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schneespur

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 20.03.2021
Unterwasserflimmern
Schaller, Katharina

Unterwasserflimmern


gut

Nabelschau der körperlichen Art

„Unterwasserflimmern“ von Katharina Schaller ist ein Roman über einen junge Frau, die nicht so recht weiß, wohin mit sich und ihrem Leben. Sie ist einer festen Beziehung und lebt mit ihrem Freund zusammen, der sich eine Zukunft als Familie im eigenen Haus wünscht. Doch sie selbst ist sich gar nicht sicher, ob sie in einer solchen Zukunft leben möchte und ob ihr er als Partner für den Rest ihres Lebens ausreichen würde. Ihre Unsicherheit und ihre Suche nach einer anderen Version der Zukunft und der Nähe zu anderen Menschen führen zu Affären, wie beispielsweise mit einem verheirateten Mann, mit dem sie sich regelmäßig trifft, und auch weitere zufällige sexuelle Bekanntschaften. Schließlich überrascht ihr Freund sie mit der Nachricht, dass er bereits ein Grundstück gekauft hat und löst damit eine spontane Reise der jungen Frau aus, die sich und ihr Leben ordnen möchte.

Sprachlich hat mir das Buch gut gefallen. Die Autorin fokussiert sich teilweise intensiv auf körperliche Erfahrungen, die gerne auch mal explizit sein können, aber ohne dabei ausschweifend und zu dominierend im Text zu werden. Der sprachliche Fokus aus das Körperliche passt auf jeden Fall sehr gut zur Thematik des Romans. Nähe zwischen Personen wird in diesem Roman vorwiegend körperlich hergestellt, weniger über Worte oder Gesten, was für mich eine erfrischende Abwechslung war.

Der Auftakt mit der Unsicherheit der Ich-Erzählerin hat mir sehr gut gefallen. Jeder kennt diese Wendepunkte im Leben, an denen sich man sich entscheiden muss, wie man sein Leben leben möchte. In diesem Fall ist es die Frage nach Heirat, Monogamie und Kinder - sicherlich eine wichtige und weitreichende Entscheidung und mich hat daher sehr interessiert, wie sich die Ich-Erzählerin dabei entwickelt oder für was sie sich am Ende entscheidet. Leider musste ich im Laufe des Buches feststellen, dass genau das nicht passiert. Die Ich-Erzählerin begibt sich auf eine Reise, um sich zu sortieren und für sich eine Entscheidung zu finden, aber letzlich wurde (für mich zumindest) kein zufriedenstellender Ausweg präsentiert.

Bewertung vom 13.02.2021
Die Experten
Kröger, Merle

Die Experten


ausgezeichnet

Thriller und Zeitgeschichte

„Die Experten“ ist in drei Abschnitte eingeteilt, welche jeweils einem Fotoalbum, einem blauen, einem grünen und einem roten, entsprechen. Die Kapitel beginnen jeweils mit der kurzen Beschreibung eines Fotos, das zu der Zeit des im Kapitel vorgestellten Inhalts aufgenommen wurde. Diese Idee hat mich sehr fasziniert, da es so gut zu diesem Rückblick in vergangene Jahrzehnte passt, in denen man wesentlich mehr in Fotoalben geblättert hat als heute.

Die Fotoalben stammen aus den 60er Jahren und sind Eigentum von Rita Hellberg. Ihr Vater, Friedrich Hellberg, ist deutscher Ingenieur, der zur Nazizeit in der Rüstungsindustrie tätig war und dem Aufruf des ägyptischen Präsidenten Nassers folgt, für Ägypten Raketen zu entwickeln. Die Familie siedelt als nach Ägypten um, was sich für Rita entgegen ihrer Erwartung als phänomenale Gelegenheit entpuppt: die Möglichkeit als Sekretärin selbständig Geld zu verdienen, kulturelles Sightseeing, luxuriöse Cafés, Parties und Clubs. Mit Begeisterung taucht sie in diese neue Welt ein, knüpft neue Beziehungen und lernt eine große Liebe kennen. Doch eines Tages knallt es: eine Briefbombe geht auf der Arbeit hoch und verletzt einige von Ritas Kollegen. Im Zuge der wachsenden Unsicherheit beginnt Rita ihre Umgebung vermehrt zu hinterfragen und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Der Thriller ist dabei nicht nur eine spannende Nachverfolgung von Ritas Leben, sondern auch der tatsächlichen Umstände der damaligen Zeit. Vielfach werden Ausschnitte aus damaligen Zeitungen oder BND-Akten zitiert – noch direkter kann man sich kaum in diese Zeit zurück versetzen. Zunächst fand ich den Stil von Frau Kröger auf Absätze zwischen verschiedenen Situationen oder Texten zu verzichten, etwas anstrengend, mit der Zeit jedoch hat gerade diese Dichtheit des Textes dafür gesorgt, dass ich das Buch kaum noch aus der Hand legen wollte, da ungemein viel Spannung aufgebaut wurde. Mehr als einmal bin ich dadurch zu spät ins Bett gekommen.

