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SternchenBlau

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Insgesamt 160 Bewertungen
Bewertung vom 02.12.2023
Das Mädchen, das den Weihnachtsmann umbrachte
Mcdermid, Val

Das Mädchen, das den Weihnachtsmann umbrachte


gut

Hatte mehr Weihnachtssettings erwartet

Bitte Content Note in der Mitte beachten, falls ihr eine solche braucht (Mord und Gewalt im allgemeinen sind ja Genrebedingt).

Die letzten Jahre war ich ja etwas Krimi-abstinent, aber mit diesem Titel habe ich Weihnachtsbedingt mal wieder Lust auf das Genre bekommen und mich auch sehr gut unterhalten gefühlt.

Was mich enttäuscht hat: Bei Titel und Cover habe ich mir halt ausschließlich Weihnachts- und Wintergeschichten erwartet. Gerade die späteren Stories im Buch haben meist nur noch kleine Anleihen an die kalte Jahreszeit. Klasse fand ich, dass es viele lesbische Pärchen im Buch gab, und so die im Buchmarkt doch oft vorherrschende Heteronormativität aufgebrochen wird. Wie das bei einer Kurzgeschichtensammlung oft ist, fand ich manche Stories besser und manche nicht ganz so gut. Positiv überraschte mich „Ghostwriter“ die schon ins Phantastische abgleitet, und eine ganz eigene Atmosphäre aufbaut.

Ich hatte mal wieder Buch und Hörbuch parallel gelesen. Sprecher Wolfgang Berger brachte mich auch in gute britische Inselstimmung. Im Hörbuch findet ihr alle zwölf Geschichten der Buchausgabe vertreten. Die Buchausgabe liefert allerdings zusätzlich noch ein Interview mit Val McDermid am Ende.

Leider habe ich meine Mitschriften verlegt, darum bin ich mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, an einer Stelle kam das I-Wort vor.

CN: sexualisierte Gewalt

Eine Geschichte fand ich allerdings sehr unangenehm, weil dort sexualisierte Gewalt als Waffe eingesetzt wurde – von den Protagonist*innen, die eigentlich die Sympathieträger*innen der Geschichte sind. Puh, das war mehr als grenzwertig und ging mir auch echt an die Nieren, weil es so gar nicht reflektiert wurde in der Geschichte.

Eigentlich angenehme 4 Sterne (einen Abzug, weil die Weihnachtsszenerie bei einigen Geschichten doch sehr in den Hintergrund rückte). Die eine Geschichte bereitete mir echt Bauchschmerzen. Aufgerundete 3,5 Sterne – mit Warnhinweis.

Bewertung vom 02.12.2023
Hilda und der Mitternachtsriese
Pearson, Luke

Hilda und der Mitternachtsriese


sehr gut

Nachdem uns der erste Band mit Hilda in in den einsamen Bergen so gut gefallen hat, wollten wir wissen, wie es weitergeht. Und auch der Mitternachtsriese machte meinem 11jährigen Sohn und mir viel Spaß. Die grafische Gestaltung ist einfach toll.

Es geht sehr dramatisch los: Ein Minibrief der „kleinen Leute“ fordert Hilda und ihre Mutter auf, so schnell wie möglich zu verschwinden. Und es bleibt nicht bei einer schriftlichen Drohung, denn dann fliegen Steine und das Häuschen der beiden sieht danach ziemlich wüst aus. Zum Glück findet ein kleiner Mensch das alles nicht in Ordnung und Hilda muss sich durch die Bürokratie und Hierarchie der kleinen Menschen quälen, um ihr Zuhause zu erhalten.

Da der drohende Verlust des Zuhauses ja so drastisch ist, fand ich es ungünstig, dass die Mutter sich aus der ganzen Frage irgendwie vergleichsweise raushält. Da schwingen dann so ungute Vibes von Parentifizierung mit, also dass Kinder Aufgaben und Rollen übernehmen, die eigentlich von den Erwachsenen erfüllt werden müssen. Das kostet in meiner Bewertung dann einen Stern. Es ist aber in der Gesamtbetrachtung dann nicht so schlimm, dass ich das Buch nicht empfehlen würde. Es ist halt generell ein Problem, wenn die Bedrohungen in Büchern so groß sind.

