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Benutzername: 
wacaha
Wohnort: 
Ba-Wü

Bewertungen

Insgesamt 43 Bewertungen
Bewertung vom 04.03.2023
Uns bleibt immer New York
Miller, Mark

Uns bleibt immer New York


gut

Die Pariserin Lorraine arbeitet erfolgreich in der Werbebranche und möchte bald eine Tochterfirma in ihrer Geburtsstadt New York eröffnen. Dort ist sie bei ihrem Vater, einem reichen Galeristen, aufgewachsen und hier hat sich auch ihre Leidenschaft für Kunst herausgebildet. Aktuell steht in New York das Lieblingsbild ihres vor vielen Jahren ermordeten Vaters, „La Sentinelle“ zum Verkauf. Lorraine ersteigert es, wird nach der Auktion aber brutal auf dem Heimweg überfallen. Handelt es sich dabei um den Stalker, der behauptet der Mörder ihres Vaters zu sein und der sie bereits in Paris belästigt hat? Glücklicherweise greift der Maler Léo in den Überfall ein und kann den Angreifer in die Flucht schlagen. Zwischen ihm und Lorraine ist es Liebe auf den ersten Blick doch Léo hat ein Geheimnis, dass er Lorraine unmöglich erzählen kann.
„Und bleibt immer New York“ ist ein Buch, das ich schlecht in ein bestimmtes Genre einordnen kann. Es hat sowohl Elemente von Lovestory, Familiendrama, Krimi bzw. Thriller, Reiseliteratur und Sachbuch bezüglich moderner Kunst. Also leider ein bisschen alles und nichts. Dementsprechend überfrachtet und verwirrend hat das Buch an vielen Stellen auf mich gewirkt, ein klarer Fokus oder roter Faden war nicht erkennbar. Es gab neben der eigentlichen Story unheimlich viele Nebenschauplätze, die teilweise unnötig, teilweise mehr oder weniger geschickt eingebaut wurden, um den Leser auf die falsche Fährte zu führen. Dies hat an vielen Stellen ungelenk gewirkt und mich die eigentliche Geschichte fast vergessen lassen. Inhaltlich was es für meinen Geschmack einfach viel zu viel, was der Autor hier unterbringen wollte.
Dennoch ging die Geschichte gemächlich los und hat sich in Teilen sogar gezogen, während sich am Ende die Ereignisse überstürzt haben. Die Auflösung hat mich persönlich dann enttäuscht, ich hätte mir gewünscht, dass die einzelnen Handlungsstränge mehr zusammenhängen und sich ineinander verweben. Dies war nur in Teilen der Fall und somit einige Nebenstränge eher verwirrend. Des Weiteren wirkte die Auflösung am Ende auf mich etwas weit hergeholt und sehr konstruiert
Gut gefallen hat mir indes der Bezug zur Stadt New York, die ich wirklich vor meinem inneren Auge sah. Das Cover lässt auch sofort erkennen, in welcher Stadt das Buch spielt. Es gefällt mir sehr gut, hat aber zugegebenermaßen mit der Geschichte an sich wenig zu tun. Auch konnten einige Nebenfiguren überzeugen, während die beiden Protagonisten etwas stereotyp und unnahbar wirkten. Auch hat sich ihre Liebesgeschichte sehr schnell und somit für mich in dieser Intensität nicht nachvollziehbar entwickelt.
Der Erzählstil war einfach gehalten und somit hat sich das Buch sehr schnell lesen lassen. Eine gute Idee war die New-York-angelehnte Playlist mit Musik aus verschiedenen Genres, die genannten realen Kunstwerke als Kapiteleinteiler und die Zitate aus den Songs. Leider hat mir aber auch hier wieder der Bezug zur Story gefehlt, so waren sie nur ein nettes Begleitelement ohne wirklichen Mehrwert.
Insgesamt fand ich das Buch ganz angenehm zu lesen, aber nicht das Highlight, das ich mir davon versprochen hatte. Es laufen einfach zu viele Stories parallel auf einmal, die für meinen Geschmack auch noch unbefriedigend geendet haben, da sie nicht wirklich geschickt miteinander verwoben werden konnten. Auch blieben mir die Protagonisten fremd. Die Idee hatte großes Potenzial, welches leider in meinen Augen aber nicht komplett ausgeschöpft werden konnte. Schade.

