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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 372 Bewertungen
Bewertung vom 25.06.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


gut

...jetzt musste er nur noch sein Herz öffnen
Nach 20 Jahren in Portugal kehrt Thea in ihre Heimat in der Lüneburger Heide zurück. Sie hat eine Wohnung auf einem Gnadenhof für Tiere gefunden. Die Wohnung gefällt ihr gut und sie hat Platz für ihre zwei aus Portugal mitgebrachten Tiere, lediglich der Besitzer Benno ist ein alter Griesgram, dem man anmerkt, dass er viele Jahre allein gelebt hat. Kurz nach Theas Ankunft findet Benno eine junge Frau im Wald, die eigentlich auf Wanderschaft ist, jedoch so unglücklich gestürzt ist, dass sie nicht mehr laufen kann. Er nimmt sie mit auf den Hof, wo sie bei Thea unterkommen kann.
Jede dieser drei Personen hat Probleme, seien diese finanzieller, familiärer oder gesundheitlicher Art. Doch die drei, die sich nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammenraufen, finden für alles in Nullkommanix eine Lösung. Als sie beschließen, eine alte Scheune auszuräumen und zu renovieren, passiert dies innerhalb eines Tages. Jeder, der jemals renoviert hat, weiß, dass dies ein Unding ist. Die Idee für dieses Buch hat mich gereizt, aber die wenig glaubhafte Umsetzung, bei der sich alle Probleme in kürzester Zeit in Luft auflösen, konnte mich nicht überzeugen. Ich habe „Das Licht in den Birken“ als Hörbuch gehört, gesprochen von Tessa Mittelstädt. Die Stimme der Sprecherin war angenehm, doch hat es mich sehr gestört, dass der Mittfünfziger Benno so behäbig wie ein Greis sprach und manche Vokale unpassenderweise gedehnt wurden. Aus Küche wurde Küüüche, aus Geruch Geruuuch. Und beide Wörter kommen gefühlt in jedem zweiten Satz vor!
Natürlich weiß man von Anfang an, dass Thea und Benno sich mit der Zeit näherkommen, die ganze Geschichte ist ziemlich vorhersehbar. Der Stil erinnert teilweise an einen Groschenroman, so heißt es beispielsweise über Benno „den Hof hatte er schon geöffnet, jetzt musste er nur noch sein Herz öffnen.“ So war dieses Buch zwar ganz nett, aber im Großen und Ganzen doch ein bisschen zu seicht für meinen Geschmack.

Bewertung vom 19.06.2024
Mühlensommer
Bogdahn, Martina

Mühlensommer


sehr gut

Alles andere als eine Idylle

Maria wächst auf einem abgelegenen Bauernhof auf. Während die Klassenkameraden in den Sommerferien ins Schwimmbad gehen, muss sie bei der Ernte helfen. Urlaub kennt sie nicht und sie hasst den ersten Schultag nach den Sommerferien, wenn die Lehrerin sich neugierig erkundigt, wer wo in Urlaub war. Aus den ersten Kapiteln des Buchs wissen wir, dass die erwachsene Maria mittlerweile in der Großstadt lebt und das Landleben so schnell wie möglich hinter sich gelassen hat.
In der ersten Szene will sie gemeinsam mit ihren beiden Töchtern und Freunden eine Bergwanderung machen, als sie einen Anruf ihrer Mutter erhält. Der Vater ist schwer verunglückt, Maria soll sofort nach Hause kommen. Dort angekommen, muss sie sofort kräftig anpacken, die Tiere müssen versorgt werden und jemand muss sich um die demente Großmutter kümmern.
In Rückblicken erfahren wir viel über Marias Kindheit, die strenge Großmutter, Mobbing in der Schule, die harte Arbeit tagein, tagaus. Diese Kindheitserinnerungen nehmen einen Großteil des Buchs ein, womit ich nicht gerechnet hatte. Lieber hätte ich mehr über die erwachsene Maria erfahren.
Der Autorin war es offensichtlich wichtig, nicht nur die romantisch-verklärte Seite des Lebens auf dem Bauernhof zu zeigen, sondern auch die harte Realität. Sie beschreibt minutiös krasse Szenen, beispielsweise das Schlachten des Hausschweins Emma und dessen anschließende Verarbeitung, sowie andere Situationen, über die ich lieber nichts gelesen hätte. Tierquälerei wird teilweise wie eine lustige Anekdote beschrieben, was mir sehr gegen den Strich ging. Da vieles aus der Sicht eines neunjährigen Mädchens geschildert wird, ist die Sprache entsprechend einfach, was auf Dauer etwas anstrengend und stellenweise albern ist, wenn sie zum Beispiel erzählt, dass sich in einem Schrank im Schweinestall auch Zigaretten finden, „aber die sind nicht für die Schweine“.
Vieles in diesem Roman hat mich aber auch angesprochen, nicht zuletzt, weil es mich an meine eigene Kindheit in einem Dorf erinnert hat. Das wunderschöne Cover suggeriert heile Natur und ein Wohlfühlbuch, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Manche Szenen sind wahrhaftig nichts für Zartbesaitete.