Wie Hilda damit umgeht, ist allerdings vorbildlich. Sie versucht mit den Betroffenen zu reden und zu verhandeln, sie recherchiert zu den Themen (da kommt dann auch das wundervolle Holzmännchen wieder vor) und versetzt sich in andere hinein. Daher ist das Ende der Geschichte auch absolut stimmig und hat mich in der Konsequenz doch überrascht und macht einen richtig großen Cliffhanger für den nächsten Band auf. Aber genau darum, will ich nicht zu viel verraten. Auch auf der Metaebene nicht. Ich bin auf alle Fälle sehr gespannt, wie es mit Hilda weitergeht.

4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Vincent und das Großartigste Hotel der Welt
Nicol, Lisa

Vincent und das Großartigste Hotel der Welt


gut

Dieses Hörbuch ist wundervoll gelesen und die opulente Geschichte fantasievoll und überbordend. Dennoch fiel mir die Bewertung alles andere als einfach.

Die Sprecherin Sascha Icks kannte ich vor diesem Hörbuch nicht. Ihre Lesung empfand ich als so wundervoll, dass ich nun nach ihren Lesungen aktiv suchen werde. Mondäne und Opulente sowie das Märchenhafte, das auf schöne Weise altmodisch ist, total gut rüber.

Gerade meinem Sohn haben diese Aspekte so gut gefallen, denn die Geschichte hat uns mit vielen phantasievollen Ideen überrascht.

Trotzdem habe ich diese Rezension jetzt eine ganze Zeitlang nicht schreiben können. Es sind vier Hauptaspekte, die mich irgendwie gestört haben: 1. Gerade am Anfang erging sich mir die Geschichte zu viel in der Schilderung von „Reichtum ist großartig“. Das wird später gebrochen, aber auch, wenn ich fest überzeugt bin, dass strukturelle soziale Ungleichheiten sich oft recht einfach durch mehr Geld für arme Menschen lösen lassen würden,

2. Manchmal schien mir der ernste Hintergrund innerhalb der Geschichten nicht so ganz schlüssig in dieses märchenhafte Konstrukt eingearbeitet. Vincent muss aufgrund der Armut arbeiten, Florence wächst von ihren reichen Eltern quasi völlig vernachlässigt auf – innerhalb der Welt funktioniert das, aber ich frage mich dann immer, was das den Kindern dann letztendlich mitgibt. Meinen 9jährigen Sohn (jetzt 10 geworden) hat das auch manchmal irritiert und er hat nachgefragt, ist dann aber wieder in der Geschichte aufgegangen. Es hat sich dann aber ziemlich gezogen, bis wir das Hörbuch zu Ende gehört haben – und das sagt ja auch schon immer viel aus.

Diese Irritation ist auch beim 3. Aspekt, der mich gestört hat, ähnlich gelagert. Vincent hat einen Bruder, der eine nicht benannte Form von Behinderung hat und deswegen nicht spricht und fast die ganze Aufmerksamkeit der Eltern in Anspruch nimmt. Dass Vincent deswegen immer mal wieder frustriert ist, ist altersgerecht dargestellt. Aber irgendwie gelingt für mich in diesem märchenhaften Konstrukt auch hier die Gewichtung nicht. Und es bleib ein schales Gefühl für mich zurück. Erst recht, weil das Geld am Ende auch diese Wunde heilt.

4. Am Ende bleibt die Verantwortung für diese Heilung dann auf den Schultern der Kinder liegen. Und diese Überforderung finde ich ebenfalls schwierig.

Fazit:
So lässt mich „Vincent und das Großartigste Hotel der Welt“ irgendwie etwas ratlos zurück. Ich mochte so viel, besonders die grandiose Lesung des Hörbuch, aber irgendwie bleibt ein schales Gefühl. 3 bis 4 Sterne.

