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Benutzername: 
sursulapitschi
Wohnort: 
Hannover

Bewertungen

Insgesamt 80 Bewertungen
Bewertung vom 25.03.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

Aufschlussreich, berührend und unterhaltsam

Ein Buch wie dieses habe ich mir schon lange gewünscht. Afrika live und in Farbe und so verpackt, dass man einen schönen Rundumblick bekommt.

Issa ist schwanger und in Deutschland, als ihre Mutter sie nötigt, in ihre Heimat Kamerun zu fliegen, um reinigende Rituale durchzuführen, weil sie und ihr Kind in Gefahr sind. Es ist einfacher sich zu fügen, als den Kampf mit ihrer Mutter aufzunehmen und, wer weiß, vielleicht ist ja was dran an dem Aberglauben. Issa will nichts riskieren und fliegt einfach.

In Kamerun wird sie schon von ihren Omas erwartet, die wissen, was getan werden muss. Generationen von Großmüttern haben ihr Wissen weitergegeben.

Issas Geschichte ist eingebettet in die Geschichte ihrer Großmütter, die von 100 Jahren Kamerun erzählt. Es war nie leicht, ein kamerunisches Mädchen zu sein in einem Land, wo Männer das Sagen haben und beliebig viele Ehefrauen haben können. Sie sind das schwächste Glied in der Kette, noch dazu haben die Deutschen das Land annektiert und mischen die Haufarbenskala durch. Mehr oder weniger schwarz oder weiß zu sein bietet Vor- und Nachteile, je nach Situation. Das hat auch Issa schon zu spüren bekommen.

Dieses Buch erzählt von einem ganz besonderen Selbstfindungstrip, der zeigt, dass weder Traditionen, noch Schamanen, Familie oder Männer dein Leben bestimmen sollten.

Der originelle Erzählton macht Spaß, die Figuren und ihre Geschichten lebendig. Es ist aufschlussreich, berührend und unterhaltsam gleichzeitig, ein frecher Appell gegen Rassismus und Misogynie, der beeindruckt, das Buch, das ich allen meinen Freundinnen schenken möchte.

Bewertung vom 15.03.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


ausgezeichnet

Das einzige Problem an diesem Buch ist eigentlich der irre Hype, der darum betrieben wird und dem im Grunde nichts gerecht werden kann.

Ich fand es gut, nur eben nicht sensationell. Und dann findet man ein Buch grundsätzlich gut und sucht trotzdem das Haar in der Suppe, weil man sich ja nicht vom Hype beeinflussen lassen möchte. Ein Dilemma, das im Grunde auch Thema dieses Buches ist.

Woran liegt der Erfolg eines Buches? Reicht es, ein geniales Buch zu schreiben, oder muss man auch Starpotenzial haben und mit den Medien umgehen können, damit die Welt es bemerkt?

June stand immer im Schatten ihrer schillernden Freundin Athena, mit der sie gemeinsam Literatur studiert hat. Athena hatte alles Schönheit, Ruhm, Follower, Migrationshintergrund und einen Bestseller. Als ihr nach Athenas Tod ein Manuskript in die Hände fällt, kann sie nicht widerstehen, es zu benutzen und tritt damit eine Lawine los.

Wem gehört eine Geschichte? Dem, der sie erdacht oder erlebt hat, der sie erzählt oder der sie aufschreibt? Was nützt Geschriebenes, das keiner liest? Genie in der Schublade, Skandale in den Medien, wird gekauft, was gefällt oder gefällt, was einen Farbschnitt hat? Huhn oder Ei?

Rebecca F. Kuang hat hier ein Verwirrspiel entworfen, das Grenzen sprengt und gleichzeitig auf ganz hinterhältig verdrehte Art die eigene Biografie auf die Schippe nimmt. Dieses Buch ist die Beichte der Juniper Song, wahrscheinlich, und ein genial erdachter Thriller, der unterhaltsam die Routinen des modernen Verlagswesens untersucht und bewirkt, dass wir am Ende gar nicht mehr wissen, was wir glauben sollen.

Eigentlich wollte ich einen Stern abziehen, aber mir fällt nichts ein, was ich bemängeln könnte, außer, dass ich natürlich keinem Hype erliege (Ich würde töten für die gelbe Tasche!).

Bewertung vom 10.03.2024
Die Hexen von Cleftwater
Meyer, Margaret

Die Hexen von Cleftwater


ausgezeichnet

Hexenverfolgung ist ein sehr finsteres Kapitel in der Geschichte. Dieses Buch basiert auf wahren Begebenheiten, was es umso trauriger macht.

