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Helena

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Insgesamt 128 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2022
Für diesen Sommer
Klönne, Gisa

Für diesen Sommer


ausgezeichnet

„Vielleicht fliegen ja selbst die Leuchtkäfer noch, vielleicht sind die nie ganz fort gewesen, sondern schweben auch jetzt durch die Büsche, und sie hat nur verlernt, sie zu sehen. Oder sie fleigen noch, aber leuchten nicht mehr.“

Franziska kehrt im Alter von 50 Jahren in ihr Elternhaus zurück, das sie mit siebzehn verließ. Ihre Mutter ist vor einiger Zeit an Krebs gestorben, die ältere Schwester hat einen Nervenzusammenbruch erlitten. Zissy soll sich nun um den schwachen, pflegebedürftigen Vater kümmern und dafür sorgen, dass die Renovierungsarbeiten im Haus durchgeführt werden. Ihr Vater, der einst als Geodät arbeitete und Zissy, die für den Klimaschutz kämpfte, haben sich im Streit getrennt und nie darüber ausgesprochen. Nun ist endlich die Chance für eine Aussöhnung gekommen. Werden Vater und Tochter den Streit nach so vielen Jahren beilegen können und werden sie über das Familiengeheimnis sprechen, das ihrer aller Leben auch während der schönen und idyllischen Zeit beschattet hat?

Gisa Klönne ist mit ihrem Roman „Für diesen Sommer“ ein wunderschönes und bewegendes Stück Literatur gelungen. Abwechselnd tauchen wir in die Perspektive der Tochter und des Vaters ein und lernen dabei zwei komplexe Persönlichkeiten und bewegte Leben kennen. Wir begleiten die beiden Figuren in der Gegenwart und reisen mit ihnen gedanklich in die Vergangenheit zurück. Die Kindheit des Vaters während des zweiten Weltkrieges und sein späteres Leben als Ehemann und Vater sind ebenso überzeugend gezeichnet wie die behütete Kindheit Franziskas, ihre rebellische Jugend und ihr späterer Versuch, eine glückliche, im Einklang mit der Umwelt stehende Existenz aufzubauen. Sehr deutlich ist zu spüren, dass die Autorin viel mit ihrer weiblichen Protagonistin gemeinsam hat. Wie sie selbst in einem Interview erzählt, steht Franziska – „die Freie“ – ihr sehr nah. „Ihre Liebe zur Natur – und die Verzweiflung darüber, diese dennoch nicht vor Zerstörung bewahren zu können. Diese Sehnsucht, die Welt zu retten, die kenne ich selbst, auch das Gefühl des Scheiterns.“

Viele wichtige – schmerzhafte, aber auch lebensbejahende – Themen greift die Autorin in ihrem Roman auf und beschäftigt sich eingehend mit ihnen. „Und so handelt dieser Roman zwar von Abschied, Tod und verpassten Chancen, von Scheitern und Reue. Doch zugleich trägt er etwas Heiteres in sich, erzählt von Liebe, Versöhnung und Hoffnung.“ Die „Balance zwischen Tiefe und Leichtigkeit“ stimmt in diesem Roman. Gisa Klönne verwebt Zeit- und Familiengeschichte zu einem bewegenden Roman, der nachdenklich stimmt und lange nachhallt. Ich kann „Für diesen Sommer“ jedem Leser und jeder Leserin nur wärmstens empfehlen!

„Und so ist das Glück am Ende vielleicht nicht nur, nicht zu wissen, was kommt, ja nicht einmal daran zu denken.“

Bewertung vom 07.03.2022
Unser wirkliches Leben
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


ausgezeichnet

Die 24-jährige Anna ist Stipendiatin am Londoner Konservatorium für Operngesang. Ihr großer Lebenstraum ist es, einst eine angesehene Opernsängerin zu werden. Dafür ist sie auch bereit alle Herausforderungen und Hürden zu nehmen, auch wenn es manchmal äußerst demotivierend und entmütigend sein kann. Da sie von ihren Eltern keine finanzielle Unterstützung erwarten kann, muss sich Anna mit Jazzgesang in einer Bar Geld dazuverdienen, das kaum für die Miete eines kleinen Zimmers reicht, welches sie sich mit ihrer vier Jahre älteren Freundin Laurie teilt. Eines Abends lernt Anna in dem Lokal den vierzehn Jahre älteren Max kennen, der Banker ist. Seine unnahbare Art und die geheimnisvolle Aura, die ihn umgibt, ziehen Anna in ihren Bann und schon bald entwickelt sich eine obsessive Beziehung zwischen den beiden. Immer mehr entfernt sie sich von ihrem Karrieretraum, entfremdet sich von ihrem Umfeld und droht den Bezug zu sich selbst und ihren innersten Wünschen zu verlieren, während ihre Abhängigkeit von Max immer mehr zunimmt. Die Natur ihrer Beziehung bleibt für Anna dabei stets im Dunkeln, denn Max entzieht sich jeglicher Vertrautheit. Und so droht sie an ihrer inneren Zerissenheit zwischen Karriere und Liebe zu zerbrechen.