Bewertung vom 22.01.2023
Northern Spy - Die Jagd
Berry, Flynn

Northern Spy - Die Jagd


gut

Tessa ist Redakteurin der BBC im nordirischen Belfast und alleinerziehende Mutter des kleinen Finn. An das Leben in einer Stadt, in der die Menschen ständig mit Attentaten und Anschlägen rechnen müssen, hat sie sich gewöhnt und auch die tägliche Berichterstattung als Journalistin ist für sie alltäglich. Bis eines Tages ein bekanntes Gesicht auf dem Bildschirm der Redaktion erscheint: Ihre Schwester Marian soll am Überfall auf eine Tankstelle beteiligt sein. Viel schlimmer noch, sie scheint Mitglied der IRA zu sein. Tessa weiß nicht mehr was sie glauben soll und gerät immer tiefer in den Strudel aus politischen Entscheidungen, Misstrauen und konkurrierender Mächte.

„Northern Spy – Die Jagd“ von Flynn Berry wurde mit dem Edgar Award prämiert und von der „Washington Post“ als einer der besten Thriller des Jahres bezeichnet. Für meinen Geschmack weckt dies etwas falsche Erwartungen, da ich das Buch nicht als klassischen Thriller eingestuft hätte. Natürlich hat es seine spannenden Momente, für diese Bezeichnung fehlt es mir aber an permanenter Hochspannung und aufregender Elemente. „Northern Spy“ hingegen ist eine interessante und unterhaltsame Erzählung, aber der Spannungsbogen hielt sich meines Dafürhaltens in Grenzen.
Das Cover zeigt ein Haus auf einem grünen Hügel vor dem Meer. Es wirkt idyllisch, doch der verschwimmende Titel impliziert bereits, dass diese Idylle trügt. Es wird auf den ersten Blick deutlich, dass Irland der Schauplatz des Geschehens ist.

Inhaltlich ist das Buch in drei Teile unterteilt, die einzelnen Kapitel sind meist eher kurz. Der Schreibstil ist einfach gehalten, so dass es sich schnell und flüssig lesen lässt. Es wird aus Tessas Perspektive in der "Ich"-Form erzählt, so dass ihre Gedanken, Sorgen, Emotionen und Beweggründe intensiv geschildert werden. Dennoch konnte ich manche Handlungen und Entscheidungen der Protagonistin nicht wirklich nachvollziehen, so dass ich nur eingeschränkt Zugang zu ihr gefunden habe. Große Teile des Buches widmen sich ihrem Alltag als Mutter und der Beziehung zu ihrem Sohn Finn. Für meinen Geschmack hat dieser Teil sehr viel Raum eingenommen und war teilweise etwas zu ausführlich und detailliert, was zudem den spannenden Teil der Geschichte ausgebremst hat. Dieser hat meiner Meinung nach in Tessas Zwiespalt zwischen ihren Idealen, dem Wunsch etwas zu verändern und dem Schutz ihres Sohnes gelegen. Ihre Zerrissenheit, dass sie nie weiß was real ist, wer auf welcher Seite steht und wem sie wirklich vertrauen kann wurde gut geschildert. Die im Klappentext geschilderte Entscheidung zwischen ihrer Schwester und ihrem Sohn hab ich allerdings so nicht wahrgenommen. Auch das Ende konnte mich nicht überzeugen, da es sich die Autorin hier etwas zu einfach gemacht hat: Ich empfand es als schnell abgehandelt und weich gespült.

Was mir insgesamt gut gefallen hat war die realitätsnahe Darstellung des Nordirland-Konflikts und dessen Auswirkungen auf den Alltag der Menschen vor Ort. Auch wenn ich nicht komplett durchgeblickt habe fand ich die vermittelten Informationen sehr interessant und Lehrreich. Etwas mehr Hintergrundgeschichte oder ein entsprechender Anhang wäre wünschenswert gewesen.

Insgesamt war „Northern Spy – Die Jagd“ für mich ein unterhaltsames, wenn auch nicht hochspannendes Buch. Obwohl es ein wichtiges Thema behandelt konnte es mich leider nicht wirklich emotional erreichen, was ich sehr schade fand.