Bewertung vom 14.06.2024
Das Baumhaus
Buck, Vera

Das Baumhaus


sehr gut

So hatten sie sich ihren Urlaub nicht vorgestellt

Henrik und Nora fahren mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn in Urlaub nach Schweden. Dort haben sie ein Ferienhaus mitten im Wald geerbt. Jahrelang war niemand dort gewesen und entsprechend heruntergekommen ist es. Die Atmosphäre ist alles andere als idyllisch, zumal sich jemand Zutritt zu dem Haus verschafft haben muss, denn der Keller ist voller Tierskelette.
Henrik war in seiner Kindheit zuletzt dort, er erinnert sich an Abenteuer im Wald gemeinsam mit seinem Opa, der das Haus ursprünglich gekauft hatte. Bei Spaziergängen entdeckt er ein Baumhaus, das ungute, lang verdrängte Erinnerungen in ihm weckt. Als dann auch noch Fynn während eines Versteckspiels verschwindet, beginnt ein Albtraum.
In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir Rosa kennen, die in ihre schwedische Heimat zurückgekehrt ist, um sich gemeinsam mit dem Vater um ihren Bruder zu kümmern, der seit einem Kletterunfall ein Pflegefall ist. Rosa interessiert sich beruflich für die Auswirkungen von verwesenden Tieren auf die Bäume in unmittelbarer Nähe. Als nun Fynn verschwunden ist und Rosa in der Gegend ein jahrzehntealtes Kinderskelett ausgräbt, bittet die Polizei sie um Mithilfe. Vielleicht erkennt sie im Wald Veränderungen, die auf weitere vergrabene Leichen hindeuten.
„Das Baumhaus“ ist ein ausgesprochen spannender und vielschichtiger Krimi, der mich teilweise an Vera Bucks Roman „Wolfskinder“ erinnert hat. Auch hier ist von „Spielen“ die Rede, wenn der Entführer seine Opfer quält. Was mir nicht gefallen hat, war ein weiterer Handlungsstrang um einen Stalker aus Noras Vergangenheit. Die Anhäufung von traumatischen Ereignissen in so kurzer Zeit war übertrieben und nicht glaubhaft. Insgesamt ist „Das Baumhaus“ aber ein spannender Psychothriller, der bis zuletzt mit Überraschungen aufwartet.

Bewertung vom 10.06.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


sehr gut

Es waren einmal zwei Schwestern und ein Bär...