„Unser wirkliches Leben“, im Original „A Very Nice Girl“, ist kein Liebesroman im herkömmlichen Sinne. Es ist ein psychologischer Roman, ein Psychogramm, ja, auch ein Künstler- und Bildungsroman. Er ist durch einen analytischen und selbstreflexiven Schreibstil geprägt, der zugleich äußerst emotional ist und den Leser fast distanzlos am Erleben der Ich-Erzählerin teilnehmen lässt. Es ist ein modernes Literaturdebüt voller Virtuosität und Dynamik, das viele Fragen und Themen unserer Zeit aufgreift. In den Künstlerkreisen, in denen sich die Protagonistin bewegt, wird heftig über feministische Theorien diskutiert und was es bedeutet, heute eine Frau und Künstlerin zu sein. Dass die Autorin selbst Operngesang studiert hat, merkt man sofort – eine derartig tiefe Sachkenntnis tritt uns in den Textstellen entgegen, die sich mit dem Gesang im Allgemeinen und der Opernwelt im Speziellen auseinandersetzen. So interpretiert Imogen Crimp alte Opernstücke wie „Manon“ und „La Bohème“ neu für uns und übersetzt sie in die heutige Zeit. Sie lässt uns ganz nah an den Höhen und Tiefen eines Künstlerlebens teilhaben – die Ängste und Erniedrigungen, aber auch die Hochgefühle und die Anerkennung, die so nur in einer kreativen Tätigkeit, einem schöpferischem Beruf erfahren werden können „– und plötzlich fühlte ich mich glücklicher als jemals zuvor, denn ich wusste, dass dies die einzige Art war, wie ich leben wollte. Genau das, diese Art von Leben, bei der jeder Nerv in meinem Körper lebendig war. Die ständig anders und unvorhersehbar war. Und in dem Moment sagen zu können, das war ich.“ Und natürlich auch die Selbstüberschätzung, die Selbstüberhöhung, die mit einer solchen Tätigkeit einhergeht. Einer Tätigkeit, die von einem verlangt, dass man sein Inneres nach außen stülpt. Auf der anderen Seite haben wir das mit beiden Beinen fest im Boden Verankerte, „Realistische“, nichts Überhöhende und Beschönigende, das durch den nüchternen Max verkörpert wird, der als Banker die finanzielle Sicherheit darstellt. Der aber auch seine persönlichen Kämpfe durchlebt, mitunter Zweifel an seiner Tätigkeit hegt und persönliche Krisen duchlebt. Diese beiden Welten prallen aufeinander, die von der Autorin genauestens durchleuchtet werden. Zusammen mit ihr versucht die Leserin Max und seiner Undurchschaubarkeit auf den Grund zu gehen, unternimmt die Anstrengung, sich seiner Manipulation und Verführung zu entziehen. Die Leserin leidet zusammen mit Anna und kann ihre Gefühle und Beweggründe doch bis aufs Tiefste nachvollziehen. Imogen Crimp hat mit „Unser wirkliches Leben“ ein ebenso intensives wie aufwühlendes Leseerlebnis erschaffen. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen. Ich hoffe, es wird noch viele weitere Bücher von ihr geben!

Bewertung vom 23.02.2022
Das verschlossene Zimmer
Givney, Rachel

Das verschlossene Zimmer


weniger gut

Wir schreiben das Jahr 1939. Marie wohnt, seit sie denken kann, alleine mit ihrem Vater – einem angesehenen Arzt – in Krakau. An ihre Mutter erinnert sie sich kaum noch. Angeblich ging sie fort, als Marie zwei Jahre alt war. Allen Fragen geht der Vater stets aus dem Weg, nicht einmal den Namen ihrer Mutter kennt Marie. Doch nun mit siebzehn Jahren will sie sich nicht mehr unterordnen. Marie möchte um jeden Preis ihre Mutter wiederfinden. Sie ahnt nicht, welches große Geheimnis ihres Vaters, es ihr gelingen wird aufzudecken.

