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KTh
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Insgesamt 33 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


sehr gut

Never complain, never explain!
„Niemals klagen, niemals erklären“ – nach diesem Maßstab wurde Ruth Schönwald erzogen und diese Maßgabe hat sie auch in ihrem Leben durchgezogen – im Verhältnis zu ihrem Mann, ihren Kindern und Enkeln. Dass dadurch schon mal etwas unter den Tisch gekehrt wurde, ist ganz logisch.
Doch Ruth, eine der Hauptfiguren in Philipp Oehmkes Gesellschaftsroman „Schönwald“ lebt nach dem Motto: „Informationsmanagement war ihrer Ansicht nach Teil einer vernunftbegabten Zivilisation. Wenn jeder Mensch alles, was er dachte, alles, was er erlebte, mit jenen teilte, die ihm oder ihr am wichtigsten waren […], wären Schmerz und Leid allerorten. Ständig wäre man nicht nachvollziehbaren oder verletzenden Aktionen anderer ausgesetzt, und umgekehrt. Nicht alle der eigenen Handlungen waren anderen erklärbar. Dafür war der Mensch in all seinen externen Verstrickungen zu komplex.“ (s. 434)
Auch andere Figuren dieser Familiengeschichte möchten sich nicht erklären, wie z.B. Chris Schönwald, der älteste Sohn, der vom linksliberalen US-Linguistikprofessor zum Trump-Fürsprecher geworden ist, nachdem er seinen Posten verloren hat.
Oehmkes Roman wird als „kluger Blick auf unsere gesellschaftliche Gegenwart“ beschrieben – und viele der gegenwärtigen Diskussionen um LGBTQ, „kweer“, „Migrationshintergrund“, „wokeness“, Literatur, Nazivergangenheit und vieles mehr finden ihren Platz.
Mich hat der Einstieg mit dem „Nazigeld“, das den queeren Buchladen der Tochter der Schönwalds finanziert, allerdings auf eine falsche Fährte geführt – ich hatte mehr zu diesem Thema erwartet. Vor allem, weil in der Anlage der Diskussion im Buch auch die These mitschwingt, dass jede:r Deutsche ohne „Migrationshintergrund“ ja einen „Nazihintergrund“ haben müsse.
In „Schönwald“ gibt es viele spannende Themen, die Perspektivwechsel in der Erzählung haben eine eigene Dynamik entfaltet, die Personen allerdings nicht alle die nötige Tiefe erhalten. Einige Passagen bleiben auch unerklärlich – vielleicht wäre weniger thematische Vielfalt doch mehr gewesen. Und ich weiß immer noch nicht, wie ich die Einbindung des Hosen-Konzerts finden soll: Überflüssig oder faszinierend, dass Oehmke, der ja eine Tote-Hosen-Biografie geschrieben hat, sein Sujet auch in diesem Roman einen Platz gibt?
Mir hat die Lektüre von „Schönwald“ auf jeden Fall gefallen – insbesondere der Aspekt der Kommunikation oder Nichtkommunikation, das Vorhandensein von Geheimnissen zwischen den vertrauten Personen hat mich immer wieder zum Nachdenken angeregt. Stil und Thematik von „Schönwald“ machen den Roman für mich zu einer eindeutigen Leseempfehlung. Da kann man auch über einige logische Schwächen, kleinere Wiederholungen und Tippfehler hinwegsehen.

Bewertung vom 28.03.2023
Wir hätten uns alles gesagt
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