Die Schwestern Sam und Elena leben mit ihrer pflegebedürftigen Mutter auf einer kleinen Insel im Nordwesten der USA. Es gibt nur wenige Jobs in der Gegend und so arbeiten sie beide in schlechtbezahlten Jobs in der Gastronomie und kommen mehr schlecht als recht über die Runden. Sam bedient verwöhnte Touristen in der Cafeteria einer Fähre. Auf dem Rückweg in den Hafen sieht sie eines Abends einen schwimmenden Bären und traut ihren Augen kaum, denn Bären sind in dieser Gegend normalerweise nicht heimisch.
Ein paar Tage später steht der riesige Bär direkt vor ihrem Haus. Die anfängliche Panik weicht bei Elena schnell einer Faszination für das Tier und sie beginnt ihn mit Essen anzulocken. Sam hat Angst vor dem Tier und seiner Wirkung auf die Schwester und kontaktiert die Behörden.
Ihr größter Wunsch ist es, endlich die Insel und ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Schon vor Jahren haben die beiden Schwestern beschlossen, nach dem Tod der Mutter das Haus zu verkaufen und woanders gemeinsam ein neues Leben aufzubauen. Doch jetzt scheint es plötzlich, als ob Elena die Insel gar nicht mehr verlassen will. Sam fühlt sich verraten und die Dinge eskalieren.
„Cascadia“ weist einige Parallelen zu „Schneeweißchen und Rosenrot“, dem Märchen der Gebrüder Grimm, auf. Wie im Märchen versprechen sich die Mädchen, ewig zusammenzuhalten, sie pflegen ihre Mutter, wobei eine Schwester mehr Verantwortung übernimmt als die andere, die Schwestern begegnen einem Bären, der sich allerdings im Gegensatz zum Märchen nicht am Schluss in einen Prinzen verwandelt.
Ich bin ein bisschen gespalten, was diesen Roman anbelangt. Den Anfang fand ich fesselnd, doch dann kamen Passagen, die sich sehr in die Länge zogen und mir die Eintönigkeit von Sams Leben sehr deutlich machten. Sams Langeweile und ihr monotoner Alltag waren für mich regelrecht körperlich spürbar, falls das die Intention der Autorin war, ist ihr das gut gelungen. Andererseits gibt es dramatische Ereignisse, bei denen ich nur so durch die Seiten flog. Den Schluss, als Sam dann selbst die Analogie zum Grimmschen Märchen zieht, hätte ich allerdings nicht gebraucht.
Hervorherben möchte ich noch das wunderschöne Cover in ungewöhnlichen Farben. Der zartlila Horizont mit der angedeuteten Silhouette von hohen Bergen und die dunklen Bäume im Vordergrund erzeugen eine mystische Atmosphäre. Auch die hervorragende Übersetzung von Pociao und Roberto de Hollanda ist erwähnenswert. Ein lesenswertes Buch.

Bewertung vom 05.06.2024
Bonjour Agneta / Neuanfang auf Französisch Bd.1
Hamberg, Emma