Als ich das geheimnisvolle Cover von „Das verschlossene Zimmer“ gesehen und nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, habe ich eine geheimnis- und spannungsvolle Geschichte von der Art her wie Daphne du Mauriers „Rebecca“ erwartet – eine meisterhaft geschriebene Geschichte, die man bis zum Ende mit angehaltenem Atem verfolgt. Leider wurde ich bitterlich enttäuscht. Bereits nach ein paar Seiten war mir klar, dass ich ein dilettantisches Werk vor mir hatte – und dabei sollte ich mich noch durch über 500 Seiten quälen. Ich hatte das Gefühl ein Buch für Kinder zu lesen, denen das nötige Gefühl für Logik und Plausibilität noch fehlt und die den Roman in Folge dessen vielleicht noch mit Interesse verfolgt hätten. „Das verschlossene Zimmer“ ist voller Plattitüden, pseudo-symbolischer Momente, unlogischer oder unglaubwürdiger Situationen. Die Figuren sind überzeichnet und karikaturhaft. Sie reagieren seltsam und führen unzusammenhängende Gespräche. Ihre Aussagen und Stimmungen stehen oftmals im Widerspruch. Auch die beschreibenden Sätze sind oftmals zusammenhanglos miteinander verwoben und ergeben im Rahmen der Geschichte keinen Sinn. Die Autorin bemüht sich zudem gerade zwanghaft darum, den polnischen Geist in ihrem Roman einzufangen. Leider gelingt ihr auch das mehr schlecht als recht. Das Tüpfelchen auf dem i ist hier die Einführung der Figur Karol Wojtyłas. Dabei hat der zukünftige Papst Johannes Paul II. in dieser Geschichte nun wirklich nichts verloren! Auch das Ende ist extrem unglaubwürdig und unbefriedigend. Mein Fazit? „Das verschlossene Zimmer“ ist ein pathetischer und rührseliger Roman. Lasst besser die Finger davon. Es ist schade um eure Zeit.

Einen Punkt vergebe ich dennoch für das schöne Cover und einen weiteren für die redlichen Bemühungen der Autorin.

Bewertung vom 09.02.2022
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


ausgezeichnet

Wir befinden uns in Berlin 2019, nur wenige Wochen vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalls. Michael Hartung, ein ehemaliger Schranken- und Weichenwärter bei der Deutschen Reichsbahn, betreibt eine Videothek. In Zeiten von unzähligen Streamingdiensten eine denkbar schlechte Idee, doch Hartung und der techniologische Fortschritt stehen seit jeher auf Kriegsfuß: Jede Tätigkeit, der er im Laufe seines Lebens nachgeht, wird über kurz oder lang von der Technik überholt. Die Mietschulden werden immer größer, denn bis auf einige Leute aus der Nachbarschaft und einige Typen aus dem Viertel, die es schick finden, weiterhin die alte Kulturtechnik der DVD zu nutzen, kommt niemand in seinen Laden. Doch sein Leben soll eine jähe Wende erfahren, als eines Tages ein Journalist des Nachrichtenmagazins »Fakt« auftaucht, der bei seinen Recherchen auf Hartungs Stasiakte gestoßen ist und eine große Story hinter der legendären Flucht am Bahnhof Friedrichstraße am 12. Juli 1983 wittert. Obwohl Hartung damals nur durch ein Missgeschick 127 DDR-Bürgern zur Flucht in den Westen verhalf, ist er für gutes Geld bereit, die Wahrheit um der Geschichte willen etwas auszuschmücken. Nicht ahnen kann er, welche Wellen der publizierte Artikel schlägt und welch schwerwiegende Konsequenzen seine unbedachte Entscheidung nach sich ziehen wird.

Maxim Leo ist mit „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ein äußerst charmanter, geistreicher und unterhaltsamer Roman gelungen. Michael Hartung, ein einfacher Mann und Held wider Willen ist eine charismatische Figur, mit der sich jeder Leser identifizieren kann – auch wenn er zuweilen etwas zu eloquent in Anbetracht seiner Vita und seiner zu Anfang skizzierten Persönlichkeit daherkommt. Aber auch die anderen Figuren, in deren Innensicht wir eintauchen dürfen, sind durch und durch menschlich und authentisch. Da haben wir den Reporter Alexander Landmann, der Anfang der 70er Jahre als Kind mit seinen Eltern und Geschwistern von Kasachstan nach Deutschland kam, und der immer härter als seine Landsleute für Anerkennung kämpfen musste. Als er über Nacht mit seiner Geschichte über Michael Hartung berühmt wird, setzt er alles daran, um vom Sockel der Ehre nicht wieder runtergestoßen zu werden. Des weiteren lernen wir Harald Wischnewsky kennen, ebenfalls ehemaliger DDR-Bürger, dabei aber auch verdienter Bürgerrechtler und ehemaliger Revolutionär, der für das Verteilen von Flugblättern eine dreijährige Gefängnisstrafe absitzen musste. Er soll die Gedenkrede zum 30. Jahrestag des Mauerfalls halten, doch als mit Hartung plötzlich ein neuer Held – ein neues Gesicht mit einer originellen, unverbrauchten Geschichte! – auf der Bildfläche erscheint und an seiner Statt für diese Aufgabe ausgewählt wird, beschließt Wischnewsky diese Demütigung nicht auf sich sitzen zu lassen und Genaueres über diesen äußerst ominösen Hartung herauszufinden. Behilflich soll Wischnewsky dabei der gebürtige Thüringer Holger Röslein sein, Leiter des »Dokumentationszentrum Unrechtstaat DDR«, dessen Eltern mit ihm in den Westen geflohen sind als er drei Jahre alt war. Röslein gilt als der große Stasi-Jäger und trifft beim Fall Hartung schnell auf eine vielversprechende Fährte.