ausgezeichnet

Der Konjunktiv im Fokus
„Wir hätten uns alles gesagt“ – ja, aber eben nur „hätten“ und nicht „haben“. Das ist das Prägende an dieser nachträglich veröffentlichten Poetikvorlesung von Judith Hermann. Mit dem Hinweis auf die Poetikvorlesung hatte ich etwas ganz anderes erwartet: Auskunft darüber, wie der Schaffensprozess abläuft, wie ein Buch entsteht und vielleicht auch, wie viel von der Autorin in ihren Werken steckt.
Dieser letzte Aspekt wird in Teilen auch in „Wir hätten uns alles gesagt“ angerissen – obwohl die Jonglage mit der eigenen Biografie auch immer eine Tendenz zum Verschleiern, zum Nichtsagen aufweist. Und war es wirklich so, wie sich die Ich-Erzählerin erinnert? Oder ist es nur eine Interpretationsmöglichkeit, die hier aufgezeigt wird?
Insgesamt ist eine profunde Kenntnis des Werkes von Judith Hermann schon fast Vorbedingung für die Lektüre dieses kurzen Bandes. Wer damit nicht so intensiv bekannt ist, hat sicherlich Schwierigkeiten, die vielen Anspielungen zu verstehen – so wie ich auch.
Nichtsdestotrotz ist dies ein Buch mit wundervoller Sprache und vielversprechenden Gedanken – so z.B. „Ich wusste, dass das Schreiben mir gehörte. Ich hatte es mit dem Instinkt eines Tieres verstanden – es war meins. Ich wusste auch, dass es mich offenbar von allem trennte, dass es mich isolierte. Aber ich war mit dieser Isolation einverstanden, und ich bin das, mit Einschränkungen, bis heute.“ (Judith Hermann, Wir hätten uns alles gesagt, S. 107f.)
Eine nicht alltägliche Lektüre, anspruchsvoll und vielleicht auch ein Türöffner für die Welt von Judith Hermann. Bei mir liegt auf jeden Fall „Lettipark“ seit neuestem auf dem SUB.

Bewertung vom 01.02.2023
Totes Moor / Janosch Janssen ermittelt Bd.1
Engels, Lars

Totes Moor / Janosch Janssen ermittelt Bd.1


sehr gut

Solider und spannender Krimi aus der Rhön

Janosch Janssen ist zurück in seiner Heimatgemeinde – Grimmbach, in der etwa eintausenddreihundert Menschen leben. Auch Janosch war hier als Kind zuhause – und ist jetzt wieder zurück aus Frankfurt, wo er seine Polizistenausbildung absolviert hat, um sich um seine leicht demente Mutter zu kümmern.
Konfrontiert wird der Fantasy-Fan, der in seiner Schulzeit auch „Hobbit“ genannt wurde, mit dem Fund einer Leiche im Moor – bei der es sich um die seit neun Jahren vermisste Matilda Nolte handelt. In diese war Janosch mehr als heimlich verliebt – und es gibt gleich einen zweiten familiären Anknüpfungspunkt: Sein Vater wurde für das Verschwinden bzw. den Tod der jungen Frau verantwortlich gemacht und hat sich in Folge der damaligen Ermittlungen offenbar selbst getötet.
Die Schilderungen der Suche im Moor, die Landschaftsbeschreibungen und auch die Personenkonstellationen sind im Erstling von Lars Engels gut gelungen – die Charaktere schrullig, aber immer noch liebenswert und nachvollziehbar. Dass Engels mein Lieblingszitat aus dem „Herrn der Ringe“ verwendet, macht das Ganze sicherlich noch besser. Zumal die Anklänge an den Tolkien-Klassiker nicht übertrieben, sondern dosiert eingesetzt werden.
Einige Irrungen und Wendungen machen die Krimihandlung zudem bis zum Ende spannend, so dass ich mit Begeisterung auf eine Fortsetzung warte.

Bewertung vom 02.12.2022
Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3
Izquierdo, Andreas

Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3


sehr gut

Prägnantes Bild der frühen Zwanziger Jahre in Berlin

Dass „Labyrinth der Freiheit“ der dritte Teil einer Trilogie ist, hab ich erst später bemerkt – die Nichtkenntnis der ersten beiden Teile war für mich auch nicht so störend, wenngleich einige Begebenheiten sicherlich mit Kenntnis der Vorgeschichte leichter zu verstehen wären.
Bei der Bewertung des Romans bin ich zwiegespalten. Positiv ist vor allem der Schreibstil, für mich ein literarisch ansprechender Stil, der sehr gut und angenehm zu lesen ist.
Die Geschichte an sich gehört auch zu den positiven Elementen – ein Blick ins Berlin der frühen Zwanziger Jahre – geprägt von Inflation, von den Erlebnissen im 1. Weltkrieg, vom immer weiter erstarkenden Nationalismus und Extremismus. Ein Bild, das – zwar romanhaft – aber aus meiner Sicht ziemlich realistisch beschrieben wird.
Eher unzufrieden bin ich mit der Personengestaltung. Der Wechsel der Perspektive vom Ich-erzählenden Carl zur allgemeinen Erzählung ist noch zu verkraften, auch wenn dadurch die weiteren Hauptfiguren (Isi und Arthur) ziemlich blass bleiben. Die Figur des Arthur ist dann auch die, mit der ich am wenigsten anzufangen weiß. Denn sie gehört zwar zum Freundeskreis, ist für mich aber eher unsympathisch. Außerdem erfahren die Leser:innen nur sehr wenig über ihn.
Negativ sind für mich auch die geschilderten Gewaltexzesse – die in der Ausführlichkeit für mich nicht nötig wären.
Außerdem verliert der Roman im Laufe der gut 500 Seiten nicht nur an Fahrt, sondern auch an Literarizität. So gibt es zwar eine Leseempfehlung von mir, allerdings mit leichten Einschränkungen. Und ich werde nachlegen und die ersten beiden Bände noch lesen – in der Hoffnung, noch mehr zu verstehen.

Bewertung vom 08.11.2022
EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1
Jensen, Jens Henrik

EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1


weniger gut

Blick nach Osten

Jan Jordi Kazanski – welch Name! Spanisch-polnisch-amerikanische Vorfahren hat der CIA-Agent, der allerdings aufgrund persönlicher Schicksalsschläge gerade nicht im Amt ist. Nun soll er aber in Krakau ermitteln und „die Witwe“ ausfindig machen.
Die zweite Hauptfigur, Xenia Pizlo Larsen, hat ebenfalls polnische Wurzeln, ist aber dänische Europol-Agentin – und ebenfalls auf der Suche nach der ominösen Witwe.
Im Laufe der Geschichte erfahren die Leser:innen viel über beide Hauptfiguren, die aber dennoch seltsam blass bleiben. Kazanski ist vor allem versoffen und sexistisch – sein Frauenbild wohl ganz typisch für die ausgehenden 90er Jahre, in denen „East“ nicht nur spielt, sondern auch geschrieben wurde.
Wilde Saufgelage, sich wiederholende Verfolgungsszenen, bei denen trotz massiver Prügeleien die Hauptfiguren immer lebend davonkommen, ein eigenartiges Gemenge aus CIA, Europol, sowjetischem Geheimdienst und russischer Mafia, das nicht richtig aufgelöst wird, prägen den Thriller.
Während ich die „Oxen“-Reihe in größten Teilen gern gelesen habe, ist mir „East“ fremd geblieben. Thematisch finde ich es eigentlich hochinteressant, aber es fehlt an vielen Dingen. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass viel zu häufig von „er“ oder „sie“ gesprochen wird, wenn neue Figuren auftauchen – ein Stilmittel, um Spannung zu erzeugen, sicherlich. Aber nicht, wenn es inflationär verwendet wird.
Auch sprachlich ist Jens Henrik Jensen hier noch nicht auf der Höhe seines Schaffens angelangt. Trotz der Versuche, Tempo in die Geschichte zu bringen, z.B. durch Verfolgungsjagden, ist „East“ sehr bedächtig im Verlauf.
Eine Beziehung konnte ich zu keiner der beschriebenen Figuren aufbauen – am ehesten noch zum unbekannten „er“, der ganz am Anfang den Golden Retriever ausschickt, um den Mordanschlag in Moskau zu begehen.
Glücklicherweise wurde der Stil nach etwa zwei Dritteln des Buches etwas flüssiger und die versprochene Geschichte, „in der Kräfte des Guten und des Bösen miteinander ringen“, konnte zuende gebracht werden.
Für mich auf jeden Fall der einzige Band der „Kazanski“-Reihe. Vielleicht sollte auch nicht jedes Buch eines „Spiegel Bestseller-Autors“ aufgelegt werden.

