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LizzyCurse

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Insgesamt 82 Bewertungen
Bewertung vom 10.10.2022
Prinzessin auf Probe / Tokyo ever after Bd.1
Jean, Emiko

Prinzessin auf Probe / Tokyo ever after Bd.1


ausgezeichnet

Welchen Spaß Zufallsfunde machen können! Und genau so einer war „Tokyo ever after“ - Ich mochte Izzy von der ersten Seite an. Izzy, und ihre verrückten Freundinnen, die zusammenhalten, wie Pech und Schwefel. Die Truppe ist nicht auf den Mund gefallen. Deswegen fiel es mir leicht, in das Buch zu schlüpfen. Izzy war mir, mir, der sonst eher jugendliche weibliche Protagonisten endlos auf die Nerven gehen, sehr sympathisch. Weil sie ehrlich war. Ehrlich mit sich selbst, mit den Dingen, vor denen sie sich fürchtet und mit den Sachen, die sie mit offenen Armen begrüßt. Diese Ehrlichkeit hat mir die Waffen geklaut (Izzy, ich erwarte, dass du sie mir wieder gibst, haben wir uns verstanden?). Sie ging mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus und Humor an die „Hilfe-mein-Vater-ist-der-japanische-Prinz-Sache“ ran. Und riss mich mit, reizte mich zum Lachen und Fluchen. Und nichts anderes hatte ich von einem leichten Sommerbuch erwartet.



Trotz der Leichtigkeit kamen in dem Buch auch Themen zur Sprache, die nicht so einfach sind. Einerseits ist Izzy in den USA aufgewachsen, in einer Kleinstadt, in der sie als Japanischstämmiges Mädchen in der Minderheit ist. Sie fühlt sich, als sei sie nicht angekommen. Nicht zuhause. Und als sie nach Japan kommt, muss sie feststellen, dass es ihr hier genauso geht. Es soll eine lange Reise werden.



Ich bin übrigens der totale Japan-Freak - folglich habe ich die kleinen Pünktchen und Anekdoten, die über die japanische Kultur und Geschichte eingestreut wurden, richtig genossen. Vor allen Dingen, da es kein Info-Dump war, sondern Anekdoten, die sich gut in die Geschichte integrierten.



Natürlich gab es einen Love-Interest. Aber ich mochte den Kerl und in ihrer Geschichte war wenig Geschmachte. Dafür hatten die zwei Gott sei Dank keine Zeit.

Ich hab mich köstlich amüsiert - und dafür gibts fünf Sterne!

Bewertung vom 10.10.2022
Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Pulley, Natasha

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit


ausgezeichnet

Was soll ich schreiben, nachdem ich dem Leuchtfeuer im Turm den Rücken gekehrt habe. Die letzte Seite umgeblättert habe und mit seltsamen, widerstreitenden Gefühlen zurückgeblieben bin. Gleichzeitig leer und ausgelaugt - aber auch eigentümlich zufrieden. Ich fühle mich geschockt und aufgefangen zugleich. Wie das Sonnenlicht, das nach langen zermürbenden Regen durch die dicke Wolkenschicht blinzelt. Versteht ihr das? Ich muss mich sammeln, um die Worte zu Papier zu bringen.

Von Natasha Pulley bin ich es gewohnt, dass sie schonungslos die Worte auf die Seiten setzt, die geschrieben werden müssen. Beinahe nüchtern geht sie zu Werke und trotzdem bin ich ihrer Art zu schreiben verfallen. Ich, der eine Szene nicht detailliert genug beschrieben sein kann. Hier ist es mir gleich. Hier sind mir ihre sparsamen Worte genug, um meine Fantasie blutige Blüten treiben zu lassen. Ein paar Eimer Sand hier, ein paarmal das Deck gefegt und mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter.

Ich muss das komplizierte Puzzle von allen Seiten betrachten, ehe alle Teile einen Sinn ergeben, so vielschichtig hat Pulley den Plot aufgebaut, der eigentlich auf den ersten Blick so simpel erscheint. Eine Postkarte aus der Vergangenheit lockt einen Mann ohne Erinnerungen zu einem einsamen Leuchtturm, unter dessen Schein sich das Tor zur Vergangenheit öffnet. So weit, so einfach. Ein bisschen erinnert der Klappentext an den Film „Das Haus am See“, oder? Ja, wer einen kuschligen Couchroman erwartet, der süße Szenen aneinanderreiht, der sucht hier vergeblich.

