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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
jutsi
Wohnort: 
Münsterland

Bewertungen

Insgesamt 73 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2023
Ent-Eltert euch!
Teml, Sandra;Wall, Martin

Ent-Eltert euch!


sehr gut

Einladung, die eigene Kindheit zu reflektieren
Das Buch „Ent-Eltert euch!“ von Sandra Teml und Martin Wall lädt dazu ein, die eigene Kindheit zu reflektieren und ungesunde emotionale Abhängigkeiten von den Eltern zu lösen. Auf 240 Seiten wird dieses komplexe Thema kompakt und zielgerichtet dargestellt.
Die Autor:innen arbeiten dabei mit vielen Beispielen von konkreten Eltern-Kind-Beziehungen, die sich von Problemanalyse bis Lösung durch das Buch ziehen. So werden Themen anschaulich und der Lesefluss aufgelockert. Insgesamt ist der Stil verständlich und sachlich gehalten. Die persönliche Ansprache der Leser:innen passt zu dem sehr intimen Thema.
Gleich zu Beginn wird deutlich, dass es sich bei „Ent-Eltert euch!“ um ein Buch handelt, dass eine gewisse Mitarbeit erfordert, um einen Nutzen zu haben. Verschiedene Übungen laden zur Reflexion der eigenen Eltern-Kind-Beziehung ein. An mehreren Stellen wird auch darauf hingewiesen, dass komplexe Kindheitstraumata und eingerostete Beziehungsmuster auf jeden Fall weitergehende und tiefergehende Behandlung und/oder Therapiesitzungen benötigen, um gelöst zu werden. Das Buch kann also jedoch dabei helfen, diese Muster zunächst erst einmal aufzuspüren.
Laut den Autor:innen ist der Zeitpunkt im Leben, an dem man selbst zu Eltern wird, oft ein Punkt, an dem man noch einmal mit Themen aus der eigenen Kindheit konfrontiert wird und beginnt, sich mit der Beziehung zu den eigenen Eltern auseinander zu setzen. Aus diesem Grund hat mich das Buch angesprochen. Eine deutliche Schieflage in der Beziehung oder emotionale Abhängigkeit, wie in den Beispielen beschrieben, konnte ich in der Beziehung zu meinen Eltern nicht entdecken. Das Buch fokussiert sich jedoch, gerade im Lösungsteil, sehr auf diese Muster. Die Entwicklung als eigenständige, erwachsene Person, losgelöst von den Eltern ist das zentrale Ziel.
Gerne hätte ich mehr darüber gelesen, wie Prägungen aus der Kindheit das eigene Handeln auch losgelöst von der (aktuellen) Eltern-Kind-Beziehung bestimmen. Denn auch wenn die Kommunikation und die Beziehung mit den Eltern inzwischen wertschätzend und dem Alter angemessen verläuft, haben Themen wie Perfektionismus und Leistungsdruck ihren Ursprung in der Kindheit. Insgesamt hätte ich mir hier weitere Einsichten und Lösungsmethoden gewünscht.
Insgesamt finde ich das Buch empfehlenswert für alle, die aktuelle Konflikte mit ihren Eltern angehen wollen und sich einen kompakten Einstieg in dieses komplexe Thema wünschen. Zudem ist das Buch auch aus der Perspektive als Eltern spannend zu lesen und regt zu einem achtsameren und reflektierten Umgang mit den eigenen Kindern ein.

Bewertung vom 29.08.2023
Verlogen / Mörderisches Island Bd.2
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlogen / Mörderisches Island Bd.2


sehr gut

Solider, ruhiger Kriminalfall mit psychologischer Tiefe

Verlogen war das erste Buch, das ich von Eva Björg Ægisdóttir gelesen habe – und sicher nicht das letzte. Obwohl es sich bei dem Buch um den zweiten Band einer Reihe rund um die Kommissarin Elma handelt, war die Geschichte auch ohne Vorkenntnisse aus Band eins gut lesbar und in sich geschlossen. Das ruhige, düstere Cover und der Titel passen perfekt zum Inhalt und der rauen, einsamen Landschaft Islands.