Bewertung vom 08.10.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


weniger gut

Ein Polizist wird bei einer Demonstration von einer fliegenden Flasche so verletzt, dass er sein Augenlicht auf einem Auge verliert – und nun ist er seit einiger Zeit krankgeschrieben und versucht, sein Schicksal anzunehmen.
„Bullauge“ von Friedrich Ani ist ein komprimiertes Kammerspiel, es gibt nur wenige handelnde Personen und Kay Oleander, der verletzte Polizist, versucht herauszufinden, wer für seine Verletzung verantwortlich ist.
Dabei trifft er – meines Erachtens nicht nachvollziehbar – auf Silvia Glaser. Anstatt nun jedoch mit ihr zu diskutieren, ob sie wirklich die Flasche geworfen haben könnte und warum, verstricken sich die Personen in abwegige Gespräche.
Ein wenig Politik spielt eine Rolle – denn es scheint, die Flasche kam von eher rechtsgerichteten Demonstranten. Und Oleander ist vielleicht sogar ein gewünschtes Opfer, ist er doch eher links ausgerichtet.
Aber wie so vieles wird auch die politische Dimension nur angedeutet – man kann es wie der Klappentext als „Zwischentöne“ interpretieren, aber auch als leicht langweilende Hinhaltetaktik.
Mich hat „Bullauge“ jedenfalls nicht zum Ani-Fan gemacht, ich hab mich zeitweise durch die Sätze und den langsamen Erzählstil gequält. Es sind zwar nur 267 Seiten, aber diese waren anstrengend zu lesen.
Auch das Cover spricht mich nicht wirklich an, ein zersplitterte braune Bierflasche auf hellgrauem Hintergrund – zwar passend zum Inhalt, aber nicht „hübsch“. Der Titel passt irgendwie noch am besten: Bullauge für die eingeschränkte Sicht auf die Geschichte. Insgesamt nicht unbedingt eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 27.07.2022
Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1
Alsterdal, Tove

Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1


gut

Zu viele Vorschusslorbeeren
Ein Buch, das mit „Die Nr. 1 aus Schweden“ aufmacht und dann noch einen Vergleich zu Nesbos „Rotkehlchen“ und zur Millennium-Trilogie wagt, muss ja gut sein. Vermutet wird dann Spannung und Lesegenuss ab der ersten Zeile, das Problem, das Buch eigentlich gar nicht weglegen können, weil man unbedingt wissen will, wie es weitergeht, und Ärger darüber, dass der Folgeband noch gar nicht erschienen ist. Leider kann „Sturmrot“ von Tove Alsterdal keines dieser Merkmale erfüllen. Es ist kein schlechter Krimi, nein, das auf keinen Fall, aber eben auch kein Highlight, wie es die vollmundigen Vergleiche des Marketings versprechen. Gute schwedische Hausmannskost wird geboten – und das gut geschrieben, mit vielen klassischen Elementen und einer sympathischen Hauptfigur.
Eira Sjödin ist Polizistin – und nach einigen Jahren in Stockholm wieder in ihren Heimatort Kramfors zurückgekehrt. In diesem kleinen Ort im Norden der Hauptstadt ist eigentlich wenig los. Doch nun wird Sjödin mit einem Fall aus ihrer eigenen Geschichte konfrontiert – dem Mord an einem Mädchen im Teenageralter, offenbar begangen von einem 14-Jährigen. Eira war damals selbst erst 9 und fühlte ein wohliges Schaudern beim Gedanken, den Mörder und das Opfer zu kennen. Jetzt, 23 Jahre später, wird der Vater des damaligen Täters, selbst ermordet – und Eira ist als Ortskundige verantwortlich für die Aufklärung der Tat. Dabei entsteht ein spannendes Geflecht aus Erinnerungen und verschobenen Wahrnehmungen, die zu einer überraschenden Lösung des Falles führen.
Insgesamt ein guter Auftakt zu einer neuen Serie, mit einer Protagonistin, deren Potenzial sicher noch ausbaufähig ist, in einer Landschaft, die noch mehr zu Geltung kommen könnte.