Wir sind in East Anglia im Jahr1645, wo der Hexenjäger Silas Makepeace im Dorf Cleftwater aufräumt. Plötzlich sind überall Hexen zu finden, die Verdachtsfälle türmen sich, ein falsches Wort kann den Tod bedeuten, wenn Angst und Aberglaube angeheizt wird.

Martha, die stumme Kräuterfrau und Hebamme in mittleren Jahren ist natürlich als Opfer prädestiniert, kommt aber sehr lange um eine Beschuldigung herum. Sie wird als Expertin herangezogen, die die Körper der beschuldigten Frauen nach Teufelsmalen absuchen soll und gerät damit in einen Zwiespalt und in Gewissensnöte.

Sie tut einem zwar sehr leid, es hat aber trotzdem lange gedauert, bis ich mit ihr mitleiden konnte. Sie spricht nicht und fühlt aber sehr tief, was die Autorin recht blumig zum Ausdruck bringt: „Ihre Lungen pumpten, keuchend, wie ein Fisch im Netz“. „Deutlich pochte das Unbehagen unterhalb ihres Brustbeins und sie spürte, dass die Angst sie durchzuckte wie ein Peitschenhieb.“ „Die Sorge lastete auf ihr wie der Deckel auf einem Topf.“

Den Erzählstil muss man mögen.

Martha spielt ein bisschen mit dem Feuer. Sie hat eine Wachsfigur von ihrer Mutter geerbt. Der Atzmann kann ihr helfen, hat sie gesagt. Soll sie ihn benutzen oder macht sie das erst recht verdächtig?

Diese Geschichte ist sehr leidvoll und hat auch eine gewisse Spannung. Das Ambiente und die historische Atmosphäre werden plastisch geschildert, das kann man sich alles sehr gut vorstellen. Allerdings hat mich die Erzählweise eher amüsiert als beeindruckt und das nimmt dann doch einiges an Wirkung.

Bewertung vom 10.03.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


ausgezeichnet

Aufwühlend und witzig gleichzeitig

Wer David Copperfields Geschichte kennt, kann es ahnen, dieses Buch nimmt einen mit. Es bleibt tatsächlich ganz nah an der Originalgeschichte, nur verlegt es sie ins Hillbillymilieu der 90er Jahre.

Demon Copperhead hat die rötesten Haare der Welt und wird in einem Trailerpark geboren. Seine drogensüchtige Mutter stirbt früh. Demon ist plötzlich seinem brutalen Stiefvater ausgeliefert und durchläuft dann jede traurige Station, die ein Waisenkind durchlaufen kann, das keinen groß zu interessieren scheint. Es ist herzzerreißend, was dieser kleine Junge alles ertragen muss.

Später hat er auch mal ein bisschen Glück, wäre beinahe ein Baseballstar geworden, aber seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein. Es ist ein steiniger Weg, bis er sich aus der Abwärtsspirale durch Drogen, Alkohol und falsche Freunde befreien kann.

Der Schreibstil ist soghaft und auf ganz eigene Art poetisch. Da jagen sich die originellen Vergleiche, es ist amüsant und bedrückend gleichzeitig. „Ich versuchte, mich nicht wie einer zu benehmen, der ungefähr seit August keinen Nachschlag mehr gekriegt hatte.“

„…ich war ein Stück größer als Mr Golly, der wie ein kleiner brauner Baum aussah, denn man vergessen hatte zu gießen.“

Solche Formulierungen sind grandios. Ich habe in diesem fetten Schinken jeden einzelnen Satz genossen.

Man muss die Dickens-Version nicht kennen, um dieses Buch zu lesen. Allerdings hat man noch viel mehr davon, wenn man David Copperfield kennt. Es macht großen Spaß, die Parallelen zu suchen und immer wieder Copperfield Figuren zu identifizieren. Sie sind irgendwie alle da und es ist spaßig zu gucken, wie sie hier präsentiert werden. U-Haul ist Uriah Heep, der hier wie da ganz besonders schleimig ist. Selbst Dickens Weitschweifigkeit und feinen Humor nimmt die Autorin auf und macht sehr elegant etwas Neues daraus.

Das war ein wundervolles Buch, eine aufwühlend dramatische Geschichte, mitreißend erzählt und dabei auch noch witzig. Ich bin begeistert und tief beeindruckt.

Bewertung vom 07.03.2024
Wir werden jung sein
Leo, Maxim

Wir werden jung sein


ausgezeichnet

Ein hübsch verpackter Gedankenanstoß

Wie wäre es, wenn man nach belieben jünger werden könnte? Kann man so ein Medikament einfach auf die Menschheit loslassen?

