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Verena

Bewertungen

Insgesamt 135 Bewertungen
Bewertung vom 16.10.2023
Glutspur / Liv Jensen Bd.1
Engberg, Katrine

Glutspur / Liv Jensen Bd.1


sehr gut

Must Read für Engberg-Fans

Katrine Engberg ist für mich ein Must-Read – und das, obwohl ich Krimis gar nichts so gerne lese.
Mit „Glutspur“ hat sich die dänische Autorin viel vorgenommen. Nicht nur gilt es drei Morde zu klären, es werden auch drei Figuren eingeführt. Dazu natürlich eine Verbindung zwischen den Morden und eine Spur, die in die Vergangenheit führt. Das war mir manchmal ein bisschen zu viel, es wirkte stellenweise ein wenig konstruiert. Auch wenn es für mich nicht ein Pageturner wie Engbergs bisherige Romane war, habe ich „Glutspur“ gerne gelesen. Denn die drei „Neuen“ – Privatdetektivin Liv Jesen, Psychologin Hannah Leon & Automechaniker Nima Ansari – sind spannende Charaktere. Alle drei sind auf der Flucht vor Etwas und Flucht wird auch für die Mordfälle eine wichtige Rolle spielen (mehr will ich nicht verraten, um nichts zu spoilern). Obwohl wir viel über Liv, Hannah und Nima erfahren sind sie komplex genug angelegt, um auf ein paar weitere Krimis mit diesem „Team“ zu hoffen. Die vierte Hauptrolle nimmt natürlich Kopenhagen ein. Katrine Engberg entführt ihre Leser:innen in die dänische Hauptstadt und vermittelt dabei immer den Eindruck, als wäre man selbst vor Ort; wie ein Schatten der Figuren entdeckt man die Stadt am Öresund.

Bewertung vom 09.10.2023
Herbstleuchten in den Highlands / Highland Love Bd.2
Bode, Christine

Herbstleuchten in den Highlands / Highland Love Bd.2


sehr gut

Romantische Geschichten in Schottland lese ich gerne; besonders gerne aber im Herbst und Winter und da kam „Herbstleuchten in den Highlands“ gerade recht. Es ist sozusagen der zweite Teil der Reihe „Zuhause in Glenbarry“ und obwohl es nicht zwingend notwendig ist, den ersten Teil („Wo unsere Herzen sich finden“) gelesen zu haben, um der Handlung folgen zu können, ist es doch hilfreich, da die Figuren bereits im ersten Buch vorgestellt wurden und, so hatte ich den Eindruck, auch etwas tiefer. Im ersten Teil hat mir besonders gut gefallen, wie die Landschaft eingebaut wurde – eine herrliche Kulisse für eine Liebesgeschichte. Im zweiten Teil spielt nun weniger die Natur eine Rolle, dafür aber die Kulinarik und ein Schloss in der Nähe von Glenbarry. Denn die Protagonistin ist dieses Mal Betty, eine eher schüchterne Konditorin, die sich als Teenie in den Erben des Schlosses verliebte. Richard ist aber nicht nur Engländer, sondern lebt, so denkt Betty, in einer ganz anderen Welt als sie selbst. Durch einen Backwettbewerb, der im Schloss ausgetragen wird und an dem Betty teilnimmt, laufen die beiden sich nun viele Jahre später wieder über den Weg.
Wie immer: das Rad wird nicht neu erfunden bei dieser Art Geschichte. Aber ich habe „Herbstleuchten in den Highlands“ sehr gerne gelesen, mochte den Roman sogar lieber als den ersten Teil der Reihe. Eine Second-Chances-Liebesgeschichte, noch dazu auf einem Schloss, aber mit einem sehr realen Blick auf den Schlossherren und den (verarmten) Landadel. Natürlich hätten es gegen Ende auch ein paar weniger Kommunikationsschwierigkeiten des Liebespaars geben dürfen, aber alles in allem ein schöner Roman – passend für diese Jahreszeit. Ich bin gespannt, ob es einen dritten Teil der Reihe geben wird.

Bewertung vom 02.10.2023
Die weite Wildnis
Groff, Lauren

Die weite Wildnis


sehr gut

Nature Writing par excellence!

