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Benutzername: 
Andrea Potzler
Wohnort: 
Salching

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 09.01.2020
Zeilen ans Meer
Fischer, Sarah

Zeilen ans Meer


gut

Die junge Münchnerin Lena fährt nach Australien zu einem Work and Travel Jahr. Am Ende des Jahres hinterlässt sie eine Flaschenpost mit Wünschen für ihre Zukunft. Die Flaschenpost wird vom joggenden Australier Sam gefunden, der Lena einen Brief schreibt. Was mit einer Brieffreundschaft beginnt, wird bald mehr.

Sarah Fischers Briefroman ist luftig und sommerlich, schnell und angenehm zu lesen. Große Überraschungen und sprachliche Kniffe habe ich keine gefunden. Wer auf der Suche nach harmloser Unterhaltung ist, kann sich aber hier in eine recht leichte Geschichte versenken. Und das ist ja auch nicht immer das Schlechteste.

Bewertung vom 08.01.2020
Wirbelsturm
Burkart, Roland

Wirbelsturm


ausgezeichnet

Ein Badeunfall krempelt das Leben von Piedro komplett um. Durch einen Sprung in den See stößt er mit dem Kopf hart auf und bleibt danach Tetraplegiker. Ein Schicksal übrigens, das er mit seinem Autor teilt.

Die Geschichte Piedros ist vermutlich eine, die viele erzählen könnten- aber eben nicht so. Es geht um den Alltag im Rollstuhl, um die Gedanken und die Menschen, die ihn begleiten. Er hat natürlich mit seinem Leben zu kämpfen, er fragt sich, ob es nicht doch einen medizinischen Fortschritt, irgendeine Pille geben könnte, die ihm seine früheren Bewegung zurückgibt. Trotzdem bleibt eine große Leichtigkeit und Akzeptanz. Da ist z.B. die Freude über die dann zwölf Jahre andauernde Beziehung mit seiner Physiotherapeutin. („Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich mit einem wie mir einlassen würde, so wie die Dinge standen. Aber ich täuschte mich. Und Charlotte wusste genau, worauf sie sich einließ.“) Was geht? Selbst essen? Sex? Autofahren? Auf all das gibt es humorvoll gezeichnete Antworten.

Die Graphic Novel liest sich sehr gut- in einem kurzen Rutsch habe ich sie mit Spannung und Interesse beendet. Sie ist mit schwarzem Pinselstift gezeichnet. Dass der Autor selbst Tetraplegiker ist, hat mir die Geschichte natürlich umso glaubhafter gemacht.

Wer sich fürs Buchbinden interessiert: Das Büchlein ist clever gemacht mit der sogenannten „Schweizer Bindung“ wie man auf der Verlagsseite nachlesen kann. Dadurch kann man es trotz stabilem Cover ganz aufschlagen, was das Lesen angenehm macht.

Auf der Verlagsseite kann man auch einen knapp acht Minuten langen, sehr sehenswerten Film über das Leben des Illustrators sehen. Hier erklärt er auch, dass das Buch entstanden ist, um Antworten darauf zu geben, was es bedeutet, Tetraplegiker zu sein. Seit seinem Unfall zeichnet er mit links und sagt, dass er vermutlich nicht mit dem Zeichnen angefangen hätte, hätte er vor seinem Unfall nicht gezeichnet. Umso beachtlicher ist, wie gut die Zeichnungen gelungen sind- sie können sich mit jeder anderen Graphic Novel messen.

Insgesamt eine ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 30.12.2019
To Siri with Love
Newman, Judith

To Siri with Love


ausgezeichnet

Judith Newmans Sohn Gus ist, anders als sein Zwillingsbruder Henry, Autist. Bekanntermaßen tun sich Autisten oft leichter mit Maschinen als mit Menschen und so kommt es zu Newmans Liebeserklärung an Siri, die freundliche Computerstimme, die alles zu wissen scheint und zahllose Dinge auf Befehl in Gang setzt. Vor allem wird sie anders als seine Familie der Fragen von Gus nie müde.

Das Buch entstand nachdem die Autorin einen sehr populären Artikel für die New York Times mit dem gleichnamigen Titel veröffentlichte. Es liest sich leicht und zeigt die oft komischen Situationen, die ein Leben mit einem autistischen Sohn mit sich bringt. Gleichzeitig beschreibt Newman aber auch ihre Sorgen (Wird Gus einen Job finden? Eine Partnerin? Glücklich mit seinem Leben sein?).

Womöglich verspricht der Klappentext etwas zu viel über die Interaktion mit Maschinen. Hier geht es vielmehr um Gus und die persönlichen Erfahrungen, eine kritische Auseinandersetzung mit Technik wird hier höchstens am Rande erwähnt. Wer sich vor allem dafür interessiert, sollte also besser anderswo suchen. Aber wer persönliche Erfahrungsberichte mit Humor und Leichtigkeit mag, könnte seine Freude an diesem Buch haben.