Bonjour Agneta / Neuanfang auf Französisch Bd.1


ausgezeichnet

Unsichtbar war gestern

Das Leben der 49jährigen Agneta ist von Routine geprägt. Ihr Job ist eintönig, im Kollegenkreis fühlt sie sich als Außenseiterin. Ihr Mann Magnus ist davon besessen, jung und fit zu bleiben und entsprechend sind seine Freizeitaktivitäten und Essgewohnheiten. Selbstverständlich erwartet er von seiner Frau, es ihm gleichzutun. Agneta fügt sich allem, isst brav kalten Haferbrei zum Frühstück, nur um sich danach heimlich ein verstecktes Frühstück mit Butter und Marmelade zu gönnen. Als sie eines Tages eine etwas kryptische Annonce in der Zeitung entdeckt, in der ein „älterer Junge“ in der Provence eine schwedischsprachige Person als Betreuung sucht, beschließt sie, einmal im Leben etwas Verrücktes zu wagen und bewirbt sich. Sie bekommt die Stelle und reist in die Provence, denn momentan hält sie nichts in Schweden, die Kinder sind aus dem Haus und ihrer Ehe kann eine Weile Abwesenheit nur guttun.
Allerdings stellt sich dann der ältere Junge als 80jähriger heraus, der zudem an Demenz leidet und in einem riesigen heruntergekommenen Kloster lebt. Nachdem sie den anfänglichen Schock überwunden hat, stellt sich Agneta den Herausforderungen, lernt die Nachbarn und die Umgebung kennen und entdeckt eine Seite an sich, die sie selbst überrascht.
Die Geschichte von „Bonjour Agneta“ wurde sicher schon oft so ähnlich erzählt, eine Frau in der Mitte ihres Lebens fragt sich, ob das schon alles gewesen sein soll und bricht aus, aber in diesem Buch erwarten die Leser doch einige Überraschungen. Der 80jährige Einar hat beispielsweise ein bewegtes Leben hinter sich, allerdings hätte ich eine dermaßen detaillierte Beschreibung seines Liebeslebens nicht unbedingt gebraucht.
Das humorvolle Buch hat mich sehr gut unterhalten und es hat mehr Tiefgang, als ich erwartet hätte.

Bewertung vom 24.05.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Wenn die Heimat Hölle ist, ist dann die Rückkehr in die Hölle eine Heimkehr?
Der Sklave Jim lebt mit Frau und Tochter als Eigentum der Witwe Watson auf deren Farm. Als sie beschließt, ihn weiterzuverkaufen, flieht er. Sein Plan ist es, an Geld zu kommen und seine Frau und Tochter freizukaufen. Ein wahnwitziger Plan im Süden der Vereinigten Staaten in den 1860er-Jahren, wo schwarze Jungs gelyncht werden, nur weil sie es gewagt haben, zu einem weißen Mädchen „hallo“ zu sagen.
Jim ist ein Meister darin zu verbergen, wie intelligent er ist. Er kann lesen und schreiben und außerdem reden wie die Weißen, doch da sich diese gern überlegen fühlen, reden Sklaven allesamt Südstaatenenglisch mit fehlerhafter Grammatik. Nur wenn sie unter sich sind, reden sie normal, sie sind sozusagen zweisprachig. Dieser ins Deutsche übersetzte Südstaatenslang hat mich zu Beginn sehr gestört, doch man gewöhnt sich daran und der Übersetzer Nikolaus Stingl hat diese schwierige Aufgabe, einen künstlichen Dialekt zu erschaffen, sehr gut gelöst.
Percival Everett hat mit „James“ Mark Twains Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn fortgeschrieben, allerdings aus der Sicht des Sklaven Jim. Wir erleben die grausame Welt der Sklaverei, in der Sklaven schlechter gehalten werden als Tiere, sie gelten nicht als menschliche Wesen und grausame Foltermethoden werden damit gerechtfertigt, dass Sklaven ohnehin keinen Schmerz empfinden.
Der weiße Junge Huck, der von seinem Vater misshandelt wird, schließt sich Jim auf dessen Flucht an und gemeinsam erleben sie Naturkatastrophen und lebensgefährliche Abenteuer. Sie treffen Betrüger und Menschenschinder, Vergewaltiger und geschundene, gebrochene Sklaven. Zu wissen, dass sich das Leben von Sklaven damals tatsächlich so oder ähnlich abgespielt hat, ist herzzerreißend. Man bangt mit Jim und Huck und manchem Weggefährten und anderen wünscht man, er möge in der Hölle schmoren. Ich habe schon lange bei keinem Buch mehr so mitgefiebert bis zur letzten Seite.
Ich bin immer äußerst skeptisch, wenn ein Roman als „Meisterwerk“ angepriesen wird, doch dieses Mal bin ich ganz dieser Meinung. Ein intelligentes, spannendes und außergewöhnliches Buch, das zuweilen auch sehr komisch ist. Das beste Buch, das ich in diesem Jahr bisher gelesen habe!

