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Benutzername: 
Ingrid von buchsichten.de
Wohnort: 
Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 313 Bewertungen
Bewertung vom 15.02.2024
Die Königin
Conrad, Sebastian

Die Königin


ausgezeichnet

Im Buch „Die Königin – Nofretetes globale Karriere“ erzählt der Historiker Sebastian Conrad die aufregende Geschichte der Büste der Nofretete, der Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton, die im 14. Jahrhundert vor Christus lebte. Das Kunstwerk aus Kalkstein und Gips wurde 1912 gefunden und mit weiteren Exponaten der ägyptischen Fundstätte Tell el Amarna nach Berlin gebracht, wo sie nach dem Herrichten von Räumlichkeiten im Neuen Museum 1924 dem Publikum präsentiert wurde. Nach wechselnden Aufenthalten an anderen Orten ist sie seit 2009 dort wieder ausgestellt. Auch ich habe sie dort bereits bewundert.
Der Autor hinterfragt, wieso die Schönheit der Nofretete einen Zeitraum von weit mehr als über dreitausend Jahre überdauern konnte, wobei Schönheit bekanntlich nicht objektiv ist. Noch dazu entfaltet sich ihre Ausstrahlung an den verschiedensten Orten auf der Welt, der von verschiedenen Gruppierungen weltweit interpretiert wird. Die Büste zeigt beispielhaft, wie die Globalisierung Einfluss auf die kulturellen Normen der Welt nimmt. Sebastian Conrad erzählt vom Fund des Kunstwerks ebenso wie über die Besitzansprüche und die Ausstellung, aber auch vom Leben der Nofretete in ihrer Zeit. Die Ergebnisse seiner Recherchen werden vom Autor fachkundig dargeboten und sind flüssig lesbar.
Das Buch wird durch 32 Tafeln in drei Einschüben und 23 Abbildungen im Text aufgewertet. Außerdem bietet eine Karte auf der Innenseite der vorderen Klappe, auf der Ägypten um 1350 vor Christus abgebildet ist, und eine weitere auf der hinteren Klappe, auf der das heutige Ägypten mit den wichtigsten geschichtlich relevanten Stätten wiedergegeben wird, Orientierung beim Lesen. Auf über achtzig Seiten finden sich am Ende des Buchs Anmerkungen zu den Seiten, ein Quellen und Literaturverzeichnis, Bildnachweis und Personenregister. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für dieses beeindruckende Buch an alle, die an ägyptischer Geschichte interessiert sind.

Bewertung vom 13.02.2024
Weltalltage
Fürstenberg, Paula

Weltalltage


ausgezeichnet

Im ihrem Roman „Weltalltage“ lässt Paula Fürstenberg eine unbenannte Du-Erzählerin, im Folgenden von mir als Freundin bezeichnet, die Geschichte der langjährigen Freundschaft mit ihrem besten Freund Max erzählen. Die enge Beziehung kommt an einen Punkt, bei dem sich die darin eingenommenen Rollen wesentlich verändert haben. Die Du-Form wird über die gesamte Geschichte hinweg beibehalten und spiegelt die inneren Konflikte der Freundin wider, sozusagen in einem nicht endenden Dialog mit sich selbst. Weltalltage nennt die Freundin die Tage, an denen ihr Körper von Kindheit an scheinbar über den Dingen schwebt. Die Schrift auf dem Titel verdeutlicht, wie schwankend die Welt sich für die Freundin an solchen Tagen verstellt. Max ist ihr am Rand eine Stütze, doch als er krank wird, kommt die von ihm gebotene Strebe in Schräglage.

Die Freundin und Max kennen sich seit der siebten Klasse. Beide sind nun Anfang Dreißig, ohne feste Partnerschaft und teilen sich eine Wohnung. Max hat eine Festanstellung als Architekt. Als Redaktionsassistentin erhält die Freundin den Auftrag, Max zu porträtieren, doch das Ergebnis ist umfasst viel mehr Seiten als gewünscht. Dadurch kommt sie auf die Idee, aus dem Geschriebenen einen Roman zu gestalten. Sie kündigt ihren Job, aber es fällt ihr schwer, einen Anfang für ihre Geschichte zu finden. Eines Tages teilt Max ihr mit, dass er im Krankenhaus behandelt werden soll. Im Nachhinein wird ihr bewusst, dass sich Max über längere Zeit verändert hat. Sie war stets die chronisch Kranke, der Max bestimmte Hilfeleistungen anbot. Nun beginnt die Freundin zu grübeln, ob ihre Worte und ihr Tun für eine Heilung nützlich sind.

Aus der Suche nach einem Anfang für die Geschichte von Max wird eine Suche nach der passenden Sprache. Das Engagement der Protagonistin als Schriftstellerin bringt Max zum Nachdenken und plötzlich steht die berechtigte Frage im Raum, wem eine zu veröffentlichende Lebensgeschichte gehört. Für die Freundin ist es wichtig, dass ihre Welt Ordnung und Struktur hat, was vor dem Schreiben nicht Halt macht. Daher besteht der Roman aus ausgeführten Listenpunkten. Mal ist es das Alphabet, mal sind es Zahlen, aber auch Monate und Jahre oder ein aufgeworfenes Thema, die die Abschnitte der jeweils abzuarbeitenden Liste bilden.

