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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Nici
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 40 Bewertungen
Bewertung vom 09.10.2022
Die Welt kippt
Tschischwitz, Heiko von

Die Welt kippt


sehr gut

Die Welt in einigen Jahren
Heiko von Tschischwitz schreibt in seinem Umweltthriller über eine Welt und ein Deutschland im Jahr in wenigen Jahren. Dabei scheint unser Klima eskaliert zu sein, da wir uns einfach nicht darum gekümmert haben. Von Tschischwitz legt dabei sehr gekonnt und manchmal mehr oder weniger provokativ den Finger in diese selbstverschuldete Wunde und mahnt unterschwellig zum Handeln. Diese Agenda verknüpft er erfolgreich mit einem spannenden Thriller, der zwar recht typisch abläuft, aber dennoch viel Freude bereitet. Ihm gelingt es gut die verschiedensten Protagonist*innen zusammenzubringen und den Spannungsbogen aufrecht zu halten, auch wenn mir einige Protagonist*innen ein wenig austauschbar vorkamen und sie mir nicht sonderlich zu Herzen gingen. Alles in allem war es doch ein sehr spannender Roman, der mich eher auf der sachlich, mahnenden Ebene erreicht hat.

Bewertung vom 27.09.2022
Todesspiel. Die Nordseite des Herzens
Redondo, Dolores

Todesspiel. Die Nordseite des Herzens


sehr gut

Der Komponist
Dolores Redondo schreibt in diesem mitreißenden Thriller über die junge Kommissarin Amaia Salazar, die frisch zum FBI stößt und damit Spanien hinter sich lässt. Sie findet immer nach Naturkatastrophen das gleiche Bild vor sich: eine Familie wurde in ihrem Haus ausgelöscht und alles sieht nach einem tödlichen Unfall aus. Dabei beschreibt Redondo nun nicht nur die spannende Jagd nach dem Komponisten, sondern auch wie Salazar mit sich ringt, nicht mehr in Spanien zu sein und wie sie sich nur schwer in dieses neue Team hineinfindet. Redondo gelingt es gut, auch die langwierigeren Diskussionen und trockene Fakten spannend einzubinden und auch wenn der Roman recht lang ist, hat er sich doch gut weggelesen. Die hohe Kunst und Literatur kann man zwar nicht erwarten, aber der Roman hat mich doch für ein gutes Wochenende spannend unterhalten und damit mehr geschafft als so manch anderer Thriller.

Bewertung vom 01.09.2022
Dein Schweigen, Vater
Benda, Susanne

Dein Schweigen, Vater


sehr gut

Der Vater
Susanne Benda schreibt über eine interessante und tief traumatisierte Familie, darüber wie das Trauma über Generationen noch nachwirkt und wie man an diesem arbeiten kann und muss. Sie lässt uns zunächst den jungen Paul kennen, der im ehemals von Deutschland besetzten Brno aufwächst. Als der Krieg vorbei ist, werden sie des Landes verwießen und wir erleben diese Zeit und den Marsch der Flüchtlinge aus der Sicht des Kindes. Dabei beschönigt Benda diese Situation nicht und beschreibt sie mit all ihren Gräueln und Misshandlungen. In Sprüngen erzählt Benda dann von Pauls späteren Leben, doch spricht sie dabei auch eher aus der Sicht seiner Ehefrau und dann vor allem aus der Sicht seiner beiden Kinder - dabei geht sie sehr darauf ein, wie Pauls Trauma sie belastet hat und wie sich ihr Leben dadurch entwickelte.
Benda zeichnet so eine sehr interessante Familiengeschichte und bietet spannende Einblicke in Familien- und Generationengeschichten, die mich nachhaltig beschäftigt haben.