In der Berliner Charité wollte man ein Herzmedikament entwickeln und musste feststellen, dass bei den Probanden erstaunliche Nebenwirkungen auftreten. Ihr biologisches Alter hat sich plötzlich um 8 Jahre verjüngt.

Immobilienmogul Wenger hatte eigentlich mit seinem Leben abgeschlossen, als plötzlich alle seine körperlichen Beschwerden zu verschwinden scheinen. Dem 17jährigen Jakob kommt die Verjüngung nicht so gelegen. Er, hat endlich eine Freundin, aber sein Körper reagiert nicht mehr so, wie er sollte.

Wir erleben mit, wie die ersten vier Probanden damit fertig werden. Plötzlich jünger zu sein, muss man erst einmal verarbeiten, das eröffnet neue Perspektiven und ändert die Lebensplanung komplett. Das bekommt man plausibel und einfühlsam vorgeführt. Wir schauen in die Köpfe dieser vier repräsentativen Versuchspersonen. Und dann gerät das Ganze auch noch an die Öffentlichkeit.

Maxim Leo spielt hier ein Szenario durch, was sich manch einer wünschen mag, was aber auch weit größere Auswirkungen hätte, als man sich vorstellt. Ein einziges Medikament könnte die Welt, wie wir sie kennen, komplett verändern. Das ruft die Politik, die Wirtschaft, die Ethikkommission und sogar Aktivisten auf den Plan.

Die Geschichte ist höchst originell, unterhaltsam und mit leisem Humor erzählt. Hier bekommt man ein schweres Thema federleicht verpackt. Vielleicht geht es hier und da ein wenig zu glatt. Das ganz große Fass macht der Autor nicht auf. Aber ein hübsch verpackter Gedankenanstoß auf die Problematik ist es schon. Ich habe es sehr gerne gelesen.

Bewertung vom 02.03.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


ausgezeichnet

Verglichen mit den anderen Romanen von Lize Spit ist dieser hier ein Häppchen, fast nur ein Booksnack, aber nichtsdestotrotz spannend und berührend. Es geht um Kinder die Probleme haben und uns zeigen, dass Kindersorgen ganz und gar keine Kleinigkeit sind.

Jimmy ist elf, ein Nerd, ein Außenseiter ohne Freunde, bis Tristan in seine Klasse kommt.

Wir erleben die Geschichte aus Jimmys Sicht, der ein seltsamer Junge ist. Zu klug, zu eigen, zu uncool, um bei seinen Klassenkameraden zu bestehen, hat er sich an sein Außenseiterdasein gewöhnt. Er wäre gerne wie andere Kinder, hätte gerne Freunde, aber er kann halt nicht anders. Tristan, der neu ist und noch nicht einmal ihre Sprache beherrscht, ist seine Chance.

Tristan und seine Familie sind frisch aus dem Kosovo gekommen. Nach einer abenteuerlichen Flucht sind sie in Jimmys Stadt gelandet und versuchen zurechtzukommen. Jimmy und Tristan werden beste Freunde und ergänzen sich bestens. Aber dann passiert etwas Unerwartetes, was sie aus der Bahn wirft und die Leser gleich mit.

Ich war wirklich froh, schon andere Bücher der Autorin gelesen zu haben, weil mir eigentlich klar war, dass es nicht die nette Geschichte über Freunde sein kann, die es anfangs zu sein scheint.

Dieses Buch fasst einen an, zieht einen mit. Auch wenn Jimmy irgendwie seltsam ist, tut er einem auch sehr leid. Fast möchte man sich für ihn freuen, wäre da nicht der fiese Hintergedanke, dass es nicht so nett ausgehen kann. Erst macht man sich Sorgen und dann bekommt man Angst um ihn.
Mehr sag ich nicht. 😊

Das neue Buch von Lize Spit ist klein aber intensiv und macht deutlich, dass Kindersorgen keine Lappalien sind und man hinschauen sollte.

Bewertung vom 20.02.2024
Die Burg
Poznanski, Ursula

Die Burg


ausgezeichnet

Dieses Buch ist originell und gruselig.

Milliardär Nevio will eine ganz neue Erlebniswelt an den Start bringen. Eine Burg wurde zum Freizeitpark umgebaut, in dem man KI-gesteuerte Escape-Erlebnisse nach Maß bekommen kann. Du bist die Hauptperson in deinem Spiel und bekommst dein Wunschabenteuer serviert. Natürlich sollte man aufpassen, was man sich wünscht.