Die eigenwillige Kunstform funktioniert im Roman par excellence! Paula Fürstenberg fokussiert ihre Protagonistin, die im gleichen Alter ist wie sie selbst, immer wieder auf wichtige Themen und schneidet dabei so manches Auffällige an, manchmal mit dem Finger auf der Wunde, auch mal mit ironischer Ergebenheit. Eigene Erfahrungen und Beobachtungen fand ich bestätigt. Dabei fragte ich mich, in weit die Autorin eigene Erlebnisse einfließen lässt, weil sie sehr einfühlsam, nachvollziehbar und wahrhaftig schreibt. Immer wieder zitiert sie Persönlichkeiten. Ein Literaturverzeichnis befindet sich am Ende des Buchs.

Die Krankheit von Max wird für beide Protagonisten unfassbar und stellt ihre Freundschaft auf eine harte Bewährungsprobe. Anhand von Rückblicken versucht die Freundin das Verhältnis zu klären. Sozusagen als Bonus findet sich auf der Innenseite des hinteren Einbands eine Abrechnung. Erst die Probleme in der Freundschaft bieten der Freundin die Chance, die gewohnte Routine zu verlassen, sich im vorsichtigen Rahmen über ärztliche Verbote hinwegzusetzen und dabei neue Möglichkeiten für sich und ihren Körper zu erkunden. Empfindsame Lesende sollten wissen, dass in der Geschichte neben Symptomen des Schwindels, unter anderem auch Depression und Endometriose thematisiert werden.

Das Denken an die Vergangenheit führt die Freundin in den Osten Deutschlands, das Studium in den Westen, wodurch sich in ihre Erinnerungen Überlegungen zur gesellschaftspolitischen Lage mischen. Die Großmutter von Max, die im Ostenlebt, ist sich sicher, dass die deutschen Verhältnisse zum Ableben einiger Familienmitglieder beigetragen haben. Diese interessante These wird im Laufe der Erzählung geklärt.

Gerne vergebe ich für den sichtbar außergewöhnlich gestalteten, tiefgründig geschriebenen und mich begeisternden Roman „Weltalltage“ von Paula Fürstenberg eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2024
So was wie Freunde
Osborne, Bella