Joe, der erinnerungslose Protagonist, versucht sich anfangs mit seinem Leben zu arrangieren, soweit er es eben vermag. Er ist in meiner Gefühlswelt ein verlorener Charakter, der versucht sich seiner Umgebung anzupassen, um keinen zu verletzten. Um diejenigen nicht vor den Kopf zu stoßen, die es gut mit ihm meinen. Allein dass erfordert eine unglaubliche Stärke, weit mehr noch als einer Postkarte zu folgen, die ihn aus der Vergangenheit erreicht, so habe ich es empfunden. Und ich bin ihm wie ein junges Hündchen auf seinem Weg gefolgt - der ihn direkt in eine Version der blutigen napoleonischen Kriege hineingeführt hat. Auf See. Wie soll ich beschreiben, wie schwankend sich der Boden unter meinen Füßen angefühlt hat? Mir fehlen die Worte dazu, das kann Pulley mit ihren wenigen Worten viel besser.

Authentizität ist wohl das Wort, das meine Gefühlslage am ehesten widerspiegelt. Sie hat mit Joe und Kite und der Hand voll anderen Figuren solche glaubwürdigen Charaktere geschaffen, dass mir nicht nur einmal der Atem wegblieb. Sie sind unbequem, sie lieben, schockieren, überleben und begehen fragwürdige Taten, um das wichtige, das ihnen im Leben geblieben ist, zusammenzuhalten, zu retten. Erinnert ihr euch noch an den Welpen, der ich auf den ersten Seiten war? Der Welpe ist zum Wolf geworden, grollend, mit spitzen Klauen und Zähnen, zum Angriff bereit.

In „The kingdoms“ verarbeitet Pulley schwierige Themen, der Kriegsterror ist allgegenwärtig, die Figuren mehr oder weniger traumatisiert, ohne den Fluch beim Namen zu nennen. Wir sehen nur die zahllosen Auswüchse sprießen, lehnen uns schockiert zurück, lesen den Satz noch mal und sind uns dann sicher, dass sich die Figur wirklich so verhalten hat. Das ist Natashas Kunstgriff, den sie so meisterhaft beherrscht. Sie lässt mich immer glauben, dass die Figuren real sind, sein könnten, und das macht das Buch so fesselnd und grausam zugleich.

Das phantastische Element setzt sie wirklich nur sparsam ein, es gibt ein Tor durch die Zeit, paradox, aber im Buch wird es mehr als Mittel zum Zweck gesehen, als wirklich tiefgründig hinterfragt. Die Auswirkungen rütteln aber an den Fundamenten der Zeit. Die antreibende Frage in dem Buch ist aber, was würden verzweifelte Menschen alles tun, um ihre Gegenwart zu retten? Und diese Frage zieht sich durch die Seiten voller Grausamkeit und Krieg, durchsetzt mit ein paar zarten, seltenen Momenten, denen ich im Verlauf des Buches immer entgegengefiebert habe.

„Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ ist beileibe kein leichtes Buch, durch dessen Seiten man einfach hindurchschlüpft. Wer sich mit Pulleys Stil aber anfreunden kann, der wird mit einer Geschichte belohnt, die sich erst zum Ende wirklich erschließt, wie ein entstehendes Aquarell, dessen Farben erst am Schluss die vom Künstler gewünschte Wirkung erzielen. Wir schauen auf das Bild, auf die ineinander übergehenden Farben und plötzlich erschließt sich das gesamte Bild. Man weiß, was Heimat ist.

Bewertung vom 18.07.2022
How to kill your family
Mackie, Bella

How to kill your family


gut

Was wünscht sich Grace - jung, hübsch, klug - mehr als alles andere? Nein, es ist weder die Tasche von Prada im Schaufenster von Macys noch den sexy Typen in ihrem Bett auf der anderen Seite der Londoner Straße. Grace wünscht sich nur eine Sache - und das ist die Rache an ihrem Vater, der ein höchst erfolgreiches Unternehmen leitet und in der High Society logiert - und der Grace’ Dasein immer ignoriert hat. Schließlich ist es ja das Problem ihrer Mutter, wenn sie nicht acht gibt bei der Affäre und schwanger wird. Damit haben weder Simon, noch seine Ehefrau oder ein anderes Familienmitglied etwas zu tun.

