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Buchfee81
Wohnort: 
Tarp

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 06.04.2015
Der Untergang Barcelonas
Sánchez Piñol, Albert

Der Untergang Barcelonas


gut

Spanien im frühen 18. Jahrhundert...
Der junge Marti Zuviría ist ein Draufgänger und Taugenichts.
Als er durch einen glücklichen Umstand in die Lehre bei dem berühmtesten Ingenieur seiner Zeit Marquis Vauban gehen kann, ändert sich sein Leben grundsätzlich.
Er zeigt sich als talentierter und begieriger Schüler, kann jedoch seine Aufsässigkeit nicht zurückhalten und bringt sich immer wieder in Schwierigkeiten.
Durch den Tod Vaubans endet Zuvi's Ausbildung frühzeitig und lässt ihn fortan auf Seiten des französischen Königs Belagerungen durchführen.
Als der Krieg um die spanische Erbfolge entbrennt, schlägt sich Zuvi zu seiner Heimatstadt Barcelona durch, um dort die Stadt zu verteidigen und sich auf die Seite der Katalanen zu stellen.

Albert Sanchez Piñol hat einen wirklich großartigen und bildlichen Schreibstil, der mir durchs ganze Buch hindurch gut gefallen hat.
Leider wurde mein Lesefluss durch allzu viele theoretische Aspekte und trockene Ausführungen unterbrochen.
Die Geschichte wurde durch Skizzen der verschiedenen Bastionen und Belagerungen aufgelockert und die technischen Details waren durchaus interessant, aber leider im ersten Drittel einfach zu viel.

Die Geschichte wird, direkt an den Leser gerichtet, von Zuvi selbst erzählt.
Äußerst betagt und vom lebenslangen Krieg gezeichnet , ist er selbst nicht mehr in der Lage, seine Geschichte aufzuschreiben und so übernimmt dies seine Pflegerin Waltraud.
Diese Kombination bringt viele komische Wortgefechte mit sich, die äußerst unterhaltsam waren.

Die Geschichte um Zuvi, seine Familie und seine Weggefährten blieb mir zwischendurch zu blass und die Charaktere nicht ausgereift.
Es gab viele Personen, die nur kurz angerissen wurden, um dann später noch einmal aufzutauchen, was teilweise für Verwirrung sorgte.
Dennoch fand ich die Entwicklung Zuvi's vom Taugenichts zum sorgenden Familienoberhaupt, der für seine Überzeugungen und Mitmenschen einsteht, bewundernswert.

Im Anhang gibt es noch eine Aufstellung der zeitlichen Geschehnisse und ein Namenregister, welches ich des Öfteren zu Rate ziehen musste.

Fazit

"Der Untergang Barcelonas" ist ein gelungener historischer Roman um den spanischen Erbfolgekrieg, der für meinen Geschmack zu viele theoretische Ausführungen und langatmige Passagen enthielt.
Dennoch ist die Geschichte um Marti Zuviría und das Leben des frühen 18. Jahrhunderts lesenswert und auch spannend.
Für alle Fans von historischen Romanen, und die, die immer schon einmal ausführlich wissen wollten, wie man einen Laufgraben anlegt, genau das Richtige.

3,5 von 5 Sternen

Bewertung vom 23.02.2015
Atlantia
Condie, Ally

Atlantia


sehr gut

"Meine Schwester ist fort. Sie hat sich entschieden, nach Oben zu gehen. Sie würde so etwas niemals tun. Sie hat es getan. Das Letzte, was sie zu mir gesagt hat, war, dass die Stadt atmet. Ich höre jetzt meinen eigenen Atem, ein und aus, ein und aus. Ich lebe hier. Ich werde hier sterben. Ich werde niemals fortgehen." (S. 16)

Rio und Bay sind Schwestern, Zwillinge, zweeiige Zwillinge zwar, aber sie ähneln einander äußerlich sehr.
Die beiden Schwestern Leben in Atlantia , einer großen Stadt auf dem tiefen Meeresgrund.
Sie führen ein ruhiges und beständiges Leben, dienen dem Tempel als Schülerinnen und verehren ihre Mutter Ozeana, die Hohepriesterin von Atlantia ist.
Als Ozeana plötzlich unter mysteriösen Umständen stirbt, verändert sich ihr Leben grundlegend .