So was wie Freunde


ausgezeichnet

Die englische Autorin Bella Osborne ist bekannt für ihr romantischen Komödien, doch mit ihrem Roman „So was wie Freunde“ betritt sie Neuland und schreibt über die Freundschaft zweier besonderer Menschen, die verschiedenen Generationen angehören. Der 16-jährige Tom und die 72-jährige Maggie sind vereint im gemeinsamen Kampf zum Erhalt der von ihnen genutzten Bibliothek.
Tom geht noch zur Schule. Sein Vater ist nie über den Tod seiner Frau vor einigen Jahren hinweggekommen und wendet sich zunehmend dem Alkohol zu. Er hofft darauf, dass sein Sohn bald eine Ausbildung beginnt, damit er zum Haushaltsbudget beitragen kann. Aber Tom möchte später studieren, deshalb kommt es immer wieder zum Streit mit seinem Vater. Am liebsten bleibt er unscheinbar, um keine Aufmerksamkeit auf seine Person zu ziehen. Er hält sich von Gleichaltrigen fern, denn er spielt nicht in deren Beliebtheitsliga, was auch daran liegt, dass er sich keine Markenkleidung leisten kann und im Haus der Familie kaum Geborgenheit zu finden ist. Über die Sucht seines Vater möchte er mit niemandem sprechen. Darum beginnt er in die örtliche Bibliothek zu gehen, die er früher mit seiner Mutter besucht hat. Dort hofft er auch, eine Mitschülerin zu treffen, für die er schwärmt. Tom erzählt in der Ich-Form, wodurch er mir seine Gefühle im besonderen Maß nahebringen konnte.
Maggie lebt seit dem Tod ihres Ehemanns allein, etwas außerhalb des Orts, auf einem kleinen Bauernhof, auf dem sie Hühner und ein paar Schafe hält sowie einen Gemüsegarten bewirtschaftet. Die Arbeit lenkt die Rentnerin von ihrer Einsamkeit ab. Samstags fährt sie zur Bücherei, denn dann trifft sich ihr Buchclub. Später wurde mir beim Lesen durch einige Gedanken von ihr deutlich, dass sie ein Geheimnis verbirgt, dass weit in ihre Vergangenheit hineinreicht. Die Autorin wechselt in den Kapiteln zwischen dem Fokus auf Tom und Maggie, wobei sie über ihre ältere Protagonistin als auktoriale Erzählerin schreibt.
Bei Toms erstem Besuch in der Bibliothek begegnet er Maggie. Auf dem Heimweg wird Maggie von einem Unbekannten die Handtasche entrissen und Tom kommt ihr zu Hilfe. Nachdem die beiden die Hürde des persönlichen Kennenlernens genommen haben, entwickelt sich ein unverfänglicher Umgang miteinander. Ausgehend vom Austausch von Banalitäten, über das Finden interessanter Themen, die schließlich zu tiefergehenden Gesprächen führen, entwickelt sich die Freundschaft zwischen Tom und Maggie rasch weiter und das Vertrauen zueinander wächst. Maggie scheut sich mit ihrer offenen und ehrlichen Art nicht, gewisse Probleme mit Tom anzusprechen. Sie finden gemeinsam für ihre Beziehung ein passendes Arrangement. Bei einem Büchereibesuche erfahren die beiden von der anstehenden Schließung. Mit ihren Ideen tragen sie zu dem Versuch bei, die Einstellung der Ausleihe zu verhindern.
Bella Osborne hat ihre Figuren liebevoll gestaltet. Tom hat bestimmte Vorstellungen über seine Zukunft. Gegenüber gleichaltrigen Mädchen ist er schüchtern und allgemein manchmal linkisch. Er entwickelt eine Vorliebe für Liebesromane. Die Autorin zeigt ihn als Jugendlichen mit den für sein Alter typischen Problemen auf dem Weg der Selbstfindung mit dem Vergleich von sich selbst zu anderen. Maggie hält er hilfsbedürftiger als sie tatsächlich ist, denn sie zeigt ihm, dass sie sich mittels Kampfkunst und Yoga fit hält. Sie versteht viel von der Schafzucht und nutzt auf ihrem Land einen Traktor sowie ein Quad. Durch ihr aktives Leben steigt sie in der Achtung von Tom. Aber ihr Geheimnis steht wie ein dunkler Schatten über ihrer Freundschaft. Hinzu kommen einige bemerkenswerte Nebenfiguren wie beispielsweise eine besorgte Bibliothekarin und eine charmante Mitschülerin von Tom. Der Vater von Tom wird in seinen Handlungen als Alkoholiker nachvollziehbar und realistisch beschrieben.
Maggie Osborn zeigt in ihrem Roman „So was wie Freunde“ wie vielfältig Freundschaft sein kann. Der 16-jährige Tom und die 72-jährige Maggie teilen viele heitere und bekümmernde Momente und schenken einander Zuwendung und Verständnis. Bücher erhalten in der Geschichte eine besondere Rolle, denn sie bringen Menschen zueinander. Die Autorin spricht auch schwierige Themen an, zu denen sie vorstellbare Lösungen bietet, wodurch ich mich beim Lesen wohlfühlte und sehr gerne eine Empfehlung für das Buch vergebe.

Bewertung vom 30.01.2024
Wo Milch und Honig fließen
Zhang, C Pam

Wo Milch und Honig fließen


sehr gut

Der Roman „Wo Milch und Honig fließen“ von C Pam Zhang spielt in einer unweiten Zukunft, in der die Welt von Smog überzogen ist und dadurch Tiere und Pflanzen aussterben. Ein Mungoproteinmehl hält die Menschheit am Leben. Die 29-jährige, unbenannte Protagonistin ist Köchin, wurde in Kalifornien geboren und hat in Europa versucht, ihre Kochkünste zu verfeinern. Weil die USA inzwischen ihre Grenzen geschlossen hat kann sie nicht zurück in ihre Heimat. Als ihr Beruf nicht mehr benötigt wird, bewirbt sie sich um eine Stellung bei einer Forschungsgemeinschaft, deren Laboratorien sich in einem hohen Berg in Italien befinden, wo gelegentlich noch die Sonne scheint.

Sie erhält den Job, doch zunächst bleibt ihr Arbeitgeber ihr fern, um sie zu prüfen. Bevor sie ihn persönlich kennenlernt, begegnet sie seiner 22-jährigen Tochter Aida. Während die Köchin chinesische Wurzeln hat, ist die Mutter von Aida aus Korea. Die von ihr zu kochenden Gerichte werden immer eigenwilliger, die Zutaten dafür erhält sie aus den Laboratorien. Hatte sie zunächst für die Gäste unsichtbar zu bleiben, verlangt ihr Arbeitgeber schließlich ein besonderes Rollenspiel von ihr. Sie spielt mit, weil sie dafür reichlich entlohnt wird und sich erhofft, auf diese Weise die Krise bestmöglich zu überleben.

Die Autorin schrieb den Roman während der Pandemie. Ich denke, dass sie sich dadurch besonders gut in ihre Hauptfigur hineinversetzen konnte, der zunächst durch die Klimakrise alltägliche Dinge entzogen wurden und sie nach Antritt ihrer Stellung eine ungeahnte Fülle an Nahrungsmitteln zur Verfügung hatte. Die Köchin begegnet auf dem Berg einer ausgewählten Gesellschaft, die von ihrem Arbeitgeber mit Köstlichkeiten versorgt wird, damit die Einzelnen in das Unternehmen investieren.

