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Mark

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 21.04.2024
Treibgut
Brodeur, Adrienne

Treibgut


ausgezeichnet

Ken und Abby, die beiden Geschwister, die früh ihre Mutter verloren haben, und deren Vater Adam, der berühmte Meeresbiologe, stehen scheinbar im Mittelpunkt dieses Romans. Aber da ist auch noch Steph, die unvermutet in diese Familie hineinrutscht, zusammen mit ihrem Baby und ihrer Frau. Und Jenny, Kens Frau, Mutter der gemeinsamen Zwillinge und seit Studienzeiten die beste Freundin von Abby. Stück für Stück wird man hineingezogen in diese Familiengeschichte, die sich mit einer konsequenten Dynamik entwickelt, indem jedes Kapitel von einer anderen Person erzählt wird. Adam ist nicht nur ein berühmter Walforscher, er leidet auch an einer bipolaren Störung und zunehmender Selbstüberschätzung, je näher sein 70. Geburtstag rückt. Und wie viel Lebensglück ist eigentlich Lebenslüge im Leben des erfolgreichen Ken, für dessen politische und berufliche Karriere Jenny ihre künstlerischen Ambitionen aufgegeben hat? Und welche dunkle Vergangenheit liegt dem komplizierten Verhältnis zwischen Ken und Abby zugrunde? - Der Roman arbeitet sich möglicherweise etwas zu klischeehaft an den aktuellen Themen unserer Gesellschaft ab, aber er ist dennoch gut konzipiert und spannend erzählt, mit einer kleiner Prise Zynismus.

Bewertung vom 15.04.2024
Die Stimme der Kraken
Nayler, Ray

Die Stimme der Kraken


sehr gut

Der Roman spielt in einer Zeit, in der die geopolitischen Konflikte von heute zu teils unerwarteten Gegebenheiten geführt haben, was nur angedeutet wird. Auch die Technologien sind weiter fortgeschritten, der erste Android mit menschlichem Bewusstsein wurde geschaffen, und einen besten Freund kann man sich virtuell zusammenbasteln lassen. Unverändert geblieben ist die Gier nach Macht und Geld und die daraus resultierende Unmenschlichkeit. In dieser Situation geht ein kleines Forscherteam auf die Suche nach einem legendären Unterwassermonster, bei dem es sich um eine uralte Krakenpopulation handelt, mit der man, wie es sich herausstellt, sogar kommunizieren kann. - Mir hat das Buch gefallen, es ist spannend erzählt und streift interessante Fragen aller Art. Wer gern „Der Schwarm“ von Frank Schätzing gelesen hat, dem wird dieses Buch hier wahrscheinlich ebenso gefallen, auch wenn es nicht ganz so vielschichtig ist.

Bewertung vom 30.03.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


gut

Konrad, der spätere Großvater der Erzählerin Juni, gerät 1943 nach dem dramatischen Untergang seines Schiffes in japanische Kriegsgefangenschaft auf der Insel Java. Dort begegnet ihm die Krankenschwester Sigrid, deren norwegische Familie zur wohlhabenden Oberschicht auf Java gehörte und die ebenfalls von den Japanern interniert wird. Auch seinen älteren Bruder Sverre, der mit ihm auf dem versenkten Schiff war, findet er schließlich im Lager wieder.
Über die Grausamkeiten des Weltkrieges am anderen Ende der Welt ist weit weniger bekannt, und die Autorin hat offenbar aufwendige Recherchen betrieben. Parallelen zum millionenfachen Leid in Europa werden sichtbar. Es ist ein weiteres äußerst bedrückendes Kapitel, das hier durch Geschichten von Heldenmut und kleinen privaten Glücksmomenten aufgelockert wird, ohne seine Dramatik zu verlieren.
Die Autorin schreibt spannend und flüssig, dennoch fand ich ungefähr ab der Mitte das Buch immer weniger mitreißend. Dass Konrad und Sigrid keine gemeinsame Zukunft bevorstand, ging ja schon aus dem Vorgängerbuch hervor, auch andere Unwahrscheinlichkeiten häuften sich. Was ich auch vermisst habe, war die Perspektive der Erzählerin, die noch im Buch über die Großmutter einzelne Puzzleteile aus der Vergangenheit aufdeckt und zusammenfügt, und die Reflektion, wie sich die Erlebnisse und Traumata des Großvaters auf die Gegenwart auswirken.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.03.2024
Der Wald
Catton, Eleanor

