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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 153 Bewertungen
Bewertung vom 15.12.2023
Kant und das Leben nach dem Tod / Kommissar Kant Bd.3 (eBook, ePUB)
Häußler, Marcel

Kant und das Leben nach dem Tod / Kommissar Kant Bd.3 (eBook, ePUB)


sehr gut

Spannender Ermittler-Krimi mit München-Flair

„Kant und das Leben nach dem Tod“ ist Marcel Häußlers dritter Kriminalroman über den Münchner Hauptkommissar Kant. Wie seine Vorgänger funktioniert auch dieser Band wunderbar als solider und spannender Ermittler-Krimi, diesmal mit besonders atmosphärischen Einblicken in die Münchner Viertel, über die man seltener liest.

Der Fall, mit dem Kant und seine Kollegen in diesem Band zu tun haben, beginnt recht grausig, nämlich mit einer zerstückelten Leiche. Die Spur führt in eine Hochhaussiedlung im nördlichen Brennpunktviertel, wo sich so manche kuriose Gestalten tummeln und so einige einsame alte Menschen leben. Drohen sie ebenfalls Opfer zu werden? Während die Polizei von Tür zu Tür geht, trifft die junge Antonia aus Portugal ein, um ihren Großvater, den letzten lebenden Verwandten, aufzusuchen – aber irgendetwas stimmt nicht. Geschickt führt der Roman die beiden Handlungsstränge parallel, ohne dass gleich offensichtlich würde, wie sie miteinander zusammenhängen. Das regt die Rätselfreude an, sodass bereits in der Mitte des Buches schon ein Haufen Theorien gebildet und über den Haufen geworfen worden sind.

Die große Stärke des Autors und seiner Kant-Reihe ist der Fokus auf die Tat und die Ermittlungen. Die eher lustlosen Kurzausflüge in das Privatleben des Ermittler-Teams hätte man sich hingegen getrost sparen können, denn sie wirken eher wie überflüssiges Beiwerk. Derweil ist die Aufklärung des Falls und das Lüften der vielen Geheimnisse und Ziehen von Querverbindungen eine echte Freude für Menschen, die Lust am Knobeln und Tüfteln haben. Häppchenweise liefert der Roman neue Erkenntnisse aus ganz verschiedenen Quellen, die sich nach und nach zu einem Bild zusammensetzen, sodass man kurz vor den Ermittler*innen auf des Rätsels Lösung kommt (oder zumindest kommen kann) – ein äußerst befriedigendes Gefühl.

Mit „Kant und das Leben nach dem Tod“ legt Marcel Häußler erneut einen soliden Ermittler-Krimi vor, der den Prozess der Aufklärung ganz genau begleitet. Klare Leseempfehlung für alle, die beim Lesen gern mitermitteln.

Bewertung vom 15.12.2023
Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen / Die mörderischen Cunninghams Bd.1
Stevenson, Benjamin

Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen / Die mörderischen Cunninghams Bd.1


gut

Humorvoller Krimi mit Schwächen

Es gibt solche Bücher, an die hat man ab Seite 1 ganz bestimmte Erwartungen – und ist umso enttäuschter, wenn sie nicht voll erfüllt werden. Ein solches Buch ist „Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen“ von Benjamin Stevenson. Ein Kriminalroman, der sich viel auf der Metaebene aufhält und einige gelungene Pointen vorzuweisen hat, insgesamt aber doch nicht so 100-prozentig funktioniert.

Die allseits unbeliebte und in so manches Verbrechen verstrickte Familie Cunningham veranstaltet ein Familientreffen in einem abgelegenen Hotel in den verschneiten Bergen. Protagonist Ernest Cunningham ist aufgrund einer alten Geschichte in Ungnade gefallen und möchte das Ganze schnell hinter sich bringen. Jedoch treten sogleich einige unvorhergesehene Hindernisse auf. Wie könnte es anders sein, taucht gleich zu Beginn des eher ungemütlichen Get-Togethers eine Leiche auf – und die Gemüter laufen heiß, ebenso wie die Verdächtigungen. Ab jetzt schaut jeder misstrauisch über die Schulter, und alle graben nach den Skeletten in den Kellern der anderen – von denen es so einige gibt.