Nature writing par excellence! Die Geschichte eines Mädchens auf der Flucht ist vieles auf einmal: (feministischer) Abenteuerroman über das Überleben in der Wildnis, Historienroman über den Aufbruch in die neue Welt am Anfang des 17. Jahrhunderts, die Geschichte einer Emanzipation, ein literarisches Bildnis über das gefährlichste aller Raubtiere – den Menschen.
Bildgewaltig und eindrucksvoll beschreibt Lauren Groff die Flucht ihrer (beinahe namenlosen) Protagonistin aus einem Fort früher Siedler in Nordamerika. Die karge Wildnis, in die sie sich begibt, das Unbekannte, wartet mit Gefahren jeglicher Art auf; doch das Bekannte, wovor sie flieht, ist für das Mädchen weitaus schlimmer. Während sie fiebernd mit Naturgewalten zu kämpfen hat und Nahrung sucht, lassen die Monster der Vergangenheit sie nicht allein. Erstmals ist das Leben des Mädchens selbstbestimmt und ihr Wille zu überleben ist groß. Auf ihrer Flucht beginnt sie alles zu hinterfragen, auf ihre kindliche Art beinahe philosophisch. (Ganz wunderbar fand ich die Szene, als sie den Bären beobachtet, wie er einen Wasserfall beobachtet.)
Sie hinterfragt ihre Religion, die Kolonialisierung der indigenen Bevölkerung, die „Unterwerfung“ der Natur, das Miteinander der Menschen und ganz grundsätzlich das menschliche Wesen. Ihre Beobachtungen und Erkenntnisse sind dabei hochaktuell.
Einen Stern muss ich allerdings abziehen, denn das Ende fand ich ein bisschen unversöhnlich. Es deutet sich zwar an, aber ist doch recht ernüchternd und deprimierend.

Bewertung vom 18.09.2023
Die Lügnerin
Karig, Friedemann

Die Lügnerin


weniger gut

Großes Fragezeichen

Cover und Klappentext fand ich sehr ansprechend, aber der Roman selbst war ein verwirrendes Chaos.
Ständig Zeitsprünge, bei allem die Frage: wahr oder gelogen?, Esoterik, Astrologie, Glaube - alles wird vermischt. Ganz random berichtet plötzlich die Großmutter der Protagonistin, wie einst die Deutschen Soldaten kamen und alle Frauen vergewaltigten. Ein seltsamer „Einschub“, zwischen all dem Gerede über Horoskope, Aszendenten und der kurz darauf folgenden Las Vegas Glücksspiel und Magie Episode.
Ganz zum Schluss deutet einiges darauf hin, dass die Protagonistin eine psychische Erkrankung haben könnte und natüüürlich alle anderen Menschen im „Institut“ manipulieren kann/will, um auszubrechen. Wenn ich es richtig interpretiert habe, dann ist der Roman (und vor allem das Ende) eine weitere sehr fragwürdige Darstellung von psychischen Erkrankungen und vor allem deren Therapie, insbesondere Kliniken (oder was auch immer das „Institut“ sein soll). Wenn ich mit meiner Interpretation daneben liege, dann rundet das Ende eine chaotische, verwirrende und (zumindest mir) nichtssagende Erzählung ab.

Bewertung vom 16.09.2023
Mein schrecklich schönes Leben
Smale, Holly

Mein schrecklich schönes Leben


gut

Verschenktes Potential

Cassandra steckt in einer Zeitschleife fest: immer wieder wird sie mit ihrem furchtbar unpassenden Job, ihren ihr fremden Mitbewohnern und ihrem Freund, dem sie sich nicht öffnet konfrontiert – je nach Zeitpunkt der Zeitschleife gibt’s die Kündigung von Job und/oder Wohnung und der Freund macht auch noch Schluss. Die Zeitschleife entpuppt sich aber relativ schnell eher als die Fähigkeit durch die Zeit zu reisen. So beginnt Cassie schnell unangenehme Momente so lange rückgängig zu machen, bis sie einigermaßen zufrieden ist. Und davon gibt es viele, denn Cassie nimmt vieles anders wahr als die meisten Menschen. Dass viele Hin- und Herreisen wächst ihr bald über den Kopf und sie kann die einzelnen Zeitsträng nicht mehr gut auseinanderhalten und irgendwie scheint es in keiner der Versionen so richtig gut zu klappen mit Will, ihrem (Ex-)Freund.
Kurz vor Schluss wechselt der Fokus der Erzählung und liegt nun nicht mehr auf Cassies Wunsch, die romantische Beziehung zu Will aufrechtzuerhalten, sondern es rückt die Beziehung zu ihrer Schwester in den Vordergrund. Eigentlich wäre es so viel interessanter gewesen von Anfang an diesen Teil der Erzählung zum Zentrum der Geschichte zu machen. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass nicht genau klar, was eigentlich erzählt werden soll. Denn zum Schluss wird ja klar, dass es die Beziehung der Schwestern zueinander ist, die Cassie reparieren soll – aber warum wird dann mehr als ¾ des Buches nichts davon erwähnt? So viele Meetings, so viele Dates mit Will bzw. die Wiederholungen davon und dann nur ein paar Seiten mit Artemis? Verschenktes Potential einer originellen Idee.