Bewertung vom 02.12.2023
Schockwellen
Kemfert, Claudia

Schockwellen


ausgezeichnet

Bei der Lektüre gingen mir nicht nur einmal Schockwellen durch den ganzen Körper! Wie haben wir – allen voran die Politik – nicht sehen können, was mit der bislang fehlgeschlagenen Energiewende und den Putins Plänen für Europa auf uns zu kommt???? Claudia Kemfert gibt darauf in ihrer fundierten Analyse Antworten. Diese Analyse ist fundiert und umreißt nicht nur sehr detailliert das erste Jahr nach dem kompletten russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern auch die 20 Jahre zuvor.
Obwohl viele von uns ja das Jahr 2022 noch so nahe vor Augen haben, hat mich doch überrascht, wie viel ich schon wieder vergessen und verdrängt habe – besonders, welche Chancen die Politik hier hat vorbeiziehen lassen. Und die 20 Jahre kennt das Versagen vor allem zwei Namen: Altmaier-Knick und Gabriel-Senke. Der damalige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte die EEG-Förderung für den Solarstrum zusammengestrichen. Energie- und Wirtschaftsminister Gabriel verschlimmbesserte die Situation zusätzlich. Ja, aber sie waren bei diesem Versagen angesichts der Klimakrise nicht alleine. Kemfert, Energieexpertin, Professorin und Wirtschaftswissenschaftlerin, zeichnet die Genese nach, was alles schiefgegangen ist. Bei einigem – zum Beispiel bei dem Verkauf der Gasspeicher an russische Unternehmen – wurden die Risiken bewusst kleingeredet. Kemfert war selbst über Jahrzehnte eine der Warnenden. Darum hat mir besonders gefallen, dass bei aller scharfen und sachlichen Analyse der Wissenschaftlerin ihre eigene Wut auch immer wieder spürbar wird.
So fühlte ich mich nicht so allein, wenn ich den Kopf gegen die Tischkante knallen lassen wollte. Die Politik hat mit unserer Zukunft und, noch schlimmer, mit der Zukunft unserer Kinder gespielt. Und das werde ich einigen nie vergessen. Kemfert entlässt uns Leser*innen aber nicht mit einem völligem Gefühl der Mutlosigkeit. Wir können nämlich noch beim Klimaschutz einiges erreichen, wenn die Politik endlich anders handelt. Das müssen sie an der Wahlurne spüren. Seid ihr dabei?

Bewertung vom 02.12.2023
So isst die Welt
Malerba, Giulia;Sillani, Febe

So isst die Welt


gut

Nett, aber…

Leckeres Essen, gerade länderspezifisch, ist einfach wundervoll. Wir könnten zwar als Familie durchaus NOCH experimentierfreudiger sein. Aber generell geht allein beim Klang der Namen unser Herz auf und auf Reisen (auch innerhalb Deutschlands) probieren wir dann auch gerne mal Hawaiianisch oder Indonesisch aus, was jetzt nicht so in den Standard-Restaurants zu finden ist. Dieses Buch aus dem Riva-Verlag mit dem witzigen, farbenfrohen Cover wanderte daher schnell in der Bibliothek in unserer Tasche.

Leider lag es dann eine ganze Zeitlang rum. Wir hatten es zwei-, dreimal angeblättert, aber irgendwie landete es dann schnell wieder auf dem Stapel. Gut passiert manchmal, auch bei sehr guten Büchern. Kürzlich haben wir Nägel mit Köpfen gemacht und es uns ganz bewusst vorgenommen – aber auch da konnte es uns nicht wirklich begeistern.

Das liegt sicher an dem Format des „Atlas“: Wir haben anhand des Covers und des Klappentextes eben keinen reinen Atlas erwartet. Es gibt hier wirklich ausschließlich Karten auf Doppelseiten, die mit Grafiken und Texten ergänzt sind. Das Buch ist daher wirklich auch eher nicht zum eigentlichen Lesen, sondern zum Durchblättern gedacht. Trotzdem stellen wir uns beim „Entdecke fremde Länder“ irgendwie eine andere Erfahrung vor.