Besonders spannend fand ich auch die beiden Nachworte, aus denen hervorgeht, dass die Idee für „Die Experten“ lose auf der Familiengeschichte einer Bekannten von Merle Kröger basiert, mit welcher sie über mehrere Jahre hinweg die Leben der Familienmitglieder rekonstruiert hat und dabei tief in das Leben in der damaligen Zeit eingetaucht ist. Als LeserIn spürt man deutlich, dass sehr viel Aufwand und Recherche in diesem Buch stecken. Keine einfache Kost, aber sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 10.10.2020
Capitana
Love, Melissa Scrivner

Capitana


sehr gut

Frauenthriller

Lola ist eine starke Frau, eine Drogenbaronin und eine Mutter einer kleinen Tochter. Als Chefin kümmert sich Lola um alles selbst: die Organisation ihres Drogenkartells, das Lösen von Kartellrivalitäten und die Betreuung ihrer Tochter. Nebenher organisiert sie Feiern für ihre Kartellmitglieder und grübelt über Alltagsrassismus. Würde sie nicht mit Drogen sondern beispielsweise mit Büchern handeln, wäre sie eine moderne, durchsetzungsstarke Familien- und Businessmanagerin. Ein scheinbar „kleiner“ Gefallen zieht Lola jedoch unversehens in einen Drogenkrieg mit einer rivalisierenden Gang – doch wer steckt hinter der Sache, wer hat Lola in diesen Kampf gezogen?

Als Leser erfährt man viele verschiedene Facetten von Lola, was Lola mir sympathisch gemacht hat. Capitana ist kein Thriller, der vor Kampfsituationen strotzt oder in dem Kampfsituationen unendlich in die Länge gezogen werden, sondern dieser werden durch (vor allem Lolas) rasches Eingreifen schnell gelöst. Auch wechseln sich „Businessthemen“ häufig mit familiären Themen, wie u.a. unerfreuliche Kinderfreundschaften ihrer Tochter, ab, was dem Thriller eine interessante Rundung verleiht. Generell schreitet die Handlung in Capitana erfreulich zügig voran und nimmt einige spannende Wendungen.

Amüsant fand ich an diesem Thriller, dass es fast schon eine Art Frauenroman ist: Männer spielen zwar zahlreiche Rollen von Kartellmitgliedern über Brüder und Väter bis hin zu Liebhabern, bleiben meistens jedoch eher blasse Nebencharaktere. In Capitana spielen ganz klar die Frauen die Hauptrolle, da sie es sind, die durch ihre Handlungen die Geschichte vorantreiben.
Ich habe den ersten Teil – Lola – nicht gelesen und habe ihn für das Verständnis von Capitana auch nicht benötigt. Für mich daher eine klare Empfehlung an Thrillerfans.

Bewertung vom 04.10.2020
Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht
Petkovic, Andrea

Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht


sehr gut

Weit mehr als Tennis

Andrea Petkovics Debütroman „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ bietet dem Leser Erzählungen bzw. Geschichten einer aufsteigenden Tennisgröße. Die Erzählungen sind mehr oder weniger chronologisch geordnet, beginnen bei der Kindheit und enden mit einer erfolgreichen Tenniskarriere. Die Autorin und erfolgreiche Tennisspielerin beschränkt sich dabei thematisch nicht auf Tennis, sondern erzählt Geschichten aus ihrem eigenen Leben. Die Erzählungen sind dementsprechend stark autobiographisch gefärbt.