Bewertung vom 21.08.2022
Der Geruch von Wut
Clima, Gabriele

Der Geruch von Wut


gut

Kurzweilige Wut
Gabriele Clima schreibt in "Der Geruch von Wut" über den jungen Alex, der bei einem Autounfall seinen Vater verliert. Seine Mutter und er selbst landen daraufhin im Krankenhaus, wo Alex einige Wochen bleibt, da er im Koma liegt und einmal für kurze Zeit stirbt. Als Alex nach Hause kommt ist seine Welt eine andere und er trägt eine alles zerfressende Wut in sich. Sein Klassenkamerad Theo spricht ihn dabei im rechten Moment an und bringt ihn zu den Black Boys - denn Alex hat Rache geschworen, an dem Mann, der ihr Auto von der Straße abgetrieben hat. Er macht diesen Mann für den Tod seines Vater verantwortlich und für all das Leid, dass er nun fühlt und für die Trauer und die Schmerzen seiner Mutter. Dass dieser Mann ein Schwarzer ist und Alex damit Hilfe bei den rechtsradikalen Black Boys finden kann, wird zunächst unterschwellig klar und das Ausmaß der Eskalation lässt nicht lange auf sich warten. Clima erzählt sehr kurzweilig, wie Alex zunächst tief in seinen Hass und die Wut fällt und schließlich nur schwer wieder hinausfindet und welchen Weg er dafür gehen muss. Leider hätte ich mir hin und wieder gewünscht, dass er sich mehr Zeit nimmt, um uns die Protagonist*innen und ihre Hintergründe näher kennen zu lernen - so hat mir immer wieder das gewisse Interesse an den Charakteren gefehlt.

Bewertung vom 30.07.2022
Freizeit
Kaspari, Carla

Freizeit


weniger gut

Zu ruhig
Carla Kaspari schreibt in "Freizeit" über Franziska, die in Paris lebt, Freunde trifft, eine Beziehung hat und doch scheint alles eher belanglos zu sein. Als sie sich trennt wird es immer komplizierter und wir betrachten sie dabei, wie sie in der Gesellschaft schwimmt, macht, was eben von uns erwartet wird und mit sich, den Erwartungen, der Gesellschaft und dem Sinn hadert. Kaspari erschaft dabei eine interessante und ruhige Stimmung, die uns Franziska manchmal näher bringt und uns doch auch wieder weg führt - insgesamt bin ich nur leider immer eher die Beobachterin geblieben und konnte keinen richtigen Draht zur Protagonistin finden. Die selten vorhandene Spannung hat es mir schwer gemacht, mich auf die Geschichte zu konzentrieren und wirklich am Ball zu bleiben. Alles in allem ist es eine wirklich ruhige Geschichte, für die man wohl in der rechten Lebensphase stecken sollte, um etwas mit ihr anfangen zu können.

Bewertung vom 15.05.2022
Der letzte Schrei
Sagiv, Yonatan

Der letzte Schrei


ausgezeichnet

Ein interessanter Einblick
Yonatan Sagiv schreibt in diesem Kriminalroman über Oded - nicht gerade ein üblicher und alltäglicher Detektiv. Oded lebt in Israel, steht auf Männer und lässt sich von allem ablenken. Dabei verstrickt er sich immer tiefer in Nebenschauplätze, Geschichten der israelischen High Society und jugendlicher Schwärmereien, aber auch ebenso mit illegalen Einwanderern, Mobbing, Queerness und Ausgrenzung.
Sagiv gelingt in diesem Krimi nicht nur eine spannende Handlung über diverse kleine und große Fälle, die sich nur allmählich zusammenfügen, sondern auch ein spannender Einblick in die israelische Gesellschaft mit all ihren verletzenden Einzelheiten. Dabei ist er äußerst aktuell, tolerant und doch so pointiert und gewitzt, dass ich unwillkürlich in Lachen ausbrach, nur damit mir das Lachen sogleich im Halse stecken blieb. Die literarischen Einblicke in das queere Leben Israels waren so interessant, dass ich mich nun gerne weiter mit diesem Thema beschäftige und ich freue mich, dass es ganz nebenbei und alltäglich in einem Krimi dargestellt wurde.