Bewertung vom 21.05.2024
Mord stand nicht im Drehbuch
Horowitz, Anthony

Mord stand nicht im Drehbuch


ausgezeichnet

Wieder genial
Mindgame“, ein Stück von Anthony Horowitz, wird an einem Londoner Theater uraufgeführt. Wie nicht anders zu erwarten, zerreißt die für ihre spitze Feder bekannte Kritikerin Harriet Throsby von der Sunday Times das Stück in der Luft. Am nächsten Morgen wird sie tot aufgefunden. Alles deutet darauf hin, dass Horowitz der Täter ist. Die Tatwaffe trägt seine Fingerabdrücke, auf der Leiche befindet sich eines seiner Haare. Prompt wird er verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt, sehr zur Freude des Ermittlerteams Cara Grunshaw und Derek Mills, die sich Horowitz in einem früheren Fall zu Feinden gemacht hat.

Da Horowitz die Kritikerin zwar nicht leiden konnte, sie aber keinesfalls umgebracht hat, stellt sich natürlich die Frage nach dem wahren Täter. Der Einzige, der Horowitz aus dieser mehr als misslichen Lage helfen kann, ist sein Sidekick Hawthorne, ein aus dem Polizeidienst entlassener Privatdetektiv, der ihm schon der Öfteren bei der Aufklärung von Verbrechen behilflich war. Dumm nur, dass Horowitz ihm gerade unmissverständlich klar gemacht hat, dass er die Zusammenarbeit mit ihm endgültig beenden will und Hawthorne damit vor den Kopf gestoßen hat.

Ich habe bisher jeden Roman aus dieser Reihe gelesen und sie haben mir alle gefallen. Es gibt wenige Krimiautoren, deren Humor und Schlagfertigkeit es mit Horowitz aufnehmen können. Wie immer präsentiert der Autor auch hier jede Menge Verdächtige, allesamt mit nachvollziehbarem Motiv, führt die Leser auf falsche Fährten und überrascht durch unerwartete Entwicklungen, die ein anderes Licht auf die Geschehnisse werfen. Die in der Ich-Form geschriebenen Romane sind eine gelungene Mischung aus Tatsachen und Fiktion, beispielsweise verweist der Autor auf seine Alex Rider Jugendromanreihe, die er ja tatsächlich geschrieben hat, oder er nennt die Namen berühmter Regisseure. Die Aufklärung der Fälle geschieht immer auf der Basis solider Ermittlungsarbeit und nicht wie in so manchem Krimi, den ich in letzter Zeit gelesen habe, aufgrund eines diffusen Bauchgefühls der Ermittler. Horowitz‘ Werke sind eine Hommage an die Klassiker des Genres, Agatha Christie und Sir Arthur Conan Doyle. Sie sind intelligent, sprachlich auf hohem Niveau und voller Wortwitz. Ich habe das Buch an einem Wochenende verschlungen und war traurig, am Ende angelangt zu sein. Ich freue mich jetzt schon auf eine Fortsetzung der Reihe. Absolute Leseempfehlung für Fans von klassischen spannenden Whodunnits ohne viel Blutvergießen und Gemetzel!

Bewertung vom 18.05.2024
In den Augen meiner Mutter
Leevers, Jo

In den Augen meiner Mutter


gut

Deprimierend

Als Georgie und ihr Bruder Dan klein waren, verschwand ihre Mutter von einem Tag auf den anderen. Seitdem haben sie abgesehen von einer Postkarte nie wieder von ihr gehört. Jetzt ist Georgie selbst schwanger und sie macht sich Gedanken, wie sie mit ihrer Mutterrolle zurechtkommen wird.

Zwei Wochen vor der Geburt sind die sozialen Medien voll von einer Geschichte: ein kleines, auf einer abgelegenen schottischen Insel vermisstes Mädchen wird von einer Einsiedlerin gerettet. Das dazugehörige Foto lässt keinen Zweifel offen: die Frau ist Nancy, Georgie und Dans Mutter. Georgie sieht ihre einzige Chance, mit der Mutter in Kontakt zu treten, indem sie auf die schottische Insel fährt. Womit sie nicht gerechnet hat, ist, dass Nancy bereits wieder auf der Flucht ist.