Unterdessen gibt Michael Hartung Interviews und rührt als Hauptgast in einer live übertragenen Talkshow ein Millionenpublikum mit seiner (erfundenen) Geschichte zu Tränen. Nach den Beweggründen für sein waghalsiges Handeln am 12. Juli 1983 befragt, erzählt Hartung von seiner ersten großen Liebe, einer Balletttänzerin, die von einer großen Karriere am Broadway träumte, und der er zur Flucht in den Westen verhalf, damit sie ihren Traum verwirklichen konnte. Hartung ahnt nicht, dass sich eine Frau die Sendung ansieht, die damals im Alter von vierzehn Jahren mit ihren Eltern in dem Zug nach Westen saß. Paula ist Prozessanwältin und leidet unter einem Fluchttrauma, das sie mit Hilfe von Hartung zu bewältigen hofft. Als die beiden sich näher kommen und eine Liebesbeziehung miteinander eingehen, m

Bewertung vom 30.01.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


ausgezeichnet

„Das ist nicht die Geschichte meiner Familie. Die Geschichte meiner Familie gibt es nicht. Da ist nur die Geschichte einer Verwirrung.“

Eine Schriftstellerin wird nach einer Lesung von einer Fremden angesprochen, die behauptet, sie hätten denselben Vater. Die Begegnung bleibt flüchtig, löst bei der Erzählerin aber eine Welle von Emotionen aus. Zunächst scheint der Vorfall keinen größeren Eindruck auf sie auszuüben: Sie geht ihren alltäglichen Tätigkeiten nach und fliegt kurz darauf zu einer Reihe von Gastvorträgen nach Ohio. Erst dort fängt das Erlebte an, in ihr zu arbeiten, sie setzt sich mit ihren familiären Beziehungen – und der Struktur der Familie im Allgemeinen – auseinander, beleuchtet die einzelnen Verknüpfungen und analysiert diese: Ihre Beziehung zu ihrer Schwester, zu der Mutter, dem Vater, dem Ehemann und den Kindern, aber auch der Eltern zueinander, der Halbschwester zu dem Vater und der Mutter. „Jahrelang habe ich über das Vorkommnis nachgedacht. Hin und wieder unternahm ich den Versuch, darüber zu schreiben. Ich ermahnte mich, dass ich nicht noch mehr Zeit verlieren dürfe, wenn ich darüber schreiben wollte. Dass mir die Erinnerungen daran sonst abhandenkämen. […] Erst jetzt kann ich mich zurückfallen lassen in jene Zeit, den Winter in Ohio, der der Anfang einer langen Phase war, in der ich unfähig wurde, etwas zu empfinden, zu denken und auf unbeschwerte Art zu leben, ja mir sogar die Sprache wegblieb, sodass ich mein Leiden einem Neurologen gegenüber nur mit den Worten beschreiben konnte, ich säße in einem „schwarzen Loch“, dem gewöhnlichsten aller Bilder, wenn man versucht zu erklären, dass man in einen ausweglosen Zustand geraten ist.“

Was die Erzählerin in den vorgehenden Sätzen beschreibt, ist eine Sinn- und Sprachkrise, in die sie nach der Begegnung mit ihrer Halbschwester fiel. Während des Lesens musste ich immer wieder an den fiktiven Chandos-Brief aus der Feder des österreichischen Schriftstellers Hugo von Hofmannsthal denken – gleichsam wie der fiktive Lord Chandos in seinem Brief an Francis Bacon von einem Sprachverlust klagt – „Es ist mir völlig die Fähigkeit abhanden gekommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen“ – schreibt hier eine Schriftstellerin über ihren Verlust der Sprache. Die Entwicklung der beiden Figuren ist dabei in drei Phasen einzuteilen: Die erste, vorkritische Phase, die als Schaffensphase bezeichnet werden kann; die zweite, krisenhaften Phase, die einen Bruch, eine Pause im Schreiben darstellt; und die dritte, quasi nachkritische Phase, in der das Erlebte und die eigene Reflexion wieder in Worte gefasst werden kann. Um die zweite Phase, die sinnsuchende Phase kreisen die Gedanken der Erzählerin in „Das Vorkommnis“.

So sucht sie in der Literatur nach Antworten – „Was meine jetzige Suche betraf, so schien das Thema Halbgeschwister vornehmlich in den Bereich der Groschenromane zu fallen. Deutete das Schweigen der Literatur an, dass ich es übertrieb? Suchte ich nach etwas so Gewöhnlichem, dass es gar nicht der Rede wert war?“ – in ihrer eigenen Vergangenheit, sowie in der Reflexion über ihre eigene Familie und die familiären Strukturen im Allgemeinen. „Damals schien mir das, was ich tat oder dachte, nicht Ausdruck einer Verwirrung zu sein. Im Gegenteil. In meinen Ausbrüchen und Grübeleien und geheimen Plänen sah ich eine größtmögliche Logik.“ Sie empfindet eine Art Unbehagen, je mehr sie über die Vorstellungen von Verwandtschaft und Herkunft nachdenkt. Auch muss sie feststellen, dass sie ihre eigene Geschichte revidieren muss, was sich als ein schmerzhafter Prozess herausstellt. Dabei geht es nicht nur um ihr eigenes Leben, sondern auch die deutsch-deutsche Geschichte – bezeichnenderweise ist die deutsch-deutsche Trennung auch das Thema ihrer Gastvorträge in Ohio – und die damit verbundenenen Generationenkonflikte.