C Pam Zhang scheinen die wohlschmeckendsten Gerichte, die sie aufführt, nicht auszugehen. Aber ebenso, wie ich beim Lesen Appetit bekam, verschwand dieser wieder in Anbetracht der Menge und der Eigenwilligkeit. Es ist mehr als genug, aber das Bild steht für die ungerechte Verteilung von Nahrung in der Welt. Weiter und weiter dreht sich die Spirale der Befriedigung der Gelüste und macht auch nicht vor der Köchin halt. Der Arbeitgeber nutzt seine Macht dazu aus, seine Angestellte seinem Willen unterzuordnen. Die Autorin spielt mit Klischees über Asiatinnen und verweist dabei auf Ansichten, wie sie oft unreflektiert verwendet werden.

Die Freundschaft der Köchin mit Aida wird zu einem gegenseitigen Entdecken weiterer Gelüste. Die Autorin zeigt die Unendlichkeit von Begierde und wieweit manche für eine Befriedigung bereit sind, zu gehen. Der Roman endete meiner Meinung nach etwas abrupt und mit einem unerklärten Geschehen. Aus dem Prolog ergab sich bereits, dass die Köchin die Geschichte aus der Retrospektive erzählt, dadurch war mir von Beginn an bewusst, dass sie die Krise überleben würde. Der Schluss erzählt im Überflug das, was sie bis zu ihrer Gegenwart als Dozentin erlebt hat, ohne weitere Schwelgereien.

C Pam Zhang hat mit „Wo Milch und Honig fließen“ einen Roman geschrieben, bei dem in mehrerlei Hinsicht das Verlangen und der Genuss im Vordergrund stehen. In einer nahen zukünftigen Welt, bei der alles Leben gefährdet erscheint, gibt es einige Gutbetuchte, die sich ihren Lebensstandard sichern möchten. Doch die habgierige Gesellschaft ist anfällig. Eine unbenannte Köchin, die sich selbst als mittelmäßig ansieht, zeigt ein Gerechtigkeitsempfinden, das sich für ihr Umfeld störend auswirkt. Gerne empfehle ich das Buch an diejenigen, die sich lesend der Lust am Essen und anderem widmen möchten.

Bewertung vom 30.01.2024
Einfach lieben / Glückstöchter Bd.2
Schuster, Stephanie

Einfach lieben / Glückstöchter Bd.2


ausgezeichnet

Im Roman „Einfach lieben“, dem zweiten Band der Serie „Glückstöchter“ von Stephanie Schuster finden beide Protagonistinnen die Liebe ihres Lebens, wobei sich auch der Wunsch auf Nachwuchs einstellt. Wie im ersten Teil spielt die Handlung erneut auf zwei Zeitebenen. Einerseits folgte ich der geborenen Baronesse Anna von Quast von 1911 bis 1918, andererseits las ich davon, was Eva 1977 und in dem darauffolgenden Jahr erlebt.
Anna hat für sich entschieden, dass sie sich allein auf der Staffelalm oberhalb des Kochelsees, von manchen auch Tonkaalm genannt, zurechtfinden wird. Ihre Familie hat vor dem Tod der Mutter einige Sommer dort verbracht. Die Kenntnisse über Botanik, die sie sich bei der Arbeit mit ihrem Vater auf dem familieneigenen Gut angeeignet hat, kommen ihr täglich zugute. Außerdem beschäftigt sie sich weiterhin mit Töpferei, was ihr einen Ausgleich zu der harten Arbeit bietet, die der Boden rund um die Alm abverlangt. Ihr größtes Glück erfährt sie, als ihre Liebe erwidert wird und diese ihre Einsamkeit beendet.
Die Kapitel wechseln regelmäßig zwischen Anna und Eva. Die Pharmaziestudentin Eva lebt in einer Wohngemeinschaft, deren Bewohner(innen) meist harmonieren. Aber ein gemeinsames Erlebnis mit ihren beiden besten Freunden hat nachteilige Folgen und sie fürchtet sich vor weiteren möglichen Konsequenzen. Innerhalb der wenigen Monate, in denen Eva im Mittelpunkt der Geschichte steht, ändert sich ihr Leben in einigen Punkten, wobei sie es nicht verhindern kann, bestimmte Dinge zur Entscheidung in andere Hände geben zu müssen. Gekonnt bindet Stephanie Schuster auf beiden Zeitebenen geschichtlichen Fakten in die Erzählung ein, teilweise beeinflussen sie das Handeln der Protagonistinnen. Passend fügt sie auch kulturelle Aspekte ein, die die Story beleben.
Die Autorin beschreibt im Roman zahlreiche Möglichkeiten, mit der Natur umzugehen. Dank eigener Erfahrungen, aber auch durch gute Recherche gelingt ihre eine authentische Darstellung. Die Befriedigung, die sich daraus ergibt, wenn man Erfolg hat, mit natürlichen Mitteln zu wirtschaften, ist sowohl bei Anna wie auch bei Eva deutlich zu spüren. Stephanie Schuster verschweigt aber auch nicht, dass es Rückschläge gibt, weil die Naturgewalten nicht planbar sind. Das Unerwartete verpackt sie in dramatische Geschehnisse und baut kleine Cliffhanger ein, die dafür sorgen, dass man rasch weiterlesen möchte. Die Geschichte mit ihren vielen liebevoll dargestellten Details im Umgang mit Flora und Fauna zeigt, wie lange es bereits eine nachhaltige Entwicklung gibt.
Obwohl Eva immer noch damit hadert, adoptiert worden zu sein, sucht sie den Kontakt zu ihrem Elternhaus. Insgesamt wirkte sie auf mich inzwischen geerdeter in ihrem Leben als noch im ersten Band, auch wenn ihr die beste Freundin an ihrer Seite sehr fehlt. Sie wirkt gefestigt in ihren Ansichten und akzeptiert andere Meinungen. Sowohl Anna wie auch Eva konnten meine Sympathie gewinnen. Zum Ende hin findet auch der Prolog des ersten Bands eine Einordnung. Die Verbindung zwischen den beiden Hauptfiguren wird eingehend erklärt und erfährt zuletzt noch eine unerwartete Wendung.
Mit dem Band „Einfach lieben“ bringt Stephanie Schuster ihre „Glückstöchter“-Dilogie zu einem geeigneten Abschluss. Der von den beiden Protagonistinnen während der 1910er beziehungsweise 1970er Jahre gewählte Weg der Verbundenheit zur Natur ist berührend. Das Buch wird durch einige Illustrationen der Autorin verschönert. Für alle Leser des ersten Band ist der zweite Teil ein Muss. Gerne vergebe ich aber auch eine Leseempfehlung an Leser(innen) historischer Romane, die „Einfach leben“ nicht gelesen haben.