Rios Traum sich am Jahrestag der Trennung für das Oben zu entscheiden, gibt sie auf, um bei Bay zu bleiben.
Der Verrat trifft sie hart , als sie untätig mitansehen muss, wie Bay sich für das Oben entscheidet und sie sofort getrennt werden.

Was hat Bay zu dieser Entscheidung getrieben und wer hat ihre Mutter getötet?
Was führt der neue Hohepriester Nevio im Schilde und kann sie ihrer Tante Maire, die eine Sirene ist , trauen ?
Und bei all diesen Fragen trägt Rio noch eine schwere Bürde, ein Geheimnis mit sich, dass nicht ans Licht kommen darf.
Wird sie einen Weg finden nach Oben zu gelangen ?

Ally Condie hat einen außerordentlich ruhigen Schreibstil, den man anfänglich als inhaltslos oder träge empfinden könnte, allerdings entwickelt er sich im Laufe des Buches zu einer spannenden Erzählweise.
Rückblickend gesehen, finde ich die fehlende Emotinalität in den ersten Kapiteln nachvollziehbar, schließlich musste Rio ihr ganzes Leben ihre Emotionen unterdrücken und verstecken, da ist es eigentlich ein gelungener Schachzug von Ally Condie die Stimmung im Buch auch dementsprechend zu gestalten.
Sobald Rio sich öffnet, Gefühle zulässt und zu ihrem Selbst findet , verändert sich auch die Atmosphäre und die Erzählweise im Buch.

Die Welt von Atlantia ist eindrucksvoll und detailgetreu beschrieben, und ich fand es sehr faszinierend über die Lebensumstände und den Glauben der Bewohner zu lesen, dennoch hätte ich mir zu Beginn der Geschichte ein wenig mehr Informationen zur Entstehung der Stadt gewünscht.
Stellenweise etwas langgezogen, bekommt der Leser nur häppchenweise Antworten auf die vielen aufkommenden Fragen. So wirkt das Ende leider etwas konstruiert und zu schnell abgehakt.

Dennoch hat mir die Geschichte um Atlantia und ihre Bewohner gut gefallen und auch den fantastischen Einschlag durch die Sirenen fand ich gelungen.
Ich möchte nicht allzu viele Details verraten, da diese einfach ausschlaggebend für die Geschichte sind.

Fazit

Atlantia ist eine ruhige Dystopie mit Fantasy Komponenten, die nicht durch spannende Kämpfe oder Katastrophen überzeugt, sondern durch einen langsam aufgebauten Spannungsbogen und ein wirklich fantasievolles neues Weltkonstrukt.
Der ewige Kampf der Menschen sich für das Gute einzusetzen und ihre Vorurteile gegenüber dem Unbekannten zu vergessen, sowie Familie und Freundschaft sind zentrale Themen dieses Buches.

Von mir gibt es 4 von 5 Sternen

Bewertung vom 28.01.2015
Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
Lindner, Lilly

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin


ausgezeichnet

Zwei Schwestern, eine zerstörerische Krankheit und viele wundervolle Briefe.

Wie soll man den Schmerz und die Sehnsucht zweier Schwestern beschreiben, die sich nichts sehnlicher wünschen, als beisammen zu sein und die Welt mit Wörtern und Liebe zu bereichern ?

Phoebe ist verzweifelt, denn ihre große Schwester April ist krank. Sehr krank.
Sie leidet an Magersucht und verliert sich immer mehr in ihrer Einsamkeit.
Als die beiden durch einen unausweichlichen Klinikaufenthalt getrennt werden, beginnt für sie die wohl schwierigste Zeit ihres Lebens.