Grace erzählt den Roman aus der Ich-Perspektive auf zwei Zeitebenen in einer höchst amüsanten Sprache. Man könnte meinen, sie würde sarkastische Anekdoten zwischen einem schaumigen Latte mit Freundinnen tratschen. Doch weit gefehlt, Grace hockt in einem Gefängnis, für einen Mord, den sie nicht begangen hat - und erzählt dem werten Leser detailliert von Morden, die sie auf jeden Fall begangen hat - nämlich die an Simons Familie, den sie einem nach dem anderen um die Ecke gebracht hat.

Der Plot hat mich sehr gereizt. Das Motiv - Rache - findet man ja in vielen Romanen, aber selten aus der Perspektive der Täterin (ich habe es jedenfalls selten aus ihrer Perspektive gelesen). Also auf ins fröhliche Morden! Die ersten zwei, drei Morde habe ich mit Vergnügen gelesen (nicht so wie ihr denkt!), dann aber wurde mir die Aneinanderreihung zu viel. Die Varianten, wie das Mädchen jemanden um die Ecke bringt, waren zwar einfallsreich, aber mir hat die emotionale Tiefe gefehlt. Grace, obwohl ich die ganze Zeit in ihrem Kopf war, blieb mir unnahbar, beinahe nüchtern, wie sie über die Morde schrieb. Beinahe hatte ich das Gefühl, sie schreibt über einen Zahnarztbesuch. Mir fehlten die Abgründe, die sie mit Sicherheit durchlaufen haben muss, damit sie beschließt, eine ganze Blutlinie auszulöschen. Eine Begründung, warum sie die Rache will, wurde zwar gegeben. Aber ich habe es nie richtig gefühlt. Die Emotionen blieben immer wohl dosiert an der Oberfläche. Ich habe Grace selten als berührt empfunden. Oder als sympathisch. Schade! Ich hätte so gerne mit ihr gefühlt, mit ihr gezittert, oder hätte ihren Zorn gespürt. Irgendetwas empfunden. Aber diese Ebene übermittelte die Autorin mir leider nur unzureichend.

Lachen musste ich über die überaus sarkastisch gewählte Sprache. Der Wortwitz, der gern in besonders dunklen Ecken lauerte, traf mich oft überraschend unvorbereitet und entlockte mir ein Grinsen. An Mut und Witz mangelt es unserer Protagonistin nicht, das könnt ihr mir glauben! Sie manövriert im Laufe der Mordgeschichte durch so manche skurrile Situation.

Was soll ich sagen nach der Reihe von Morden, die mich nur mäßig schockiert haben? Der Plot war richtig gut, die Sprache triefte vor Sarkasmus und das Buch hatte die emotionale Tiefe einer flachen Pfütze. 3,5 Sterne gibt es von mir.

Bewertung vom 18.07.2022
Blut der Drachen / Die Regenwildnis Chroniken Bd.4
Hobb, Robin

Blut der Drachen / Die Regenwildnis Chroniken Bd.4


ausgezeichnet

Stolz. Das ist das stärkste Gefühl, das ich empfinde, wenn ich über die Figuren nachdenke, die mit mir gemeinsam durch die Regenwildnis, den Fluss hinauf bis nach Kelsingra gereist sind. Am Ende dieses letzten Bandes der Regenwildnis-Chroniken. Stolz! Sie haben mich manchmal genervt, manchmal in den Wahnsinn getrieben. Trotzdem sind sie zu einer trotzigen Gemeinschaft zusammengewachsen, die das Fundamt der neuen Kelsingrasiedler bilden. Sie sind stark geworden, und wie stark! Alise, Sedric, die Hüter, der Kapitän. Ich muss selbst den eingebildeten, egoistischen Drachen meinen Tribut zollen, obwohl ich während der Reise manchmal meine Probleme mit ihnen hatte. Die Figuren sind es, mit denen die Regenwildnis von Robin Hobb lebt. Meisterhaft versteht sie es, Charakterzüge im ersten Band anzulegen, die sie nun herausarbeitet wie ein kluger Schnitzer aus einem Stück Holz. Ich habe mit ihnen gelitten. Geliebt. Mein Herz schlug heftig, wenn sie an einen Scheideweg kamen, an dem Entscheidungen von ihnen gefordert wurden. Am Ende tat es mir so weh, die Figuren zurücklassen zu müssen. Ich wäre am liebsten in einen der Paläste in Kelsingra gezogen. Hey, mit den Drachen käme ich zurecht und ein Uraltengewand würde sicher auch noch für mich abfallen! Genau diese Gefühle sind es, für die ich die Autorin so liebe. Ich habe immer noch das Gefühl, ich müsste einfach nur den Arm ausstrecken und Kelsingra berühren.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass in diesem vierten Band soviel erforscht wurde von der scheinbar untergegangenen Stadt. Alise oder Sedric oder die Hüter haben diese Stadt durchstreift und Wunder entdeckt, die Kelsingra für mich lebendig gemacht haben. Diese Streifzüge habe ich so genossen, besonders da Hobb dieses Erforschermotiv mit Erinnerungsmagie überlappt, ohne dass es einmal gekünstelt wirkt. Zum Beispiel sieht die Hüterin Thymara Erinnerungsfragmente in der Stadt, während sie diese erforscht. So ist das Wissen nicht ganz so tief verborgen. Und Kelsingra lebt unter ihren Händen!