Für einen Testlauf hat Nevio ein erlesenes Grüppchen zusammengestellt und ihnen fette Gagen versprochen, wenn sie seine Welt auf Herz und Nieren prüfen. Ein Escape-Experte, eine Influencerin, ein Gamer, ein Historiker, eine Hausfrau sind dabei und landen in einem Spiel, das sich zum Alptraum entwickelt.

Ursula Poznanski brennt hier ein Feuerwerk an morbiden Ideen ab. Diese Welt ist voller Fallen und gruseligen Gestalten, die höchst innovativ grausig sind. Die Testpersonen spielen tatsächlich ein Spiel um ihr Leben, gegen eine KI, die kein Erbarmen kennt, oder tut sie etwa nur, was ihr gesagt wurde?

Man erlebt hier unterhaltsames Grauen auf höchstem Niveau, wobei die Figuren vielleicht die Spur zu blass geraten sind. Manch einen lernt man kaum kennen. Gut gefallen hat mir, wie Influencerin Yvonne es immer wieder schafft, ihr Tussenequipment neuen Verwendungszwecken zuzuführen, ein charmanter running Gag.

Das Hörbuch liest Rainer Strecker wunderbar. Es dauert 13 Stunden und 20 Minuten.

Bewertung vom 09.02.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

Dieses Buch liest sich von selbst, hat man es aufgeschlagen, ist man schon fast durch.

Es erzählt eine tragische Geschichte, die man nicht so recht einordnen kann. Es ist beinahe eine Liebesgeschichte, aber auch eine von besonderen Menschen, die ihren Platz im Leben suchen.

Phillipp und Faina sind anders, schon immer. Schon in der Schule haben sie gemeinsam die Außenseiterecke besetzt. Beide haben unglaublich rote Haare und einen schwierigen familiären Hintergrund, der sie beeinflusst und von anderen abgrenzt und beide haben psychische Probleme, die in ihrer Familie niemanden interessiert. Sie werden Freunde, die gelernt haben, die Eigenarten des anderen zu verstehen, wie sonst niemand.

Das bekommt man hier wunderbar einleuchtend erzählt, nimmt abwechselnd Philipps und Fainas Blickwinkel an, lernt sie sehr gut kennen und beinahe verstehen.

Später sind sie erwachsen, noch immer speziell und führen sehr anschaulich vor, wie toxische Beziehungen entstehen können. Ganz allmählich landet man in einem schrecklichen Drama.

Diese Geschichte ist originell, toll erzählt, sehr fesselnd und berührt. Allerdings bemüht sie sich auch sehr, Dramatik zu erzeugen. Philipp und Faina haben reichlich Probleme, fast ein bisschen viele für meinen Geschmack.

Ein tolles Buch ist es trotzdem. Ich habe es in kürzester Zeit verschlungen und bin nach dem Lesen sehr aufgewühlt. Das Ende ist eine echte Überraschung.

Bewertung vom 02.02.2024
Notizen zu einer Hinrichtung
Kukafka, Danya

Notizen zu einer Hinrichtung


ausgezeichnet

Ein Thriller der anderen Art

Dies ist ein Thriller der anderen Art.

Anselm Packer ist ein Serienmörder. Er hat Frauen ermordet, weiß, dass das schlecht ist und bereut es trotzdem nicht. Anselm, ein Psychopath aus dem Bilderbuch, sitzt in der Todeszelle und schreibt seine Gedanken nieder, die einen das Gruseln lehren.

Es kommen aber auch Frauen zu Wort, die eine Rolle in seinem Leben gespielt haben. Seine Mutter, seine Exfrau, eine Polizistin, seine Nichte, sie alle haben ihn gekannt, erlitten, aber auch beeinflusst.

Anselms Leben wird sehr gründlich beleuchtet von seiner ersten Stunde an. Man bekommt eine Idee davon, was so einen Mörder zum Mörder macht, aber auch davon, wie es sich mit ihm lebt, wie man ihn jagt, fängt und verurteilt.

Und während man all das erfährt, läuft gnadenlos der Countdown zur Hinrichtung, grausig, unaufhaltsam.

Sehr atmosphärisch, spannend und eindringlich, beleuchtet dieses Buch das Für und Wider der Todesstrafe. Es zeigt deutlich, dass niemandem damit geholfen ist, wenn der Mörder getötet wird, bringt elegant und unaufdringlich eine wichtige Botschaft auf den Weg.

Mit lebendigen Figuren und schöner Sprache hat Danya Kukafka hier einen Thriller entworfen, der mehr will und mehr kann als schnöder Thrill. Es ist ein Buch, das gleichzeitig unterhält und unter die Haut geht.