Obwohl ich mir viele Sätze aus diesem äußert dichten Roman herausgeschrieben habe, hat mir der folgende Satz wohl am besten gefallen: „

Bewertung vom 17.12.2021
Stell dir vor ...
Hopkins, Rob

Stell dir vor ...


sehr gut

„Der israelische Historiker Yuval Noah Harari vertritt die These, dass der Mensch deshalb zum mächtigsten Geschöpf auf Erden geworden ist, weil er über Vorstellungsvermögen und die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, verfügt und weil er sich fragen kann: „Was, wenn?“ Und genau das hat Rob Hopkins, der Autor des Sachbuches „Stell dir vor…“ und Mitbegründer der Transition-Towns-Bewegung getan. Er hat sich gefragt, was es braucht, um die negativen Zukunftsvorhersagen abzukehren und an ihrer Statt ein lebenswertes Gesellschaftskonzept zu begründen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch vieler Schritte. Und diese legt uns Rob Hopkins in seinem Buch vor. In acht Kapiteln zeigt und erläutert er dem Leser die elementaren Komponenten für das Gelingen einer positiven Bewegung hin zu einer besseren Welt.

So zeigt er uns, dass das freie Spielen in der Kindheit die Basis dafür bietet, dass man als Erwachsener über Fantasie und Vorstellungsvermögen verfügt. Die Fantasie ist wiederum, wie Rob Hopkins uns verdeutlicht, unser wichtigster Verbündete gegen die Angst und somit von elementarer Wichtigkeit für unsere mentale und physische Gesundheit. Weiterhin ist die Natur der Grundstein und Nährboden für unsere Vorstellungskraft – je mehr wir in der Natur verweilen, desto glücklicher und schöpferischer sind wir. Verbringen wir jedoch wenig Zeit in der Natur, verkümmert unser Geist. Denn was tut der heutige Mensch oftmals stattdessen? Genau, er sitzt vor dem Handy, Laptop oder Computer. Die Social Media rauben unsere Aufmerksamkeit und damit eines unserer wichtigsten Güter – unsere Lebenszeit. Rob Hopkins ruft dazu auf, dass wir unsere Aufmerksamkeit zurückgewinnen. Auch das Schulsystem gehört reformiert, so der Autor von „Stell dir vor…“, denn nur wenn die Vorstellungskraft junger Menschen gefördert wird, können Menschen heranwachsen, die Problemlösungsansätze entwickeln können. Deswegen braucht unsere Gesellschaft auch so genannte Geschichtenerzähler, die uns mit ihrer Kunst beflügeln. Nicht zuletzt braucht es auch fantasievolle Politiker, bei deren Entscheidungsfindung die Einbildungskraft eine ausschlaggebende Rolle spielt. Das sind die Grundpfeiler für eine glückliche Gesellschaft und eine bessere Welt. Ich habe die wichtigsten Thesen des Autors hier grob zusammengefasst, doch wer sich eingehender mit dem Thema beschäftigen möchte, der sollte unbedingt zu „Stell dir vor…“ greifen. Es ist ein Buch, das gute Denkanstöße liefert und von positiven Entwicklungen von überall auf der Welt berichtet. Es hat zuweilen seine Längen und Repetitionen, nichtsdestotrotz ist es ein lesenswertes Sachbuch. Und wer weiß, vielleicht verliebst du dich auch in diese beiden kleinen Wörter: „Was, wenn…?“

Bewertung vom 30.11.2021
Was uns schmeckt
Gladwin, Laura

Was uns schmeckt


sehr gut

Mit „Was uns schmeckt. Ein Atlas der Köstlichkeiten“ liegt uns ein informatives Buch aus der Feder Laura Gladwins vor, das uns in die kategorisierte Welt der Essbarkeiten entführt. Illustriert wurde es von Zoë Barker und übersetzt von Ursula Heinzelmann. Unterteilt ist es in die Oberkategorien „Obst“, „Gemüse“, „Fleisch, Fisch & anderes Protein“, „Mehl, Nudeln, Reis & andere Stärke“ und „Der Vorratsschrank“. „Obst“ ist beispielsweise weiter in „Zitrusfrüchte“, „Äpfel & Birnen“, „Beeren“, „Trauben, Feigen & Melonen“, „Steinobst“ und „Tropische Früchte“ unterteilt. Jeder Kategorie wird eine große Doppelseite gewidmet mit einer Einführung und einer Auflistung der entsprechenden Objekte – also einer Zeichnung und einem kurzen Text dazu. Diese Vorgehensweise ist perfekt, um einen guten Überblick und eine Vorstellung zu erhalten, die sich im Gedächtnis festsetzt. „Was uns schmeckt“ ist quasi ein kleines Lexikon zum Essen.