Bewertung vom 20.11.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Es geht um ein erfolgreiches Rennpferd, es geht um ein Bildnis dieses Pferdes, aber vor allem geht es im Roman „Das Gemälde“ der US-Amerikaner Geraldine Brooks um Diskriminierung unter verschiedenen Aspekten. Die Handlung spielt auf drei Zeitebenen und basiert auf der wahren Geschichte des Pferds „Lexington“, das im Jahr 1850 in Kentucky geboren wurde. Von diesem Zeitpunkt an, über die nächsten Jahre hinweg, erzählt die Autorin von den Erfolgen des Tiers. Die Kapitel werden unterbrochen von Ereignissen im Jahr 2019, als ein Gemälde des Rennpferds auf dem Sperrmüll gefunden wird. Dieser Teil des Romans ist ebenso fiktional wie die Begebenheiten im Jahr 1954, als eine Galeristin ebenfalls ein in Öl gemaltes Bild eines Pferds entdeckt.

Wie es damals in Kentucky üblich war, wurde dem Rennpferd Lexington, der zunächst Darley hieß, ein versklavter Junge zur Seite gestellt, der sich um dessen Wohl zu kümmern hatte. Geraldine Brooks gibt ihm den Vornamen Jarret. Weil die Kapitel mit den Namen der Protagonist(inn)en überschrieben sind, lässt sich beim Durchblättern bereits erkennen, dass sich der Nachnamen von Jarret, in Abhängigkeit von seinem Besitzer, mehrfach ändern wird. In jugendlichem Alter avanciert er zum Trainer des erfolgreichen Pferds, doch er bleibt stets von seinem Eigentümer abhängig und davon, ob dieser es ihm erlaubt, an der Seite von Lexington zu verweilen.

Als Ich-Erzähler berichtet in einigen Kapiteln ein Künstler von der Schwierigkeit, ein Pferd realistisch abzubilden. Der Maler kämpft später im Sezessionskrieg der Nord- gegen die Südstaaten um die Abschaffung der Sklaverei, wodurch Geraldine Brooks auch diesen Teil der US-amerikanischen Geschichte dem Lesenden näherbringt. Mit gut recherchierten Fakten unterbaut, arbeitet sie die Ungerechtigkeit der Sklaverei deutlich heraus und thematisiert dabei auch den Verkauf von Menschenleben. Gleichzeitig beschreibt sie gekonnt, die faszinierende Welt des Pferderennens und lässt manchen Wettkampf auf der Rennbahn lebendig werden.

Die Begebenheiten in den Jahren von 1954 bis 1956 schließen die Verbindung zum Jahr 2019, in welchem Theo, ein nigerianisch-amerikanische Doktorand der Kunstgeschichte, das von seiner Nachbarin entsorgte Gemälde eines braunen Hengstfohlens findet. Währenddessen wird die australische Wissenschaftlerin Jess, die am Smithsonian Museum in Washington D.C. beschäftigt ist, gebeten, einer Forscherin das Skelett eines Pferds zugänglich zu machen. Jess begegnet Theo an ihrer Arbeitsstätte, nachdem dieser das Bild zu einem Konservator gebracht hat. Die beiden entwickeln im Laufe der Zeit Gefühle füreinander.

