Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Amke
Wohnort: 
Erfurt

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 15.01.2024
Das Philosophenschiff
Köhlmeier, Michael

Das Philosophenschiff


ausgezeichnet

Sehr, sehr lesenswert!
Michael Köhlmeier nimmt den Leser mit auf eine Reise ins frühe 20. Jahrhundert und nimmt sich dabei selbst ein bisschen auf die Schippe. Denn Anouk Perleman-Jacob, die 100-jährige Stararchitektin, zu deren Jubiläum er wider Erwarten eingeladen wird, will, dass ausgerechnet er ihre Biografie schreibt, obwohl es schon zwei gibt. Wenig schmeichelhaft ist die Begründung, warum sie ausgerechnet ihn will: Er nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Das hat ihr imponiert, denn erzählen will sie ihre Geschichte, wenn sie ihr nicht geglaubt wird – umso besser. Anouk Perleman-Jacob wird im Alter von 14 Jahren mit ihren Eltern im Auftrag Trotzkis Anfang der 1920er-Jahre aus der Sowjetunion ausgewiesen. Per Schiff geht es auf eine Reise ins Ungewisse, gemeinsam mit anderen Intellektuellen und Wissenschaftlern. Geschickt kombiniert Köhlmeier Fiktion und Realität und animiert den Leser dazu, sich intensiver mit der Geschichte vor und nach der russischen Revolution auseinanderzusetzen. So manche Romanfigur, die der Autor auf sein literarisches Deck holt, hat es wirklich gegeben. An den einzelnen Personen beschreibt er die Gräuel der Revolution, die am Ende einen Teil ihrer Kinder frisst. Unweigerlich fühlte ich mich bei den Beschreibungen Köhlmeyers an Carolly Ericksons Biografie „Alexandra Romanowa“ erinnert, das ich vor einigen Jahren las und mich ziemlich verstörte, beschrieb es doch recht deutlich, auf wie viel Blut, Grausamkeit und Chaos der vermeintliche Traum der Menschheit von Freiheit aufgebaut wurde. Wie immer sitzt bei Köhlmeier jeder Satz, jedes Komma. Pointiert führt er den Leser durch die Geschichte und zeigt am Ende ganz deutlich, wo die Realität aufhört und wo die Fiktion beginnt. Ein sehr, sehr lesenswertes Buch mit historischen Hintergründen, das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Bewertung vom 10.01.2024
Eine Vorzeigefamilie
Hahn, Rochus

Eine Vorzeigefamilie


gut

Entwürdigender Blick auf eine Familie
In „Eine Vorzeigefamilie“ nimmt Rochus Hahn seine Familie komplett auseinander. Er schildert die Welt hinter dem schönen Sein einer gut situierten Bilderbuchfamilie. Der Vater, ein studierter Chemiker, mit Doktortitel, dazu eine Mutter, die die Geschicke der Familie natürlich als Hausfrau verwaltete, dazwischen drei Söhne, die vor ihrem Vater und seinen Prügelstrafen zittern, die aus heiterem Himmel kommen, was die Atmosphäre im Hause Hahn unberechenbar gestaltet. Mit einfachen, klaren Worten beschreibt er sein Leben bei seinen Eltern, die Beziehungen zu den Brüdern, den Alltag. Ich habe meine Probleme damit, wenn eine Familiengeschichte ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird. Auf mich wirkt das Buch, das im Berichtsstil geschrieben ist, fraglos hat er schlimme Dinge erlebt, als würde er versuchen, sein Leben aufzuarbeiten. Aber warum muss er das in der Öffentlichkeit tun? Mir wäre lieber gewesen, er hätte das im stillen Kämmerlein getan, in Form eines Tagebuches und nicht als Roman. So entsteht der Eindruck, als wollte er mit der Geschichte seiner Familie Geld verdienen. Er reiht Episode an Episode, ohne eine Verbindung zu schaffen, so wirkt das Ganze wie ein Puzzle mit unendlich vielen Teilen, die sich am Ende nicht zusammenfügen. Ich möchte mich hier nicht in pseudopsychologischen Analysen verlieren, warum wer wie reagiert hat. Ich fragte mich aber, je tiefer ich in das Buch eintauchte: Wie hätte das Buch ausgesehen, wenn es einer seiner Brüder geschrieben hätte? Welche Geschichte hätte wohl seine Mutter erzählt und wie würden unsere Kinder die Geschichte unserer Familie erzählen, wenn wir alt und grau sind oder schon unter der Erde liegen? Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Wirklichkeit, macht Erfahrungen, die ihn auf ganz besondere Weise prägen. Wenn es denn schon ein Roman sein muss, warum kann man ihn dann nicht in einer anderen Welt spielen lassen, ohne dass die autobiografischen Züge so deutlich werden?