Bewertung vom 04.04.2022
Der zweite Sohn
Peck, Loraine

Der zweite Sohn


ausgezeichnet

Ein spannender Mafiakrimi
Loraine Peck schreibt hier aus der Sicht von Johnny und Amy, die in einem Häuschen in Sydney leben und eigentlich eine mehr oder weniger normale Familie sind. Jedes Wochenende fahren sie mit ihrem zehnjährigen Sohn zu Johnnys kroatischen Eltern zum Essen, Amy kümmert sich tagtäglich um die Erziehung des Sohnes und Johnny arbeitet für seine Familie. Und doch ist ihr Leben von Gewalt, Lügen, Jugoslawien und den damit verbundenen Konflikten und Taten verbunden, auch wenn sie eigentlich auf der anderen Seite der Erde stattfanden und von ihren Elterngeneration begannen wurden. Doch als Johnnys Bruder ermordet wird und auch der Sohn der serbischen Mafiagruppe getötet wird, dringt die Gewalt an die Oberfläche und Johnny und Amy müssen sich entscheiden, wie sie in Zukunft leben wollen.
Peck schreibt äußerst spannend und schafft es meisterhaft einen Mafiakrimi mit jugoslawischer und Balkangeschichte zu verweben. Sie setzt dabei zwar immer wieder Wissen über die Zeit und die modernen Entwicklungen voraus, doch hat es mich dadurch umso mehr interessiert.

Bewertung vom 30.03.2022
Love in the Big City
Park, Sang Young

Love in the Big City


ausgezeichnet

Ein interessanter Einblick
Sang Young Park schreibt über sein Heranwachsen und wie es ist als schwuler Mann in Südkorea zu leben. Er erzählt von seiner Mutter, die Krebs hat und gepflegt werden muss, seiner Arbeit als Schriftsteller, seiner besten Freundin, die auszieht und heiratet und über die Männer, die er datet und in die er sich verliebt und die ihn dann doch verlassen. Dabei wählt er einen interessanten Stil, der von Anekdote zu Anekdote springt und doch im Ganzen sein Leben in den schillernsten Farben erzählt. Sang Young Park schreibt hier so kurzweilig, dass man von jeder kleinen Begebenheit wie in einem Sog zur nächsten gleitet und es so auch trotz fehlender Spannung sehr unterhaltsam ist. Seine Geschichten über sich selbst, ermöglichen einen interessanten Einblick in die südkoreanische Gesellschaft und machen Lust auf weitere Geschichten aus seinem Leben.

Bewertung vom 13.03.2022
Doppelporträt
Pleijel, Agneta

Doppelporträt


sehr gut

Ein schöner historischer Roman!
Agneta Pleijel schreibt in diesem Buch über zwei ungeheuer faszinierende und ungleiche historische Persönlichkeiten: Agatha Christe und Oskar Kokoschka. Es geht um das berühmte Porträt, dass Kokoschka von Christie machte und diesem Prozess haucht Pleijel hier Leben ein, indem sie die beiden aus ihrem Leben plaudern lässt, in Rückblenden das Geschehene aufleben lässt und auch die beiden Familien einbezieht. Dabei erleben wir das spannende 20. Jahrhundert mit beiden Weltkriegen aus zwei sehr unterschiedlichen Sichtweisen kennen.
Pleijel gelingt es diese kurze Zeit episodenhaft und fantasievoll zu gestalten, so dass sich ihr Roman durchaus kurzweilig liest und auch wenn es eigentlich nicht viel an direkter Handlung gibt, ist es dennoch immer wieder äußerst spannend. Die beiden Portagonisten wachsen einem durch ihre interessante Lebhaftigkeit und Ehrlichkeit ans Herz und boten mir die willkommene Gelegenheit mich mit dem Leben und Werk beider Künstler zu beschäftigen.

Bewertung vom 26.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


sehr gut

Das Dorf
Anna Herzig nimmt uns mit in das Dorf Krimmweg, das eigentlich wie jedes andere Dorf sein sollte und wenn man in einem Dorf aufgewachsen ist, dann findet man sich unweigerlich wieder in den kleinen Erzählungen, Gesprächen und Gedanken der Dorfbewohner*innen. Doch wo viele im Dorf wegsehen, sieht Herzig dafür umso genauer hin, auch wenn es weh tut und unangenehm ist. Dabei wählt sie eine ganz eigene Sprache, die es manchmal etwas schwierig macht der Handlung zu folgen, aber dafür umso mehr Nähe und Tiefgang in ihrer Geschichte schafft, bis man nicht mehr weiß, ob man wirklich wissen will, was noch alles im Dorf geschah und geschehen wird.
Herzig gelingt es diese typische Dorfgeschicht so zu erzählen, dass die Protagonist*innen doch wieder neu und frisch erscheinen und dennoch erschreckend allgemeingültig bleiben und man sich am Ende fragt, wie man sich selbst im Dorf verhalten würde.