Der Erzähler, Ernest Cunningham, leitet ein mit den Regeln des klassischen Kriminalromans à la Agatha Christie und hält nicht hinter dem Berg damit, dass er genau diese Art Krimi nun zum Besten geben wird. Seine direkte Ansprache der Leserschaft nebst haufenweise Metareferenzen zur Struktur des Buchs oder dem Lektorat schaffen ein aufmerksamkeiterregendes Setting. Der selbstironische Tonfall des Erzählers, der kaum ein gutes Haar an seiner Familie lässt, tut sein Übriges, dem Buch einen humorvoll-subversiven Tonfall zu verleihen. Leider bleibt hinter den cleveren Ausdrucksweisen und den sorgfältig geplanten Pointen die Krimihandlung deutlich zurück. Spätestens ab der Mitte des Buchs verlaufen die Entwicklungen eher zäh und die Spannung kann nicht mehr mit den Erwartungen mithalten. Zudem sind zuletzt die Verhältnisse deutlich weniger skurril, als man zu Beginn annehmen würde, sondern eher traditionell. Streckenweise verstrickt der Erzähler sich in Details, die vielmehr umständlich als erhellend wirken, sodass ein eigenes Mitermitteln und Mitdenken langsam unmöglich wird.

„Die mörderischen Cunninghams“ ist ein humorvoller Kriminalroman mit originellen Ideen, viel Witz und großem Potenzial, das er jedoch nicht ausschöpft. Während Stil und Ausdruck des Buchs für sich genommen eine wahre Freude sind, so können doch der Kriminalfall und seine Auflösung weder so recht überzeugen noch mitreißen. Als Krimi also wenig empfehlenswert, als humoristischer Roman schon eher.

Bewertung vom 15.12.2023
Der sonderbare Fall der Rosi Brucker
Seel, Tina

Der sonderbare Fall der Rosi Brucker


gut

Kriminalroman mit ungewöhnlichem Setting, der auf Distanz bleibt

Das Setting, das Tina Seel für ihren neuesten Kriminalroman „Der sonderbare Fall der Rosi Brucker“ gewählt hat, mutet fast wie eine andere Welt an: ein kleines pfälzisches Dorf in den Siebzigerjahren, in dem Nächstenliebe, Gemeinschaftssinn und Toleranz Fremdwörter zu sein scheinen. Diese überzogen negative Darstellung mutet bisweilen bizarr an, sorgt aber zugleich für ein durchaus interessantes Leseerlebnis.

Dass die geistig behinderte Rosi Brucker ermordet wurde, erfährt der kleine Ort Allweiler erst mit einiger Verzögerung. Der Finder der Leiche, Bäckerlehrling Hasel, ergreift nämlich die Gelegenheit beim Schopf und fordert von den begüterten Eltern der jungen Frau ein Lösegeld, anstatt ihren Tod zu vermelden. Damit setzt er die Polizei, die insgesamt nicht so auf Zack ist, auf eine völlig falsche Spur, sodass sie erfolglos durchs Dorf ermittelt und mit nahezu allen Bewohnern spricht, von denen sich einer unsympathischer und empathieloser erweist als der nächste. Beim Lesen fällt es bisweilen schwer, aus diesem Wust an menschlichen Abgründen noch eine Identifikation mit irgendeiner Figur zustande zu bringen. Die Polyphonie der vielen Stimmen, die zu Wort kommen, lässt sowieso nur wenig Zeit für individuelle Figurenzeichnung. Obendrein bedient sich die Autorin einer äußerst indirekten Erzählweise mit vielen Rückblenden und indirekter Rede, die eine deutliche Distanz zum Geschehen aufbaut. Kurz gesagt: Man bleibt immer außen stehen. Wenn man das vor dem Hintergrund der abgeschotteten Dorfgemeinschaft liest, kein ungeschickter Kniff, jedoch teils etwas anstrengend zu lesen.