Durch einen Zugstreik gestrandet, ruft Georgie ihren Bruder Dan an, mit dem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, und die beiden gehen gemeinsam in einem alten VW Käfer auf einen abenteuerlichen Roadtrip Richtung Norden.

Bis an diese Stelle war das Buch kurzweilig und interessant, dann beginnt es sich allerdings zu ziehen. Die Kapitel werden aus der Sicht von Nancy und Georgie erzählt. Der Leser erfährt, wie Nancy als junge Frau schwanger wird und mit der Situation nicht zurechtkommt. Die Ehe mit Frank wurde unüberlegt geschlossen und bald haben sie sich nichts mehr zu sagen. Am glücklichsten war Nancy während ihres Schauspielstudiums, wenn sie auf der Bühne stand. Dort bekam sie Aufmerksamkeit, nicht zuletzt von einem älteren Dozenten, zu dem sich eine toxische Beziehung entwickelt. Auch als sie heiratet, taucht er immer wieder in ihrem Leben auf und droht mit Enthüllungen.

Nancy trifft viele schlechte Entscheidungen, bei denen ich sie am liebsten geschüttelt hätte, damit sie aufwacht und merkt, wie sie ihr Leben zugrunde richtet. Je weiter die Geschichte fortschreitet und je mehr wir über Nancy und ihre lieblose Ursprungsfamilie, sowie die Familie, die sie zurückgelassen hat, erfahren, desto frustrierender empfand ich dieses Buch. Auch wenn es auf einer versöhnlichen Note endet, war er für mich eine äußerst deprimierende Lektüre voller Personen, deren Entscheidungen ich in keinster Weise nachvollziehen konnte und Zufällen und Ereignissen, die mir äußerst konstruiert und wenig glaubhaft erschienen. Leider nicht der nach dem Erstlingswerk „Café Leben“ erwartete Lesegenuss. 3,5 Sterne.

Bewertung vom 15.05.2024
Südlich von Porto wartet die Schuld
da Silva, Mariana

Südlich von Porto wartet die Schuld


gut

Ria Almeida, die Kommissarin aus Stuttgart mit portugiesischem Vater und schwäbischer Mutter, hat ihre Heimat verlassen, um in Portugal zu leben. Sie ist zunächst bei ihrer hochschwangeren Cousine und deren Mann untergekommen. Praktischerweise kann sie den Job der Cousine im Polizeirevier des kleinen Ortes Torreira übernehmen. Schon kurze Zeit nach ihrer Ankunft geschieht ein Mord und Ria ermittelt gemeinsam mit dem wortkargen und schroffen Commissario Baptista, den sie bereits aus einem zurückliegenden Fall kennt. Mir war nicht bewusst, dass „Südlich von Porto wartet die Schuld“ bereits der zweite Band einer Reihe ist, doch wurden einige der wichtigsten Geschehnisse noch einmal aufgerollt.

Dieses Buch ist für mich ein typisches Beispiel für eine Wahl aufgrund des ansprechend gestalteten Covers: ein Fischerboot, das sich im blauen Meer spiegelt, im Hintergrund endloser Horizont. Darunter eine Anordnung von typisch portugiesischen Azulejos.

Ich hatte einen spannenden Krimi mit etwas portugiesischem Lokalkolorit erwartet, doch der wichtigste Bestandteil eines Krimis, Spannung, fehlte.