Der Wald


sehr gut

Die Grundidee zu diesem Buch ist originell, eher selten auch der Schauplatz Neuseeland: Die Guerrila-Gardening-Gruppe Birnam Wood trifft auf den charismatischen Multimilliardär Robert Lemoine, der ebenso wie Mira, die Leiterin der Gruppe, an einem abgelegenen Grundstück interessiert ist, wenn auch aus völlig anderen Gründen als sie. Dennoch verweben sich ihre Schicksale an diesem Ort auf dramatische Weise. Irreführend ist meiner Meinung nach insofern der Titel „Der Wald“; hier hätte man es ausnahmsweise wirklich beim englischen Originaltitel („Birnam Wood“) belassen können. Die Autorin zeichnet sehr ausführliche Porträts und die Entwicklungen der verschiedenen Protagonisten, zu denen auch der kürzlich geadelte Schädlingsbekämpfer Sir Owen Darvish und seine Frau gehören, die Eigentümer des fraglichen Landes. Dennoch bleiben die Figuren seltsam flach und unwirklich, die Guten wie die Bösen. Nichtsdestotrotz werden viele aktuelle Themen unserer Zeit berührt und moralische Fragen gestellt. Das Buch liest sich gut, richtig Spannung kommt aber erst im letzten Drittel auf, wobei die Auflösung am Ende nach all der Ausführlichkeit am Anfang für mich etwas enttäuschend war.

Bewertung vom 04.03.2024
Kosakenberg
Rennefanz, Sabine

Kosakenberg


ausgezeichnet

Ein Buch, das einen mitnimmt, jedenfalls wenn man mit der Autorin Alter und Herkunft teilt. Kathleen, die jung ihr Heimatdorf im Brandenburgischen verlässt und in der weiten Welt, schließlich in London zuhause ist, kehrt immer wieder zurück in die Heimat, oft sind es Pflichtbesuche. Sehr reflektiert, mal mit größerem, mal mit kleinerem Abstand beobachtet sie die Veränderungen, die ihr früheres Zuhause durchläuft, was aus den Menschen geworden ist, die dort blieben, oft ohne Perspektive, aber keineswegs immer unzufrieden. Da ist zum Beispiel die Freundin Nadine, die sich eine Existenz in Kosakenberg aufgebaut hat, entgegen dem Trend ihrer Generation, deren Freundschaft jedoch am Ende fragwürdig bleibt. - Ein gelungenes Buch zum Nachdenken, auch über Heimat und Familie, was wir für immer bei uns haben und gegen welche Abschiede wir machtlos sind.

Bewertung vom 29.02.2024
Leute von früher
Höller, Kristin

Leute von früher


ausgezeichnet

Marlene nimmt nach ihrem Studium einen Saisonjob auf der kleinen, imaginären Nordseeinsel Strand an, die in ein Ferienressort der besonderen Art umgewandelt wurde – alle verbliebenen Einwohner arbeiten für das Ressort, zusammen mit zahlreichen Saisonkräften wie Marlene, die sich außerhalb ihrer bescheidenen Wohnbaracken kleiden müssen wie um 1900, um die Illusion einer Zeitreise für die zahlenden Gäste zu schaffen. Hinter dem Zustandekommen dieser Anlage scheint ein Geheimnis zu stecken, das jedoch nicht ganz enträtselt wird. Und noch ein ganz anderes Geheimnis teilen die ursprünglichen Bewohner der Insel, das am Ende des Buches gelüftet wird.

Marlene ist die Erzählerin des Buches. Sie wirkt etwas distanziert, beobachtet ihre neue Umwelt und sich selbst und hat offenbar noch keine Vorstellung, wie ihr Leben weitergehen soll. Sie hält ihre Familie wohlkalkuliert auf Distanz, auch ihre Beziehung zu Paul in Hamburg scheint eher fragwürdig. Dann entdeckt sie ihre Liebe zu der einheimischen Janne, und diese unspektakulär dargestellte Beziehung, die keinerlei Akzeptanzprobleme zu kennen scheint, hat mir wirklich gefallen. Obwohl hier auch eine gewisse Einseitigkeit auffällt.

Das Buch liest sich gut, hält aber nicht alle „Versprechen“ und lässt einen auch etwas ratlos zurück. Trotzdem oder wahrscheinlich deswegen bietet es genug Grübelstoff, und Nordsee-Fans werden das Buch sicher nicht umsonst lesen. Und ich freue mich auf die nächsten Geschichten dieser Autorin.