Bewertung vom 15.01.2023
Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1


sehr gut

Nach einigen Jahren in der Landeshauptstadt Reykjavik kehrt Polizistin Elma zurück in ihre ländliche Heimatstadt Akranes. Hier kennt jeder jeden und auf den ersten Blick scheint hier eine heile Welt zu herrschen. Doch dann passiert, was hier eigentlich nie passiert: Es geschieht ein Mord. Elma und ihre neuen Kollegen werden zum alten Leuchtturm gerufen, eine unbekannte Frau treibt tot im Wasser. Elma beginnt nachzuforschen und deckt die Identität der Toten auf. Eine Suche nach dem Mordmotiv und Schuldigen beginnt, der die Polizisten von Akranes tief in die Vergangenheit führt und Geheimnisse der verschwiegenen Gemeinschaft des Örtchens ans Licht holt.

„Verschwiegen“ ist das Roman-Debüt der isländischen Autorin Eva Björg Ægisdóttir, welcher direkt auf den Bestseller-Listen landete und mit dem Blackbird-Award ausgezeichnet wurde. Der Titel des Buches passt sehr gut zum Inhalt der Geschichte und auch die auf dem Cover abgebildeten Leuchttürme spielen dort eine zentrale Rolle. Mir gefällt das Schwarz-Weiß des Titelbildes vor der blutroten Schrift sehr gut, es lässt sofort auf einen Kriminalroman schließen. Ebenfalls toll an der Aufmachung fand ich die Karten von Island in den inneren Buchdeckeln. So konnte ich die Geschehnisse auch gleich räumlich verorten und mir ein Bild der Geographie machen.

Der Schreibstil der Autorin lässt sich gut verfolgen, die Geschichte hat es nach und nach geschafft mich mit ihrer düsteren Atmosphäre und dem durchdachten Plot zu fesseln. Leider war der Anfang für mich etwas beschwerlich, da sehr schnell sehr viele Personen ohne scheinbaren Zusammenhang zueinander aufgetaucht sind und ich auch Schwierigkeiten mit den unbekannten isländischen Namen hatte. Dies war zu Beginn sehr verwirrend, hat sich aber mit Fortlauf der Geschichte geändert. Spannend fand ich die zwischengeschobenen Rückblicke in die Vergangenheit, die mit der Geschichte immer mehr an Brisanz gewinnen. Authentisch beschrieben fand ich auch die Landschaften vor Ort, die sehr mühselige und kleinteilige Polizeiarbeit und das soziale Gefüge der Gesellschaft einer Kleinstadt mit all seinen Vor- und Nachteilen. Für mich hätte es an manchen Stellen etwas schneller voran gehen können, die Polizei tappte doch recht lange im Dunkeln. Gegen Ende nimmt die Story hingegen an Fahrt auf, die losen Fäden führen zusammen und die Ereignisse sowie Erkenntnisse überschlagen sich. Leider war ich mit dem Ende überhaupt nicht konform, es hat sich für mich einfach nicht wie das Ende angefühlt. Es kam sehr überraschend und wurde schnell abgehandelt. Zahlreiche Andeutungen lassen vermuten, dass der Schuldige es doch nicht gewesen sein könnte und andere Personen auch noch mit involviert sind, aber davonkommen. Ich fand das Ende unglaubwürdig und unbefriedigend, was mir im Nachhinein ein wenig das ansonsten spannende Buch ruiniert hat.

Insgesamt finde ich „Verschwiegen“ einen spannenden Nordic Noir voller authentischer Charaktere und Lokalkolorit, das offene (oder nicht offene?) Ende hat mich leider aber sehr gestört.