In dieser Reihe aus ihrem Universum hatte ich zudem das Gefühl, Robin Hobb hat sich bei ihren Charakteren ausgelebt. Sie hat ihnen die Entwicklung auf den Leib geschrieben, die sie in den Weitsehern nicht offensichtlich schreiben konnte, da sie die Figuren anders angelegt hat. Hier hatte sie mit neuen Figuren die Freiheit, und sie hat sie genutzt.

Das Erzähltempo ist angenehm für mich (gut, im Vergleich zu anderen Romanen, die auf Action setzen, ist es langsam, aber in Hobbs Welt passt es sehr gut!). Zwischendrin war ich einfach nur noch gefangen von den Beschreibungen, von der Kraft, die die Erzählung an den Tag legte. Hobb ist einfach meine Queen. Und ja, ich musste über die Zwischenmahlzeit der Drachen gehässig lachen.

Mit dem letzten Band setzt Hobb Puzzleteile in das Reich der Uralten, die für mich eine andere Perspektive eröffneten. Ich kenne die anderen Bücher aus dem Universum, auch die späteren. Trotzdem gab es für mich noch mal ein paar Erkenntnisse, die bei mir für glänzende Augen gesorgt haben. Ich würde jedoch allen empfehlen, die Teermann nicht ohne Kenntnisse aus den anderen Weirseher-Büchern zu besteigen, denn gänzlich ohne wird es eine holprige Reise, die sich manchmal zieht.

Was bleibt mir zu sagen, außer dass es eine bereichernde Reise war! Tränchen inklusive, denn für mich ist das Puzzle nun komplett. Ich sehe das große Reich der Uralten in Gänze vor mir, und es schmerzt zu wissen, dass ich es nur noch auf bekannten Pfaden besuchen kann.

Bewertung vom 27.06.2022
Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2 (eBook, ePUB)
Pötzsch, Oliver

Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Rückkehr nach Wien und zu Leo, Julia und Rothmayer fiel mir nicht schwer. Im Gegenteil. Ich war schon ganz aufgeregt, wieder an ihrer Seite durch die Straßen und über den Zentralfriedhof von Wien zu streifen und auf Verbrecherjagd zu gehen. Und ich wurde nicht enttäuscht - wieder geht es um knifflige, blutige Morde. Diesmal haben wir es sogar mit einem von der besonders makabren Sorte zu tun. Auf der einen Seite werden Stricherjungen ohne Glied und bestialisch zugerichtet aufgefunden, auf der anderen Seite taucht eine frische Mumie auf, die sich als die Leiche eines renommierten Wissenschaftlers entpuppt. Leo muss an zwei Fronten ermitteln, genauso wie Julia an ihre Grenzen gerät über den blutigen Tatorten, die sich auf Fotos bannen muss.

Ermittlungen in Wien? Immer - aber nur an Leos Seite. Er ist ein Piefke wie er im Buche steht - ein eingebildeter Angeber, aber einer mit dem Herz am rechten Fleck und nicht auf den Kopf gefallen. Das Buch ist einmal mehr aus seiner und Julias Sicht erzählt und ich liebe die unterschiedlichen Ansichten, die das Paar verkörpert. Im Laufe dieses zweiten Bandes der Reihe muss sich Leo jedoch auch fragen, was er will und welchen Weg er einschlagen möchte. Denn Julia - seine Freundin - bringt andere Voraussetzungen mit als Leo gewohnt ist. Die Chemie zwischen den beiden stimmt - explosiv und einig halten sich hier die Wage und sie macht unglaublich neugierig auf den Fortgang der Geschichte - und ehrlich - die Beziehung zwischen den beiden brachte mich auch häufiger zum Kichern, als ich zugeben möchte. Oliver Pötzsch hat mit den beiden einfach ein cooles Gespann in den historischen Wiener Kontext gesetzt, von dem auch jeder Einzeln stark, mutig und gewitzt sein kann. Danke für die starken Charaktere!