Die Illustrationen sind wirklich sehr schön, die Informationstexte enthalten das Wesentliche, ohne überladen zu sein und die Gliederung ist einleuchtend. Was mir besonders gut gefallen hat, sind die zehn Rezepte bzw Ideen für jede der im Buch vorgestellten Kategorien, die neben den bereits genannten Obstkategorien folgende sind: „Erbsen & Bohnen“, „Zwiebel & Lauch“, „Kürbisse“, „Wurzelgemüse & Knollen“, „Blattgemüse & Algen“, „Triebe, Stiele & Sprossen“, „Tomaten, Paprika & Auberginen“, „Blattsalate & Gemüse“, „Pilze & Trüffel“, „Eier & Eierspeisen“, „Vegetarische Nahrungsmittel“, „Milch, Joghurt, Sahne & Butter“, „Käse“, „Fisch & Meeresfrüchte“, „Geflügel“, „Rotes Fleisch“, „Schweinefleisch, Schinken, Speck & Würstchen“, „Frühstücksflocken & Gebäck“, „Mehl & Maisgrieß“, „Nudeln“, „Reis, Körner & Couscous“, „Getrocknete Bohnen, Erbsen & Linsen“, „Brot“, „Pfannkuchen, Waffeln & Crumpets“, „Kuchen“, „Nachspeisen“, „Kekse“, „Saures & Würziges“, „Öl, Essig, Würzsaucen & Pasten“, „Würzmittel, Gewürze & Kräuter“, „Nüsse, Samen & getrocknete Früchte“, „Backzutaten“.

Empfehlen würde ich das Buch Kindern ab ca. zwölf Jahren, die bereits selbst ein wenig in der Küche experimentieren können, denn es ist nicht nur schön, die Bilder und Texte zu studieren; das Buch macht auch große Lust, selbst in der Küche tätig zu werden. Auch für Erwachsene, die neue Inspiration brauchen, ist es ideal. Ich habe jedenfalls in fast jeder Kategorie Nahrungsmittel entdeckt, die ich noch nicht kannte. Es gab nur ein paar kleinere sprachliche Ungenauigkeiten, weshalb ich nicht die volle Punktzahl vergebe.

Bewertung vom 25.11.2021
Die Pizza-Bibel
Gemignani, Tony

Die Pizza-Bibel


ausgezeichnet

Achtung vor dem Handwerk. So lautet Tony Gemignanis Leitspruch. Er ist ihm heilig. So sehr, dass er ihn sich in die Hände hat tätowieren lassen. Und das möchte er auch uns, den Lesern seines Buches „Die Pizza-Bibel“ unbedingt an die Hand geben. Sein Anliegen ist es, uns so gut in das Handwerk des Pizzamachens einzuweisen, dass wir ebenfalls – wie er – in der Lage sind, eine perfekte Pizza zuzubereiten. Wie das geht, stellt uns Tony Gemignani in einem 35-seitigen Meisterkurs dar. Er beginnt beim Handwerkszeug, geht über zur Warenkunde und endet bei der Teigherstellung und Zubereitung. Am Ende des Kurses weiß man tatsächlich alles, was es über Pizzateig zu wissen gibt.

Nun möchte man aber nicht jeden Tag eine einfache Margherita backen. Um die unterschiedlichsten Pizzatypen und -varianten kennenzulernen, lohnt es sich demnach weiterzublättern. Wir landen zunächst im Pizzaland Amerika. Dort lernen wir die allseits beliebte Pizza mit weder zu dünnem noch zu dickem Boden kennen. Wir belegen sie im beliebten New-Yorker-Style, das heißt zuerst kommt der Käse und dann die Tomatensauce. Auch die Detroit Red Top, Pizza New Jersey und Pizza St. Louis sind mit von der Partie.

Der Pizza im Chicago-Style wird ein seperates Kapitel gewidmet. Wen wundert das, ist dort doch die berühmte Deep-Dish Pizza entstanden. Auch hier verführen viele – sehr reichhaltige – Rezepte zum Nachbacken ein. Auch ein paar Cocktail-Rezepte befinden sich passenderweise in diesem Kapitel.

Nachdem wir diesen Teil passiert haben, landen wir bei der Siciliana. Diese Pizza entstand in den Teilen Amerikas, wo sich besonders viele Auswanderer aus Sizilien niedergelassen haben. Sie hat einen dicken, aber leichten und luftigen Boden. Auch hier finden sich die unterschiedlichsten Kreationen für jeden Geschmack, so zum Beispiel auch die Burratina di Margerita, mit der Tony auf einer internationalen Pizza-Meisterschaft in Lecce den ersten Platz gewann.