Bewertung vom 08.01.2023
Milchmann
Burns, Anna

Milchmann


weniger gut

Eine namenlose Erzählerin, genannt Mittelschwester, zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines einflussreichen älteren Mannes, genannt Milchmann, auf sich. Milchmann beginnt sie zu stalken und abzufangen, was auch den Menschen im Umfeld nicht verborgen bleibt. Schnell entspinnt das Gerücht, die junge Frau hätte eine Affäre. Aus ihrer Unauffälligkeit vertrieben findet sie sich in der unangenehmen Situation wieder, an den Rand der sozialen Gesellschaft gedrängt worden zu sein, ohne Möglichkeit dem zu entfliehen.
„Milchmann“ von Anna Burns hat 2018 den Booker Prize for Fiction als bester Roman gewonnen und dementsprechend hoch waren meine Erwartungen. Leider konnten diese nicht erfüllt werden, da ich das Buch primär als langweilig und anstrengend empfunden habe. Ich hatte große Probleme mit dem gewöhnungsbedürftigen Schreibstil der Autorin: Die junge Frau erzählt kühl, nüchtern, eintönig und voller Monotonie. Sie verwendet lange Schachtelsätze und schweift häufig ab. Das Lesen erfordert höchste Konzentration und trotzdem wusste ich am Ende eines der langen Kapitel häufig nicht, um was genau es eigentlich ging. Die Gedankenwelt der Erzählerin empfand ich als sehr verwirrend. So konnte sich bei mir kein wirklicher Lesefluss einstellen.
Des Weiteren hat es mich gestört, dass die komplette Geschichte so abstrakt geblieben ist: Es werden weder Orte noch Namen genannt, nur Bezeichnungen. Natürlich ist dies ein absichtlicher Kunstgriff der Autorin um zu verdeutlichen, dass die Geschehnisse jedem und überall zu jeder Zeit passieren könnten, ich persönlich habe aber keinen Zugang zu Figuren mit Namen „Mittelschwester“, „Schwager 1-3“ oder „Vielleicht-Freund“ aufbauen können.
Ähnlich zäh wie der Schreibstil habe ich das Leben der Protagonistin empfunden, da es wenig Handlung gab. Das Buch lebt eher von der bedrückenden Stimmung und bedrohlichen Atmosphäre sowie den strikten gesellschaftlichen Konventionen, denen sich insbesondere Frauen zu unterwerfen haben. Die angesprochenen Themen fand ich an sich gut und wichtig, sie lassen sich auf Gesellschaften verschiedener Krisenherde projizieren und liefern somit eine Milieustudie, die an Aktualität nichts einzubüßen hat. Wann und wo genau „Milchmann“ spielt bleibt offen, erst durch Hintergrundrecherche klärt sich auf, dass wir uns im Nordirlandkonflikt der 70er Jahre befinden. In Teilen konnte ich mir das schon zusammenreimen, hätte mir aber an irgendeiner Stelle Aufklärung gewünscht.
Insgesamt war mir alles in „Milchmann“ zu abstrakt und wenn ich ehrlich bin musste mich regelrecht dazu durchringen, das Buch bis zum Ende zu lesen. Das empfand ich als eine echte Herausforderung. Ich kann in dem Buch durchaus Tiefgründigkeit, Vielschichtigkeit und künstlerische Poesie erkennen, aber für mich persönlich war wirklich keinerlei Lesegenuss dabei. Das Buch polarisiert. Ich kann es also nur LeserInnen empfehlen, die schwere, anspruchsvolle Literatur mögen.

Bewertung vom 07.01.2023
Vilma zählt die Liebe rückwärts
Skretting, Gudrun

Vilma zählt die Liebe rückwärts


gut

Klavierlehrerin Vilma lebt zurückgezogen und hat nur Angst vor den kleinen Micromorts des Alltags. Aus den Fugen gerät ihr Leben, als plötzlich ein Pfarrer und ein Pathologe bei ihr klingeln und ihr die Nachricht vom Tod ihres Vaters überbringen. Vilma ist verwirrt, hat sie doch ihren Vater nie kennengelernt. Doch er hat ihr Briefe hinterlassen, die nach und nach Vilmas Vergangenheit aufklären und sie dazu ermuntern, auch die Gegenwart zu verändern.

Bereits der Titel „Vilma zählt die Liebe rückwärts“ klingt lustig und schräg zugleich. Passend dazu ist das Cover in ansprechenden Farben, es wirkt sympathisch und macht aufgrund der vielen abgebildeten Einzelbilder neugierig. Vom Inhalt verrät es nicht viel und erst beim Lesen klärt sich die Bedeutung einzelner Bestandteile, z.B. des Klaviers und der Briefe, nach und nach auf. Allerdings hätte ich es mit der Vorweihnachtszeit, in der die Geschichte spielt, rein äußerlich nicht assoziiert. Ich mag auch das Lesebändchen, wobei ich eine andere Farbe als gelb gewählt hätte, da diese nicht zur Farbgebung des restlichen Covers passt.