Der extreme Gegensatz zwischen der High-Society der Wissenschaft und den ermordeten Stricherjungen ist gut gelungen. Man bewegt sich sowohl in den dreckigen Seitenstraßen als auch in noblem Häusern. Die Mischung macht’s - und ich wechselte gern die Schauplätze ohne Leos oder Julias Plot zu vermissen. Die Ägytologie, die in die Geschichte mit eingeflochten war, fand ich auch als Nicht-Ägypten-Nerd ziemlich spannend. Immerhin bewegt man sich da unter kundigen Wissenschaftlern - da fallen schon mal ein paar Fachwörter, aber dank den Auszügen aus Augustin Rothmayers Auszügen aus „Totenkulte der Völker“, die er exklusiv für diesen Roman zur Verfügung gestellt hat, konnte ich auch damit glänzen wie ein Ägyptenprofi.

Der Roman hat mich sehr gut unterhalten - sowohl auf der kriminalistischen Ebene (Leo und seine Kollegen werden wohl nie die besten Freunde, aber dass sie zusammenarbeiten können, haben sie hier bewiesen!) als auch auf der zwischenmenschlichen. Ich freue mich schon auf den nächsten Ausflug in die Wiener Unterwelt.

Bewertung vom 12.06.2022
Talberg 1977 / Talberg Bd.2
Korn, Max

Talberg 1977 / Talberg Bd.2


sehr gut

Ich habe meine Sachen gepackt und mich ein weiteres Mal auf die Reise nach Talberg begeben. Hatte ich denn von der ersten Begegnung mit dem düsteren Ort, der am Berghang klebt wie ein Giftpilz am knorrigen Baum, nichts gelernt? Nein, wohl nicht. Ich wusste aus der Vergangenheit ja, dass Talberg ein gefährliches (nicht beschauliches) Dörfchen ist und auch, dass nicht alle (un)bescholtenen Bürger überleben. Aber die Geschichte, die sich im Jahr 1977 ereignete, kroch mir unter die Haut und baut sich da ihr Spinnennetz.

Talberg 1977 ist der zweite Roman der locker verknüpften Talberg-Reihe - der Leser reist einmal 1935, 1977 und das letzte mal 2022 in das Dörfchen - und immer herrscht die selbe bedrückende düstere Atmosphäre. Ich glaubte wirklich, ich stände im Schatten des Berges wie das Dorf selbst. Die Schatten kriechen aus den Seiten, ich sah sie in den Augen der Figuren. Kurzum - der Autor erzeugte gekonnt eine beklemmende Stimmung, die zur Handlung passt wie ein Abziehbild.

Wir folgen Maria - die im Dorf als betagte Kräuterhexe verschrien ist und folglich ein einsames Leben fristet. Ich habe Maria schätzen gelernt. Ich fühlte mich im Buch beinahe wie ihre Verbündete. Natürlich war Maria (wie übrigens keine Figur, die im Buch vorkommt) nicht vollkommen makellos. Hat geliebt und Traumata durchgemacht, die sie geprägt haben. Teilweise waren diese für mich - leise erzählt - umso eindringlicher. Um die Dorfhexe herum gruppieren sich mit zunehmender Seitenzahl seltsame Ereignisse. Menschen verschwinden. Dubiose Briefe tauchen auf. Und alle Spuren verlaufen sich auf unebenen Waldpfaden. Ich begann, selbst Hypothese aufzustellen. Weiß die ehemalige Bäckerin Traudl mehr? Was wird in der Schankwirtschaft über die Bierkrüge hinweg getuschelt?