Ein ermordeter Richter wird am Strand gefunden. Ria und Baptista haben beide aufgrund ihres jeweiligen Bauchgefühls Hauptverdächtige im Sinn und ermitteln vorzugsweise in diese Richtung. Mir kam dieser Roman vor wie aus dem Krimibaukasten zusammengesetzt. Man nehme eine junge Ermittlerin, die im Übrigen sehr blass bleibt, ich habe beispielsweise keinerlei Vorstellung davon, wie sie aussieht, einen sozial dysfunktionalen Commissario, zu dem sich die Ermittlerin trotz seiner permanenten Beleidigungen unerklärlicherweise hingezogen fühlt, ein schüchterner und ständig errötender Jugendfreund, ein paar skurrile Gestalten, dazu eine Gruppe von militanten Umweltschützern und Rias Familienangehörige samt deren völlig überzogenen kleinen Dramen. Ein guter Krimi kam dabei leider nicht heraus. In der Mitte des Buchs hatte ich schon eine Vorstellung davon, wer der Täter ist und wie die Fäden zusammenlaufen, und genauso kam es auch. Rias privatem Umfeld wurde viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt und vieles fand ich einfach lachhaft. Welche erwachsene Frau mietet eine Wohnung und überlässt es dann Freunden und Familie, sie nach deren Gusto einzurichten, Zeitmangel hin oder her? Wer Portugalfeeling und eine nicht sehr anspruchsvolle Lektüre sucht, ist hier richtig. Von mir leider nur 2,5 Sterne.

Bewertung vom 09.05.2024
Verraten / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.10
Adler-Olsen, Jussi

Verraten / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.10


gut

Im zehnten und letzten Fall der Reihe um Ermittler Carl Mørck versucht der Autor, viele Handlungsstränge der zurückliegenden Bände zusammenzuführen. Obwohl ich alle Bände gelesen habe, war mir vieles in der Zwischenzeit nicht mehr präsent, mal abgesehen von den wirklich spektakulären und einprägsamen Fällen wie dem von Merete Lynggaard, die jahrelang in einer Druckluftkammer gefangen gehalten und von Carl und dem Dezernat Q befreit wurde. Eben jene Merete bietet sich jetzt an, Carl zu helfen, denn dieser sitzt unter dem Verdacht des Drogenschmuggels hinter Gittern, gemeinsam mit vielen Verbrechern, die er selbst ins Gefängnis gebracht hat. Carl muss um sein Leben fürchten, denn nicht nur seine Mithäftlinge, sondern auch Leute außerhalb des Gefängnisses trachten ihm nach dem Leben.
Carls Chef Marcus Jacobsen ist unbegreiflicherweise von dessen Schuld überzeugt und verbietet den anderen Angehörigen des Dezernat Q, Rose, Assad und Gordon, in dem Fall zu ermitteln, was die drei jedoch keinesfalls davon abhält, alles daran zu setzen, Carls Unschuld zu beweisen. Unterstützung erhalten sie von Carls Frau Mona und seinem langjährigen Freund Hardy, der bei einem früheren Einsatz angeschossen wurde und seitdem gelähmt ist.
Es hat mir großen Spaß gemacht, die vielen alten Bekannten in diesem Buch wiederzutreffen, bei dem Aufrollen der zahlreichen alten Fälle ist Adler Olsen für meine Begriffe jedoch etwas über das Ziel hinausgeschossen. Das komplexe Geflecht von mafiaähnlichen Strukturen und die ganzen Drahtzieher und Hintermänner im Drogenhandel waren kolossal verwirrend und es war fast unmöglich, sich die ganzen Namen zu merken. Nicht alle Handlungsstränge wurden befriedigend aufgelöst. So habe ich mich bis zuletzt gefragt, weshalb Carls erster Anwalt aus dem Weg geräumt wurde. Das Buch ist vor allem gegen Schluss reich an Actionszenen, bei denen der Autor wahrscheinlich schon eine spätere Verfilmung vor Augen hatte.
Alles in allem fand ich das Buch spannend, doch manche Szenen hätten durchaus gekürzt werden dürfen. Ein guter Krimi, doch nicht der beste der Reihe.