Bewertung vom 14.09.2023
Henriette lächelt
Heinisch, Andrea

Henriette lächelt


sehr gut

Zartes Schwergewicht

„Henriette lächelt“ war ganz anders, als ich es erwartet hätte. Die Protagonistin Henriette wiegt 190 Kilo – (fast) alles in ihrem Leben dreht sich um ihr Gewicht. Ihre Geschichte ist dennoch eine sehr zarte; zumeist zumindest. Zaghaft und zart wird beschrieben, wie sie zu sich findet und gleichzeitig den Weg aus der Einsamkeit. Schwerwiegender als ihr Körpergewicht sind Andeutungen über Gewalterfahrungen, die sie machen musste: auf ganz unterschiedliche Art erfuhr sie Gewalt durch die Eltern und tut sich gleichzeitig mit dem Verlust der beiden schwer; durch einen der vielen Liebhaber der Mutter wurde ihr sexuelle Gewalt angetan und gleichzeitig überließ er ihr einen ihrer größten Schätze – ihr Klavier.
Der Schreibstil, den ich wohl am ehesten mit stream of consciousness vergleichen würde, eignet sich hervorragend für diesen Roman, da sich Henriettes Leben hauptsächlich im Inneren abspielt: im Inneren ihrer Wohnung (dem Lockdown/Homeoffice sei Dank), im Inneren ihres Körpers, in ihren Gedanken. Je mehr sie sich öffnet, desto weniger Raum nehmen all diese Dinge ein.
Das Ende war mir ein bisschen zu abrupt, ein bisschen zu offen.

Bewertung vom 05.09.2023
Mrs. Eloises zauberhafter Garten
Howlett, Karen

Mrs. Eloises zauberhafter Garten


weniger gut

Mrs Eloises zauberhafter Garten
Es fällt mir sehr schwer, dieses Buch zu rezensieren. Es ist wunderschön gestaltet, das Cover ist ein Traum, die schmückenden Illustrationen im Buch ist sind genauso toll – allein dafür hätte es eigentlich 5 Sterne verdient. Aber es sollte ja auch um den Inhalt gehen. Die Story ist leider sehr schwach mit flachen Figuren und leider, leider ist das Buch wirklich nicht gut geschrieben. Da wundert es mich nicht, dass es im englischen Original (noch) keinen Verlag finden konnte. Die ganze Geschichte ist sehr stark in die Länge gezogen; die zentrale Mrs Eloise wirkte auf mich wie ein Spielball der anderen Personen und sehr passiv; eigentlich spielt sich fast alles im Privaten ab, obwohl Eloises Ehemann Politiker ist, wird nicht wirklich darauf eingegangen, gleichzeitig sind die Antagonisten direkt so böse, dass sie mit Hitler-Deutschland sympathisieren. Vor allem wenn es um Natur und Gärten geht, hatte ich mir einen gewissen atmosphärischen Schreibstil erhofft, aber sehr viele Passagen lasen sich wie die Aufsätze übereifriger Schüler:innen. Es wird ganz tief in die Adjektiv-Kiste gegriffen (teilweise steht vor jedem Nomen eines), Schachtelsätze gibt es en masse (ich fabriziere selbst seit Teeniezeiten zu viele Schachtelsätze in allem, was ich schreibe, aber ich habe ja auch kein Lektorat für meine Texte). Manche Formulierungen sind gewollt „historisch“, so hatte ich den Eindruck, oft geht das aber nach hinten los (an einer Stelle will ein Mann seine „scheue“ Angebetete nicht „verschrecken“ – nein, es handelt sich nicht um einen Hund sondern um die Sekretärin von Mrs Eloise). Die Dialoge waren für mich am Schlimmsten. Alle sprachen im gleichen Stil (außer die Eloises französische Mutter, die immer ein „ma chère“ irgendwo unterbringt), das machte es wirklich eintönig. Oft wird dann eine Art Wikipedia Eintrag heruntergeleiert, mit komplexen Einschüben und Nebensätzen – so spricht niemand. Nicht selten gibt es auf diese Monologe keine Reaktion, stattdessen einen Szenewechsel.
Es ist wirklich schade. Die Geschichte klang so vielversprechend, das Buch ist eine Augenweide, aber ich kann es leider überhaupt nicht empfehlen.