Inhaltlich wird auf zwei Zeitebenen erzählt – in der Gegenwart beschäftigt sich Elma mit dem Fall rund um die gerade gefundene Leiche der alleinerziehenden Mutter Marianna, die vor sieben Monaten spurlos verschwand. Während damals alle von einem Selbstmord ausgingen, wird nun deutlich, dass es sich zweifelsfrei um Mord handelt und die Ermittlungen neu aufgerollt werden müssen. Die zweite Zeitebene springt 15 Jahre zurück – eine junge Mutter verzweifelt an ihrer neuen Rolle – und schafft es nicht eine Verbindung zu ihrem Kind aufzubauen.
Eva Björg Ægisdóttir zeichnet in Verlogen feinfühlig verschiedenste Beziehungen zwischen Frauen, sei es Mutter-Tochter-Beziehung in der Vergangenheit, als auch die Beziehung zwischen Elma zu ihrer eigenen Mutter (und Schwester) oder die von Mariannas Tochter Hekla zu ihren Teenie-Freundinnen. Dabei entstehen komplexe, nicht immer einfache Beziehungsgeflechte, die dieses Buch spannend machen. Mir hat sehr gefallen, einen ruhigen Kriminalfall zu lesen, ohne blutrünstige Serienmörder und dramatische Verfolgungsjagden, dafür mit vielen leisen Zwischentönen im Ungesagten und überraschenden Twists.

Die Ermittler*innen Elma und Saevar sind ganz normale Personen, nicht die typischen exzentrischen Einzelgänger, die in so vielen Thrillern inzwischen gefühlt um die ungewöhnlichste Eigenschaft wetteifern. Für mich ein Pluspunkt, da die Handlung so meiner Meinung nach auch viel realistischer und nahbarer wirkt. Gleichzeitig ist gerade dieses Duo für mich auch eine kleine Schwachstelle des Krimis, da ihre Gefühle für mich an vielen Stellen etwas zu flach blieben. Gerade Elma, die durch den Verlust ihres Partners David und die schwierige Beziehung zu ihrer Schwester eigentlich viel Potential bietet, blieb für mich oft etwas blass und schwer zu greifen. Daher vergebe ich hier 4 statt 5 Sternen.

Insgesamt ist „Verlogen“ für mich aber ganz klar eine Leseempfehlung und einfach ein gut gemachter, solider Krimi. Die Neuerscheinungen von Eva Björg Ægisdóttir werde ich sicher im Auge behalten.

Bewertung vom 24.08.2023
Dachs Naseweiß Phantastische Geschichten aus dem Wunderlichen Wald / Dachs Naseweiß-Kollektion Bd.1
Wunderlich, Christian

Dachs Naseweiß Phantastische Geschichten aus dem Wunderlichen Wald / Dachs Naseweiß-Kollektion Bd.1


ausgezeichnet

Herzerwärmende Vorlesegeschichte mit Waldbewohnern
Dachs Naseweiß – Phantastische Geschichten aus dem Wunderlichen Wald – ist eine wirklich niedliche und herzerwärmende Vorlesegeschichte für Kinder.

Für mich passt bei diesem Buch alles zusammen - die etwas verträumten, detailreichen Illustrationen von Verena Körting der einzelnen Waldbewohner und ihrer Behausungen und die durchdachten Texte von Christian Wunderlich. Beim Lesen bin ich auf viele schöne, zauberhafte Details gestoßen, wie z.B. das Glühwürmchen Glüh, das statt einer Lampe den Dachsbau erhellt, das Wort "Dachsmalstifte" statt Wachsmalstifte und viele weitere Wortspiele, die auch die erwachsenen Vorleser*innen zum Schmunzeln bringen. So zum Beispiel auch Hellobien – das von Bienen erfundene Fest in Anlehnung an Halloween. Durch die hohe Dichte an kleinen, sympathischen Details und Besonderheiten entsteht wirklich eine eigene Welt im „Wunderlichen“ Wald.

Gleich zu Beginn wird deutlich, dass Dachs Naseweiß seinen Papa Dachs verloren hat, ein Thema das im Buch auch später noch eine Rolle spielen wird. Insgesamt werden Emotionen und Gefühle sehr sensibel behandelt – so bietet das Buch auch die Möglichkeit, mit Kindern über eigene Gefühle zu Sprechen. Jedes der acht Kapitel behandelt ein anderes für Kinder sehr relevantes Thema: Anfangen, Träumen, Gewinnen, Lachen, Bleiben, Fürchten, Spielen und Weinen. Schön finde ich, dass dabei alle Gefühle gleichwertig nebeneinander stehen: Sie gehören alle zum Leben dazu.