Die Autorin gewährte mir Einblicke in die Tätigkeiten des Smithsonian genauso wie in die Welt der Kunst. Anhand der Geschichte von Jess, Theo und deren Umfeld zeigt sie, dass der Rassismus bis heute nicht überwunden ist. Gleichzeitig verdeutlicht sie beispielhaft die Diskriminierung von Frauen, der nationalen Herkunft und der sozialen Klasse.

Es ist eine erstaunlich große Vielzahl sehr unterschiedlicher Themen wie Rennpferde, Kunst, Rassismus und Klimawandel, die Geraldine Brooks in ihrem Roman „Das Gemälde“ auf einzigartige Weise miteinander verknüpft. Dank bester Konstruktion fesselt er von Beginn an und wirkt aufgrund der guten Recherche überaus realistisch. Ich war fasziniert von den Fakten, die die Autorin nahtlos mit der Fiktion verwebt und empfehle sehr gerne den Roman uneingeschränkt weiter.

Bewertung vom 14.11.2023
Love Will Tear Us Apart / The Stranger Times Bd.3
McDonnell, C. K.

Love Will Tear Us Apart / The Stranger Times Bd.3


ausgezeichnet

Die Stimmung in der Redaktion der Stranger Times in Manchester ist an einem Tiefpunkt angekommen, denn die bisherige stellvertretende Chefredakteurin Hannah hat gekündigt. Außerdem hat ihr Vorgesetzter Vincent Banecroft, eine undefinierbare Laune. „Love Will Tear Us Apart“, der Titel des dritten Bands der Serie rund um die Zeitung Stranger Times, der fiktiven Zeitung für Unerklärtes und Unerklärliches, klärt den Grund für seinen Gemütszustand. Der irische Autor CK McDonnell treibt auch hierin wieder die Ereignisse unaufhaltsam auf einen Höhepunkt der besonderen Art zu.

Die Frau des Chefredakteurs ist vor längerer Zeit verstorben. Banecroft verleugnet bisher diese Tatsache, vor allem, seit sie ihm durch einen Geist Botschaften zukommen lässt mit der Bitte, ihr zu helfen. Als Leserin erfuhr ich, anders als die Redakteure, dass Hannah im Auftrag der Besitzerin der Stranger Times in einem New-Age-Zentrum eincheckt, in dem sich kurze Zeit vorher ihr baldiger Ex-Mann hat behandeln lassen. Überdies wendet sich die Schwester eines früheren Mitarbeiters an die Stranger Times, weil ihr Bruder plötzlich verschwunden ist, was gar nicht zu ihm passt. Schnell stellt sich heraus, dass nicht er, sondern jemand anders die ihm zugeordneten Artikel geschrieben hat.

CK McDonnell hat sich erneut eine Storyline ausgedacht, die zunächst mit kaum zugehörig erscheinenden Ereignissen. Der dritte Teil der Serie kann zwar unabhängig von dem vorliegenden gelesen werden, aber mir hat es gefallen, wieder von den bereits vertrauten Figuren zu lesen und ihre Weiterentwicklung zu verfolgen. Der Autor konfrontiert die Mitarbeitenden der Zeitung solange mit neuen Begebenheiten, bis jeder und jede von ihnen in irgendeine Ermittlung einbezogen ist, sowohl die Sekretärin Grace wie auch die Zeitungsschreiber(innen) Stella, Ox und Reggie. Zu ihnen gesellt sich Betty, die neu eingestellte Vertreterin des Chefredakteurs, und auch Detective Inspector Surgess darf nicht fehlen.

Immer wieder springt die Handlung auch zu Hannah, die im Luxusressort leider keine Auszeit genießen kann, sondern im wahrsten Sinne des Wortes immer tiefer ins Dunkle gezogen wird. Auch der Wahrheitssprecher und sein Mitbewohner, ein sprechender Hund spielen erneut in der Geschichte mit. Zwischen den Kapiteln konnte ich wieder einige Kostproben der Artikel lesen, die gewöhnlich in der Stranger Times erscheinen.

Im dritten Band zündet CK McDonnell erneut ein Feuerwerk der schrägen Ideen ab. Sein trockner Humor sorgt durchgehend für ein amüsantes Lesevergnügen, an dem auch André Mumot, dank seiner sehr guten Übersetzung Anteil hat. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende mit Sinn für übertriebene übernatürliche Begebnissen weiter.