Die Redundanz, dass immer erst die Kontinente grob vorgestellt werden, viele besondere Gegenstände aber nicht erklärt werden, sondern erst in den Ländern, na gut. Aber der Platz hätte eher für eine allgemeine Einführung genutzt werden können. Die fallen doch recht dünn aus. Dann gibt es so - nennen wir sie mal - Allgemeinplätze wie Trauben. Warum tauchen die gerade in Kanada auf? Erklärt wird das nicht. Und dass immer mal wieder Rind oder Kuh rumsteht, naja, muss das sein, wo ist da das spezifische.

Und bei aller Lust am Entdecken, sind uns dann die Texte oft einfach auch zu kurz und auch zu unspezifisch. Ein Beispiel aus Norwegen mit einem der eher langen Texte:
„Stockfisch aus Møre og Romsdal: Die Stockfischproduktion beruht in Norwegen auf einer langen Tradition. An der Westküste wird er noch wie früher verarbeitet.“
Aha, aber wie wird den nun Stockfisch zubereitet? Und wie wird er dort (bzw. früher) zubereitet. Wissen wir halt weiterhin nicht und irgendwie erwartet ich halt doch, nach so einem Buch etwas mehr Gefühl dafür zu kriegen.

Was uns allerdings schon am Anfang die Lust am Weiterblättern ziemlich verhagelt hat, war, dass in Nordamerika gleich zwei mal die indigene Bevölkerung (First Nations) mit dem I-Wort bezeichnet wurden. Die Übersetzung ist von 2018, muss das denn sein. Wir haben dann noch mehr quergelesen, wie dieses Buch eh schon angelegt ist.

Nett, vor allem die niedlichen Illustrationen, aber dieser Atlas konnte uns nicht wirklich abholen. Wir vergeben immer noch 3 von 5 Sternen, weil vielleicht liegt es ja doch in erster Linie am Format.

Bewertung vom 02.12.2023
Hilda und der Troll
Pearson, Luke

Hilda und der Troll


ausgezeichnet

Hilda wohnt in einem abgeschiedenen Häuschen irgendwo in den skandinavischen Bergen. Wer hat noch nie von so einem wundervollen Leben geträumt? (Nach zwei Wochen wäre es mir persönlich ja zu einsam, aber darum gibt es ja Literatur, die uns schwupp-die-Wupp dort hin versetzen kann!)

Über diese Kinder-Comic-Reihe hatte ich immer wieder Gutes gelesen und so musste sie irgendwann zu meinem 11jährigen Sohn und mir. Und wir waren von den Bildern und Geschichten total angetan. Hilda lässt sich sich ohne Probleme ab etwa 8 Jahren lesen und mit Hilda haben auch erwachsene Lesende noch viel Spaß.

Rein textlich und von den farbigen Bildern her ginge das Buch vermutlich schon ab 6, aber es gibt auch schon immer mal wieder so Spannungsmomente, die zum alleine lesen vielleicht dann etwas gruselig sein könnten. Mir hat der Look besonders gut gefallen. Ich wollte erst „bunt“ schreiben, aber die Panels haben einen ganz eigenen Look, farbig, aber doch etwas gedeckt, was gut zu Skandinavien passt. Und gleichzeitig nicht so ein Pseudo-Beige, das gerade im Kinderzimmer-Design so gehypt wird. Schlicht und passend, gerade auch für Kinder.

Viele Bilder kommen – klassisch GraficNovel – auch komplett ohne Sprechblasen aus. Es gibt ganzseitige Bilder und generell ganz viel zu entdecken. Daher eignet sich Hilda auch super dafür, die Kunstform Comic sehen und lesen zu lernen.

Hilda liest in der Einöde sehr viel und die Realität sieht dann doch manchmal etwas anders aus. Und selbst gruselige Wesen stellen sich in echt dann doch nochmal anders heraus.