Außerdem finden auch unterschiedliche Lebensmodelle abseits von Geschlechterklischees ganz selbstverständlich und unaufgeregt Platz in der Geschichte. So lebt z.B. die Baumeisterin Biba mit ihrer Frau Babi zusammen im Staudamm.

Die Kapitel haben eine gute Länge um sie als Gutenachtgeschichte zu nutzen und das Buch ist für meine Kinder (3&6 Jahre) auch zum gemeinsamen Vorlesen geeignet. Die Kapitel sind auch als eigenständige Geschichte lesbar, sodass man einzelne Geschichten, die gerade vielleicht besonders relevant sind, einfach wiederholen kann.


Für mich persönlich fällt immer auch die Haptik und Optik von Büchern ins Gewicht. Hier hätte ich mir ein mattes Cover anstelle des glänzenden Buchumschlags gewünscht. Auch über ein Bändchen freue ich mich gerade bei Vorlesebänden immer sehr. Wegen des wirklich schönen Inhalts empfehle ich dieses Buch jedoch gerne mit vollen fünf Sternen weiter.

Bewertung vom 14.08.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


ausgezeichnet

Faszinierende Antiheldin und schonungslose Gesellschaftskritik

Keine Einladung gilt für immer – erst Recht nicht für Alex. Emma Clines Protagonistin, ein ehemaliges Escort Girl, landet nach einem kurzen Schnupperbesuch im Leben der Reichen und Schönen, auf dem Boden der Tatsachen. Nachdem sie seinen Wagen beschädigt hat, setzt der deutliche ältere Simon, sie vor die Tür seiner Villa in den Hamptons. Alex beschließt, sich bis zu Simons großer Party alleine durchzuschlagen und reißt die Leser:innen mit in eine soghafte Abwärtsspirale.

Ohne Plan, ohne Obdach, ohne Geld und mit schwindendem Schmerzmittelvorrat macht Alex sich auf den Weg und zeigt sich dabei manipulierend, oft grenzüberschreitend und ohne Reue. Die brennende Frage, warum Alex ist, wie sie ist, lässt Emma Cline dabei explizit unbeantwortet.

„Warum bist du so?“ fragte er. Und er fragte wirklich. Erwartete irgendeine Erklärung, irgendeine logische Gleichung - x war ihr passiert, irgendetwas Schlimmes, deshalb war y ihr Leben, und das leuchtete natürlich ein. Aber wie sollte, Alex erklären, dass es keinen Grund gab, dass ihr nie etwas Schlimmes widerfahren war. Es war alles ganz normal gewesen. (S. 147)

Mit dieser Figur gelingt Emma Cline eine faszinierende Antiheldin – es fällt schwer für Alex Sympathie zu entwickeln, viel mehr löst sie Gefühle wie Abscheu und Entsetzen, manchmal auch Mitleid aus. Interessanterweise führt dies aber nicht dazu, dass die Personen, denen Alex begegnet, positiver wahrgenommen werden. Im Gegenteil, die Interaktionen mit Alex ermöglichen einen schonungslosen und nüchternen Blick auf die Gesellschaft, der durch den klaren, schnörkellosen Schreibstil noch unterstrichen wird.

Wie natürlich es Alex scheint, sich den Bedürfnissen älterer Männer anzupassen, keine Reibungsflächen zu bieten, sich unsichtbar zu machen. Wie selbstverständlich alle Unannehmlichkeiten des Lebens an Personal „outgesourced “ werden, wie sehr die Kinder der Reichen sich selbst überlassen sind – fest verankerte patriarchalische Strukturen, Machtgefälle, Abhängigkeiten, Drogenkonsum – ohne je belehrend zu wirken, zeichnet der Roman ein Bild der Gegenwart und ist damit auch eine Einladung zum Nachdenken.