Bewertung vom 29.05.2022
Ein Leben für das Glück der Kinder / Die Hafenärztin Bd.2
Engel, Henrike

Ein Leben für das Glück der Kinder / Die Hafenärztin Bd.2


sehr gut

Die Auswandererstadt auf der Veddel

Ein Setting, das Spannung und historische Einblicke verspricht: Die Hauptfigur der „Hafenärztin“ arbeitet in der inzwischen als Ballinstadt bekannten Auswandererstadt auf der Veddel in Hamburg – 1911 eine Besonderheit. Der Roman bietet auch vielfältige Einblicke in dieses – sicherlich nicht nur ruhmreiche – Kapitel der Hamburger Geschichte. Enge, die gewollte Abschirmung der Auswanderer:innen vor der „Normalbevölkerung“, die Methoden der Anwerbung von potenziellen Auswanderer:innen uvm. Und doch hätte ich noch gerne mehr erfahren.
Die Parallelhandlung schließt die beiden weiteren Hauptfiguren ein, die Pastorentochter Helene, die ebenfalls auf der Veddel arbeitet und ein Praktikum für ihr Lehramtsstudium macht, sowie den Kriminalkommissar Berthold Rheydt, der u.a. einen Mord an einem Auswandereragenten untersucht.
Zum Cover möchte ich lieber nichts schreiben – hätte es nur dieses gegeben, wäre das Buch sicherlich nicht von mir gelesen worden. Ich finde es einfach nur kitschig, diese geschönte und fotogeshopte Frauenfigur hat für mich nichts mit der Geschichte zu tun – und die hinterlegte Architektur sieht mehr nach Speicher- denn nach Ballinstadt aus.
Aber die „Hafenärztin“ wurde gelesen – und auch wenn nicht alles nur super ist, so ist der Roman doch eine gute Unterhaltung und ein möglicher Ansatz, sich mit Frauengeschichte vor dem ersten Weltkrieg auseinanderzusetzen. Die „Lilith“ hätte ich allerdings gerne noch deutlicher erklärt bekommen – vielleicht sogar mit einer entsprechenden Quelle versehen.
Band 1 ist mir unbekannt, aber das hat den Lesefluss und das Lesevergnügen nicht eingeschränkt. Die Figuren wurden ausreichend eingeführt – und Rückblenden ermöglichen es, die Geschichte nachzuvollziehen. Und es hält ja auch niemand davon ab, Band 1 noch nachträglich zu lesen.
Insgesamt eine gute Unterhaltung mit lehrreichen Einblicken. Allerdings finde ich die Beschränkung des Titels auf die „Hafenärztin“ zu kurz gegriffen. Und über die Auswandererstadt hätte ich gerne noch mehr erfahren.

Bewertung vom 29.04.2022
Mord in Montagnola / Moira Rusconi ermittelt Bd.1
Vassena, Mascha

