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booktower
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Rodgau

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Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 22.07.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Ein besonders teuflischer Plan

Schon das Cover lässt ahnen, dass wir hier von blutigen Ereignissen lesen werden. Wir halten ein Hardcover mit einer schönen Innenausstattung in der Hand. Da hat sich der Blumenbar Verlag etwas Neues beim Vor- und Nachsatz ausgedacht. Die überaus clevere und hochinteressante Komposition dieses Kriminalromans der ganz besonderen Art, fasziniert vom ersten Augenblick des Lesens. Die Geschichte findet in einer hochinteressanten und auch tragischen Zeit der Weltgeschichte in Japan statt.
Kosuke Kindaichi, der bereits berühmte Privatdetektiv kehrt auf einem Schiff aus Neu-Guinea nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Japan zurück. Sein Ziel ist die Insel Gokumon, berühmt und berüchtigt in Japan wegen ihrer unheimlichen Geschehnisse, die bereits in einem ersten Band beschrieben wurden. Kosuke Kindaichi überbringt eine Todesnachricht seines Kameraden Chimaka Kito an seine Familie. Dieser übergibt Kosuke ein schweres Vermächtnis vor seinem Tod: er warnt ihn eindringlich, seine drei Schwestern in Sicherheit zu bringen, denn andere trachten nach ihrem Leben. Auch erfahren wir viel über den 2. Weltkrieg und die Gefangenschaft von Japanern in Neu Guinea. Es handelt sich hier um eine sehr verzwickte story, mit vielen Namen und verschachtelten Beziehungen. Dem Buch ist ein Personenverzeichnis vorangestellt und ein interessantes und ausführliches Glossar am Ende.
Wir lernen gleich zwei verwandte Familien kennen und viele andere Inselbewohner, die eine große Rolle spielen, hier einige wenige: den Tempelpriester Ryonen des Senkoji, den Kommissar Isokawa, ein alter Freund Kosukes, einen Wachtmeister, den Bürgermeister, einen Arzt und Seiko, den Barbier, der Kosuke sehr hilfreich ist in seinen Ermittlungen. Nicht zuletzt die beiden Familien Kito, durch sie sind Konflikte vorprogrammiert.
Eine große Rolle in dieser Geschichte spielt die literarische Form der Haiku Versgedichte. Immer wieder wird darauf zurückgekommen, denn diese Gedichte stellen einen Schlüssel dar zur Geschichte, den man nicht unterschätzen sollte. Man trifft sie überall, diese dreizeiligen Verse. Sie stehen auf Wandschirmen geschrieben und sind in Kosukes Gedächtnis verankert.
Wir erleben das, was Chimaka Kito vorausgesagt hat. In einer anschaulichen Sprache, überaus spannenden Begebenheiten, die eingebettet sind in ruhigen, bildreichen Naturbeschreibungen geht die Geschichte voran und nimmt uns gefangen. Man kann sie durchaus als page turner bezeichnen. Außerdem lernt man sehr viel über eine ganz besondere Inselkultur, über japanische Gottheiten und nicht zuletzt über Literatur.
Der Autor Seishi Yokomizo hat allein über Kosuke Kindaichi 77 Bände verfasst. Nicht alle spielen auf dieser Insel. Wir gewinnen einen interessanten Einblick in die Verkettungen auf der Insel. Man bekommt unbedingt Appetit, noch viele Geschichten von ihm zu lesen.

Bewertung vom 10.07.2023
Haus der fremden Erinnerungen
Eaglestone, Eric

Haus der fremden Erinnerungen


ausgezeichnet

Hochspannende Story.

Wow! Ein echter Mystik-Thriller mit einem so ausgeklügelten Plot, der immer neue Wendungen hervorbringt und einen das Buch nicht aus der Hand legen lässt! Die Spannung steigert sich ständig während es Lesens. Die Charaktere wie auch die Nebenfiguren sind überzeugend gestaltet. Die Idee, die geheimnisvolle Waldpension Ansgar mit dem Ackerland der germanischen Welt in Verbindung zu bringen ist geistreich. Auch Runa und Mike sind ihr angepasst, Mike mit seinem Siegfried Aussehen und Runa – selbsterklärlich. Diese Geschichte ist bepackt mit überraschenden Elementen, die immer so weiter gehen und sich steigern bis zum Ende. Die Szenarien sind sehr unterschiedlich, alle super ausgearbeitet und zeugen von großer Sachkenntnis.

