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Top-Rezensenten Übersicht

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jentis4711
Wohnort: 
K.

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 24.06.2022
Chopinhof-Blues
Silber, Anna

Chopinhof-Blues


ausgezeichnet

„Chopinhof-Blues“ ist ein sehr gutes Debüt von Anna Silber, das durchaus auch in einem größeren Verlag hätte erscheinen können. Ich hoffe, dass es weite Kreise zieht.
Die Sprache ist sehr ausgefeilt und hat zugleich einen ganz eigenen Ton. Anna Silber lässt uns für eine Weile am Leben von Katja (und ihrem Bruder), Ádám (und seiner Frau und seinem besten Freund), Esra (und ihrer Mitbewohnerin) teilhaben. Die Figuren sind lebendig, wir lernen ihre Ängste kennen, ihre Sorgen und ihre Träume. Wir verstehen, warum sie sich so verhalten, wie sie es tun, uns wünschen ihnen so sehr, dass sie für sich gute Entscheidungen treffen. Als am Ende alle einander im Chopinhof bei einem Kindergeburtstag begegnen, gleichen die Szenen einem Theaterstück. Wir sehen die Figuren nun auch aus den Augen der anderen Figuren und erkennen darin so unzweifelhaft eben jene, dass es zugleich unangenehm und höchst amüsant ist. Wirklich großes Kino - tolles Debüt!

Bewertung vom 24.06.2022
Fischers Frau
Kalisa, Karin

Fischers Frau


gut

Bei diesem Roman bin tatsächlich innerlich hin und hergerissen, wie ich ihn bewerten soll.

Zuerst einmal zur Sprache: Karin Kalisa hat eine unglaublich bildhafte, ausgefeilte, intelligente Art der Satzbildung. Regelmäßig stößt man auf wundervolle Formulierungen, die innehalten lassen. Zugleich ist die Sprache oft auch etwas gewollt konstruiert, Motive wiederholen sich, bis sie zu Plattitüden werden und man kann mitlesen, dass die Autorin oft Sätze geschrieben hat, weil sie ihr gefallen haben und nicht, weil sie an dieser Stelle gepasst haben. Da stehen sich dann Ego der Autorin und Erlebnis des Lesenden gegenüber.

Nun zur Story: insgesamt ist es eine faszinierende Geschichte, die sich da um einen Fischerteppich herum aufbaut. Allerdings wollte die Autorin anscheinend alles Mögliche noch mit in diesen Roman reinschieben. Kaum habe ich mich an die Geschichte mit Mia gewöhnt und will endlich wissen, wie es weitergeht, da wird sie auch schon abgebrochen und ich muss die Geschichte einer anderen Frau lesen, die wohl früher den Teppich gewebt hat. Allerdings ist diese Geschichte nicht mal die wahre, recherchierte, sondern Mia denkt sie sich nachts am Schreibtisch aus. Zudem ist das Buch manchmal ein Roman, manchmal ein Sachbuch, dann eine Chronik, hintenraus wird es ein Märchen, Figurenentwicklungen werden nicht zu Ende gebracht und gefühlt platzt dieses Buch aus allen Nähten und lässt einen doch nicht befriedigt zurück.

Es tut mir fast weh, das zu schreiben, weil ich die ganze Mühe und Liebe mitlesen kann, die Karin Kalisa in dieses Buch gesteckt hat, in jeden einzelnen Satz. Ich glaube tatsächlich, dass dieser Roman ein sehr viel besseres Lektorat verdient hätte, dann hätte es das Zeug zum Herzensbuch gehabt.

Bewertung vom 05.05.2022
Verheizte Herzen
Crossan, Sarah

Verheizte Herzen


ausgezeichnet

Nachdem ich „Verheizte Herzen“ gelesen habe, finde ich das Cover wunderbar passend gestaltet - da hat sich jemand wirklich Gedanken gemacht!
Genau das gilt auch für das Buch: hier stecken unglaublich viele Einzelheiten drin, ich konnte die Autorin manchmal beim Lesen denken hören. Die sehr besondere Versform des Romans hat an vielen Stellen einzelnen Formulierungen und Gedanken nochmal ein ganz eigenes Gewicht und Nachdruck verliehen, das war sehr schön. Zugleich war diese Versform (im Gegensatz zu meiner Befürchtung) überhaupt nicht anstrengend, sondern hat mich regelrecht ins Buch reingezogen (habe es an einem Stück gelesen).
Die Story an sich hätte noch mehr ausgereizt werden können - denn sie hatte alle Voraussetzungen, das Thema Affäre mal rückwirkend und aus anderen Perspektiven zu beleuchten, was auch eine sehr interessante Figurenentwicklung hätte werden können. Was den Verlauf der Geschichte angeht, hätte ich mir noch ein bisschen mehr unerwarteten Tiefgang, mehr Twists erhofft. Allerdings war das Buch rein sprachlich ein wunderbares, mal anderes Erlebnis, das im Kopf bleibt, von daher trotzdem 5 Punkte :-)

Bewertung vom 25.03.2022
New York und der Rest der Welt
Lebowitz, Fran

New York und der Rest der Welt


gut

„New York und der Rest der Welt“ wurde wohl mancherorts sehnsüchtig erwartet, seitdem Fran Lebowitz über Netflix auch in Deutschland bekannt wurde. Ich war vor allem deshalb gespannt auf das Buch, weil die meisten Texte im Original entstanden sind, als Fran Lebowitz Mitte/Ende 20 Jahre alt war. Ich hatte die Hoffnung, dass in ihren frühen Texten noch der Humor und bissige Schärfe als solche überwiegt, im Gegensatz zu dem doch sehr einseitigen Meckermodus, den es in „Pretend it‘s a City“ zu hören gibt. Es steht außer Frage, dass Fran Lebowitz über einen überaus intelligenten Humor verfügt, eine genaue Beobachterin mit besonderem Blickwinkel ist und einfach sehr gut schreibt. Für mich persönlich wurden die Texte irgendwann langweilig, weil sich der von der Welt frustrierte Ton durchzieht und ich sie manchmal schütteln wollte, doch nicht alles und durchgehend so einseitig und von oben herab zu sehen. Ich muss also in meiner Rezension unterscheiden zwischen Lebowitz Talent (das groß ist) und dem Ton ihrer Texte (der mir durchgehend zu negativ ist und irgendwann nervt). Wem genau das gefällt, der wird ein amüsantes Leseerlebnis haben!