Gleich ob unten im Dorf oder bei Maria in der Waldhütte. Die Spannung war immer zum Greifen nah. Mal dünn wie Spinnenseide, mal dick wie eine Eisenkette. Sie hat mich durch die Geschichte geleitet - die manchmal in die kriminalistische Sparte schlägt, oftmals aber auch mysteriös bleibt. Wie es sich für so einen kleinen Ort an der deutschen Grenze gehört. Ein paar Dinge bleiben immer ungeklärt, werden unter feuchten Tannennadeln verscharrt. Und das ist gut so, in diesem Dorf, in diesem Buch hatte ich auch nicht das Gefühl, alles wissen zu müssen und jedes Geheimnis lüften zu müssen. Gerade das Mysteriöse übte einen ungeahnten Reiz auf mich aus. Die verzweigten Beziehungsgeflechte, die Andeutungen, die im Dorf getratscht werden. Das hat mich richtig mitgerissen.

Ich bin sehr gespannt, ob noch ein paar Talberg-Geheimnisse auf meiner nächsten Reise aufgedeckt werden oder ob sie im Dunkeln bleiben. Denn einige Geheimnisse überdauern die Zeit.

Einzig für das Ende hätte ich gern ein paar mehr Seiten gesehen. Es wäre sicher nichts an der geheimnisvollen Aura des Buches verloren gegangen, wenn die Schläge nicht im Stakatotakt erfolgt wären.

Bewertung vom 29.12.2021
Die Totenbändiger - Band 18: Zwillingskräfte (eBook, ePUB)
Erdmann, Nadine

Die Totenbändiger - Band 18: Zwillingskräfte (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Und munter geht es weiter mit meiner allerliebsten Totenbändigerfamilie. Im Zentrum steht diesmal Cam und sein Geminus. Ich hatte beständig das Gefühl, dass er unbedingt - über alle Grenzen hinaus - lernen will, mit ihm umzugehen. Was nur verständlich ist - immerhin trägt er einige Verantwortung auf seinen Schultern. Trotzdem kommt immer wieder das Unsichere durch - er will trotz allem den Spagat schaffen zwischen seinen neuen Kräften und der Sicherheit seiner Familie. Die ganze Thematik hat Nadine sehr einfühlsam beschrieben wie ich finde! Dank Cams Lernprozess war diese Folge ziemlich Action- und Geisterreich - ich mag die Actionszenen ja sehr gerne 3 Den weitläufigen Park hat Nadine bildhaft beschrieben - ich hatte beständig das Gefühl, mit den Freunden auf gefährlicher Geisterjagd zu sein. Cams neue Kräfte erwecken ungeahnte Möglichkeiten.

Die Szenen zwischen den Geschwistern haben für mich deutlich den Zusammenhalt zwischen ihnen gezeigt. Ich lieb die Geschwister und Freunde einfach so sehr! Die Chemie zwischen ihnen stimmt.

Auf der anderen Seite kommt mir Blaine immer gruseliger vor. Langsam formt sich der Plan vor uns Lesern aus - er will Macht - natürlich will dieses abscheuliche Individuum Macht - es kann ja gar nicht anders sein. Stellt sich nur die Frage, wer das Kräftemessen gewinnen wird. Er mit seinen Kräften oder aber sein Vater, der genauso düstere Pläne verfolgt.

Alles in allem hat mir diese Folge der Totenbändiger wieder viel Spaß gemacht und mich erwartungsfroh zurückgelassen. Immerhin planen unsere Freunde Urlaub am Strand im Cornwall (etwas, das ich mir für sie schon seit der letzten Staffel sehnlich gewünscht habe!) - Nun, ein ganz lauschiger Urlaub wird es gewiss nicht, aber vielleicht haben sie doch ein paar entspannende Momente? Ich hoffe es auf jeden Fall sehr!

Bewertung vom 16.08.2021
Die Verstoßenen
England, M. K.

Die Verstoßenen


sehr gut

Die Verstoßenen von M. K. England

Was macht ein angehender Pilot, wenn er (von der Pilotenakademie geflogen) mit einer Handvoll anderer Verstoßener auf das schmachvolle Raumschiff gen Erde wartet und dabei die Station angegriffen wird? Natürlich - er flieht in einem Raumschiff mit den anderen Verstoßenen. Dass sie als einzige Zeugen des Angriffs kurze Zeit später quer durch die Galaxie gejagt werden, hatten sie leider nicht auf dem Schirm.