Bewertung vom 10.07.2023
Das Glück der Geschichtensammlerin
Page, Sally

Das Glück der Geschichtensammlerin


ausgezeichnet

Das Cover ist so vielversprechend und ausgestattet mit schönen Extras im Bucheinband, wie es mit Taschenbüchern noch selten geschieht. Solche Bücher machen gleich Lust auf‘s Lesen.
Darum übte dieses Buch gleich beim Anschauen einen besonderen Zauber auf mich aus.
Und- ich wurde nicht enttäuscht..
Diese Geschichte hat für mich einen besonderen Zauber. Janice, eine Putzfrau, macht sich viele Gedanken über die Menschen, deren Räume und Häuser sie putzt. Sie beobachtet sehr genau und so lernen wir die Menschen kennen, über die sie sich Gedanken macht, während sie putzt oder den Kühlschrank abtaut. Denn während dieser Zeit erzählen viele ihr ihre eigenen Geschichten. All diese Geschichten speichert sie bei sich selbst ab.
Auch über die Menschen, die sie im Bus beobachtet, denkt Janice nach. Page schreibt sehr poetisch, hier ein Beispiel über einen Moment mit dem Busfahrer, von dem Janice sich in einem Augenblick denkt, ob wohl der Fahrer mit den Türen mitseufzt, wenn sich diese seufzend schließen…Sie ist so eine anteilnehmende, feinfühlige und taktvolle Person. Außerdem liebt sie es sehr, zu lesen. So lernen wir auch ihre eigenen Vorlieben kennen, für die Autoren, deren Bücher sie leiht. Es ist wie einen literarischen Wegweiser zu entdecken, mit all den Büchern, die Janice so mag.
Als Janice anfängt, für Frau B zu putzen – eine kluge und listige Frau in den Neunzigern – trifft sie jemanden, der ihre Geschichte hören möchte. Aber Janice ist klar: Sie ist die Hüterin von Geschichten, sie hat keine Geschichte zu erzählen. Zumindest keine, die sie teilen kann.
Frau B. bemerkt bald, dass hinter Janice mehr steckt, als man auf den ersten Blick sieht. Was verbirgt sie? Hat nicht jeder eine Geschichte zu erzählen? Janice Geschichte birgt Überraschungen, die ihr Leben umkrempeln werden. Sie entwickelt erstaunliche Entschlusskraft, eine ganz neue Richtung einzuschlagen.

Alles ist einem leichten sehr anschaulichen Stil geschrieben, obwohl es sehr tief gehende Themen sind, mit denen wir hier konfrontiert werden. Zutiefst menschlich sind diese. Dass die Geschichte im Präsens geschrieben ist, stärkt die Echtheit der Ereignisse in Janices tapferem Leben. Diese Erzählung macht neugierig während wir sie lesen, darauf, was wir noch alles erfahren werden.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