Es gibt seit einigen Jahren auch eine Netflix-Serie über Hilda und all die magischen Wesen, die sie trifft. Die haben wir allerdings noch nicht gesehen. Kennt die Serie eine*r von euch? Und könnt ihr sie empfehlen?

Diesen ersten Band der Hilda-Comic-Reihe empfehlen wir auf alle Fälle. Der Nachfolgeband liegt schon hier. 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Unten
Ilisch, Maja

Unten


ausgezeichnet

Sogwirkung!

Bei diesem Buch hat mir schon der Klappentext solch ein Unbehagen verursacht, dass ich es gleich wieder ins Regal stellen musste.

Bitte beachtet, auch die CN am Ende dieser Rezi

„Nevo muss sich an die Regeln halten, sonst verliert ihre Mutter noch die Wohnung und sie müssten im Häuserblock nach unten ziehen, und dorthin will man nicht. Nevos Kosmos ist der Block, hier spielt ihr Leben. Seit Generationen hat niemand das Gebäude verlassen.“

Wie gruselig ist denn bitte, wenn seit Generationen das Gebäude niemensch mehr verlassen hat?!? Aber genau dieses Buch fand mein 11jähriger Sohn megaspannend, erst recht, als ich von meinem tiefen Unbehagen erzählte. Also hat er mich überredet, dass wir es gemeinsam lesen.

Und trotz – oder vielleicht genau wegen – meines Unbehagens hat uns dieses Buch richtig tief reingezogen. Aber die Warnung vorneweg: Es ist an vielen Stellen wirklich düster und gruselig. Bei dem Entwurf ihrer Dystopie spielt Maja Ilisch geschickt mit unseren Erwartungen, aber auch mit unseren Emotionen: Angst, Ekel, Freundschaft, fehlendes Selbstvertrauen, Gefahren, Absurditäten. Ja, vor allem immer wieder Absurditäten, die einen ganz eigenen Grusel vermitteln.

„»Aber..«, fing Nevo an. »Heißt das, Sie sind hier ein-geschlossen? Die ganze Nacht lang?« »Die Tür ist versperrt«, sagte sie. »Aber eingeschlossen wäre ich ja nur, wenn ich gehen wollte. Ich gehe erst am Morgen. Und dann ist die Tür wieder auf.« Nevo runzelte die Stirn und versuchte, das zu verstehen - es ergab irgendwie keinen Sinn. Aber dann musste sie daran denken, dass die Klassenräume ja auch abgeschlossen waren während des Unterrichts. Und eingesperrt fühlte man sich auch nur dann, wenn man an der Tür rüttelte, und warum sollte man das während des Unterrichts tun?“

Das Buch entwickelt einen starken Sog, wenn wir gemeinsam mit der Protagonistin Nevo im Gebäude immer weiter nach unten gehen. Dennoch schafft die Autorin das geniale Kunststück, dass sie die doch noch recht junge Zielgruppe immer wieder mit leichteren Teilen der Geschichte nicht zu sehr in der Verzweiflung zurücklässt. Gerade die Absurditäten und die Menschen, auf die Nevo trifft, tragen dazu bei. Je weiter es nach unten geht, umso mehr wird auch deutlich, wie perfide das Reglement im Haus ist. Die große Frage bleibt: Schaffen wir es wieder nach oben?

Mehr möchte ich gar nicht verraten. Tolles Buch, ganz ängstliche Kinder und Jugendliche sollten besser die Finger davon lassen. Trotzdem: 5 von 5 Sternen.



CN:
emotionale Kindesmisshandlung, Schusswaffen, Entzug von den Eltern, Unterdrückung Meinungsfreiheit, Ratten, Hunger, große Dunkelheit, schlimme hygienische Zustände

Bewertung vom 02.12.2023
Babel
Kuang, R. F.