Bewertung vom 14.11.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


ausgezeichnet

In seinem Roman „Sylter Welle“ erinnert sich Max Richard Leßmann, der nicht nur Autor des Buchs, sondern auch Sänger und Podcaster ist, an die gemeinsamen Urlaube mit seinen Großeltern auf der größten nordfriesischen Insel zurück. Es ist eine Geschichte, in die Max Leßmann eigene Erlebnisse hat einfließen lassen. Das Cover verspricht womöglich auf den ersten Blick schöne idyllische Tage am Meer, doch auf den zweiten erkennt man den in Flammen stehenden Strandkorb. Beim Betrachten stellte ich mir die Frage, ob der Brand eine Metapher zu den Ferientagen von Max darstellt und war daher gespannt auf seine Erzählung.
Viele Jahre lang hat der Protagonist Max die Eltern seines Vaters auf Sylt auf dem Campingplatz besucht. Inzwischen haben diese aber ihren Wohnwagen verkauft, beabsichtigen jedoch, noch ein letztes Mal auf die Insel zu fahren. Max besucht sie dort für drei Tage in ihrer Ferienwohnung, die zu dem Wohnkomplex „Sylter Welle“ gehört und neben dem gleichnamigen Freizeitbad in Westerland liegt. Bereits bei seiner Ankunft macht Max sich einige Gedanken zu dem gesundheitlichen Zustand seiner Großeltern, denn ihm wird bewusst, dass er irgendwann für immer von ihnen Abschied nehmen muss.
Mit seinem ihm eigenen Humor nimmt Max Leßmann manches Detail am Rande seines Urlaubs in den Blick, wie beispielsweise Ess- und Schwimmgewohnheiten. Seine Gedanken sind amüsierend, mit einer kurzen Bemerkung erhalten sie Würze und manchmal auch Tiefsinn. Gerne schwelgt er in seinen Erinnerungen an vergangene Ferien. Dabei stellt er die Eigenheiten seiner Großeltern heraus und verdeutlicht die Punkte, an denen es typischerweise zu Generationenkonflikten kommt.
Bald schon wurde mir bewusst, dass es dem Autor in seinem Roman um mehr geht als einer Schilderung von Urlaubserlebnissen. Aus den Erzählungen seiner Verwandtschaft weiß er um die niederschlesische Herkunft seines Großvaters, der nach der Flucht aus der Heimat mit seiner Familie im westfälischen Dorf der Großmutter ankam. Max erinnert sich an die Schilderungen von dessen Kindheit mit einem strengen Vater. Sein Opa hat ihm aber auch von den Freiheiten erzählt, die er seinen eigenen Kindern gewährt hat. Die Großmutter von Max erscheint reserviert und stellt für die Familie ihre eigenen, manches Mal befremdenden Regeln auf. Sie ist immer um das leibliche Wohl ihrer Liebsten besorgt.
Es wird nicht deutlich, inwieweit der Roman reale Begebenheiten widergibt. Max Leßmann sagt dazu, dass er die Geschichte verfremdet hat, aber einige Verwandte sich gegenseitig wieder erkennen. Nichtsdestotrotz beschreibt der Autor die Familienmitglieder eigenwillig liebevoll mit Ecken und Macken und schont sich nicht, einige sonderliche Eigenarten seines Alter-Ego darzulegen.
Max Richard Leßmann widmet seinen Roman „Sylter Welle“ seiner Großmutter. Doch nicht nur mit ihrem Leben und ihren Ansichten setzt er sich darin auseinander, sondern auch mit denen seines Großvaters. Er schaut aber genauso auf deren Verständnis für seine Meinungen, seinen Beruf und seine Lebensgestaltung. Die Geschichte hat den Aufforderungscharakter, sich mit seinen Familienangehörigen auseinanderzusetzen und andere Sichtweisen zu respektieren. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 28.10.2023
Das Vogelmädchen von London
Osman, Mat

Das Vogelmädchen von London


sehr gut

Die Vögel verehrenden Aviscultarier werden auch Flapper genannt, was gleichbedeutend mit Wahrsager ist. Die Zukunft lesen sie aus deren Zug bei der regelmäßig stattfindenden Murmuration, aber auch aus Karten. Shay, die titelgebende Figur des Romans „Das Vogelmädchen von London“ von Mat Osman, ist eine von ihnen. Mit ihren gerade mal 16 Jahren obliegt ihr nach dem Tod der Mutter die Aufgabe, ein Vorbild für den Nachwuchs zu sein. Außerdem sorgt sie für ihren inzwischen blinden Vater, der sie gelehrt hat, Falken auszubilden. Sie leben in einem eigenen Viertel außerhalb Londons, aber Shay verrichtet in der Stadt Botengänge. Als sie eines Tages über die Dächer Londons vor jemandem flieht, begegnet sie dem etwa gleichaltrigen Nonesuch, der ihr beisteht.

Nonesuch ist ein weiterer Protagonist und gehört zu einer Gruppe von Jungen, die dazu genötigt werden, für das Blackfriars-Theater zu spielen. Ihre Zuschauer sind gutsituierte Bürger Londons, aber bei speziellen Gelegenheiten haben sie besondere Rollen in Spielen einzunehmen, die Adlige veranstalten. Shay hilft bei ihnen als Souffleuse aus und ist tief beeindruckt von den Leistungen der Darbietenden und dem Umfeld. Als ihr für ihre Tätigkeiten ein finanzieller Anreiz geboten wird, bleibt sie und bald wird aus der Freundschaft zu Nonesuch eine tiefe Zuneigung. Shays Fähigkeiten verbreiten sich in der Stadt, bis hin zur Königin, die sie nicht mehr unbeobachtet lässt.