ausgezeichnet

Das Seelenfoto

Wir treten ein ins Zwischenreich zwischen Leben und Tod. Was wir dort lesend erleben, geschieht in einem Fotostudio. Ein ungewöhnliches Fotostudio und der Wirklichkeit, in der wir existieren, enthoben. Nach und nach beginnen wir in die Geschichte einzudringen. Hier werden Menschen vorbereitet auf das Kommende in der Ewigkeit. Was erwartet uns in diesem ungewöhnlichen setting? Etwas noch nie so Erzähltes, Erlebtes und trotzdem vorstellbar, traurig und zugleich tröstlich. Hirasaka, der Besitzer des Fotostudios, empfängt seine Klienten liebevoll und behutsam.
Hirasaka begleitet seine Besucher in die Unendlichkeit. Diese dürfen ihr Leben nochmals erleben, bevor sie endgültig Abschied nehmen müssen. Staunend begleiten wir ihn durch die Vergangenheit seiner Besucher*innen. Wir lesen über das Leben einer tapferen Erzieherin, die sich allen Hindernissen zum Trotz im Japan der Nachkriegszeit des zweiten Weltkriegs durchsetzt, um das Leben von Kindern, nach dem August 1945, zu erleichtern. Wir erfahren durch das Schicksal eines Yakuza Mitglieds surreale Begebenheiten, an die man sich noch lange erinnern wird. Auch ein kleines Mädchen spielt eine ganz besondere Rolle in dieser zauberhaften Erzählung.
Sie alle dürfen aus Hirasakas Studio eine Kamera auswählen und dann auf einem Ausflug mit ihm Fotos machen, so viele sie möchten. Ein Foto bleibt bedeutsam für ihr Leben. Alle ihre Schicksale sind ergreifend und werden so lebensnah und mitfühlend geschildert, dass wir uns ihnen nicht entziehen können. In poetischer Sprache und wunderbaren Naturschilderungen begleiten wir die Protagonisten durch ihre Erinnerungen.
Wie Hiraagi die Szenerie und handelnden Personen beschreibt ist kunstvoll komponiert. Mir gefällt der Schreibstil, die Gedanken der Handelnden sind in kursiv zu erfahren. Behutsam werden wir eingeführt in einen Zustand, von dem wir alle nicht wissen, wie wir ihn erleben werden. Die Idee zu diesem besonderen Roman ist hochspannend und fantastisch umgesetzt. Ich wünsche ihm viele Leser*innen.

Bewertung vom 06.06.2023
Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1
Martin, Lily

Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1


ausgezeichnet

Die Magie der Liebe
Paris kann so charmant sein und so charmant ist auch dieser Roman. Schon der Einband dieses Romans lädt ein, in die französische Lebensart einzutauchen. Der Anfangsbuchstabe jedes Kapitels ist besonders gestaltet. Bereits im Prolog treffen wir viele Charaktere an, ein foreshadowing dessen, dass ganz viel passieren wird in dieser Geschichte. Ähnlich einer Rahmenerzählung finden wir hier noch andere Geschichten, die die einander bedingen. Da ist die verschwundene Großmutter Rose, die Mamie ihrer Enkelin Lola, beide sind geheimnisvoll verbunden. Lola folgt dem Ruf ihres Vaters, nach Hause zu kommen, zurück aus Bordeaux, wo sie lebt und wirkt.
„Ja, sie näherten sich unverkennbar Paris. Und neben dem nagenden Unmut, dass sie das Schicksal zu diesem unfreiwilligen Trip gezwungen hatte, und der Müdigkeit wegen der kaum vorhandenen Nacht ( die Lola leider keinen belebenden Schlaf schenken konnte), spürte Lola, wie nervös sie war, weil sie ihre Heimatstadt wiedersehen würde. Fast so, als wartete dort eine Prüfung auf sie.“
Bald erfahren wir, welche besonderen Herausforderungen auf Lola warten – ihr kränkelnder Vater und die Entscheidung, die sie treffen muss – bleiben oder zurück nach Bordeaux reisen…Es wäre nicht Paris, wenn nicht eine ganz besondere Liebegeschichte die größte Rolle spielt – eigentlich zwei – die von Lolas Großmutter und ihre eigene. Es bleibt auf jeder Seite spannend.
Es liegt ein Zauber über dieser Erzählung. Er zeigt sich in so vielen Facetten: wie die Menschen in der Nachbarschaft miteinander umgehen, wie und was sie essen, worüber sie sich unterhalten – überall finden wir Magie. Die unvergleichliche Atmosphäre des Quartier Latin schwebt über allem. Wer Anne Sterns Bücher kennt, weiß, dass hier wieder, wo sie als Lily Martin schreibt, ein besonderer literarischer Genuss wartet. Das französische Flair der Leichtigkeit lugt aus den Seiten – wir durchschauen schon, dass wir hier auf eine wunderbare Mischung des „savoir vivre“ treffen werden, auch wenn ernste Themen keinesfalls ausgelassen werden. Diese Sommertage werden noch lange nachwirken.