Babel


ausgezeichnet

"Babel" war eines der Bücher, bei denen mich das Cover fasziniert hat. Ich habe zwar mitbekommen, dass einige das Buch liebten und einige so gar nicht mochten, wusste aber nicht viel darüber, bevor ich mit dem Lesen angefangen habe. Und dann habe ich das Buch in wenigen Tagen verschlungen! Denn diese Welt, die so realistisch in vieler Hinsicht ist, hat mich einfach gepackt.

Ich wollte einfach wissen, wie es weitergeht, weil der Kampf, der allem zugrunde liegt, einfach so wichtig ist. Sorry, dass das so kryptisch ist, aber ich will nicht zu viel konkret verraten, weil mir selbst das beim Lesen so einen Genuss bereitet hat.

„In der Mitte des fünften Stocks standen Glasschaukästen, in denen sich auf einem roten Tuch eine Reihe rot gebundener Bücher befand. Der Schein der Lampen auf ihren weichen Ledereinbänden ließ sie magisch aussehen - eher wie die Grimoires eines Zauberers"
Als Leserin bin ich Fan von Worten. Es gibt allerdings Gründe, warum ich Literaturwissenschaften und nicht Linguistik studiert habe. Und dennoch: Dieses Buch führt einen so tief in die Bedeutung von einzelnen Worten ein, dass es mir ein Fest war. Ich habe während der Lektüre des Buches etwas in einigen schlechten Rezensionen quergelesen. Langatmig und trocken war ein Vorwurf. Schon bei der Länge mit knapp 750 Seiten ist das Buch nichts für all diejenigen, die ausschließlich Action wollen. Und generell sollte man schon etwas Spaß an der Analyse von Sprache haben. Aber für mich kam die immer total faszinierend rüber, trotz meiner geringen Neigung zu Linguistik. Wo Worte herkommen und was das ausmacht, das ist einfach so spannend geschildert. Ich habe mich in diese Beschreibungen fallen lassen.

„Es war eine zusammengeflickte Frankenstein-Sprache. Robin schien es unglaublich, dass dieses Land, dessen Bewohner sich dem Rest der Welt für so überlegen hielten, nicht mal einen Nachmittagstee ohne etwas Geborgtes trinken konnten.“
Ja, und dann ist das Buch einfach auch absolut gelungene und spannende Schilderung, was Rassismus ist und was Kolonialismus und welche Auswirkungen beide haben. Wenn man sich als weiße Person zum ersten Mal damit auseinandersetzt, ist das vielleicht schmerzhaft. Aber liebe weißen Mitpersonen, es geht nicht immer um uns! "Babel" zeigt, wie wichtig Repräsentation von BIPoC in der Literatur ist. Denn eine weiße Person hätte eine so spannende, emotionale Geschichte mit so einer eigenen magischen Welt gar nicht schreiben können.

Einen halben Stern ziehe ich ab, weil ich eine schmerzliche Sache schon recht früh habe kommen sehen. Da funktionierte das Vermeiden von Klischees auch nicht ganz.

Eine herzliche Leseempfehlung für alle, die sich gerne in einer ganz anderen magischen Welt fallen lassen möchte und gleichzeitig darüber auch noch die harte Realität dabei nicht ausblenden möchten. 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Das Klugscheißerchen
Kling, Marc-Uwe

Das Klugscheißerchen


gut

Kling begeistert uns sonst viiiiiel mehr!

Wir sind hier in der Familie ja große Fans von Marc-Uwe Kling – das heißt, wir kennen neben den Känguru-Büchern, auch mehrere Kinderbücher und Brett-/Kartenspiele von ihm. Vom. „Klugscheißerchen“ fanden wir Klings Mini-Lesungen auf Instagram schon wieder sehr charmant und das Buch musste sofort mit, als es mein 11jähriger Sohn in der Buchhandlung liegen sah.