Was Tina Seel hingegen meisterhaft gelingt, ist, einen sehr konkreten Eindruck eines bestimmten Milieus heraufzubeschwören. Von der Ausdrucksweise über die Auswahl der Figuren mit ihren diversen Hintergründen und Geheimnissen – alles lässt das Bild dieses (aus moderner Sicht) rückständigen Dörfchens lebendig und präsent erscheinen. Die Kriminalhandlung ist zudem durchaus solide, wenn auch nicht gerade geprägt von überraschenden Wendungen. Insbesondere die Figur Hasels, der sich disruptiv auf die Ermittlungen auswirkt, sorgt für Spannung.

Insgesamt ist „Der sonderbare Fall der Rosi Brucker“ ein durchaus lesenswerter Kriminalroman mit starken Elementen einer Milieustudie, der jedoch nicht immer angenehm zu lesen ist und mit extrem unsympathischen Figuren und einer deutlichen Distanz zur Leserschaft daherkommt.

Bewertung vom 15.12.2023
Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1
Åslund, Sandra

Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1


sehr gut

Eiskalt, schwedisch, tödlich – ein berührender Krimi

Mit „Im Herzen so kalt“ entführt Sandra Åslund ins winterliche Östersund im nördlichen Schweden, wo die Winter kalt und weiß sind. Das Buch reitet hier und da vielleicht etwas zu sehr auf seinem Lokalkolorit herum, ist aber insgesamt ein überaus spannender Krimi, der auch harte Themen berührt.

Kriminalinspektorin Maya wird mit ihrem Kollegen Pär aus dem großstädtischen Stockholm ins provinzielle Östersund geschickt, um bei der Aufklärung der Ermordung eines Umweltaktivisten zu unterstützen – ein kleiner Kulturschock für alle Beteiligten. Aufgrund des Umweltengagements des Opfers gerät sogleich die regionale Forstwirtschaft in den Fokus der Ermittlungen. Sollte eine unliebsame Stimme mundtot gemacht werden, die Raubbau an der Natur kritisierte? Oder geht es vielleicht doch eher um Persönliches? Besonders brisant an dem Fall: Die Leiche wurde von einem blitzgescheiten kleinen Mädchen entdeckt, das sich nicht so ganz von den Ermittlungen fernhalten kann. Eine Herausforderung für Maya, die zugleich auch in Sorge um eine gute Freundin ist, die gerade traumatische Ereignisse aus ihrer Vergangenheit verarbeitet.

„Im Herzen so kalt“ berührt viele Themen, manche davon auf gelungenere Weise als andere. Gerade das Thema Monokultur und Abholzung kommt immer wieder auf, jedoch meist eher auf eine steife Art und Weise, die sich nicht so recht in die Romanhandlung einfügen will. Gleiches gilt für eine Reihe recht bemühter Referenzen zu schwedischen Redensarten oder Spezialitäten – ganz so touristisch müsste es im Krimi doch nicht zugehen. Im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen brilliert der Roman jedoch mit einer Ermittlerin, die oft die richtigen Fragen stellt, aber auch mit einigen Schwächen zu kämpfen hat, gerade im Umgang mit ihren Kollegen aus der Provinz. Das Verhältnis Groß- zu Kleinstadt kommt immer wieder in ausdrucksstarker Weise zur Geltung. Daneben kann auch die Krimihandlung durch viele unerwartete Wendungen und eine ganze Reihe geschickt gelegter falscher Fährten überzeugen.

Insgesamt ein gelungener Krimi, der viele interessante Figuren und eine spannende Handlung mitbringt.

Bewertung vom 12.11.2023
Zwielicht 18
Blackwood, Algernon

Zwielicht 18


sehr gut

Gelungene Mischung aus Grusel und Humor

Die Bewertung einer Sammlung von Texten unterschiedlicher Autor*innen, wie es die 18. Ausgabe des Zwielicht-Magazins ist, ist natürlich immer eine kleine Herausforderung. Wie in jeder Anthologie gibt es sowohl Texte, die positiv hervorstechen, als auch solche, die deutlich abfallen. Im Fall von „Zwielicht 18“ ist den Herausgebern Achim Hildebrand und Michael Schmidt jedoch trotz dieser unvermeidlichen Schwankungen eine stimmige Zusammenstellung mit vielen kleinen Highlights gelungen.