Bewertung vom 03.06.2023
PS. Über Apulien leuchtet die Liebe
Damonte, Lene

PS. Über Apulien leuchtet die Liebe


ausgezeichnet

Lene Damonte

P.S. Über Apulien leuchtet die Liebe

Rosa aus Berlin, durch Trauer verstört, hat monatelang gelitten. Ihre Geschichte geht zu Herzen, es scheint als ob niemand ihr helfen kann, zurück ins Leben zu finden. Denn ohne den verstorbenen Lenni kann Rosa sich ein Leben nicht mehr vorstellen. Da kommt ihr eine liebe Freundin, Petti, zu Hilfe. Diese hat eine großartige Postkartensammlung, Rosa liebt es, darin zu stöbern. So wundervolle Karten aus vielen Ländern enthält die Sammlung. Rosa, die alles liebt, was Vintage ist, findet eine wunderbare Karte und darauf steht: PS – über Apulien leuchtet die Liebe. Apulien – die Gegend ihrer und des verstorbenen Lennis Träume. Apulien, wo beide eine Keramikwerkstatt eröffnen wollten. Keramik ist Rosas Leidenschaft, so lange konnte sie sich nicht mehr ihrer Arbeit widmen. Das ist ihr Zeichen für einen Neuanfang. Spontan entschließt sie sich, allein nach Italien, nach Apulien zu fahren. Die Reise beginnt wie ein Road Movie. Es geschieht viel auf dieser Reise und fast sieht es so aus, als ob unsichtbare Helfer Rosa zur Seite stehen. Sie findet was sie braucht. Zuerst eine wunderbare Unterkunft bei einer herzensguten Vermieterin. Bald kreuzen Menschen ihren Weg, die zu Freunden werden, die ihr beistehen in diesem fremden Land. Ihre Liebe zu Italien, seine temperamentvollen Menschen mit ihrer melodischen, ausdrucksvollen Sprache inspiriert Rosa. Und was hat es wohl zu bedeuten, dass sie ein altes verlassenes Haus findet und welche Schätze sie darin findet?
Damontes Geschichte kommt authentisch rüber. Ihre Sprache ist leicht, trotzdem fehlt es ihren Darstellungen nicht an Tiefe. Wie sie die Gegend Apulien, die Atmosphäre in Bari und Umgebung beschreibt, erzeugt im Leser das Gefühl, mittendrin zu sein, sozusagen an allem teilzunehmen, worüber wir lesen.
Aromatisch duftendes Essen, die Verbläuung der Dämmerung am Meer, das nächtliche Schwimmen darin. Ihre Charaktere beschreibt sie liebevoll und so, dass man sich fühlt, als stände man ihnen gegenüber. Dieser Roman überrascht immer wieder mit unerwarteten Wendungen. Als gegen Ende noch ein Sturm wütet, erreicht die Dramatik ihren Höhepunkt. Es scheint alles verloren. Wie alles Rätselhafte miteinander verbunden scheint, selbst wenn es viele Jahre, ja Jahrzehnte her ist, zeigt uns Lene Damonte in diesem Debut. Es ist eine Geschichte, die sich zu lesen lohnt, nicht nur für Apulien Fans. Auch ist es ein Loblied auf die Freundschaft, dieses wichtige Element in unser aller Leben.

Bewertung vom 22.05.2023
Das Restaurant der verlorenen Rezepte / Die Food Detectives von Kyoto Bd.1
Kashiwai, Hisashi