So, und nun haben wir es gelesen (in 3 Generationen), haben geschmunzelt und manchmal auch gelacht – und nun sitze ich hier und weiß nicht so recht, wie ich dieses Buch bewerten soll. Mein Dilemma auf den Punkt gebracht: Wäre es kein Kling, dann wäre es nette Unterhaltung mit 3,5 bis 4 Sternen. Irgendwie. Denn ja, es ist ein Kling. Und was wir an Kling lieben, sind seine pointierten, bissigen Subtexte, seine treffende Referenz auf Pop- und Hochkultur. Und auch, wenn in der „Der Tag als…“-Reihe das immer etwas weniger wurde, hier ist da gefühlt ganz wenig vorhanden. Ja, es ist ganz witzig, dass Familien (Kinder wie Eltern) gerne mal zur Klugscheißerei neigen. Aber irgendwie trägt das in der Redundanz dann nicht so wirklich.

„Das Klugscheißerchen“ ist wirklich ganz nett, aber auch so ein Buch, dass eigentlich nicht im Regal rumstehen brauche. Da hören wir lieber mal wieder in einen der Känguru-Bände rein oder spielen eine Runde „Abrakadabrien“. Also vergebe ich3 von 5 Sternen. Und mein Sohn reißt mir vermutlich den Kopf dafür ab, wenn er von der Schule nach Hause kommt 😅

Update: Mein Sohn hat mir NICHT den Kopf abgerissen und ging mit meiner Sternbewertung vollständig mit: Nett gelesen zu haben, aber nicht mehr. Da wir aber nun mehrfach den Hinweis bekommen haben und wir die Mini-Lesungen von Marc-Uwe Kling auf Instagram ja sehr charmant fanden, werden wir der Hörbuchvariante noch eine Chance geben, wenn sie uns demnächst sicherlich in der Bibliothek über den Weg laufen wird.

Bewertung vom 02.12.2023
Miss Bensons Reise
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise


gut

Eine skurrile Geschichte über eine Frauenfreundschaft. Die ernsten, düsteren Themen darin passten aber für mich nicht zur Geschichte.

Vorneweg eine Bemerkung: Der Gesamteindruck, den ich von „Miss Bensons Reise“ habe, hängt sehr von der Erwartung ab, die ich bei diesem Buch hatte. Und der war leider eine ganz andere als das, war mir dann das Buch geliefert hat. Bitte die Content Note beachten!
Anhand des Klappentextes hatte ich eine beschwingt leichte und skurrile Geschichte erwartet, bei der zwei sehr unterschiedliche Frauen Freundinnen werden. Skurril stimmte, und der Teil mit der Freundschaft irgendwie auch. Aber die Geschichte war weit weniger beschwingt und leicht, als ich erwartet hatte. An einigen Stellen gab es dann doch eine sehr düstere Grundstimmung, die mich ziemlich nach unten zog. Nicht falsch verstehen: Ich mag ernste Themen und eigentlich mag ich es besonders, wenn vermeintlich Ernstes leicht vermittelt wird. Hier war es mir aber nicht ausgewogen genug.
CN: Fehlgeburt, gewaltsamer Tod, Stalking, PTBS, Flashbacks, körperliche Gewalt
Besonders den Aspekt des Stalkings fand ich irritierend, weil das ja alles dann doch in die Grundgeschichte eingebettet war, die immer noch auf die Beschwingheit abzielte.
Ich hatte aber beim Einstieg ins Buch schon so leichte Probleme. Miss Bensons wurde mir immer ein wenig zu naiv und lebensfremd vorgestellt. Das machte mir das Buch etwas unsympathisch. Und nach dreißig, vierzig Seiten blieb das Buch dann erstmal in der Ecke liegen. Und es dauerte weit über ein Jahr bevor ich dem Buch dann doch noch eine Chance gegeben habe.
Ich mochte, dass die beiden Protagonist*innen nicht aufgeben und sie sich einen selbstbestimmten Weg in einer schwierigen Zeit suchen. Auch die Käfersuche hat mir sehr gut gefallen. Zwischendrin habe ich mich auch immer ganz gut unterhalten gefühlt.
Aber in Kombination mit den düsteren Aspekten blieb ein sehr schaler Leseeindruck zurück.
Ich vergebe 2,5 von 5 Sternen und empfehle bei der Entscheidung für das Buch meine CN zu beachten.