Bewertung vom 09.08.2023
Zippel macht Zirkus / Zippel Bd.3
Rühle, Alex

Zippel macht Zirkus / Zippel Bd.3


ausgezeichnet

Auf geht’s in den Zirkus mit Zippel

Juhuu, ein neues Zippel Buch! Nachdem wir Zippel, das Schlossgespenst, und Paul schon in zwei Bänden kennengelernt haben, war die Vorfreude auf ein neues Abenteuer hier riesengroß. Und dieses Mal geht es sogar in die weite Welt bis nach Italien, zum Zirkus Giacometti. Auch bekannte Charaktere, wie Frau Wilhelm und Quokel sind wieder dabei, worüber sich hier alle Zippel-Fans sehr gefreut haben.

Gleich das Cover macht große Lust auf die neue Geschichte, mit den vielen bunten Details und dem unverwechselbaren Stil von Alex Scheffler. Seine Illustrationen sprechen einfach für sich geben jedem Charakter das gewisse Etwas. Der bunte Zirkuswagen verspricht ein großes Abenteuer – wir haben hier direkt ein paar Kapitel auf einmal gelesen. Auch dieses Buch liest sich in gewohnter Zippel-Manier - RONGELDIWONG und KLONKERRABONKER - die in den Text eingebauten Geräusche und die typischen Zippel-Gedichtchen zusammen mit der direkten Ansprache der kleinen Leser*innen machen aus den Büchern einfach tolle Vorlesebücher. Meine Kinder sind 3 und fast 6 Jahre alt und die Kapitellängen passen für uns sehr gut um beim Vorlesen sinnvolle Unterbrechungen zu setzen (15 Kapitel + Schluss auf 137 Seiten). Außerdem sind genügend Illustrationen vorhanden, um auch den Dreijährigen interessiert zu halten.

Inhaltlich geht es immer spannend, aber nicht gruselig zu und es gibt natürlich auch etwas zu lachen. Kleine Wortwitze machen das Buch auch für erwachsene Vorleser*innen zum Vergnügen. Die beiden Vorgängerbände müssen nicht bekannt sein, um mit Zippel in den Zirkus zu reisen. Von uns also eine klare Empfehlung!

Bewertung vom 09.08.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

Vielschichtiger, als das Cover vermuten lässt
"Bei euch ist es immer so unheimlich still" ist deutlich vielschichtiger, als ich es bei diesem Cover erwartet hätte. Blumen und Vögel ließen mich an eine seichtere, eher romantische Geschichte denken. Autorin und Kurzbeschreibung konnten mich jedoch neugierig machen – zum Glück, denn mit Silvia und Evelyn begegnen mir zwei ganz unterschiedliche, sehr vielschichtige Protagonistinnen. Die Tochter, Silvia, im Jahr 1989 im unkonventionellen Berlin und die Mutter, Evelyn, 1950, kurz vor ihrer Hochzeit auf dem eher spießigen Land. Warum hat Silvia ihr Heimatdorf verlassen? Wie ist die junge Evelyn zu der etwas ungepflegten, alten Frau geworden, auf die Silvia, gerade selbst Mutter geworden, dann 1989 wieder trifft?
Seite für Seite entsteht ein Bild der beiden Frauen und werden ihre Gefühle, Motive und Beziehungen untereinander klarer. Durch viele Zeitsprünge begleitet das Buch Silvia durch ihre Kindheit und Evelyn in ihren ersten Jahren als Mutter, bis sich beide 1989 wiedertreffen. Auch Silvias Tante Betti und die Monika, die mit Silvia zur Schule ging und dann im Ort wohnen blieb, sind interessante Persönlichkeiten, anhand denen die Autorin ganz deutlich werden lässt das Außenwirkung und innere Gefühlswelt nicht immer übereinstimmen. Wie prägt uns unsere Kindheit und Vergangenheit? Welche Erinnerungen bleiben? Was steckt hinter der Fassade? Rund um diese Fragen dreht sich der Roman, der dabei flüssig und unterhaltsam zu lesen ist.
Von mir daher eine klare Leseempfehlung! Der Roman „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, Blaues Kleid“ von Alena Schröder, der auf der Zeitebene von Silvias Tochter Hanna spielt, ist nun ebenfalls auf meiner Wunschliste nach oben gerutscht.