Das Restaurant der verlorenen Rezepte / Die Food Detectives von Kyoto Bd.1


ausgezeichnet

Die Idee zu dieser Geschichte ist so großartig. Nicht nur sind alle Begebenheiten literarische Schmuckstücke. Sie beinhalten so viele Facetten des japanischen Lebens, der Gepflogenheiten von Menschen und nicht zuletzt deren oft anrührende oder auch heitere Schicksalen.
Diese zauberhafte Erzählung nimmt einen vom ersten Kapitel an gefangen. Wie der frühere Polizeibeamte Nagare und jetzt Inhaber eines ganz speziellen Restaurants sowie seine Tochter Koishi dabei helfen, die verlorenen Rezepte durch unermüdliches Bemühen zu beleben und nach zu kochen, beflügelt die Sinne jedes Feinschmeckers. Die Klienten kommen auf die Spur des Restaurants durch eine Anzeige im Feinschmecker Magazin „Gourmet Insider“. Die Gäste, die das absichtlich versteckte Restaurant finden können, sind sehr speziell. Sie alle suchen Gerichte, mit deren Erinnerung sie etwas ganz Besonderes verbinden. Koishi kocht nicht nur, sie notiert alles, was sie und Herr Nagare wissen müssen, um das Rezept nachkochen zu können. Die Gäste erinnern sich so weit wie möglich an Orte, Personen und Ereignisse, an denen sie das für sie wichtige Essen gegessen haben. Das kommt oft sehr emotional rüber. Und Nagares Spürsinn führt immer zu dem gewünschten Resultat: ein ganz bestimmtes Rezept zu finden und es für den Gast nachzukochen. Er scheut keine Mühen, um die Rezepte aufzuspüren. Dies zu lesen ist reines Vergnügen. Dabei erfahren wir die Geschichte des Gastes.
Wenn es dann gelungen ist, wird der Tisch gedeckt. Vor unseren lesenden Augen werden die wundersamen Gerichte in kunstvoll hergestelltem Geschirr serviert: Mal ist es Mashiko Keramik, dann wieder sind es Shigaraki Teller. Oder Koimari Porzellan und Negoro Schalen. Bewundernswerte Gegenstände, die man im Internet finden kann. Immer werden Gäste gebeten auf einem Metallstuhl mit roter Sitzfläche Platz zu nehmen. Die Tische werden sorgsam abgewischt. Und wenn Herr Nagare serviert hat, klemmt er sich jedes Mal das Metalltablett unter seinen Arm. Oft kauft er sogar Servierteller passend zum Gericht. Auch hilft er den Gästen, indem er ihnen in einer Papiertüte verpackt die Zutaten mit gibt und auch die zugehörigen Teller.

Allein die Ausstattung dieses Romans begeistert. Der Schutzumschlag lädt gleich zum Lesen ein. Jedes Kapitel beschäftigt sich mit einem Rezept und den Menschen, die es suchen und denjenigen, die es vor langer Zeit kreiert haben. Die Kapitel tragen den Namen des Rezepts. Geschmückt werden diese Namen am Kopf des Kapitels von Vignetten der reizenden Restaurantkatze Hirune. Sie spielt mit Utensilien, die zum Essen benötigt werden, wie eine Gabel, einem Löffel, einem dampfenden Becher oder anderen.
In diesem Roman lernt man auch, dass es „DIE japanische Küche“ nicht gibt. Je nach Region ist sie sehr unterschiedlich. Der Autor bringt es fertig, dass man gern gleich nach Japan reisen möchte, um alles selbst kennenzulernen. Und diejenigen Leser, die Japan bereits lieben, kommen voll auf ihren Geschmack.

Bewertung vom 24.04.2023
Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
Yagisawa, Satoshi

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki


ausgezeichnet

Schon der Einband dieses Romans wird alle sofort anziehen, die Bücher lieben. Das Mädchen am Fenster mit der Katze deutet auf eine Zeit hin, in der Menschen Gesellschaft brauchen.
Diese berührende Geschichte gehört für mich zu den Büchern, die ich nach Beendigung gleich wieder nochmal von vorn lesen möchte. Zuviel Ungesagtes steht zwischen den Zeilen, das es weiter zu entdecken gilt. Die Protagonistin Takako entdeckt geschockt die betrügerische Liebe, der sie ausgeliefert war. Sie kündigt ihren Job und sucht Zuflucht bei ihrem Onkel Satoru, der ein Antiquariat führt in Jinbocho, dem größten Antiquariatsviertel der Welt in Tokio.
Takako ist bei weitem keine Buchliebhaberin und Vielleserin. Im Gegenteil. Außerdem ist sie so erschöpft von ihrer Enttäuschung, dass sie die ersten Wochen in ihrem Zimmer die ganze Zeit schläft. Es ist ein kleines Zimmer, vollgestopft mit Büchern, die sie erstmal draußen stapelt um Platz zu gewinnen. Das ist die vordergründige Handlung.
Onkel und Nichte haben sich viel zu erzählen. Tante Momoko, die Ehefrau des Onkels ist seit langem verschwunden und niemand weiß warum und wo sie ist. Als sie zurückkehrt bittet der Onkel Takako, Momokos Beweggründe herauszufinden. Später werden die beiden, Nichte und Tante, eine Reise unternehmen. Inzwischen lebt Takako sich ein und erkundet nicht nur die vielen Bücher, die sie zu lesen beginnt, sondern auch die interessante Umgebung, in der sie nun lebt. Sie entwickelt sich zu einer begeisterten Vielleserin. Auch ein Café entdeckt sie und wird nun eine regelmäßige Besucherin und Kaffeetrinkerin. Dort findet sie Bekannte und Freunde und fühlt sich mehr und mehr heimisch.
Dieser Roman berührt in so vieler Hinsicht. Die handelnden Persönlichkeiten sind liebevoll gezeichnet. Liebhaber japanischer Literatur befinden sich hier in einer Fundgrube und entdecken mit Takako viele Titel und ihre Autoren. Yagisawa schreibt eine einfache, trotzdem tiefgehende Sprache. Die Handlung lebt von den Dialogen der Personen und treibt so das Geschehen voran.
Dieses Buch ist ein Muss, wenn man Japan, seine Menschen und ihre Geschichten liebt. Alle, die etwas über Japan erfahren und in diese Welt eintauchen möchten, finden hier das, was sie dahin führen könnte.