Mord in Montagnola / Moira Rusconi ermittelt Bd.1


sehr gut

Unterhaltsamer Krimi-Auftakt

„Mord in Montagnola“ wird als Auftakt einer neuen Krimiserie verkauft – Moira Rusconi soll also auch weiterhin in Montagnola und dem Tessin ermitteln. Das verspricht weiteres Lesevergnügen – auch wenn die grundlegende Konstellation des Krimis für mich völlig unglaubwürdig ist. Eine junge Frau kommt nach Jahren wieder in ihr Heimatdorf zurück und wird – wohl aufgrund einer Laune des Vaters und seiner Geliebten – in die Ermittlungen involviert, die es im Dorf gibt, weil hier ein Toter in einem Eiskeller gefunden wird. Gut, sie ist Übersetzerin und findet sich im Sprachenwirrwarr des Tessins zurecht – aber polizeiliche Ermittlungen??
Wenn man allerdings über dieses unglaubwürdige Setting hinwegsieht, entwickelt sich ein gut zu lesender Roman mit Irrungen und Wendungen, die gut erklärt sind, mit glaubwürdigen und sogar liebenswerten Personen sowie einer den Lesefluss fördernden Geschwindigkeit.
Lehrreich zumal die Verortung im Tessin, das ich in meiner norddeutschen Unkenntnis nach Italien verlegt hätte – aber nun weiß ich mehr über diesen interessanten Landstrich, der durchaus als Urlaubsziel infrage kommt. Kein Wunder, dass sogar auf dem Cover damit geworben wird, dass es zum Erscheinen des Romans eine Kooperation mit dem Tessiner Fremdenverkehrsamt gibt.
Und wer wollte den Fehler verdenken, wenn er das ansprechende Anwesen auf dem Cover sieht – Berge samt Zypressen und der italienisch anmutenden Architektur?
Insgesamt ein unterhaltsamer Auftakt einer Serie um Moira, ihren Vater, die Staatsanwältin und ihren Sandkastenfreund Luca, der es inzwischen zum leitenden Rechtsmedizinier gebracht hat. Nicht zu vergessen die junge Ermittlerin Chiara Moretti. Und was es mit der Hermann-Hesse-Besessenheit auf sich hat, wird vielleicht noch weiter erläutert.

Bewertung vom 07.04.2022
Die Sommerschwestern Bd.1
Peetz, Monika

Die Sommerschwestern Bd.1


gut

Erinnerungen an die Sommer der Kindheit

Doro, Yella, Amelie und Helen sind Schwestern, sind die dem Roman den Titel gebenden „Sommerschwestern“. Inzwischen sind sie Ende 20 bis Mitte 30 – und noch immer werden ihre Beziehungen untereinander und zur Mutter von den Erinnerungen an die Kindheit im holländischen Nordseeort Bergen aan Zee geprägt. Auch oder gerade weil hier der Vater vor 20 Jahren bei einem Unfall gestorben ist.
Die Geschichte wird aus den verschiedenen Perspektiven erzählt – zumeist jedoch aus der von Yella, der zweitältesten Tochter, die inzwischen selbst zweifache Mutter ist und eigentlich kaum Kontakt zu den Schwestern und der Mutter hat. Und wenn doch, sind diese Begegnungen schwierig und nicht schön. Yella fühlt sich insbesondere von der Mutter unverstanden, von der älteren Schwester bevormundet und überstrahlt und mit der stillen Amelie hat sie kaum Gemeinsamkeiten.
Das Grundgerüst der Geschichte basiert auf einer spontanen Einladung der Mutter in den alten Ferienort – wobei Einladung eigentlich zu nett klingt. Vorladung wäre der Termin schon besser zu nennen.
Die Schwestern kommen dem nach – und auch die meisten der Partner haben es einrichten können, nach Holland zu fahren. Doch nicht jede:r ist von dem Treffen begeistert – und es gibt auch zwischen den Paaren unausgesprochene und ausgesprochene Probleme, die jedoch vielfach nicht ausgesprochen werden.
Da ich die „Dienstagsfrauen“ von Monika Peetz nicht kenne, bin ich ganz unvoreingenommen an die „Sommerschwestern“ gegangen – und fühlte mich ganz gut unterhalten, hab zwischendrin gelacht und mich an eigene Urlaube an der niederländischen Küste erinnert gefühlt. Mitgerissen hat mich „Sommerschwestern“ aber nicht – dazu fand ich die Personenzeichnung doch zu klischeehaft und auch die Frage nach dem Unfalltod des Vaters, die im Klappentext doch eine größere Rolle spielt, bleibt völlig außen vor.
Die Konflikte zwischen den Schwestern und mit der Mutter sind nachvollziehbar – und ich könnte mir die Lektüre von „Sommerschwestern“ auch gut am niederländischen (oder auch ostfriesischen) Nordseestrand vorstellen – aber es ist kein Verlust, das Buch nicht gelesen zu haben.