Der Dreh- und Angelpunkt war für mich jedoch nicht die Story. Nein, der war Nax. Nax, der angehende Pilot, der seine Zulassungsprüfung versemmelt und aufgeladen ist mit allerlei Gefühlen, frisch und alt gleichermaßen. Nax, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird und der nicht auf den Mund gefallen ist - oder seinen Gedanken des Öfteren mal freien Lauf lässt. Ich mochte ihn auf Anhieb. Er spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, nimmt kein Blatt vor den Mund und sorgt einen unendlichen Strom an Lachflashs im Buch. Er ist einfach cool. Gleichzeitig übernimmt er Verantwortung, von der ersten Minute, in der es die Situation von ihm fordert. Ich würde sofort mit dir in ein Raumschiff steigen, Nax!
Genau das wird auch von den anderen Crewmitgliedern erwartet - sie sind sich zu Beginn noch nicht so ganz einig, ob sie die halsbrecherische Flucht wagen sollen, geschweige denn mit Nax als Pilot. Es ist ein langer Weg vom Misstrauen zum Vertrauen und schließlich zur Freundschaft. Diesen Weg hat M. K. England richtig gut gezeichnet. Ich habe die kleinen Teile gesehen, in denen ihre Zugehörigkeit gereift ist. Die Autorin hat wirklich ein Talent für zwischenmenschliche Beziehungen und spritzige Dialoge.
So flog ich förmlich durch das Abenteuer - Action und Freundschaft halten sich im Roman wunderbar die Wage. Stellenweise hat mich die chaotische Truppe wirklich an „Guardian of the Galaxy“ erinnert. Herrlich!

Doch so schön die Charaktere gezeichnet sind und so genial der Witz und die Action im Roman ihren festen Platz finden, so schade ist es, dass der Plot nur an der Oberfläche kratzt. Zugegeben, es ist ein relativ dünner Roman - ich hatte keinen unglaublich detaillierten Plot erwartet, aber an manchen Stellen war das Plotnetz arg dünn, so dünn, dass es immer wieder durch den Faden Zufall geflickt werden musste. Natürlich kann im Verlauf einer Geschichte den Figuren hin und wieder der Zufall zu Hilfe kommen, ganz klar. Solche sparsam eingesetzten Ereignisse überraschen und begeistern mich auch. In „Die Verstoßenen“ lauerte der Zufall jedoch an jeder Ecke - so oft, dass es mir leider negativ aufgefallen ist.

Trotz meiner Kritik ist das Buch für mich richtige gute Laune Lektüre. Es macht verdammt viel Spaß, den Figuren auf die Planeten und durch die Galaxie zu folgen. Dass sie dabei schlicht zu Freunden werden, geschieht einfach so nebenbei! Fazit? Ein Buch das von Humor, Action und Charakteren lebt. Wer nicht zu viel Wert auf ein unglaublich detailliertes Worldbuilding legt und ein paar Zufälle verkraften kann, bekommt hier ein Buch geliefert, das einfach nur gute Laune macht und prächtig unterhält.

Bewertung vom 01.07.2021
Kate in Waiting
Albertalli, Becky

Kate in Waiting


sehr gut

Kate ist ein MusicalKid und stolz darauf. Proben, auf der Bühne stehen, vor Nervosität den Schweiß auf der Stirn spüren: Das ist ihre Welt, ihre eigene Welt in dem ganzen HighSchool Chaos. Sie bewältigt sie mit Witz, mit viel Ironie und natürlich nicht zu vergessen mit ihrem besten Freund Anderson. Die beiden teilen alles miteinander: Ihre Liebe zu Musicals, ihre Leidenschaft, ihre Geheimnisse und ihre Schwärmereien. Was wäre schließlich ein Schwarm, ohne dass Kate mit dem besten Freund darüber quatschen könnte? Richtig, er wäre wie ein Erdbeereisbecher ohne Erdbeeren! Doch als sie Matt Olssen im Theater-Kurs kennen lernen, verändert sich etwas in dem Gefüge. Matt – musikalisch, gutaussehend, anziehend und witzig – ist alles, was sich die beiden erträumen können und aus harmloser Schwärmerei wird Verliebtheit …

Was sich wie eine Mischung aus der Fernsehserie „Glee“ und einer Teenie Story anhört, ist genau das und trotzdem noch viel mehr. Die Geschichte kommt überdreht und glitzernd daher, üppig und herrlich witzig. In Kate, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, konnte sich mein Teenie-Ich richtig hineinversetzen. Ihre Gedankengänge waren herrlich überdreht, zuckrig, süß. Immer standen zwei Pole im Mittelpunkt: Ihr bester Freund und ihre erste große Liebe. Und die Frage, wie fragil Freundschaft sein kann. Kann sie es überleben, wenn die zwei in den selben Typen verknallt sind. Wenn ein neuer Player das Band (unwissentlich) strapaziert?