Bewertung vom 30.12.2023
Zero Days
Ware, Ruth

Zero Days


sehr gut

Spannend, aber nicht so gut, wie ich Ruth Ware kenne

Wie immer reißt Ruth Ware den Leser so plötzlich ins Buch und die Handlung, dass man sich am Ende fragt, wie sie das immer wieder schafft. Da ist Jack, die mit ihrem Mann Gabe gemeinsam Unternehmen auf ihre Sicherheit testet. Ein aufreibender Job, denn er übernimmt das Digitale und sie schiebt sich durch Lüftungsgänge, vorbei an verbotenen Türen und liefert sich am Ende nicht selten ein Rennen mit dem Sicherheitsdienst. Es ist ein Spiel, von dem beide nicht lassen können - und es endet tödlich. Denn als Jack von einem Job nach Hause kommt, der sie kurzzeitig in Polizeigewahrsam brachte, ist Gabe tot - grausam ermordet. Und natürlich ist es Jack, die ins Auge der kurzsichtigen Ermittler gerät, obwohl sie am Boden zerstört ist und keinen Sinn mehr im Leben sieht. Doch sie will herausfinden, was mit Gabe passiert ist, koste es, was es wolle. So liefert sie sich eine hitzige Verfolgungsjagd mit der Polizei, verletzt sich, steht kurz vor der Sepsis und schafft es am Ende, den Schuldigen zu identifizieren. Aufgrund des Mangels an weiteren Verdächtigern kann es allerdings nur eine Person sein, das ist spätestens nach den ersten 200 Seiten des knapp 400 Seiten umfassenden Romans klar. Die übrigen 200 Seiten dienen der endgültigen Aufklärung. Mit „Das College“ oder ihren anderen nervenaufreibenden Thrillern ist „Zero Days“ leider nicht zu vergleichen. Als bekennender Fan werde ich mir ihr nächstes Buch aber natürlich schnappen - sowie es erschienen ist.

Bewertung vom 19.12.2023
Auden Hill University - How Far We Fall
Pauss, Julia

Auden Hill University - How Far We Fall


sehr gut

Spannend bis zur letzten Seite
Veritas ante omnia – Wahrheit vor allem. Das ist der Leitspruch der elitären Auden Hill University, für die Ivy durch harte Arbeit ein Stipendium ergattert hat, der sich durch das ganze Buch zieht und die Protagonisten vor schwierige Entscheidungen stellt. Doch die Uni ist alt, die Elite verkrustet, die Diskriminierung der Stipendiaten geradezu vorsintflutlich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die jungen Leute es durch eigene Kraft an die Auden Hill geschafft haben, nicht, weil Daddy die richtigen Verbindungen hat. Und mit der Wahrheit nimmt es dort scheinbar niemand so genau, jedenfalls nicht, wenn er ganz nach oben will. Doch Ivy ist hartnäckig, und der Tod von Delilah vor zwei Jahren geht ihr nicht aus dem Sinn. Etwas daran ist merkwürdig. Julia Paus hat einen flotten Stil und beschreibt die elitäre Uniatmosphäre sehr plastisch, so dass man sich die alten, efeubewachsenen Gebäude gut vorstellen kann, ebenso wie das, was sich dazwischen abspielt. Ehe man es sich versieht, ist man mitten drin in der Story zwischen den versnobten reichen Studierenden und den Stipendiaten, denen in aller Deutlichkeit gezeigt wird, dass sie nicht an die Auden Hill gehören. Sie sind sogar in einem Extra-Gebäude untergebracht, damit sie die elitären Kreise nicht stören. Das an sich ist schon sehr gut beschrieben, ebenso wie der Romeo-und-Julia-Plot zwischen Ivy und einem mysteriösen Studenten im zweiten Semester, der – Überraschung – natürlich einem Geheimbund angehört. Die Autorin sorgt dafür, dass es über die 368 Seiten sehr, sehr spannend bleibt. Ich liebe Romane, die an Unis spielen, und auch Julia Pauss hat mich nicht enttäuscht. Allerdings sollte der Text dringend erneut lektoriert werden. Für meinen Geschmack zu viele Schreib- und Stilfehler.