Die Autorin Gudrun Skretting hat einen sehr besonderen Schreibstil, der insbesondere durch den schwarzen Humor besticht. Ansonsten schreibt sie sowohl locker, als auch mit trockenem Witz. Dies passt gut zur ebenfalls etwas sonderbaren, aber erfrischenden Geschichte, die alles andere als alltäglich ist.
Dies liegt vor allem an der sehr speziellen Denk- und Handlungsweise von Protagonistin Vilma, die mich abwechselnd schmunzeln und augenrollen ließ. Sie macht im Laufe des Buches eine große Entwicklung durch und es ist schön zu sehen, wie sich die skurille, verschlossene Person immer weiter öffnet. Ich habe etwas gebraucht, um mit ihrer Art warm zu werden, aber obwohl sie verschroben ist habe ich sie dann doch ins Herz geschlossen und über vieles musste ich wirklich lachen. Aber auch die Nebencharaktere wie Amdi und Robert sind toll und individuell gezeichnet. Insgesamt gibt es aber sehr viele überzeichnete, skurille Figuren im Buch. Insbesondere die bewusst überspitzte Darstellung von klischeehafen Verhaltensweisen macht die Geschichte unterhaltsam, ist aber nicht sehr realitätsgetreu.

Die Handlung an sich beginnt überraschend, verliert dann aber etwas an Fahrt. Gerade der Mittelteil hat sich für meinen Geschmack etwas gezogen. Gut gefallen haben mir die Briefe des Vaters, die ich sehr berührend fand. Es machte mich sehr traurig, dass Vilma diesen Mann nie kennengelernt hat und auch die Liebesgeschichte der Eltern insgesamt war emotional. Leider hat sich der Fokus im Laufe des Buches dann auch sehr auf diese gelegt und die Gegenwart, Vilmas Einsamkeit und ihr Liebesleben, etwas in den Hintergrund gedrängt. Insgesamt war das Buch auch durch sehr viele scheinbare „Zufälle“ geprägt, welche die Story vorangetrieben haben und in großen Teilen war es sehr vorhersehbar. Das offene Ende war schön und passend und hat mich trotz einiger nicht gelöster Fragen zufrieden hinterlassen.

Insgesamt ist es der Autorin gut gelungen, das Buch trotz der eigentlich traurigen Geschichte und gelegentlich düsteren Untertönen nicht ins Deprimierende abrutschen zu lassen. Durch die Skurrilität und Kreativität der Geschichte und der Figuren war er in erster Linie unterhaltsam, ohne an Tiefe der Gedanken zu verlieren. Insgesamt ein schöner, leichter Roman für zwischendurch.

Bewertung vom 07.01.2023
Der letzte Tanz der Debütantin
Kelly, Julia

Der letzte Tanz der Debütantin


sehr gut

Seit Generationen gehört die Familie von Lily Nicholls zur gesellschaftlichen Oberschicht Londons. Obwohl Lily und ihre Mutter seit dem Tod des Vaters finanziell auf die Gunst der reichen Großmutter angewiesen sind wird von ihr erwartet, dass sie wie alle Frauen der gehobenen Gesellschaft als Debütantin vor die Queen tritt und während ihrer Ballsaison einen passenden Ehemann findet. 1958 ist die letzte Chance hier, danach soll die Tradition des Debütierens abgeschafft werden. Eher wiederwillig verlässt Lily deshalb die Schule und trifft auf eine völlig neue Welt aus Oberflächlichkeit, Intrigen und Missgunst – aber auch modernen Ansichten und selbstbewussten neuen Freudinnen. und stößt dabei auf das größte Geheimnis ihres Lebens, dass alles, was sie zu sein glaubte, in einem neuen Licht dastehen lässt. Wird Lily ihren eigenen Weg finden?

„Der letzte Tanz der Debütantin“ von Julia Kelly entführt die LeserInnen in eine Welt voller Glitzer und Glamour, die aber bereits zwischen Tradition und Moderne schwankt und in der vor allem junge Frauen damit kämpfen, ihren eigenen Weg zu finden. Bereits nach kurzer Zeit finde ich mich im London der 60er Jahre wieder, auch wenn es mir angesichts der überkommenen Traditionen der Einführung in die feine Gesellschaft durch das debütieren vorkommt, als spiele die Geschichte ein Jahrhundert früher. Ich war deshalb sofort neugierig und habe angefangen zu recherchieren über diese mir bisher vollkommen unbekannte Welt. Hilfreich hierbei waren dabei die nachfolgenden Anmerkungen der Autorin zum Hintergrund des Buches, welche ich sehr interessant fand.

Der Einstieg in die Geschichte erfolgt durch den angenehmen, unaufgeregten Schreibstil der Autorin sehr schnell, die Beschreibungen der Gesellschaft, Personen und Umgebung ist sehr anschaulich. Bald spürt man aber den Spagat zwischen Lilys traditioneller, „heiler“ Welt und den Veränderungen, die mit der modernen Gesellschaft und Entwicklung einhergehen. Besonders eindrücklich sind die Ballszenen beschrieben, welche teilweise aber fast zu detailgetreu beschrieben sind, so dass sich der mittlere Teil des Buches etwas dahinzieht, während sich am Ende die Ereignisse überschlagen.