Bewertung vom 28.08.2023
Mattanza
Fabiano, Germana

Mattanza


sehr gut

Abschlachten

Ein schwer zu rezensierender Roman. Zunächst habe ich keinen Zugang gefunden, dann aber das Buch doch an einem Tag gelesen; letztlich fällt es mir schwer, dem Gelesenen eine Sternebewertung zu geben.
„Mattanza“ heißt grob übersetzt „abschlachten“. Ein düsterer Titel, doch er passt, denn der Roman ist durchaus eher düster, melancholisch und definitiv ohne Happy End. Weniger passend finde ich das Cover. Zunächst einmal mag ich persönlich einfach keine Stockfotos von Menschen auf Buchcovern, aber das Model passt nicht zu den Beschreibungen der Protagonistin Eleonora.
Mit Noras Geburt in den 1960er Jahren beginnt die Erzählung und man taucht ein in die Welt der Menschen, die auf der kleinen (fiktiven) Insel Katria im äußersten Süden Italiens leben und die noch nicht richtig in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angekommen zu sein scheint. Nora sollte eigentlich ein Junge sein, denn die Familie, der sie entspringt, stellt – so will es die Tradition – den Raì, der dem Thunfischfang, von dem die Insel lebt, vorsteht, wie eine mystische Gottheit. Ob Nora will oder nicht, sie soll nach ihrem Großvater der nächste Raì werden. Sie fügt sich und alles scheint auf der Insel wieder nach dem altbekannten Rhythmus zu verlaufen, doch der Wandel, in dem sich die Welt befindet, macht auch vor Katria nicht Halt. Große Fischereiunternehmen, die die Thunfische abfangen, bevor die Schwärme überhaupt in die Nähe der Insel kommen können bringen die Menschen in Existenznöte. Die Insel wird für den Tourismus geöffnet, mit großer Skepsis, doch auch mit Erfolg. Bis die Fischer, die nun immer weiter rausfahren, um sich dort wenigstens noch selbst zu versorgen, auf einmal Menschen aus dem Meer ziehen. Wie einst die Thunfischschwärme finden nun Schwärme von Menschen, die auf der Flucht sind, ihren Weg nach Katria.
Detailliert wird im Roman zunächst der traditionelle Thunfischfang, dessen Höhepunkt „Mattanza“ ist, beschrieben. Brutal, ein Blutbad, aber notwendig für die Menschen der Insel, um zu Überleben. Nora hadert schon als junge Mädchen damit, fügt sich aber ihrer Rolle. Als die flüchtenden Menschen ankommen, werden die Insulaner mit der Brutalität des Überlebens konfrontiert; als immer mehr Menschen auf der Insel ankommen, zieht auch die Brutalität gegenüber diesen Überlebenden mit ein, in Form von Militär, Polizei. Den Menschen wird erneut die Lebensgrundlage genommen, denn die Touristen bleiben aus. Ein Kreislauf der Globalisierung, wenn man so will. Brutal und rücksichtslos, vor allem gegenüber den Schwächsten – ob das nun Thunfische, Inselbewohner oder flüchtende Menschen sind.