Bewertung vom 05.02.2024
Wir werden jung sein
Leo, Maxim

Wir werden jung sein


ausgezeichnet

Eine wunderschöne Vorstellung - wenn man alt ist oder todkrank, eine neue Chance zu bekommen, die biologische Uhr um Jahre zurückdrehen zu können. Wunderschön jedenfalls auf den ersten Blick, aber welche Konsequenzen hätte es für die Menschheit, wenn wir alle ewig leben? Und möchte man das am Ende wirklich, oder ist die Vorstellung eines ewigen Lebens nicht eigentlich doch gruselig? Dem Autor gelingt es hervorragend, die ethischen und moralischen Aspekte dieser neuen Möglichkeiten aufzuzeigen. Indem man die Probanden der Studie eines neuen Medikaments, das eigentlich herkömmlichen medizinischen Zwecken dienen sollte, durch ihre Leidens- und Lebensgeschichte begleitet, erlebt man ein spannendes Buch mit einer fesselnden Handlung. Und man stellt sich selbst die Frage, wie man sich entscheiden würde, wenn es diese Möglichkeit in einer vielleicht gar nicht mehr so fernen Zukunft geben sollte. - Vielleicht hätte man über dieses Thema auch noch viel breiter oder ganz anders erzählen können, aber diese Variante von Maxim Leo ist auf alle Fälle absolut lesenswert.

Bewertung vom 29.01.2024
Das Mörderarchiv Bd.1
Perrin, Kristen

Das Mörderarchiv Bd.1


ausgezeichnet

Tante Frances lädt zum Notartermin, doch noch am selben Tag wird sie tot aufgefunden, ermordet – wie es ihr vor vielen Jahrzehnten prophezeit wurde und wie sie es all die Jahre erwartet hatte. Aus diesem Grund hat sie große Mengen Material über alle Familienmitglieder und Bekannten im Ort gesammelt. Die Suche nach ihrem Mörder gestaltet sich besonders interessant, indem mit der Aufklärung auch das riesige Erbe verbunden ist. Wird Annie es schaffen, den Mord an ihrer Tante als erste aufzuklären und sich das Erbe zu sichern? – Mir hat die Geschichte, erzählt von der jungen Annie und ergänzt von den Tagebucheinträgen ihrer damals noch jungen Tante aus den 1960ern, von der Idee her gut gefallen, auch die Dialoge sind recht lebensnah, die Handlung von der Logik her mitunter etwas holprig, aber dennoch kommt Spannung auf und die Story hat eine etwas überraschende Auflösung. Also gut zu lesen, wenn auch vermutlich noch nicht das Buch des Jahres.

Bewertung vom 15.01.2024
Die Spiele
Schmidt, Stephan

Die Spiele


ausgezeichnet

Der Autor greift hier sehr verschiedene politisch heiße Eisen auf und verknüpft sie gekonnt zu einem spannenden Kriminalroman. Der Hauptort der Geschichte bzw. der Schauplatz des Mordes, mit dem alles beginnt, ist Shanghai, und die zumindest für Außenstehende bedrückende Situation der totalen Überwachung in China wird sehr gut dargestellt, ebenso die chinesischen Ambitionen auf dem afrikanischen Kontinent und die Bemühungen einzelner Akteure, hieraus ihrerseits Kapital zu schlagen. Dazu die bekanntermaßen zuweilen eigenartigen Entscheidungsfindungen des IOC und die diplomatischen Schwierigkeiten der deutschen Vertretung in Shanghai. Mittendrin zwei deutsche Journalisten, die sehr verschieden sind, ein mosambikanisches IOC-Mitglied und eine vielschichtige Konsulatsbeamtin. Doch begonnen hat die Geschichte tatsächlich schon in den 1980er Jahren, ausgerechnet in der DDR, und mit der Ausbeutung der mosambikanischen Gastarbeiter. Der Autor verrät eine große Sachkenntnis, und man verliert bei Lesen auch nicht den Faden, obwohl die Themen so breit gestreut sind. Möglicherweise hätten manche Charaktere noch etwas feiner gezeichnet werden können, und Liebesszenen sind vielleicht auch nicht die größte Stärke des Autors, aber alles in allem ein gut zu lesendes Buch mit viel geschichtlichem und politischem Hintergrundwissen

Bewertung vom 15.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


ausgezeichnet

Wir lesen die Liebesgeschichte von Lev und Kato, die über viele räumliche und zeitliche Distanzen hinweg erzählt wird. Dabei geht es vor allem um das Leben von Lev, die Geschichte von Kato kommt mir ein wenig zu kurz, auch die geschichtliche Einordnung findet nur sehr am Rand statt und es ist für das Verständnis sicherlich besser, wenn man über Vorkenntnisse der rumänischen Geschichte vor und nach 1989 verfügt. Die Autorin hat ein großes Einfühlungsvermögen und versteht ihr Handwerk aufs Beste. Die Idee, mit den Kapiteln am Ende zu beginnen, ist zweifellos originell und war sicherlich ungeheuer aufwändig in der Umsetzung. An mich ist diese Mühe aber leider verschwendet, denn durch das Fehlen einer Perspektive beim Rückwärtslaufen durch die Geschichte empfand ich das Buch insgesamt als eher langweilig. Dennoch werde ich mir die Autorin merken, sie wird sicher noch viele lesenswerte Bücher schreiben.