Auf die Siciliana folgt die Pizza im California Style. Da Tony Gemignani in Kalifornien geboren wurde, finden wir hier viele verschiedene Rezepte, die ihm ganz besonders nah sind und aus regionalen Zutaten bestehen wie zum Beispiel die Pizza mit Feigen, Mandeln und Monterey Jack.

Wer sich auf ernsthafte Weise mit der Pizza beschäftigt, kommt an der echten neapolitanischen Pizza, die in einem Holzofen gebacken wird, nicht vorbei. „Sie ist der Goldstandard“, schreibt Tony Gemignani. „Ähnlich wie der Champagner für die moussierenden Weine. Und wie der Champagner ist sie geradezu ein Nationalheiligtum.“ Die beiden berühmtesten Variationen sind die Pizza Marinara und die Margherita. „Da Michele, eine der ältesten und bekanntesten Pizzerien Neapels, serviert seit 1870 ausschließlich diese beiden Sorten und bezeichnet alle anderen Beläge als papocchie („verlogene Tricks“).“ Tony Gemignani nahm 2007 am Pizza World Cup in Neapel teil und gewann als erster Amerikaner den ersten Preis in der Kategorie ,Napoletana’. Wie er diese zubereitet, möchte Tony uns natürlich nicht vorenthalten – im Gegenteil, er weist uns auch noch in die Herstellung von Mozzarella an.

Nachdem wir uns an dem Nonplusultra gemessen haben, dürfen wir mit dem Autor des Buches weitere Regionen Italiens bereisen und die jeweiligen Spezialitäten kennenlernen. Nachdem wir auch diese passiert haben, ziehen wir einen größeren Radius und lassen noch einige namhafte europäische Städte wie Barcelona, Athen und Paris unsere Pizza inspirieren.

In den letzten drei Kapiteln zeigt uns Tony Gemignani wie man eine Pizza auf dem Grill backen kann; wie man gefüllte, gerollte und gewickelte Kreationen herstellt; und last but not least wie man eine Focaccina, Ciabatta und eine Blitz-Pizza herstellt.

Der Autor hat mich mit seiner sympathischen Art direkt eingenommen. Allerhöchster Respekt gebührt diesem Mann und seinem Handwerk! Ich habe sehr gerne von ihm gelernt und empfehle „Die Pizza-Bibel“ sehr gerne weiter – sowohl Anfängern im Handwerk „Pizzabacken“ als auch e

Bewertung vom 01.10.2021
Ein Buch, vier Jahreszeiten
Funk, Kristin

Ein Buch, vier Jahreszeiten


ausgezeichnet

Was für ein wunderschönes Buch: Großformatig, mit leicht rauer Oberfläche, eingestanzter goldener Schrift und einem goldenen Bändchen versehen – eine Art Coffe Table Book, also ein aufwendig gestaltetes Buch, das als Blickfang und dekoratives Wohnaccessoire dienen kann! Es ist mit vielen schönen Bildern und Fotografien gefüllt, die einen geradezu magischen Zauber versprühen.

Doch nicht nur das Äußere bezaubert, auch die inneren Werte von „Ein Buch, vier Jahreszeiten“ sind nicht zu verachten. So findet man neben vielen schönen Zitaten, Gedichten und einigen Auszügen aus bekannter Literatur sehr viel Inspiration von Seiten der Autorin Kristin Fink. Diese Inspiration ist äußerst vielfältig. So gibt es für jede Jahreszeit eine To-do-Liste mit schönen Dingen, die man unternehmen kann. Kristin Fink zeigt uns, wie wir unsere Zeit auf schöne, hyggelige Weise mit Familie und Freunden verbringen können. Sie gibt uns eine Fülle von DIY-Ideen an die Hand – angefangen bei selbstgemachtem Waschmittel und Badreiniger über Vogelfutterplätzchen bis hin zu eigenhändig angefertigtem Badesalz. Dabei liegt der Fokus auch immer auf Nachhaltigkeit, indem man bewusst auf Plastik verzichtet oder bereits vorhandene Behältnisse wiederverwendet. Wer einen Garten hat, erfährt, was er in der jeweiligen Jahreszeit in seinem Garten erledigen kann und was alles geerntet und verarbeitet werden kann. Selbstverständlich gibt es auch viele ansprechende Rezepte – alle durchgehend vegetarisch, was mich besonders freut! So kann man im Frühling Gute-Laune-Zitronentörtchen oder ein Bärlauchpesto machen; im Sommer erfreut unseren Gaumen eine fruchtige Smoothie Bowl am Morgen oder auch ein knuspriges Stockbrot am Lagerfeuer; im Herbst können wir eine Birnen-Zimt-Marmelade, einen warmen Apple Crumble oder schwedische Zimtschnecken zubereiten; und im Winter erfreuen wir uns an einer heißen Winterschokolade oder einem warmen Schokokuchen.