Die Geschichte spielt zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In den Armutsvierteln Londons halten sich die auf engem Raum lebenden Menschen gerade so mit Gelegenheitsjobs am Leben und Krankheiten verbreiten sich in Windeseile. In den Hinterzimmern wird auf dubiose Wettkämpfe von Tieren gewettet und die Darbietung von Kleinkunst bietet angenehmen Abwechslung vom Alltag. Dem Autor gelingt es, ein opulentes Bild der damaligen Hauptstadt Londons zu schaffen. Die Jugendlichen sind ganz dem Diktat der wohlhabenden Bevölkerung ausgesetzt. Lange gelingt es Shay, sich einen gewissen Freiraum zu erhalten, bis auch sie zum Spielball im Kampf ums Überleben und um gesellschaftliches Ansehen wird.

Die adoleszenten Figuren haben inmitten einer Welt, die ihnen nur wenig Freude bietet, den Wunsch nach Selbstbestimmung. Während aber Shay dazu ihre Fähigkeiten einsetzt und ehrlich ihre Hilfe anbietet, bleibt Nonesuch wenig durchschaubar. Sein Schauspiel zeigt Bestleistungen, aber sein Wille, Unabhängigkeit zu erlangen, lässt ihn tief in die Trickkiste greifen, auch wenn er dabei förmlich über Leichen gehen muss.

Die Geschichte beinhaltet fantastische Elemente, mit denen der Autor die Vielfalt seines Schreibens zeigt. Dennoch kommt es im mittleren Teil zu einer gewissen Länge durch die detaillierte Beschreibung von Nebenhandlungen. Die Atmosphäre ist meist düster gehalten und Mat Osman scheut sich nicht, seine jugendlichen Figuren schweren Prüfungen auszusetzen. Er zeigt die Täuschungsmöglichkeiten durch das Schauspiel und setzt dem die Faszination der Natur durch die Unbedarftheit der Tiere entgegen.

Mat Osman erschafft in seinem Roman „Das Vogelmädchen von London“ eine vorstellbare bildhafte Version der englischen Hauptstadt zum Ende der Regierungszeit Elisabeths I., über die er einen Hauch von Magie zieht. Gaukeleien und Intrigen, Liebe und Hass, Pflicht und Freiheitsliebe bilden das Gerüst der Geschichte, die mit einer überraschenden Wendung zum Ende hin aufwartet. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende weiter, die historische Romane mit Elementen der Fantasy mögen.

Bewertung vom 25.10.2023
Stille Nacht im Schnee
Oetker, Alexander

Stille Nacht im Schnee


ausgezeichnet

Zunächst erscheint es wie ein Heiliger Abend, den einige der Lesenden des Romans „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker vielleicht selbst so oder ähnlich bereits erlebt haben. Das Setting liegt in den Schweizer Bergen, die tief verschneit sind und die erwachsenen Kinder besuchen mit ihren Partner(inne)n ihre Eltern im Ferienhaus, um gemeinsam die Weihnachtstage zu verbringen. Das Cover sorgt für ein behagliches Gefühl beim Betrachten, noch bevor man das Buch aufschlägt.

Pascal und Elisabeth sind seit vielen Jahren verheiratet und genießen, wie in den Vorjahren, ihren Urlaub im Wallis. Die beiden fragen sich, welches ihrer drei Kinder als erstes eintriffen wird und wundern sich nicht, dass es der ältere Sohn samt nörgeliger Frau, rüpelhaftem fünfjährigem Sohn und Haustier ist. Doch am Rande des ganz normalen Chaos, bemerkte ich die Zuneigung von Pascal und Elisabeth, in die sich jedoch ein Störelement einmischte, eine Andeutung darauf, dass die kommenden Stunden gewiss einen anderen Verlauf nehmen, als in der Familie sonst üblich ist. Bis sich am Ende meine Vermutung bestätigte, beschreibt der Autor einen Vorweihnachtstag mit amüsanten Szenen. Gleichzeitig lässt er auch Themen einfließen, die unsere Welt bewegen und sowohl Figuren wie aus den Lesenden nachdenklich stimmen, beispielsweise den Klimawandel und gesunde Ernährung.

Die Figuren, die Alexander Oetker gestaltet sind vielfältig und interessant in ihrer Zusammenstellung. Pascal und Elisabeth sorgen für einen respekt- und verständnisvollen Umgang miteinander. Obwohl die Geschichte nur über wenige Stunden handelt, durchlebt die Familie einige turbulente Höhen und Tiefen miteinander.

Bis es zum Schluss hin nochmals zu einer unerwarteten Wendung in Form der Aufklärung der bis dahin im Hintergrund knisternder Anspannung der Eltern kommt, erlebte ich Liebe, Verärgerung, Aufregung und Freude zwischen den handelnden Personen, die den Roman „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker unvergleichbar machten. Leider war die Handlung, die mich bestens unterhalten hat, nach etwa 150 Seiten allzu schnell vorbei. Das Buch passt von der Stimmung her vor allem zum Lesen in der Adventszeit. Gerne empfehle ich es weiter.