In dieser Ausgabe stehen aktuelle Texte von etablierten Autor*innen wie auch Newcomern älteren Texten aus dem Bereich Sci-Fi und Horror gegenüber. Zumeist handelt es sich bei Letzterem um Erstübersetzungen von Erscheinungen aus Magazinen des 20. Jahrhunderts, wo sich so manche Perle versteckt, die ohne „Zwielicht“ womöglich nie an die Oberfläche geraten wäre, allen voran der schräg-komische Text „Die Körperformer kommen!“ von Winston K. Marks. Insgesamt lässt die Zusammenstellung eine gewisse Vorliebe für Bodyhorror und Humor durchblicken – von beidem gibt es auch in dem kaum weniger bizarr-witzigen Text „Merkwürdig“ von Karin Reddemann zur Genüge.

Düsterer und ernster geht es an anderer Stelle in der Sammlung zu. Ein besonderes Highlight für Fans von Mythologie ist Christian Blums „So schreiten keine ird’schen Weiber“, das gekonnt eine Milieustudie mit Mythen des Altertums verbindet. Betroffen macht Erik Hausers „Der Allesschluck“, wohl mit Abstand die düsterste Geschichte in der kompletten Ausgabe, die kindliches Trauma ins Auge fasst. In variierender Qualität tummeln sich auf den übrigen Seiten der Anthologie besessene Mähdrescher und garstige Achterbahn-Betreiber, kosmische Gottheiten und mysteriöse Tiere.

„Zwielicht 18“ ist eine spannende und abwechslungsreiche Zusammenstellung von Kurzgeschichten aus den Bereichen Sci-Fi und Horror sowie deren Schnittstelle, die mit einigen Überraschungen aufwartet. Auch wenn nicht jeder Text in der Sammlung überzeugen kann, so hält sie doch genügend Highlights bereit, um echten Schauergenuss zu garantieren.

Bewertung vom 14.06.2023
Die Wissenschaft von Mittelerde

Die Wissenschaft von Mittelerde


sehr gut

Anspruchsvolle Populärwissenschaft für eingefleischte Tolkien-Fans

„Die Wissenschaft von Mittelerde“, herausgegeben von Roland Lehoucq, Loїc Mangin und Jean-Sébastien Steyer, präsentiert sich zwar auf den ersten Blick als reich bebilderter Band zum Schmökern und Staunen, hat es jedoch in sich. Mit einem enormen Detailreichtum und fachlicher Kompetenz sezieren die Autor*innen des populärwissenschaftlichen Bandes Tolkiens Worldbuilding und seine Hintergründe in zeitgenössischen Diskursen, Geschichte und Mythologie aufs Genaueste. Nichts für Gelegenheits-Fans!

Es gilt als allgemein bekannt, dass der äußerst gebildete Tolkien sich bei der Erschaffung von Mittelerde nicht allein auf seine Phantasie verließ, sondern sich an vielen Bereichen der Wissenschaft bediente, von mittelalterlicher Literatur über Linguistik bis zu zeitgenössischer Philosophie. Mithilfe von Tolkiens umfangreichem Briefkorpus haben sich die 38 Beitragenden von „Die Wissenschaft von Mittelerde“ der Mammutaufgabe gewidmet, diese Einflüsse sichtbar zu machen, zugleich aber auch die Naturgesetze von Mittelerde zu analysieren. Es kommt dabei eine erstaunliche Materialfülle zusammen, die auf beeindruckende Weise verdeutlicht, wie penibel Tolkien auf die Stimmigkeit von Details in seinem Weltenbau bedacht war.