Lily als Protagonistin mochte ich sofort, ihre Entwicklung vom braven Mädchen zur selbstbestimmten jungen Frau wurde gut dargestellt. Für meinen Geschmack war dieser schnelle Wandel angesichts ihrer Erziehung und Vorgeschichte zwar etwas unrealistisch, aber absolut passend zur Geschichte. Der Zwiespalt in dem sie sich befindet wird spürbar, die Emotionen werden gut transportiert. Aber auch andere Personen werden treffend dargestellt und wurden authentisch, wenn auch etwas klischeehaft ausgearbeitet.

Insgesamt hat mir das Buch sehr gefallen, ich habe ein neues, Kapitel der englischen Geschichte kennengelernt, welches ich sehr interessant und faszinierend fand. Lilys Entwicklung vom traditionell erzogenen Mädchen zur eigenständig handelnden Frau hat dem Buch den Tiefgang gegeben, der in der oberflächlichen Welt der Debütantinnen einen tollen Kontrast gebildet hat. Der Wandel der damaligen Gesellschaft wurde unterhaltsam und anhand passender Figuren dargestellt und hat somit ein rundes Bild der 1960er Jahre ergeben.

Bewertung vom 16.10.2022
Die Spionin (eBook, ePUB)
Kealey, Imogen

Die Spionin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die junge Australierin Nancy Wake führt ein luxuriöses Leben im Marseille der späten 1930er Jahre und ist glücklich frisch verheiratet mit ihrem Mann Henri, einem reichen Fabrikbesitzer. Doch dies ist nur der äußere Schein, denn Nancy ist ebenfalls eine Kämpferin der Résistance und nutzt ihr harmloses Auftreten dafür, Flüchtlinge über die Grenze zu bringen und die sich immer mehr ausbreitenden deutschen Nationalsozialisten zu sabotieren. Doch dann wird Henri festgenommen und Nancys Leben gerät aus den Fugen. Nun selbst auf der Flucht entsinnt sie einen Plan, Henri aus den Klauen der Gestapo zu befreien, indem sie sich in England als Geheimagentin ausbilden lässt und als eine der raffiniertesten Spioninnen des zweiten Weltkrieges nach Frankreich zurückkehrt.

„Die Spionin“ ist ein historischer Roman, der auf einer wahren Geschichte basiert, der der echten Geheimagentin Nancy Wake. Warum wusste ich bisher noch nichts über diese erstaunliche Frau? Diese Frage geht mir permanent durch den Kopf, dann ich finde ihre Leistung absolut bemerkenswert. Natürlich wurden im Buch reale Ereignisse ausgeschmückt und mit fiktionalen Situationen ergänzt, aber dementsprechend fand ich super, dass das Autorenduo am Ende des Buches ein Kapitel zur Eingrenzung des Gelesenen eingefügt hat, in dem Realität und künstlerische Freiheit nochmals klar voneinander getrennt wurden und weiterführende Literatur zu Nancy Wake angegeben wurde.

Mich hat der Roman von Beginn an gefesselt, so dass ich ihn kaum aus der Hand legen konnte. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, der Schreibstil liest sich flüssig und schnell. Die damaligen Zeiten werden authentisch beschrieben, die Beklemmung der Figuren spürbar und auch brutale Erlebnisse werden schonungslos dargestellt. Ein rundum gelungener Einblick in eine grausame Zeit! Passend dazu gefüllt mir auch das Cover sehr gut und ich fand es sehr schön, dass ein Bild der echten Nancy Wake abgebildet wurde. Meiner Meinung nach sollten viel mehr Menschen von den Heldentaten dieser besonderen Frau erfahren, weshalb ich dieses Buch auch absolut weiterempfehlen kann!