Mit dem Buch lernen wir die vier Jahrezeiten, die unseren Lebensrhytmus mitbeeinflussen, besser kennen. Wir lernen, die kleinen Wunder der Natur um uns herum, wieder bewusster wahrzunehmen und zu schätzen. „Ein Buch, vier Jahreszeiten“ ist ein Plädoyer für eine entschleunigte Lebensweise im Einklang mit der Natur!

Bewertung vom 24.09.2021
DAFUQ
Jarmysch, Kira

DAFUQ


ausgezeichnet

Unglaubliche Vorfälle in der Frauenzelle No. 3. So heißt Kira Jarmyschs Debütroman im Original. Es trägt nicht den provokanten Titel „DAFUQ“ der deutschen Ausgabe, und trifft meiner Meinung nach den Roman viel besser. Obwohl auch der deutsche Titel passt, mit dem die Autorin einverstanden war, denn er fängt den direkten, unverfälschten und ungeschönten Charakter des Romans sehr gut ein. Doch worum geht es in dem Roman überhaupt?

„DAFUQ“ handelt von der 28-jährigen Anja Romanowa, Absolventin des MGIMO (Moskauer Institut für Internationale Beziehungen), die zu zehn Tagen Arrest verurteilt wird, weil sie an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen hat. Ihre Gefängnisstrafe sitzt Anja in einer Gefängniszelle mit fünf Mitinsassinnen ab: Der selbstbewussten Katja, die mit einer Frau zusammenlebt und die Männer verachtet; der alkohol- und drogenabhängigen Irka, die keine feste Anstellung hat und die Alimente für ihre Tochter nicht zahlen kann; der 25-jährigen Halbkubanerin Diana, die bereits zum dritten Mal verheiratet ist; der abgemagerten Natascha, die das Straflager kennt und niemals lächelt; und der äußerlich auffallenden Maja, die sich ihre Schönheitsoperationen und das von ihr geführte Luxusleben von reichen Männern finanzieren lässt.

Sechs verschiedene Frauen mit sechs verschiedenen Lebensmodellen prallen aufeinander. Es wird hitzig diskutiert. Meistens über die Frau als soziales Konstrukt, über ihre Rolle in der Gesellschaft und natürlich über Männer. Mal stehen sie sich gegenüber als verbitterte Konkurrentinnen, dann halten sie wieder als solidarische Gemeinschaft zusammen – vor allem, wenn es darum geht die monotone Haftstrafe zu verkürzen, die nur durch Hofgang, Mahlzeiten, 15-minütige Handyzeit, Duschen und einen eventuellen Besuch – gemäß Vorschrift, häufig aber von der Willkür der Aufseher abhängig – an Abwechslung gewinnt. Anja beteiligt sich nur selten an den geführten Diskussionen, oftmals kehrt sie in Gedanken in die Vergangenheit zurück: In ihre Kindheit und das schwierige Verhältnis zum Vater, der seine Familie verlässt und eine neue gründet; ihre Jugend, die von Rebellion, Widerspruch und Gefühlschaos geprägt ist; die Studienzeit und das ausschweifende WG-Leben, die komplizierte Dreiecksbeziehung mit der Kommilitonin Sonja und dem Kommilitonen Sascha sowie ihr Praktikum beim Außenministerium.

So monoton und prosaisch der Alltag im Moskauer Gefängnis aber auch ist, etwas scheint nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Da sind diese seltsamen Albträume und Halluzinationen, in denen die Mitgefangenen vorkommen, die Anja immer wieder heimsuchen. Langsam nimmt ein Verdacht von Anja Besitz, der eine gleichsam mystische wie plausible Erklärung für diese Wahnvorstellungen darstellen könnte. Doch es gibt nur einen Weg herauszufinden, ob die Vermutung begründet ist…

Kira Jarmysch ist dem breiten Publikum als Alexej Nawalnys Pressesprecherin bekannt. Nun legt uns die 31-Jährige ihren ersten Roman vor. Einige biografische Eckdaten verbinden Kira Jarmysch mit ihrer Protagonistin Anja Romanowa: Auch sie hat an der MGIMO studiert und musste wegen Aufrufs zu Demonstrationen in Haft. Zurzeit befindet sie sich im Ausland und arbeitet an ihrem zweiten Roman. Für viele gilt Jarmysch als Stimme eines neuen jungen Russland. Und das zurecht, denn ihr Roman bietet einen geradezu unausschöpflichen Quell an aktuellen Themen und Diskursen. „DAFUQ“ ist Gesellschaftsanalyse und Bildungsroman in einem sowie ein vielstimmiges Generationenporträt gespickt mit subversivem Witz. „DAFUQ“ ist ein Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann. Ein Stück Literatur, das schockiert, aber gleichzeitig auch bezaubert. Ein eindringliches Werk, das das vielstimmige Gesellschaftskonglomerat einfängt und das lange nachhallt.