunden Prise an Melancholie und Pessimismus.
Alles zusammen bringt den Leser dazu, nicht von der ersten Seite und der ersten Begegnung an direkt ins Buch und in die Geschichte zu kommen. Vielmehr vergehen einige Seiten, wenn nicht sogar Kapitel, bis ich mich wirklich im Buch wiederfand und mich so in die Geschichte hineinversetzten konnte. Doch das ist bei mir und der Autorin nichts ungewöhnliches, ging es mir bei früheren Büchern bereits ähnlich.
Der Leser begleitet nun Cal auf seinem Weg des Ankommens, des Eingewöhnens und des Umbruchs. Er begegnet den unterschiedlichen Personen, doch ist es das Kind, Trey, die mit der Bitte, den Bruder zu finden, an Cal herantritt und damit Unglaube, Belustigung und Misstrauen schürt. Doch Cal lässt sich drauf ein und reist den Leser mit ihr seine vagen Ermittlungen.
Doch was sich der Leser erhofft hat, bleibt aus. Keine gruseligen oder zwielichtigen Ermittlungen, keine reißende Suchaktion, die eventuell endet wie in Cal Heimat. Vielmehr sind es die kleinen und kontunuierlichen Versuche von Cal, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Doch bleibt bei eben diesen Ansätzen leider oftmals die Spannung und der Reiz auf der Strecke, sodass der Leser lediglich über einige wenige Passagen dazu geneigt ist, den Atem anzuhalten und Seiten über Seiten zu verschlucken. Leider ist es vielmehr der mürbemachende Weg, den die Autorin in ihrem neuen Buch gewählt hat, der viele lange Passagen mit sich bringt, bei denen eher der Fluss als der Funke überspringt.

Ich muss leider gestehen, ich hatte mir mehr erhofft und bin an dieser Stelle leider enttäuscht worden.

Bewertung vom 13.10.2021
Der Gesang der Berge
Que Mai, Nguyen, Phan

Der Gesang der Berge


ausgezeichnet

Vietnam kam nie zur Ruhe. Ständig waren äußere Mächte am Werk, doch auch das Land selbst was in sich gespalten. Das Buch „Der Gesang der Berge“ beschreibt genau diese Zustände, die Entwicklungen und die Geschehnisse am lebendigen Beispiel der einst großen Familie. Beginnend mit einer Familiengeschichte um 1900 zeigt die Autorin, wie sich das Land in mehr als 100 Jahren entwickelt hat und nimmt Großmutter Diêu Lan als Weisheit, als Leitfigur und als Beispiel für viele ihrer Nachkommen. Sie steht für das Vietnam, das so viel hat erleben und ertragen müssen, für Familientragödien und Lebensfreude, für Mut und Vergebung, für ein Leben in Frieden.
Während sie selbst immer wieder von ihrem Leben als Tochter und später als Mutter und Großmutter erzählt, ist es ihre Enkelin, Huong, die alle Erlebnisse ihrer Großmutter in sich aufsaugt, als fast außenstehende Dritte auf ein Leben zurückschaut und versucht, sich ihre Großmutter als Vorbild zu machen.

Das Buch ist eine wahre Wucht. Nicht nur die Erzähl- und Schreibkünste der Autorin, auch die so nah an der Realität befindlichen Geschehnisse, die aufgenommen und verarbeitet werden, lassen den Leser einen vollkommen neuen Blick auf ein weit entferntes Land werfen. Viel zu selten beschäftigt man sich mit der Weltgeschichte, doch was hier im Buch verarbeitet wird, spricht Bände und steht für viele Familiengeschichten.
Mit einer Direktheit, die keine Scheu hat, auch die grausamsten Geschehnisse zu erzählen, punktet die Autorin, ebenso wie bei den Ansichten und Entwicklungen der Großmutter, welche mit ihrer Religion und ihren Riten und ihrer Kultur im Reinen ist.

Das Buch hat mich berührt und bewegt. Es hat einen klaren Blick auf eine Familiengeschichte geworfen, die beispielhaft für so viel Unglück in dem Land steht. Bildliche Sprache, warme Charaktere und eine Familie, die weiß, dass nur der Zusammenhalt zählt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.09.2021
Der Kolibri - Premio Strega 2020
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


ausgezeichnet

Ein ansprechendes und Aufbruch verkündendes Cover, ein prägnanter Name und erste Seiten, die erheiternd, knallhart offen und ehrlich und einfach direkt sind. Nichts ist so, wie es den ersten Anschein macht im Leben des Arztes Marco Carrera, der über dritte erfährt, dass seine Frau eine Affäre hat, ein Kind von einem anderen bekommen wird und er bald als geschiedener Mann auch seine Tochter verlieren wird. Der Autor nimmt dies als Anlass, die Vergangenheit und den Werdegang Carreras zu beleuchten und zu erkunden, einzutauchen in Geschehnisse und Gegebenheiten, und ihn auf seinem weiteren, nicht immer ganz leichten Lebensweg zu begleiten.