Bewertung vom 18.07.2023
Mieko tanzt
Miyata-Jancey, Mariko

Mieko tanzt


ausgezeichnet

Mutmachbuch rund um das Thema Selbstbestimmung
Mieko tanzt ist ein wunderschönes Kinderbuch und dreht sich rund um ein wichtiges Thema: Selbstbestimmung und Vielfalt, abseits von Stereotypen und Genderrollen!
Das Buch handelt von Mieko, die es liebt zu tanzen und vor allem zu springen. Selbstbewusst bestimmt sie über ihre Haare und ihre Kleidung und läuft zu ihren Tanzstunden. Doch die Reaktionen der anderen lösen dann doch unangenehme Gefühle in ihr aus. Wir begleiten Mieko bei all ihren Gefühlen, Stolz, Freude, Zweifel, Scham, Traurigkeit – und natürlich auch zur Versöhnung zum Schluss.
Dabei vermittelt das Buch einfühlsam eine wichtige Botschaft: Jeder Mensch ist ganz genauso richtig, wie er schon ist. Kinder werden ermutigt, sie selbst zu sein.
Für mich ist es ganz wichtig, meinen Kindern zu vermitteln, dass sie über ihren Körper allein entscheiden dürfen. Die Geschichte von Mieko bietet viele Anknüpfungspunkte um darüber mit Kindern zu sprechen - und zwar ganz abseits von Klischees und Stereotypen: Wie fühlt sich Kleidung an, was mag ich? Welche Gefühle lösen die Reaktionen von anderen Menschen bei mir aus? Wie fühlen sich die Gefühle im Körper an?
Mich persönlich spricht auch der ganz eigene und besondere Stil der Illustratorin an. Er ist sehr modern, mit teils surrealen Überzeichnungen, gerade was die Größe einzelner Gegenstände betrifft. Diversität wird auch bildlich in den Charakteren im Buch dargestellt. Die Bilder sind bunt, jedoch in matten, gedeckten Farben und insgesamt wirkt das Buch sehr hochwertig.
Das Buch umfasst 48 Seiten, die Geschichte selbst ist jedoch kurz und prägnant gehalten. Der Schreibstil der Autorin ist einfach und klar. So lässt sich das Buch gut in einem Mal durchlesen. Meine Kinder sind drei und fünf Jahre alt und der Umfang hat für beide gut gepasst.
Fazit: Ein wichtiges Buch mit einer schönen Botschaft, das viele wertvolle Gespräche mit Kindern anstoßen kann und Kinder ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen.

Bewertung vom 13.07.2023
Mein Leben als einsamer Axolotl
Bondestam, Linda

Mein Leben als einsamer Axolotl


ausgezeichnet

Modern, bezaubernd und hochaktuell

Mein Leben als einsamer Axolotl von Linda Bondestam ist ein Kinderbuch, das positiv aus der Reihe springt! Im ersten Eindruck springen direkt die außergewöhnlichen Illustrationen in den Blick - sie sind modern, farbenfroh, im mixed media - Collagen Stil und gar nicht "typisch niedlich- kindlich". Es gibt auf jeder Seite viel zu entdecken und bestaunen. Auch das Cover ist sehr ansprechend gestaltet. Während der Hauptteil matt gehalten ist, sind Titel und Axolotl glänzend gedruckt. Durch dieses kleine Detail ist der leuchtend gelbe Titel besonders auffallend und das Buch auch haptisch spannend.

Thematisch ist das Buch top aktuell: Das Thema Klimawandel wir hier ungeschönt und direkt besprochen. Das Axolotl beobachtet die Menschen an Land – hier Plumpiane genannt. Diesen Begriff finde ich sehr passend, denn schnell wird deutlich wie plump und dreist die Menschen die Erde für sich nutzen. Ohne erklärend oder belehrend zu sein, zeigt das Buch Tatsachen auf und betrachtet die Welt aus den Augen des kleinen Axolotls. Die Folgen des unbedachten Verhaltens der Menschen werden offensichtlich. Viele kleine Details machen für mich den Zauber dieses Buches aus, z.B. die beiden Zitate am Anfang und am Ende des Buches, die auf die Zerbrechlichkeit der Erde hinweisen, aber darauf, dass das Leben auf der Erde immer einen Weg findet. Die Frage ist nur, welche Rolle werden die Menschen spielen? Bleibt die Erde für uns bewohnbar? Diese unglaublich großen Fragen werden durch simple Beobachtungen mit Kindern besprechbar – ohne zu verängstigen. Dabei steht es den Leser:innen offen, wie tief und intensiv sie in das Thema eintauchen möchten.