Bewertung vom 21.11.2023
Atalanta
Saint, Jennifer

Atalanta


ausgezeichnet

Frischer, weiblicher Blick auf die Antike
Jennifer Saints „Atalanta“ ist eine ganz besondere Frau. Von ihrem Vater, dem König von Arkadien verstoßen, weil sie es wagte, als Mädchen zur Welt zu kommen, wird sie auf einem Berg ausgesetzt. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende, sie beginnt erst. Eine Bärin, die selbst zwei Jungen hat, nimmt sich ihrer an. Erst später stellt sich heraus, dass Artemis, die Göttin der Jagd, ihr Schutz gewährt. Als die Bärin ihren Nachwuchs verstößt, und damit auch das kleine Mädchen, stolpert Atalanta direkt in die Arme der jungfräulichen Göttin, die sie zu den Nymphen bringt, die an stillen Weihern leben und der Ikone der Jagd huldigen. Dort wächst sie auf und wird zur schnellsten Läuferin und einer gewandten Jägerin, die die Nymphen mehr als einmal vor der mit Gewalt hereindrängenden Männerwelt beschützt. Doch Atalanta sieht auch, mit welcher Willkür Artemis das Schicksal von Nymphen besiegelt, die den Fehler begingen, von Männern oder Göttern verführt zu werden. Denn Artemis ist nicht nur anmutig und anbetungswürdig, sondern auch sehr göttlich – mit wenig Empathie für andere, wenn sie ihre oberste Regel der Keuschheit brechen. So wird Callisto, die von Zeus vergewaltigt wurde, in eine Bärin verwandelt. In Jennifer Saints Buch wird deutlich, dass die Menschen nur ein Zeitvertreib für die Götter sind – davon ist auch Artemis nicht ausgenommen, die Atalanta mit den Argonauten auf das Abenteuer, das Goldene Vlies von Kolchis zu erringen, schickt. Denn wird sich Atalanta nicht bewähren, kann sie nicht auf den Schutz der Göttin hoffen, die durch Atalantas Heldentaten noch heller strahlen möchte.
Interessant ist der feministische Blick auf die Antike. Helden der griechischen Sagen kommen bei Jennifer Saint ganz anders daher, als wir sie kennen – an den poltrigen, fast unangenehmen Herakles muss man sich erst gewöhnen. Und auch Jason, der die Argonauten anführt, kommt nicht gerade gut bei ihr weg. Aber das macht das Buch nur noch umso interessanter. Die Autorin schafft es, die griechische Frau aus der Schattenwelt ihrer Frauengemächer zu führen, ermöglicht den Lesern nicht nur eine ganz neue Sicht auf die Antike, sondern verleiht den Frauen des klassischen Griechenlands eine Stimme.
Warum ich das Buch unbedingt lesen wollte? Ich bin Atalanta schon früher begegnet – in Luna Mc Namaras „Psyche und Eros“. Dort ist Atalanta eine knorrige, betagte Heldin, die Psyche in die Waffenkunst einweist.