Das Buch liest sich locker und leicht – und doch werden unterschwellig schwierige Themen angesprochen. Wer bin ich, wo will ich hin und wie will ich mich entwickeln. Wie gehe ich mit den Menschen in meinem Umfeld um? Wie werde ich im Gegensatz gesehen? Das sind Fragen, mit denen Kate im Laufe der Geschichte konfrontiert wird.

Das Umfeld von Kate war für mich ein kleiner FanGirl-Moment – ich mag „Glee“ sehr – und die Geschichte strahlt eindeutig Glee-Vibes aus. Die Proben, die Gemeinschaft, der Zusammenhalt, die Scherze untereinander, die Musical-bezogen sind. Ich musste das ein oder andere Mal wirklich schmunzeln.

Natürlich. Becky hat hier das Rad nicht neu erfunden. Das muss sie aber auch nicht. Ich konnte mich in dieses Buch fallen lassen, ich ahnte, in welche Richtung die eifrigen Proben liefen und konnte mich zurücklehnen, als der Vorhang sich öffnete. Manche Dramen werden für meinen Geschmack zu sehr gepuscht. Aber „Kate in Waiting“ macht Spaß und ist luftig zu lesen – und darauf kam es mir an.

Bewertung vom 27.03.2021
Das Flüstern der Bienen
Segovia, Sofía

Das Flüstern der Bienen


ausgezeichnet

Melancholisch, hoffnungsvoll, traurig, süß und witzig und voller kleiner und großer Wunder – ich glaube, es ist zu sehen, wie tief ich mit diesem Buch mitgefühlt habe und wie stark der Protagonist mein Herz berührt hat. Denn das hat er – das hat er wirklich.



Der Roman ist eine Erinnerung – und diese Erzählstruktur bringt es mit sich, dass eben nicht schön und entspannt nach der Reihe erzählt wird. Der Leser springt im Leben des eigentlichen Protagonisten und der Erinnerung von ihm an Erzählungen an die Zeit davor hin und her und verliert trotzdem nicht den roten Faden, der sich klar mit Simonopio und seinen Bienen und seiner Gabe der Voraussicht durch das gesamte Buch zieht – das ist eine Gabe, die die Autorin so gut einzusetzen weiß und die neben anderen Dingen das Buch für mich zu einem kleinen Juwel macht. Ihr Schreibstil liest sich so flüssig und samtig wie guter Honig, und sie versteht es, den Leser zu fesseln und um den Finger zu wickeln.



Das Buch spielt Anfang des 20. Jahrhunderts in Mexiko – Simonopio wird als Baby von einer Nana gefunden, über und über mit Bienen bedeckt. Er geht eine Symbiose mit ihnen ein, die im Buch nicht näher erläutert wird, die die Figuren mit anfänglichem Entsetzen, später mit zunehmendem Gleichmut hinnehmen. Gerade weil es nicht näher erläutert wird, hat das Buch für mich eine mystische Komponente und die Bienen werden spielend zu einem wichtigen Teil der Geschichte wie die menschlichen Figuren.



Was hat mich nun so fasziniert? Es ist unglaublich schwer zu beschreiben: Simonopio und die Figuren um ihn herum, besonders der kleine Sohn des Hacienda-Besitzers Francisco, strahlten so viel Wärme und Lebensfreude aus, sie wirkten echt und real und mussten auf hartem oder leichtem Weg die Lektionen des Lebens lernen. Ich habe ihre Angst, ihre Trauer, ihre unbändige Lebensfreude und die feinen Misstöne des Zusammenlebens gespürt und die Dramatik, die das Leben manchmal schreibt, am heftig klopfenden Herzen gefühlt. Es war einfach so berührend, es fällt mir unglaublich schwer, es in andere Worte zu kleiden. Das Buch hält so viele Wahrheiten bereit, erhebt aber nicht den mahnenden Finger, nein, so nicht. Mir kamen Gedanken in den Sinn, die nur zwischen den Zeilen stehen: Gedanken über Vergebung, Freundschaft, Abschied, Verlust und lose Fäden, die am Ende wieder verknüpft werden.



Sofia Segovia hat für mich ein tolles Setting erschaffen, ich fühlte mich zuhause auf der Hacienda zwischen den Orangenbäumen und Zuckerrohrfeldern, in der sengenden Hitze und dem Geruch nach Honig. Und das ist das wichtigste.