Phoebe kämpft darum weiterhin gehört und gesehen zu werden, doch ihre Eltern sind derart in ihren eigenen Kummer versunken, dass sie sich an ihren Briefen festhält, die sie April schreibt.
Sie ist überzeugt davon, dass ihre Worte Gewicht haben und etwas Schönes in sich tragen und April dazu bewegen können, zu kämpfen. Für ihr Leben, für ihre Zukunft und für all die unausgesprochenen und ungehörten wundervollen Worte in ihrem Kopf.

"Ich schenke dir meine liebsten Worte. Damit du wieder ganz viel sprechen kannst, so wie früher. Denn kein Schmerz der Welt ist größer als dein Verstand. Und keine noch so hungrige Stille hat das Recht, deine Stimme zu verschlucken." Seite 267

Kaum ein Buch konnte mich so tief berühren, schockieren und gleichzeitig zur Verzweiflung treiben wie "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin".

Absolut ehrlich und schonungslos entführt Lilly Lindner uns in eine Geschichte, die kaum vorstellbar und doch real ist und tagtäglich unentdeckt um uns herum genauso geschieht.
Lilly Lindner hat einen ganz außergewöhnlichen Schreibstil und besticht mit einer solchen Sprachgewalt und wunderschönen Aussagen, dass man gar nicht genug Zitate aus diesem Buch sammeln kann.

Die Geschichte wird ausschließlich in Briefen erzählt, und auch wenn diese Briefform kein Novum in der Literatur ist, schafft sie doch in diesem Buch eine ganz besondere Atmosphäre, mal bedrückend und verzweifelt und dann wieder voller Liebe und Bewunderung.

Phoebe und April verbindet eine ganz eigene Beziehung, die geprägt ist von tiefer Zuneigung und Verständnis, aber auch von Angst und Verzweiflung.
Die beiden Mädchen scheinen so stark und ihrem Alter voraus zu sein, das es fast schmerzhaft ist, ihr Leid und ihre Hoffnungslosigkeit mitzuerleben .
An vielen Stellen der Geschichte, war ich einfach nur wütend und verzweifelt, ich wollte April in die Arme schließen und ihr zuhören und versuchen all die schlimmen Dinge die ihr zugefügt wurden, durch Taten oder unbedachte Worte, fortzunehmen und durch wunderschöne Momente zu ersetzen.

Es ist unvorstellbar, wie es manchen Eltern gelingt ihr Kind, durch Desinteresse, Überforderung oder schlichtweg Bosheit auszugrenzen und langsam aber sicher zu zerstören.

"Ich war acht Jahre alt. Und ich hatte gerade erst angefangen zu hungern. Ich wusste noch nicht, was Magersucht ist. Aber eines wusste ich: dass der nagende Schmerz in meinem Bauch besser war als die Einsamkeit in meinem Kopf." Seite 295

Dennoch besticht dieses Buch auch durch wunderbare kindliche Weisheiten, Wortwitz und ganz besondere Charaktere, die mit so viel Zuneigung und uneingeschränktem Vertrauen miteinander umgehen, dass man zwischendurch auch lächeln kann und den Glauben an die Freundschaft, Familie und das Gute und Einzigartige in unserer Welt nicht verliert.

Fazit

"Was bleibt, wenn ich verschwunden bin" ist definitiv kein Buch für nebenbei.
Man sollte sich auf die Geschichte einlassen und bereit sein, mit ganzem Herzen gefangen zu werden und die Gefühle Achterbahn fahren zu lassen.

Ein Roman, der mich tief berührt, schockiert und fassungslos zurück gelassen hat.
Aber auch eine Geschichte über die Kraft der Worte, Freundschaft, bedingungslose Liebe und Vertrauen, die Hoffnung schenkt, dass es nur dieser Dinge bedarf, um die Welt zum Guten zu verändern.

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