Bewertung vom 15.08.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


ausgezeichnet

Nichts ist wie es scheint

Cay Rademacher ist ein Meister der Worte, wie er uns immer wieder in all seinen Romanen zeigt. In seinem neuen Krimi entführt er uns in die Zeit nach dem 1. Weltkrieg, dem Großen Krieg, 1929. Berlin glitzert und die angesehene Kaufmannsfamilie Rosterg geht an Bord der Champillon in Marseille. Ihr Reiseziel ist das Gewürzparadies Maskat. Die Familie wird nach Maskat reisen um Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Auch der Prokurist der Firma Rosterg ist dabei, Lüttgen. Zur Familie gehören der Fotograf Theodor Jung und seine Frau Dora Rosterg, sowie seine Schwiegereltern und der nazibegeisterte Sohn Ernst. Wir werden gleich eingeführt in die Umstände der Protagonisten: Jung – vom Krieg traumatisiert. Lüttgen, der Prokurist, offensichtlich ein hater. Dora, Jungs Ehefrau, die an vielen Dingen interessiert ist – hauptsächlich an sich selbst. All dies lesen wir in einer rasanten Sprache, die die Zeitumstände, die Mode, die Atmosphäre dieser Nachkriegszeit, den Hass der Franzosen auf die Deutschen - eindringlich schildert. Eine geheimnisvolle Atmosphäre umgibt die Menschen auf dem Schiff Champillon. Dazu Rademachers Schilderungen von Landschaften, hier das Meer, die umgebenden Horizonte, die Wolkenbildung, die Inseln die passiert werden - beschwören dies Geheimnisvolle geradezu herauf. Die angelaufenen Häfen werden so geschildert, dass man sich selbst dort wähnt. Man fühlt sich auf dieses Schiff versetzt, und mischt sich unter die überaus interessanten Charaktere der vielen Passagiere, die alle miteinander korrespondieren.
Jung, ein Fotograf der Berliner Illustrirten, bekommt viele Szenen vor seinen Sucher, die mit seinem Auftrag wenig zu tun haben, aber ganz sicher noch wichtig werden. Er liebt Dora, ist aber in ihrer Familie eine Art Außenseiter, weil er kein Kaufmann ist, sondern ein Künstler.
Unbegreifliche Ereignisse nehmen in dieser Geschichte Fahrt auf, nicht zu viel soll verraten werden, aber Theodor Jung wird sich während der Reise mit dem Rätsel auseinandersetzen müssen, wohin so plötzlich seine Gattin Dora verschwunden ist.
Wir kennen Cay Rademachers Schreibstil - immer aufs Sorgfältigste recherchiert, wir lesen anspruchsvolle, bildhafte Prosa. Sicherlich hat es auch eine tiefere Bedeutung, dass der Name des Schiffes – Champollion – gleichzeitig auch der Name des Wissenschaftlers ist, Champollion, geboren 1790 - der die altägyptischen Hieroglyphen entzifferte. Die Ausstattung des Schiffes folgt ganz dem Zeitgeist – überall sehen wir ägyptische Artefakte und Dekorationen. Selbstverständlich nur in der Luxusklasse und nicht auf den Unterdecks.
Bis zum Ende bleibt es spannend, bis es sich schließlich auflöst. Die vielen Wendungen der Geschichte, die immer neuen Überraschungen auf jeder Seite, die vielschichtigen Charaktere machen diesen pageturner der Sonderklasse unvergesslich.
Die Ausstattung des Buches ist sehr geschmackvoll und der Zeit angepasst. Eine Karte der Reiseroute ist vorn und hinten auf dem Vorsatzpapier zu verfolgen. Der Schutzumschlag zeigt “The Folio Society edition of Agatha Christie’s Death on Nile“ Da ist es wohl kein Zufall, dass eine der Passagierinnen Mary Westmacott heißt, ein Pseudonym Agatha Christie’s für ihre romantischen Romane.