Besonders empfehlenswert und durchaus nicht humorlos sind die Artikel des Bandes, die moderne Methoden der Wissenschaft auf Tolkiens fiktionale Welt anwenden, etwa Dan Lunts Berechnung eines Klimamodells für Mittelerde – wer hätte gedacht, dass der Westen von Texas Mordor klimatisch am nächsten kommt? Ebenfalls lesenswert ist die Arnaud Varennes-Schmitts wunderbar bebilderte zoologische Einordnung der Olifanten, samt Untergruppierung nach Tolkien-Olifant und Jackson-Olifant. Überhaupt tragen die Illustrationen viel zum Genuss dieses Werks bei, können jedoch nicht davon ablenken, dass der Inhalt im Vordergrund steht. Trivial geht es hier nicht zu, und so erfordert die Auseinandersetzung mit dem Band schon ein tieferes Interesse an der Tolkien’schen literarischen Welt – und nicht zuletzt auch ein gewisses Grundwissen.

„Die Wissenschaft von Mittelerde“ empfiehlt sich also hauptsächlich für Tolkien-Fans, die sich bereits eingehender mit seinen Werken beschäftigt haben und darüber hinaus auch ein vertieftes Interesse an den Hintergründen haben – eine ziemlich spitze Zielgruppe und kein ganz einfaches Buch. Dafür aber für Tolkien-Begeisterte eine echte Schatztruhe!

Bewertung vom 21.02.2023
Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11
Läckberg, Camilla

Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11


weniger gut

Aktuelle Thematik, aber nicht gerade spannungsgeladen

Im neuen Fall von Camilla Läckbergs erfolgreicher ermittelnder Autorin Erica Falck geht es um hochbrisante Themen: den Mord an einer trans Frau in der Vergangenheit, die Vergabe des Literaturnobelpreises in der Gegenwart und parallel dazu mehrere rätselhafte Morde, die eng mit beidem zusammenzuhängen scheinen. Eigentlich Stoff für einen extrem spannenden Krimi, jedoch dümpelt „Kuckuckskinder“ leider immer wieder eher langsam vor sich hin, bedient links und rechts kleine Nebenschauplätze und mäandert ein wenig um das Wesentliche herum.

Im beschaulichen Fjällbacka kommt die schwedische Kulturelite zusammen, denn der ansässige Schriftsteller Henning Bauer soll den Literaturnobelpreis verliehen bekommen. Erica Falck befindet sich mitten im Trubel einer glamourösen Feier, als nebenan ein Fotograf ermordet wird, der eigentlich ebenfalls zu den Partygästen gehört hätte. Kurz darauf ereignet sich ein bestialischer Anschlag auf Hennings Familie. Ericas Mann Patrik hat als Polizist alle Hände voll zu tun mit den Ermittlungen, aber Erica interessiert sich eher für eine Story am Rande des Geschehens, denn die kulturelle Vereinigung rund um Henning im Zentrum der Ermittlungen hatte eine rätselhafte Beziehung zu Lola, einer trans Frau, die in den Achtzigern zusammen mit ihrer kleinen Tochter zu Tode kam – oder ermordet wurde? Ericas Recherchen erwecken nach und nach immer mehr den Eindruck, dass Vergangenheit und Gegenwart eng miteinander zusammenhängen.

Wie immer bei Camilla Läckberg sind die Zusammenhänge auch in diesem Krimi äußerst komplex und vielschichtig – erst gegen Ende ergibt sich ein stimmiges Bild aus den vielen Puzzleteilen, das zumindest teilweise verblüffen kann. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg: Ericas Sozialleben und persönliche Verwicklungen aller möglichen Nebenfiguren scheinen teilweise mehr im Vordergrund zu stehen als alles andere. Die Zusammenhänge, die Erica auf Lolas Spur setzen, erscheinen zudem etwas konfus, so wie einige andere Details des Falls, die recht konstruiert wirken.

Mit „Kuckuckskinder“ hat Camilla Läckberg leider bei Weitem nicht ihr stärkstes Werk abgeliefert. Trotz spannender Thematik und einigen überraschenden Twists gegen Ende kann das Buch insgesamt nicht so recht begeistern und zieht sich stellenweise arg in die Länge. Schade!