Lange Passagen, ausschweifende Beschreibungen und Erklärungen und Zeitsprünge sind der Wiedererkennungswert des Buches. Immer wieder wird der Leser in die Vergangenheit versetzt, was er erst einmal realisieren muss, bevor er weiter in die Geschichte eintauchen kann. Ebenso werden immer wieder Briefe abgedruckt, die teilweise von Marco selbst verfasst wurden, teils an ihn gerichtet sind und bei denen der Leser auch erst wieder den Zusammenhang ziehen muss, bis er versteht, womit er es zu tun hat.
Die langen Passagen erschweren das Lesen, auch wenn die Beschreibungen und Ausführungen an diesen Stellen weiterhin unterhaltsam sind. Dennoch schaffen sie einen leichten Bruch zwischen dem Lesefluss und dem eigentlichen Geschehen, sodass vieles für mich nicht so unbedingt nachvollziehbar war.

Leider war es nicht so ganz mein Buch und auch den der Schreibstil phänomenal und die Menschlichkeit in dem Buch absolut und rein war, hat es mich leider nicht so gefesselt, wie ich es mir erhofft hätte.

Bewertung vom 25.09.2021
Wellenflug
Neumann, Constanze

Wellenflug


sehr gut

„Wellenflug“ erzählt die Geschichte der jungen Anna, die als Tochter eines jüdischen Handelsmanns gut situiert Mitte des 19. Jahrhunderts aufwachsen kann. Durch gute Kontakte und eine offene Art stehen ihr alle Türen offen, welche sie schließlich ins große Berlin führen, in dem sie als Ehefrau eines ebenso erfolgreichen Mannes Mutter und glücklich wird. Immer wieder durch Ausfälle von Familienmitgliedern gebeutelt, setzt sie alles in die Erziehung ihrer eigenen Kinder. Doch leider muss sie mit ansehen, wie Heinrich, ihr Lieblingssohn in die Fußstapfen des bislang schwarzen Schafes der Familie tritt, sich das Leben eines Lustmolchs und Spieler annimmt und Schande über die Familie bringt. Die einzige Möglichkeit ist, ihn aus der Schusslinie zu bringen und nach New York zu schicken, bis er sich gefangen und gebessert hat.
Was ein Plan war, wird ein Leben, das Heinrich in der neuen weiten Welt zusammen mit seiner deutschen Freundin und bald Frau Marie aufbaut. Weit weg von der Familie, mehr oder minder auf sich alleine gestellt, verwirklicht sich das Ehepaar fast so etwas wie einen Traum, doch dann bricht zunächst der Krieg herein, Heinrich kehrt zurück nach Deutschland und wird es nie wieder komplett verlassen, wodurch die Zelte in Amerika abgerissen und neue im neuen Deutschland aufgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte niemand die heranwachsende Macht der Nationalsozialisten auf dem Zettel, deren Gefahr größer und größer wird.

Ein markantes Cover zeigt, dass es in diesem Buch Frauen sind, die vorne stehen. Eine junge Frau, gesittet, schön und in ihrem Sinne mächtig, was auch im Verlauf des Buches an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck kommt. Dabei wird damit sowohl Anna als auch später Marie aufgefangen und dargestellt, wobei der Übergang zwischen den unterschiedlichen Handlungen und Teilen des Buches sehr gut gelungen ist, sodass der Leser stets folgen kann und keinen Anschluss verliert.
Ebenso gelungen ist die Verbindung zwischen den Personen und dem Leser. Was in der ersten Hälfte grundsätzlich Anna zufiel, muss in der zweiten Hälfte nicht Heinrich übernehmen, sondern Marie, die die Geschehnisse aus ihrer Perspektive beschreibt und ein anderes Licht auf alles wirft. Beide Frauen zeichnen sich durch Offenheit und Präsenz aus, durch einen Willen und ihre eigene Meinung.
Die Sprache, die die Autorin verwendet, ist genauso prägnant und offen, sodass der Leser sich stets wohl aufgehoben und geborgen fühlt, gut folgen kann und stets bei der Sache bleiben kann. Es macht dem Leser dadurch Spaß, ins Buch abzutauchen und in einer anderen Zeit beizuwohnen.

Was anfangs vielleicht wie ein schwerer Roman klingen mag, ist wunderbar leicht gehalten, leicht zu erfassen und leicht zu verstehen. Offene Charaktere, eine durchgängige Handlung und ein roter Faden runden die Geschichte ab.