Bewertung vom 30.12.2019
Der vergessliche Riese
Wagner, David

Der vergessliche Riese


sehr gut

Sein Vater ist David Wagner immer wie ein Riese vorgekommen. Nicht nur körperlich. Der kluge, gebildete Wagnerliebhaber, der seine beiden Frauen in den Tod begleitet hat, war präsent und kompetent. Auch wenn in den letzten Jahren das Verhältnis- auch wegen der schwierigen Stiefmutter- etwas eingetrübt war.

Wagner beschreibt leichtfüßig meist in Dialogen, wie es so ist, mit dem Vater, der sich durchaus immer wieder selbst darüber bewusst ist, dass er vieles vergisst. Die Besuche bei ihm sind meist von Zuneigung und Fröhlichkeit geprägt, der Vater ist wie früher charmant und zugänglich. Teils schwelgen Sohn und Vater in Erinnerungen an Menschen und Wohnorte. Das zunehmende Vergessen findet für den Vater aber ohne ersichtliche Qualen statt.

Dass der Vater vom Sorgenden zum Umsorgten wird, vollzieht sich hier nachdenklich, aber nicht dramatisch. Das Buch zeigt, wie Sohn und Vater die Dinge nehmen, wie sie sind, ohne groß zu pathologisieren. Ein Buch, das gut zu lesen ist, meisterlich geschrieben und nie langweilig und das Mut bei einem Thema macht, das sonst oft mit sehr viel Schwere behandelt wird. Eine neue, authentische Perspektive aus einer persönlichen Erfahrung- das ist doch schon ganz schön viel!

Bewertung vom 30.12.2019
Ein Freitod
Kverneland, Steffen

Ein Freitod


ausgezeichnet

Ein gesichtsloser Mann in Uniform. Dazu der Titel "Ein Freitod". Es könnte einfach eine düstere, frei erfundene Geschichte sein. Die Geschichte eines Gesichtslosen, der sich das Leben nimmt eben.

Steffen Kverneland (*1963) erfindet in seiner Graphic Novel aber nichts, er erzählt von seinem Vater und dessen Suizid. Schon auf den ersten Seiten taucht so das gleiche Bild des Vaters in Uniform nochmals auf, diesmal aber mit einem breiten Lächeln. Kverneland ist selbst Vater geworden und denkt zurück an die Zeit als er achtzehn war und der Vater sich das Leben nahm- er wartete bis seine beiden Söhne erwachsen waren. Auch wenn er wohl lange geplant war: mit dem Suizid wartete er, damit sie nicht auf die schiefe Bahn kamen. Die Annäherung geschieht sowohl graphisch als auch inhaltlich sehr vielseitig. Der Vater wird nicht angeklagt oder gar verdammt, Kverneland erinnert sich an sein Leben mit dem Vater, versucht einfach zu verstehen mit Briefen, Fotos, Aquarell- und Tuschezeichnungen. Er vertraut auf die Kraft der Bilder und lässt vieles umkommentiert, schreibt aber auch seine Fragen und oft klare, kurze Sätze auf. Somit nutzt er die Möglichkeiten der Verdichtung von Graphic Novels gekonnt.

Der Vater hat der Mutter erzählt, dass er schon vor der Hochzeit an Selbstmord dachte. Zum Sohn sagte sie, das hätte ihr Warnung genug vor ihm gewesen sein müssen. Der Vater war ein vielschichtiger Mensch mit Ecken und Kanten wie der früher verbreiteten Homophobie oder der Abneigung gegen Schwarze. Er scheint aber auch ein liebevoller Vater gewesen zu sein: Erfinder, angestellt in einer gut gehenden Firma, er baute eine Hütte für die Familie am Meer, schuftete, kümmerte sich, ermutigte seine Kinder und Frau.

Das Buch schließt mit dem Foto des lachenden Vaters, der auf der Vorderseite gesichtslos war. Womöglich auch mit einer Versöhnung, wo bei Kverneland aber auch zu Beginn schon kein Groll, sondern nur Mitgefühl zu sein schien. Die Auseinandersetzung ist reflektiert, kritisch, verständnisvoll und facettenreich. Mir ist das Buch wirklich ans Herz gewachsen, es hat mich nachdenklich gemacht und mich viel nachempfinden lassen, wie es dem Autor mit seinem Vater geht und ging. Es tut, was gute Literatur für mich leisten soll: Es hat mir Einblick in ein anderes Leben gegeben und mich zugleich über mein Leben nachdenken lassen. Über Nähe und Unverständnis und darüber, dass Eltern wie alle anderen auch Fehler machen, mit Problemen kämpfen und manchmal keinen Ausweg mehr sehen.