Bewertung vom 20.02.2022
Die Feuer
Thomas, Claire

Die Feuer


sehr gut

„Die Feuer“ begleitet drei Frauen aus drei Generationen (Anfang 20, Anfang 40, um die 70) durch einen Abend im Theater. Während „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett gespielt wird, toben draußen die Buschfeuer. In der ersten Hälfte des Buches tauchen die Kapitel abwechselnd in die drei Figuren ein. Durch innere Monologe lernen wir ihr Leben, ihre Gedanken und ihre Ängste kennen. In diesem Teil dachte ich noch, schöner Roman, aber eigentlich steht jede Geschichte für sich, die Anlage wirkt konstruiert. Ich sah den Sinn noch nicht.
Ab der zweiten Hälfte, wo die einzelnen Figuren in der Pause aufeinandertreffen (was selbst wie ein Stück beschrieben wird), wurde ich (positiv) nachdenklich. Die Frauen machten sich anschließend Gedanken übereinander und es wird spürbar bewusst, wie schnell man sich falsche Gedanken macht oder urteilt, ohne auch nur das Geringste über das Leben und die Beweggründe unseres Gegenübers zu kennen. Das ist sehr feinfühlig ein gut dargestellt. Klingt nach!

Bewertung vom 14.02.2022
Die Gezeiten gehören uns
Vida, Vendela

Die Gezeiten gehören uns


gut

Vendela Vida beschreibt in „Die Gezeiten gehören uns“ eine interessante Kulisse, das Viertel Sea Cliff im San Francisco der 80er Jahre wirkt noch wie ein Vorort, in dem jeder jeden kennt. Die Figuren sind allesamt vorstellbar beschrieben - allein die erzählende Hauptfigur selbst war für mich kaum greifbar. Sie scheint sich hauptsächlich den Ereignissen anzupassen und handelt sie einmal selbst, entstehen diese Handlungen für mich nicht nachvollziehbar aus der Figur heraus, sondern erscheinen willkürlich.
Auch gibt es keine wirkliche Entwicklung der Figur über die Geschichte hinweg. Dafür gibt es einen Zeitsprung ins Jetzt, man erfährt, was aus ein paar Figuren geworden ist, doch auch das erscheint mir nicht notwendig, sondern als Kompensation für die fehlende Entwicklung innerhalb der Story. Insgesamt ist es ein wirklich schön geschriebener Roman, der in mir jedoch nicht nachhallt.

Bewertung vom 27.10.2021
Berauscht vom Leben
Libaire, Jardine;Ward, Amanda Eyre

Berauscht vom Leben


ausgezeichnet

Amanda Eyre Ward und Jardine Libaire sind zwei Frauen, die immer zu feiern gewusst haben und trinkfest waren - bis sie sich am am nächsten Morgen schlecht fühlten (nicht nur wegen des Katers). Sie haben beschlossen, nicht mehr zu trinken, doch sie wollten auch nicht einsehen, deshalb auf Spaß und Partys zu verzichten. In diesem Buch erzählen sie ihre eigenen Geschichten ohne Alkohol. Und sie tun es auf eine aufrichtige, unterhaltsame und absolut wertfreie Weise. Sie möchten niemanden dazu überreden, auf Alkohol zu verzichten, noch tun sie so, als sei das Leben dadurch so viel besser. Sie würden gern ab und zu ein Gläschen trinken. Doch sie halten an ihrem höheren Ziel fest und das ist so inspirierend. Ich habe nun selbst ganz aufgehört zu trinken und oft, wenn ich ausgehe, denke ich an die beiden und ihre Stimme im Buch und ich fühle mich, als hätte ich in ihnen zwei Freundinnen, die mich bestärken und mit mir darüber lachen. Große Empfehlung!

Bewertung vom 17.09.2021
Der perfekte Kreis
Myers, Benjamin

Der perfekte Kreis


gut

Benjamin Myers Sprache ist wunderschön, elegant und traumhaft und nicht zuletzt das macht seine Bücher so besonders. Wieder hat er einen Roman geschrieben, der anders ist als andere. Von der ersten Seite an entsteht ein antmosphärischer Sog in eine Welt zwischen den Zeilen, die so fremd und zugleich seltsam vertraut wirkt. Seine Figuren zeichnet er mit viel Sensbilität und Blick für die kleinen Dinge - trotzdem blieben sie mir in diesem Buch fern. Ich konnte sie von außen betrachten, sie beobachten und ihnen folgen, aber ich konnte sie nicht fühlen. Insgesamt hat das Buch wenig Handlung, es gleicht eher einer traumwandlerischen Begegnung von Mensch und Natur. Dieses Buch ist, auch schon von der Gestaltung und Haptik her, sehr schön zu lesen, atmet viele leise Gedanken und Sehnsüchte. Es eignet sich für Leser, die gern in schönen Sätzen baden, wer allerdings mehr Handlung, Spannung und Figurenentwicklung wünscht, wird sich stellenweise etwas langweilen (denke ich).