Bewertung vom 15.08.2023
Die Bücherjägerin
Beer, Elisabeth

Die Bücherjägerin


sehr gut

"Die Bücherjägerin" ist ein ganz wunderbarer Roman, nicht nur für Bücherliebhaber:innen. Ich fand es ganz toll, in Sarah eine eher (sehr) introvertierte Protagonistin zu haben, die sich nicht im Lauf der Geschichte zum kompletten Gegenteil ändert. Sie wächst über sich hinaus (für ihre Verhältnisse), sie öffnet sich anderen Menschen, stellt sich ihrer Vergangenheit, wächst daran, ohne sich selbst zu verleugnen. Hinzu kommt eine kleine Auswahl an Nebenfiguren, die Sarah bei ihrer Reise auf unterschiedlichste Art begleiten, aber die Erzählung nicht dominieren. Und zwei süße Schildkröten. Und Ben, der ein richtig toller Love Interest ist - überhaupt ist die Liebesgeschichte zwar präsent, aber steht nicht im Vordergrund.
Der Autorin ist eine Art Da-Vinci-Code gelungen, nur besser. Ein zarter, sensibler Bildungsroman, der gleichzeitig die Geschichte einer spannenden Schatzsuche ist. Irgendwann habe ich angefangen nebenbei zu googlen, denn, wie ich feststellen durfte, gibt es die Karte, die Sarah und Ben suchen, tatsächlich!!
Nebenbei gelang es Elisabeth Beer wichtige gesellschaftliche Themen anzusprechen und (meistens) sehr harmonisch in die Geschichte einzuarbeiten.
Große Empfehlung. Ich hoffe außerdem, dass der Roman bald verfilmt wird (vielleicht als Mini-Serie?), denn schon beim Lesen dachte ich mir immer wieder, wie gut sich der Stoff dafür eignen würde.

Bewertung vom 14.08.2023
Marschlande
Kubsova, Jarka

Marschlande


ausgezeichnet

Jahreshighlight!

„(…) Diese Frauen waren tot, aber was ihnen widerfahren war, war noch immer in der Welt, in anderem Gewand, zerstoben, verändert, aber es war noch da, es widerfuhr wieder, es widerfuhr anderen. (...) War das der Grund, warum sie in dem Leben der anderen Frau herumwühlte? Weil man im Leben einer jeden anderen Frau auch immer etwas über sich selbst herausfand und gleichzeitig über alle anderen?“

Nach „Bergland“ ist Jarka Kubsova mit „Marschlande“ ein weiterer bemerkenswerter Roman gelungen. Sie verknüpft die Geschichten der beiden Protagonistinnen äußerst geschickt; abwechselnd spielen die Kapitel in der Gegenwart bei Britta und bei Abelke, die Ende des 16. Jahrhunderts im Hamburger Marschland lebte. Je mehr sich Britta mit Abelkes Geschichte beschäftigt, desto mehr lernt sie nicht nur über die Frau selbst sowie die Hexenverfolgung, der sie brutal zum Opfer fiel, sondern sie begegnet sich auf dieser Reise durch Abelkes Leben selbst.

Einerseits verbindet die Landschaft die beiden Frauen, auch wenn sie 500 Jahre voneinander getrennt am selben Ort leben und unterschiedlich auf das Land angewiesen sind. Andererseits verbindet sie auch das Frausein und Britta - und auch ich als Leserin - muss erkennen, wie erschreckend aktuell Themen, die in Abelkes Leben eine große Rolle spielten, nach wie vor sind. Kubsova führt dabei nicht nur die von Männern dominierte Gesellschaft vor und zeigt auf, dass es noch ein weiter Weg zur Gleichberechtigung ist - sie schafft das, ohne dabei auf feministische Fachbegriffe, etc. zurückzugreifen, denn die Geschichten von Abelke und Britta, ja selbst die Geschichte von Brittas Teenie-Tochter, sprechen für sich. Ungerechtigkeit, Ungleichheit und auch Gewalt an Frauen werden deutlich auf erzählerischer Ebene. Nicht nur der Roman, auch das Nachwort hallt nach. Darin geht die Autorin nochmals auf die reale Person Abelke Bleken ein und kontextualisiert die Hexenverfolgung und den Umgang in der Gegenwart mit dieser dunklen Epoche, die wohl kaum eine Region in Deutschland verschont hat.

Wenn ich nicht am nächsten Morgen raus gemusst hätte, hätte ich die ganze Nacht durchgelesen.