Bewertung vom 24.01.2023
Fern vom Licht des Himmels
Thompson, Tade

Fern vom Licht des Himmels


ausgezeichnet

Ein fabelhafter wilder Ritt im All

Schon das Cover von „Fern vom Licht des Himmels“, das der Golkonda-Verlag gezaubert hat, strahlt etwas ganz Besonderes aus: die mysteriöse Ruhe des Alls, verbunden mit einem kleinen Störgefühl. Dieses Versprechen löst Autor Tade Thompson in diesem Science-Fiction-Krimi vollumfänglich ein. Es geht spannend zu, aber auch humorvoll, philosophisch und gesellschaftskritisch. Ein wunderbarer Roman!

Shell, ein vielversprechendes junges Talent, frisch aus der Ausbildung, begleitet ihren ersten interstellaren Flug, der tausend Passagiere in ein anderes System transportieren soll. Eigentlich eine einfache Aufgabe – abgesehen von den zehn Lebensjahren, die sie dadurch verschläft –, denn die KI des Schiffes Ragtime soll eigentlich alles vollautomatisch erledigen. Nur dass die KI kurz nach Shells Erwachen kaum mehr ansprechbar und auf ihre Grundfunktionen heruntergefahren ist. Und damit nicht genug: Die Roboter des Schiffes laufen Amok, ein synthetischer Wolf streift durch die Gänge, und dreißig Passagiere wurden in ihren Schlafkapseln zerstückelt. Das wiederum ruft Ermittler Fin und seinen Androidenkollegen Salvo auf den Plan, die in der Abgeschlossenheit des Raumschiffs nach Verdächtigen suchen. Beim verzweifelten Versuch, das Schiff zugleich unter Kontrolle zu bringen und die übrigen Passagiere zu retten, stolpern Shell und Fin von einer dramatischen Situation in die nächste und begreifen erst nach und nach, womit sie es eigentlich zu tun haben.

„Fern vom Licht des Himmels“ ist zugleich eine spannende und gut durchdachte Zukunftsvision, die Themen wie Kolonialismus, Kapitalismus und Ausbeutung aufgreift, und ein klassisches Locked-room-Mystery. Nur dass beim Ermitteln niemand pfeiferauchend im Sessel sitzen kann, sondern alle Verdächtigen und Ermittelnden auf einem außer Kontrolle geratenen Raumschiff dem sicheren Tod entgegentrudeln. Die lockere und von einem subtilen Humor geprägte Erzählweise konterkariert die dramatische Situation, die immer wieder ethische Entscheidungen von ihren Figuren einfordert, und verleiht dem Roman einen angenehmen Lesefluss. Sämtliche Figuren wachsen einem schnell ans Herz, und vieles ist nicht so schwarz-weiß, wie es zunächst scheint.

Ein zugleich rasantes und nachdenkliches Abenteuer zwischen den Sternen, das wahnsinnig unterhaltsam, manchmal poetisch und immer hochspannend ist. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.01.2023
Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1
Mackintosh, Clare

Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1


sehr gut

Ein kniffliges Verbrechen und persönliche Verstrickungen

„Die letzte Party“ von Clare Mackintosh ist ein echtes Krimivergnügen: falsche Fährten, viele Verdächtige mit starken Motiven, zwielichtige Charaktere und dubiose Machenschaften … Wer gerne mitermittelt, sich auch mal aufs Glatteis führen lässt und Spaß an überraschenden Wendungen hat, wird diesen Roman lieben. Der einzige Wermutstropfen: die leider oft holprige deutsche Übersetzung.