Zu Beginn des Buches war ich etwas irritiert davon, dass auf dem Buchcover von Erzählungen gesprochen wird, da die einzelnen Erzählungen letztlich doch eine zusammenhängende Geschichte wiedergeben. Für mich beschreiben die Erzählungen einzelne Kapitel im Leben der Autorin. Im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass alles im Buch so passiert sei, wie beschrieben – stilistische Veränderungen oder „Braunbären“ mal ausgeschlossen.

Nach der oben beschriebenen anfänglichen Irritation hat mich die Erzählung mit fortschreitender Dauer immer mehr gepackt. Tennis ist natürlich das Leitmotiv, dennoch versucht sich Andrea Petkovic nicht zu sehr darauf zu fokussieren, sondern auch viele andere Begebenheiten zu schilden, wie ihre Freundschaften, ihre Jugendzeit, ihre Begeisterung für Literatur und ihre Anfänge als Journalistin. Dabei setzt sie sich beispielsweise auch mit Weiblichkeitsidealen im Tennis auseinander. Sprachlich dabei stets klar und auf den Punkt kommend.

Besonders spannend fand ich beispielsweise die Schilderungen, welche Herausforderungen es mit sich bringt ständig im Training oder auf Turnieren zu sein, wie man mit ständigen Niederlagen und wenigen Siegen umgeht, und was man vielleicht mitbringen muss, um sich im Tennis durchzusetzen. Hier beginnt die Autorin ihre Erfahrungen zu reflektieren und auch etwas zu philosophieren, was mir sehr gut gefallen hat. Tatsächlich versucht Andrea Petkovic an manchen Stellen nicht weniger als aus ihrem Sport und ihrem Leben eine Art Essenz oder Weisheit zu destillieren. Da diese Destillate gut auf andere Leben und Personen übertragbar sind, fand ich das Buch auch als Nicht-Tennisspielerin sehr interessant und nachvollziehbar.

Bewertung vom 22.08.2020
Die Sommer
Othmann, Ronya

Die Sommer


sehr gut

Zwischen zwei Welten
In Ronya Othmanns Roman „Die Sommer“ verbingt Leyla, in Deutschland geboren und aufgewachsen, ihre Sommerferien jedes Jahr bei der Familie ihres Vaters, welche als jesidische Kurden in einem kleinen Dorf in Nordsyrien leben. Während ihre Verwandten Leylas Eigenheiten gerne damit abtun, dass sie aus Almanya komme, reagieren Leylas Klassenkameraden mit Unverständnis auf ihre Herkunft, da es Kurdistan gar nicht gäbe. Ob Leyla sich mehr deutsch oder kurdisch fühle? Leylas Antwort hängt von der Herkunft des Fragestellers ab. Leylas Zerrissenheit zwischen diesen beiden sehr unterschiedlichen Welten verstärkt sich zunehmend, als in Syrien die Demonstrationen gegen al-Assad den arabischen Frühling einleiten...

Besonders gut hat mir die Darstellung von Leylas jesidischer Verwandtschaft gefallen. Die Beziehung zwischen Leyla und ihren Verwandten sowie das einfache und schwere Leben ihrer Verwandten ist intensiv, detailliert und sehr gut nachfühlbar beschrieben. Aus den Erzählungen von Leylas Vater, die fragmentartig und fast schon dokumentarisch in die Erzählung gewebt sind, erfährt man sehr viel über die Geschichte der Jesiden und die Hintergründe des arabischen Frühlings. Im letzten Drittel des Buches fokussiert sich die Erzählung zunehmend auf Leyla. Hierbei konnte ich Leyla und ihre Gefühle der Wut, der Hilflosigkeit und der Schuld sehr gut nachvollziehen, dennoch fand ich sie an manchen Stellen etwas grob skizziert, so dass das Ende des Buches für mich recht abrupt kam. Insgesamt aber ein Buch, das ich sehr gerne gelesen habe, schon allein weil die Thematik so aktuell und interessant ist.