Bewertung vom 15.11.2023
Die gute Schwester
Bonner, Sarah

Die gute Schwester


sehr gut

Spannend bis zum Schluss.
Sarah Bonner schafft es mit ihrem Roman „Die gute Schwester“ den Leser von Anfang bis Ende bei der Stange zu halten - viele Wendungen und man fragt sich, wie die Story um Megan ausgeht, die von ihrem Mann in den Wahnsinn getrieben und von ihrer Zwillingsschwester Leah betrogen wird - mit Megans Mann. Schon auf den ersten Seiten des Buches zeigt sich deutlich, wie übel Leah ihr über die Jahre mitgespielt hat. Als sie ihre Schwester zur Rede stellen will, geschieht das Unglaubliche. Megan verliert die Beherrschung und Leah - die Schwester, der immer alles in den Schoß fiel, ist tot. Sarah Bonner nimmt den Leser mit auf eine irrwitzige Story, die von vielen Twists und Überraschungen lebt. Es ist spannend geschrieben, das Buch liest sich fast wie von selbst. Wird es Megan gelingen, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, wird sie sich gegen ihren Mann behaupten, der seine eigenen finsteren Pläne verfolgt? Diese Frage hat sich für mich erst auf der letzten Seite geklärt. Was für ein Buch.

Bewertung vom 11.10.2023
Mein schrecklich schönes Leben
Smale, Holly

Mein schrecklich schönes Leben


ausgezeichnet

Irrfahrt durch ein schrecklich schönes Leben
Um es gleich vorwegzunehmen – ironisch ist der Roman nicht, auch wenn er bei uns Lesern so ankommen mag. Vielmehr macht es traurig, Cassandra durch den Spießrutenlauf ihres Lebens zu begleiten. Die junge Frau hat leicht autistische Züge. Emotionen anderer Menschen sind für sie ein Rätsel. Wenn sie sie wahrnimmt, dann als Farben, teilweise sind es ganze Feuerwerke, die in ihrem Kopf explodieren. Ratend tastet sie sich durchs Leben und wirkt dabei oft unfreiwillig komisch oder seltsam, denn nur zu oft trifft sie nach dem Try&Error-Prinzip nicht den richtigen Ton oder hält irritierende Monologe, stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste. Als junge Frau ohne soziale Bindungen, die sich bei Notsituationen nur beruhigen kann, wenn sie sich wie ein Igel zusammenrollt, notfalls auch an einer Ampel, arbeitet sie ausgerechnet in einer PR-Agentur und scheitert immer wieder kläglich an ihrem fehlenden zwischenmenschlichen Draht. So verliert sie an einem Tag nicht nur ihren Freund, der keine Bindung zu ihr aufbauen kann, sondern auch ihren Job. Per Zufall entdeckt sie, dass sie eine bestimmte Spanne in der Zeit zurückreisen kann und so versucht sie, ihr Leben perfekt durchzuorganisieren. Doch ihr Alltag ist ziemlich kompliziert (wenn sie nicht gerade in der Badewanne liegt und auf Farbfächer starrt, die eine beruhigende Wirkung auf sie haben), und so muss sie oft mehrmals am Tag durch die Zeit reisen – was zwangsläufig zu noch mehr Chaos führt. Holly Smale nimmt den Leser mit auf eine Reise durch das Leben eines Menschen, der ziemlich viele Ecken und Kanten hat und in der Umlaufbahn des Lebens immer wieder aneckt, ins Trudeln kommt, sich überschlägt. Es schmerzt, Cassandra dabei zuzusehen, wie sie sich immer wieder aufrappelt und erneut scheitert. Während des Lesens haben sich mir viele Fragen eröffnet. Angefangen mit dem Aspekt, warum man sein Kind nach einer griechischen Seherin benennt, deren Unglück damit begann, dass sie zwar die Zukunft voraussah, aber niemand ihr glaubte, sondern sie des Wahnsinns verdächtigte? Welch absurder Witz, einem Kind diese schwere Bürde quasi in die Wiege zu legen? Warum haben ihre kultivierten Eltern, die eine fragwürdige Liebe zur griechischen Mythologie auszeichnete, ihr nicht schon in jungen Jahren eine Therapie ermöglicht und ihr die Chance verbaut, zu erkennen, dass sie die Welt nur einfach anders wahrnimmt, dadurch aber nicht schlechter ist als andere, auch wenn diese es ihr immer wieder suggerierten? Cassandra spielt nicht gut mit anderen, Cassandra fügt sich schlecht ein. Cassandra muss immer im Mittelpunkt stehen – Bewertungen von Kindergärtnern und Lehrern, bei denen die Eltern hätten hellhörig werden lassen müssen, statt sie nur abzuschirmen, ihr zu erlauben, sich einen Rückzugsort von der Welt zu erschaffen, einen Kokon, in den sie sich immer wieder zurückzieht, wenn es schwierig wird. Eine Technik, die ihre Eltern unterstützt haben, die aber nun nicht mehr da sind, um sie zu beschützen. Eine Technik, die sie, bis sie 31 Jahre alt ist, beibehält, bis sie plötzlich merkt, dass sie nicht sich, sondern ihr Leben ändern muss und zwar nicht durch Zeitreisen. Trotz allem macht Holly Smale in ihrem Buch Hoffnung: Hoffnung, dass sich etwas ändern kann, indem man auf andere zugeht, sich auf Menschen einlässt, damit sie verstehen können, dass da etwas anders an einem ist und dennoch nicht weniger liebenswert. Gleichzeitig ist es ein Buch, dass sensibilisiert, sich den Anderen, der da auf der Straße in einem scheinbar absonderlichen Takt neben einem geht, genauer anzuschauen, hinter die Fassade zu blicken und das Andere nicht nur zu akzeptieren, sondern auch als Chance zu sehen, selbst zu wachsen.