In einem ruhigen kleinen Dorf an der walisisch-englischen Grenze wird ein Lokal-Promi auf einer Silvesterparty ermordet. Rhys Lloyd, so stellt sich bald heraus, wurde von niemandem so recht gemocht. Beinahe jeder im Dorf hätte einen Grund gehabt, ihn zu ermorden, ebenso wie seine direkten Nachbarn in der Ferienhaussiedlung The Shore auf der englischen Seite, die wiederum den walisischen Dorfbewohnern ein Dorn im Auge ist. Rhys ist im Dorf aufgewachsen und hatte ausreichend Zeit, sich überall Feinde zu machen. Die örtliche Polizistin Ffion muss mit ihrem englischen Amtskollegen Leo, mit dem sie unpassenderweise kurz zuvor einen One Night Stand verbracht hat, das Verbrechen aufklären und dabei auch ihre engsten Freunde und Verwandten genau unter die Lupe nehmen. Und am Ende ist doch nicht alles so, wie es scheint …

„Die letzte Party“ wartet an jeder Ecke mit einer neuen Wendung auf, aber nicht auf effekthascherische Weise, sondern indem das Buch geschickt erst nach und nach Informationen enthüllt, neue Perspektiven auftreten lässt oder kleine Teile der Vergangenheit preisgibt. Das Hin und Her der Zeitebenen wird dabei geschickt eingesetzt, um häppchenweise die zur Lösung des Rätsels notwendigen Informationen zu vermitteln, ohne dass diese Erzählweise ernsthafte Verwirrung stiften würde. So wird den Lesenden ausreichend Gelegenheit gegeben, eigene Theorien zu entwickeln, wieder zu verwerfen oder anzupassen. Quasi ein Krimi, wie er im Buche steht! Umso ärgerlicher ist da, dass die deutsche Übersetzung qualitativ nicht zu überzeugen weiß. Dafür gibt es in der Bewertung einen Stern Abzug, denn so manches Mal ist die Wortwahl regelrecht irreführend oder bringt den Lesefluss ins Stocken (erwähnt sei hier nur die Übersetzung des englischen „pathetic“ als „pathetisch“ …).

Ein absolut lohnenswerter Krimi mit leider schwacher deutscher Übersetzung, den man daher wohl besser im Original genießen sollte.

Bewertung vom 24.01.2023
Schwerer als das Licht
Raich, Tanja

Schwerer als das Licht


weniger gut

Sehr langsam und eher repetitiv erzählt

Wer nach einem Buch sucht, das Atmosphäre aufbauen kann, wird Tanja Raichs „Schwerer als das Licht“ sicher mögen. Wer allerdings auch einige Fragen beantwortet haben möchte und Wert auf Handlung und Spannungsbogen legt, ist vielleicht bei diesem schmalen und nicht ganz einfachen Büchlein nicht an der richtigen Adresse.

Die Grundidee dieses Romans, der sich als dystopisches Nature Writing ausgibt, ist eigentlich in sich extrem spannend: Eine namenlose Frau strandet ohne Angabe von Gründen auf einer einsamen Insel und gerät bald in Konflikt mit der örtlichen Bevölkerung. Ihr Kampf ums Überleben wird in einem sprunghaften Hin und Her der Zeitebenen erzählt, wobei die umgebende Natur eine prominente Rolle spielt, die im Sterben begriffen zu sein scheint. Eigentlich hochinteressant – nur, dass diese Mysterien nicht einmal im Ansatz aufgeklärt werden.

Tanja Raichs Roman krankt vor allem an einem Zuviel an sich oft wiederholenden Beschreibungen der Natur und des Verhältnisses ihrer Protagonistin dazu und einem Zuwenig an Handlung und Aufklärung. Das zunächst reizvolle enigmatische Moment der Erzählung (Woher kommt die Frau? Wer ist sie? Warum ist sie gestrandet? Was wollen die Einheimischen? Was ist mit der Natur los?) wird schnell ermüdend, weil keine dieser Fragen auch nur ansatzweise beantwortet wird. Das lässt die Erzählung schnell statisch wirken und – trotz der Kürze des nicht mal 200 Seiten starken Büchleins – leider auch ein wenig langweilig.

„Schwerer als das Licht“ bleibt geradezu schmerzhaft interpretationsoffen, was leider weniger gut funktioniert, da zu wenige mögliche Interpretationen überhaupt angeboten werden. Dadurch wirken die an sich oft ästhetischen sprachlichen Bilder irgendwann beliebig und vom Narrativ losgekoppelt. Ein Buch, das leider schnell wieder vergessen sein wird und trotz Potenzial keine große Wirkmacht entfalten kann.