Bewertung vom 01.10.2022
Kaltherz
Faber, Henri

Kaltherz


ausgezeichnet

Es ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann: Clara Lipmann war nur kurz auf der Toilette, doch bei ihrer Rückkehr ist ihre fünfjährige Tochter Marie verschwunden. Es geht keine Lösegeldforderung ein, Marie bleibt verschwunden. Um sich von diesem Verlust abzulenken stürzt sich Vater Jakob noch intensiver in seine Karriereplanung und die Ehe der beiden gerät ins Schwanken. Clara möchte so nicht weiterleben und begeht einen Suizidversuch der aber scheitert. Da übernimmt eine neue Kommissarin den Fall: Kim Lansky wurde als letzte Chance in die Vermisstenabteilung versetzt, durch ihre unkonventionellen Ermittlungsmethoden und am Rande der Legalität stattfindenden Alleingänge steht ihr Verbleib im Polizeidienst auf der Kippe. Lansky rollt die Spuren auf und kommt zu Ergebnissen, die sich immer mehr mit ihrer eigenen Geschichte verweben.
Da ich bereits Henri Fabers ersten Thriller verschlungen hatte ich hohe Erwartungen an „Kaltherz“ – und wurde nicht enttäuscht. Auch hier ist dem Autor wieder ein psychologisch raffiniert konstruierter Thriller voller Spannung und Täuschungen gelungen, in dem nichts so ist wie es scheint.
Bereits das Cover gefällt mir sehr gut, die raue Oberfläche liegt haptisch gut in der Hand und lässt mich direkt an die dicken Betonwände eines Gefängnisses denken, dessen Fenster abgebildet ist. Der Titel ist hinter den Gitterstäben verborgen und gibt dem sonst eher schlichten Cover eine Besonderheit – sehr gelungen und ansprechend!
Auch der Schreibstil Henri Fabers ist wieder absolut überzeugend: Er schreibt dynamisch, rasant und fesselnd, so dass die Spannung schnell nach oben getrieben wird. Das Buch besteht aus fünf Teilen, welche jeweils aus kurzen Kapiteln bestehen, welche wiederum durch häufige Cliffhanger am Ende zum Weiterlesen animieren. Das Buch hat mich somit in einen Sog gezogen, ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Die Kapitel werden zunächst aus der Perspektive dreier verschiedener Personen erzählt, später kommt noch eine vierte hinzu. Da jedes Kapitel eine entsprechende Überschrift hat kommt man hier auch nicht durcheinander und es bleibt trotz der Komplexität an Personen übersichtlich. Insgesamt sind die Charaktere sind bis in die Nebenrollen sehr vielschichtig und facettenreich angelegt, auch wenn mir kaum eine sympathisch und manche etwas überzeichnet erschienen. Mit Kim Lansky konnte ich so gar nichts anfangen, ihre polternde, unangepasste Art empfand ich als ruppig und in vielen Handlungen als nicht nachvollziehbar.
Überzeugt hat mich jedoch der detailliert durchdachte Plot der Geschichte, den ich als sehr außergewöhnlich empfand. Immer wenn ich dachte, ich hätte eine Spur hat ein neues Ermittlungsergebnis oder ein Ereignis wieder alles durcheinander geworfen, erst nach und nach haben sich alle kleinen Fragmente zu einem stimmigen Bild zusammengesetzt. Neben diesen zahlreichen Twist war insbesondere die Auflösung sehr überraschend, alle für mich offenen Fragen wurden hinreichend geklärt.
Ich kann das Buch jedem empfehlen, der komplexe und raffinierte psychologische Thriller mögen.