Bewertung vom 19.12.2019
Weiblich, dynamisch, verpeilt
Guerrero, Agustina

Weiblich, dynamisch, verpeilt


sehr gut

Agustina Guerrero legt hier ein visuelles Tagebuch vor, in dem sich viele von uns vermutlich leicht wiedererkennen werden können. Sehr auf den Punkt, immer selbstironisch gewinnt sie allem eine Seite ab, die mich zum Lächeln und Lachen gebracht hat. Sie beschreibt all die kleinen Peinlichkeiten vom Frauenarztbesuch zum Pickel im blödesten Moment, über Mundgeruch und Speckröllchen, aber auch von den Kleinigkeiten, die ihr Freude machen: der frisch gewaschene Pyjama, das gemeinsame Schweigen und dass ihr Freund ihr gleich alle Blumen bringt, weil er nicht mehr wusste, welches ihre liebsten sind. Sie stellt sich selbst als rosawangige Person im Streifenshirt dar, der man immer sofort die Stimmung ansieht. Freude, Wut, Entsetzen- alles da. Für Tage, an denen es nicht so läuft, ein wunderbarer Begleiter, um wieder humorigen Abstand zum eigenen Leben zu kriegen.

Bewertung vom 16.12.2019
Szenen einer drohenden Heirat
Tomine, Adrian

Szenen einer drohenden Heirat


ausgezeichnet

Hochzeiten vorbereiten ist ein bisschen wie Weihnachten vorbereiten, nur noch um eine gute Ecke schwieriger. Natürlich, der Tag soll schön werden. Am besten schön für alle, für die Verwandtschaft und die Freunde, für einen selbst. Für den einen Tag braucht es oft Monate an Planung, Überlegung, Basteln und vor allem Telefonate mit engen Freunden, wo man sich von Geldsorgen zu kleineren Streitereien vieles von der Seele redet. Im Grunde weiß jeder, der mal auf einer war, dass Hochzeiten kein Leichtes sind- nicht vorher und häufig nicht mal währenddessen.

Der Zeichner Adrian Tomine hat geheiratet, seine jetzige Frau und frühere Freundin durchlebte mit ihm all die oben beschriebenen Herausforderungen und hatte irgendwann die Idee, er könnte daraus doch eine kleine Graphic Novel für die Gäste als Souvenir machen. Was er in der Graphic Novel ablehnt, liegt jetzt als Büchlein auf meinem Schreibtisch und ist somit weit mehr geworden als nur ein kleines Projekt für Freunde.

Ich habe mich jedenfalls prächtig amüsiert. All die Klippen der Hochzeitsvorbereitung werden geschildert und humorig-leicht umschifft. Tomine bringt Tanzkurs, Einladungskarten und den Versuch, verschiedenen Familientradtionen gerecht zu werden in den kurzen Episoden auf den Punkt und zeigt sich und seine Frau dabei augenzwinkernd und sympathisch.

Beeindruckend ist, wie gut er mit ein paar Strichen Gesichtsausdrücke, Konflikte und Haltungen zeigt. Ein Bild mit dem Titel „Hundertdollarkrawatte“ zeigt ihn in Krawatte mit seiner grimmig dreinblickenden Freundin. Darunter: „…und ich kann ECHT NICHT nochmal die anziehen, die ich für Omas Beerdigung gekauft habe?“

Zur eigenen Beruhigung vor Hochzeiten, zum Verschenken an Heiratswillige und zur Erinnerung daran, wie die eigene Vorbereitung gelaufen ist, macht das Büchlein richtig Freude.

Bewertung vom 09.12.2019
Ginpuin
Speulhof, Barbara van den

Ginpuin


ausgezeichnet

Der Ginpuin unterscheidet sich äußerlich in nichts von den anderen Pinguinen. Aber bei ihm wird aus einem „Fisch“ schon mal ein „Schiff“ und „Stummigiefel“ kommen statt „Gummistiefel“ raus. So fühlt sich der Ginpuin nicht recht wohl daheim und beschließt „Ich rache eine Meise“, um am Ende doch wieder zu seinen Freunden heimzukehren, die ihn dann doch sehr vermisst haben. So erfährt er die Freude, Freunde in der Ferne zu finden und auch die, daheim letztlich sehr geschätzt zu werden. Nicht nur trotz, sondern wegen seiner besonderen Aussprache, die dann zum Trend unter den Pinguinen wird.

Das Bilderbuch wurde von meinem fünfjährigen Patenkind begeistert und lachend aufgenommen- alle Wortverdreher konnte sie sofort richtigstellen. Es wurde mir aber zugetragen, dass der Opa sich mit dem Vorlesen nicht so ganz leicht getan hat. Die großformatigen Bilder in Acryl? Gouache? haben uns Kindern (groß und klein) sehr gefallen. Auch wer keine eigenen Kinder hat und das Buch mal in die Hände kriegt: Lesen! Es macht froh!