In Kombination mit dem niedlichen und ungewöhnlichen Protagonisten, dem Axolotl, entsteht eine hochinteressante Mischung: Bunt, grell, mit fantasievoller Sprache und vielen Details wird die Geschichte auf jeden Fall Aufmerksamkeit erzeugen und das Thema Klimawandel mit einem ganz neuen Ansatz besprechbar machen. Fazit: Ein wunderschönes Buch, das ich sicher nochmal nachkaufen und verschenken werde!

Bewertung vom 10.07.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


ausgezeichnet

Ein brennender Strandkorb = eine Idylle in Flammen!? Diese Assoziation weckte das Cover von „Sylter Welle“ von Max Richard Leßmann in mir. Eine explosive Konfrontation wie vermutet, habe ich im Buch nicht gefunden. Trotzdem finde ich das Cover mehr als passend, denn wie bei einem Ölgemälde lässt der Autor Geschichte für Geschichte, Anekdote für Anekdote, wie Schicht für Schicht ein Bild von seinen Großeltern entstehen. Dabei betrachtet er sie mit liebevollem Blick, erzählt oft selbstironisch, pointiert und in teils poetischer Sprache von ihren Eigenarten und kehrt dabei auch die Schwächen nicht unter den Teppich. Lore und Ludwig – sie wurden für mich sofort greifbar, mit wenigen Sätzen auf wenigen Seiten. Feinfühlig und ehrlich behandelt Leßmann auch schwierige Themen wie Alter, Angst, Abschied und Trauer. Wie fühlt es sich an, wenn die eigenen Großeltern plötzlich sehr alt werden? Mich hat das Buch an vielen Stellen berührt, aber auch oft schmunzeln lassen.
Bisher kannte ich den Autor nur über seinen Instagram Kanal, auf dem er mit seinen kurzen Gedichten mit nur wenigen Worten Gefühle perfekt auf den Punkt bringt. Dies gelingt ihm auch in seinem Roman, den ich in einem Rutsch durchgelesen habe. Eine wunderbare Lektüre für lange, laue Sommernächte und eine große Leseempfehlung!

Bewertung vom 19.09.2021
Die andere Tochter
Golch, Dinah Marte

Die andere Tochter


ausgezeichnet

Überraschender Pageturner!

„Die andere Tochter“ von Dinah Marte Golch hat mich echt überrascht. Erwartet habe ich einen Beziehungsroman über Mütter und Töchter, geliefert bekommen habe ich einen echten Thriller und Pageturner! Schon nach den ersten Kapiteln konnte ich das Buch nicht mehr weglegen.

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen und beide drehen sich um Antonia „Toni“ Petzold. Obwohl zwischen den beiden Zeitpunkten nur ein paar Monate liegen (April 2019 zu Oktober 2019) ist sofort klar, dass die ersten Sätze „Ich bin nicht mehr Toni. Ich bin jetzt eine andere“, die ganze Ladung des Buches tragen. In den wenigen Monaten hat sich Toni unwiederrufbar gewandelt – das wird alleine durch die klare Abgrenzung der beiden Zeitebenen im Stil deutlich (Ich-Form vs. Dritte Person). Doch warum? Und wie?

Toni hat im Frühjahr 2019 einen Arbeitsunfall und verliert ihr Augenlicht. Nur durch eine Hornhautspende kann sie wieder sehen. Kurz darauf lernt sie die Mutter der Spenderin, Clara Mertens kennen, die sie sofort für sich vereinnahmt. Doch schnell wird klar, dass in der Famile Mertens nicht alles mit rechten Dingen zu geht. Und auch Tonis eigene Vergangenheit scheint Geheimnisse zu bergen.

Die Geschichte nimmt sofort Tempo auf, wird zu einem echten Thriller. Dabei behandelt das Buch unglaublich viele Themen: Seelenwanderung, Mutter-Tochter-Beziehungen, Familiengeheimnisse, Schatten des zweiten Weltkrieges, Psychosen, Schuld, Alkoholismus...
Trotzdem ist die Geschichte nicht überladen, sondern einfach spannend. Kapitel für Kapitel nähert sich die Vergangenheitsebene der akutellen Situation an – und Schicht für Schicht klärt sich, in welchen Strudel an Ereignissen Toni unbedarft gefallen ist.

Für mich ein (ganz unerwartetes) Lesehighlight 2021!