Bewertung vom 30.07.2022
Drei Tage im August
Stern, Anne

Drei Tage im August


ausgezeichnet

Diesen Roman möchte ich als ein Buch des Staunens und der Wunder bezeichnen. Er ist eine Erzählung, die viele tiefgründige und bewegende Geschichten enthält. Sie sind alle miteinander verkettet und verwebt und bilden einen Teppich – ja, eine wahre Tapisserie.
Vordergründig geht es um Schokolade, um die Schokoladenfabrik Sawade, die bis heute in Berlin existiert, wie wir aus dem Nachwort lernen. Wir erleben Berlin vor dem Hintergrund der Olympiade, die vom 1. bis 16. August 1936 stattfand. Die drei Tage von denen wir lesen, sind der 5. – 7. August. Es geschieht viel in dieser Zeit, dass niemand, der sie erlebt, je vergessen wird. Die Nazifahnen wehen, die Hitlerjugend belästigt andere Jungen. Ein Wind, dessen Vorboten unheimlich sind, weht in den Straßen, währenddessen elegante Berliner*innen dort flanieren und es sich in den vielen Cafés gut gehen lassen und gespannt die Spiele verfolgen. In diesen drei Tagen treffen sich Menschen, deren Schicksal ein ganz besonderes ist. Da ist der jüdische Buchhändler Franz, der vor einer schweren Entscheidung steht. Geschäftsführerin Elfie des Schokoladenladens Sawade kämpft mit ihren eigenen Dämonen. Ihre Kollegin Trude steht ihr zur Seite und erlebt die Liebe. Elfies schwer kranke Nachbarin, die Conte, erzählt von ihrem Leben, sie hat die Kaiserzeit seit 1880 erlebt. Auch dieses Leben von dem Elfie hört, hinterlässt Spuren in ihr. Abends treffen sich die Nachbarn in der Hamady-Bar von Issa El-Hamady. Elfie tanzt dort und dies verändert sie.
Selten liest man in einem Roman so viel Gustatorisches – der Duft von Schokolade, von Bonbons, von Blumen und den Linden, die die Straße säumen strömt geradezu aus den Seiten. Die Linden spielen auch eine besondere Rolle in der Erzählung. Von ihnen lernen wir viel über Berlin und seine ganz eigene Geschichte.
Sterns Sprache ist magisch. Sie schreibt und wir fühlen ins mitgenommen in die von ihr kreierte Atmosphäre. Nicht nur die Personen sprechen und hören zu, auch die Bonbons im Laden spreizen sich, um jedes Wort zu erhaschen. Als Elfie bei einem kleinen Mädchen Levkojen kauft, raunt ihr die Blütendolde zu, wie arm die Kleine ist. Während sie bei ihrer ganz besonderen Nachbarin, Madame Conte, ein Glas Portwein trinkt, spricht der Wein zu ihr „das werden wir ja sehen“, gerade als Elfie beschließt, dass dieses Glas das letzte sein wird.
Wie diese Geschichte sich entwickelt ist einmalig kunstvoll ausgedacht. Wie sie geschrieben ist, welche Sprache wir lesen ist ein Hochgenuss, gleich einer Praline, die wir uns auf der Zunge zergehen lassen und der weitere folgen müssen, so unwiderstehlich ist ihre Anziehungskraft.
Die Begegnungen dieser Menschen untereinander, von denen wir lesen, verändern in jedem etwas Anderes, etwas, das sie nie in ihrem Leben vergessen werden.