Bewertung vom 01.10.2022
MTTR
Friese, Julia

MTTR


weniger gut

Teresa stellt fest, dass sie schwanger ist – und weiß nicht so recht, was sie mit dieser Erkenntnis anfangen soll. Sie ist selbst in einer lieblosen Familie aufgewachsen, bei Eltern, denen der äußere Schein wichtiger war als ihre Tochter und die auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt haben. Teresa ist sich unschlüssig, ob sie das Kind behalten soll. In der Abtreibungsklinik fällt sie dann eine Entscheidung: Sie möchte Mutter werden, aber dabei alles anders machen.
Bereits der Titel von „MTTR“ ist außergewöhnlich, man fügt automatisch die Vokale hinzu und liest „Mutter“, auf den ersten Seiten wird aber erklärt, dass diese Abkürzung für etwas ganz anderes, aber ebenfalls passendes steht. Das hat mir gut gefallen. Weniger hingegen das seltsame Cover, mit dem ich zunächst nicht viel anfangen konnte. Erst auf den zweiten Blick ist eine Gebärmutter zu erkennen und somit der Bezug zum Inhalt deutlich. So richtig schön finde ich das Motiv dennoch nicht.
Besonders gewöhnungsbedürftig finde ich aber den Schreibstil: Julia Friese schreibt in kurzen, abgehakten Sätzen, verzichtet auf Anführungszeichen in der wörtlichen Rede und häufig auf Verben zur Satzstrukturierung. Auch bleiben viele Sätze unvollständig, so dass ich diese permanent selbst im Kopf vervollständigt habe. Das fand ich wirklich sehr anstrengend und dementsprechend bin ich bis zum Ende hin nie richtig in einen Lesefluss gekommen. Auch inhaltlich gibt es viele (wahrscheinlich bewusst gewählte) Gedankensprünge, die mich ausgebremst haben. Irgendwann war ich nur noch genervt von diesem eigenwilligen Schreibstil, auf Dauer macht das einfach keinen Spaß.
Mit Teresa als Protagonistin bin ich bis zum Schluss nicht warm geworden. Zwar konnte ich mich in einige Szenen hineinversetzen, aber ihre Denk- und Verhaltensweisen blieben mir fremd und ich fand sie eher unsympathisch. Ihre innere Zerrissenheit wurde aber gut dargestellt. Andere wichtige Figuren wie Erk blieben durchgehend blass. Inhaltlich war mir das Buch etwas zu schwermütig, es wurden kaum positive Seiten von Schwanger- und Mutterschaft aufgezeigt. Dafür viele Reaktionen aus dem Umfeld, die sehr authentisch waren und mich somit angesprochen haben, gerade was die eigenen Bedürfnisse und Aussagen der Eltern betrifft. Hier hat die Autorin verbreitete Verhaltensweisen wirklich gut unter die Lupe genommen und seziert. Auch gab es einige tiefgründige Aussagen zum Reflektieren und insgesamt fand ich es interessant mich damit zu beschäftigen, wie die eigenen Kindheitserfahrungen Menschen prägen.
Alles in allem bietet „MTTR“ einen ungeschönten, emotionslosen Blick auf die Themen Schwanger- und Mutterschaft. Das Buch war zwar interessant zu lesen, mir persönlich aber zu negativ-melancholisch und in einem unbequemen Schreibstil verfasst. Definitiv kein Buch, dass sich schnell weglesen lässt.

Bewertung vom 27.08.2022
DAFUQ
Jarmysch, Kira

DAFUQ


gut

Anja Romanowa wird zu 10 Tagen Gefängnis verurteilt, da sie an einer Demonstration teilgenommen hat. Sie teilt sich die Zelle mit fünf weiteren Frauen, die verschiedener nicht sein könnten. Im tristen russischen Gefängnisalltag teilen sich die sechs Gefangenen Details über ihr Leben und ihre Haftgründe mit und es stoßen Welten aufeinander. Und Anja beginnt, über ihr Leben zu reflektieren.

Kira Jarmysch ist an sich schon eine interessante Persönlichkeit und gerade durch ihre Hintergrundgeschichte und ihre Nähe zum Systemkritiker Alexej Nawalny erwartet man von ihr eine schonungslose Abrechnung mit den aktuellen Gegebenheiten in Russland. Leider kommt diese Kritik in ihrem Buch „DAFUQ“ nur sehr indirekt und weichgespült zum Vorschein, bissige ehrliche Worte sucht man leider vergebens.

Die Beschreibungen aus dem russischen Gefängnis sind in Teilen sehr interessant, nämlich dann, wenn die fünf Frauen aus unterschiedlichen Schichten und Hintergründen ihre jeweilige Story erzählen. Hier hatte ich wirklich den Eindruck, authentische Einblicke in verschiedene russische Lebensweisen zu erhalten. Auch Anjas Erinnerungen an früher lassen den Alltag junger Russinnen lebendig werden. Der Gefängnisalltag wird zwar ebenfalls realitätsnah beschrieben, allerdings ist dieser genauso wie erwartet: Sehr monoton und langweilig. Es kommt zu sehr vielen Wiederholungen und zähen Längen, was nicht besonders angenehm zu lesen ist. Die Geschichte nimmt dann auch noch einen skurrilen Zug an, als Anja zu halluzinieren beginnt. Diesen Handlungsstrang habe ich so gar nicht verstanden und empfang ihn auch als ziemlich unnötig. Und auch den Schluss fand ich sehr seltsam, er hat mich etwas ratlos und verwirrt zurückgelassen. Insgesamt habe ich mir leider mit der Handlung etwas schwer getan, da ich mir intensivere und kurzweiligere Einblicke versprochen hatte. Die Story kratzt leider nur an der Oberfläche und traut sich nicht wirklich, offen zu kritisieren.