Bewertung vom 22.08.2023
Kleine Probleme
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme


ausgezeichnet

Aus dem Leben eines Möchtegerns
„Kleine Probleme“ hat Nele Pollatschek ihren jüngsten Roman getauft. Aber wie klein sind sie wirklich? Was auf den ersten Blick wie eine Story über einen verwirrten Familienvater wirkt, der nur schnell noch seine To-do-Liste abarbeiten will, bevor das neue Jahr beginnt, entpuppt sich als vielschichtiges Problem. Denn Lars leidet an Aufschieberitis – und das seit mindestens acht Jahren. So lange hat er gemeinsam mit Lehrerin Johanna ein ramponiertes Haus, so lange nieselt es gefühlt, so lange will er das beste Buch der Welt schreiben. Amüsant erzählt die Autorin vom letzten Tag des Jahres, an dem Lars nun all das schaffen will, was er sich in den vergangenen 12 Monaten vorgenommen hat. Unter anderem sein Lebenswerk – spätestens hier wird klar, das kann niemals gelingen. Unweigerlich fragt man sich, was es auf sich hat mit dem gescheiterten Philosophiestudenten und Endvierziger, der einst einen durchaus guckbaren Tatort geschrieben hat und seitdem scheinbar nichts mehr auf die Reihe kriegt – kritisch beäugt von den eigenen Kindern und Johanna, die irgendwie alles schafft. Dabei ist es nicht so, dass Lars nichts tut, im Gegenteil, er denkt – und zwar jede Menge. Seine Gedanken galoppieren einfach davon, was höchst faszinierend ist, denn sogar Schräubchen und lose Steckverbindungen führen dazu, dass er mit sehr viel Kreativität über das Leben als solches philosophiert. So lässt er sich immer wieder ablenken, er kommt vom Hundertsten ins Tausendste, was alles durchaus witzig beschrieben ist. Doch mit der Zeit verliert man die Geduld mit Lars. Und auch mit Johanna ist nicht alles im Reinen, wie man beim Lesen feststellt. Vor einem halben Jahr ist sie ausgezogen, um sich selbst zu finden. Die To-do-Liste wird von einem schnöden Notizzettel zu etwas Bedeutungsvollem. Wenn er sie endlich abhaken kann, dann wird endlich alles gut – denkt Lars. Viele Weisheiten, die quasi nebenbei serviert werden, hat Pollatscheks erquicklicher Band parat. Auch ich habe meine ganz persönliche gefunden. Das Ende schließlich, ließ mich verblüfft zurück, vielleicht sogar ein ganz klein bisschen wütend.