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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2033 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2025
Die schönere Lüge
Spiotta, Dana

Die schönere Lüge


sehr gut

Hommage an das Kino

Schon das Cover deutet auf die Freundschaft zweier Frauen an.
Beide beschäftigen sich mit Film, vielmehr, es ist ihr Lebensmittelpunkt.
Doch sie sind sehr unterschiedlich. Die Autorin präsentiert zwei Lebenswege.
Das macht sie auf komplexe, manchmal unnötig komplizierte Art.
Man sollte für das Buch ein Interesse an Film mitbringen, insbesondere auch an die Filmgeschichte. Man wird einiges wieder entdecken und vielleicht auch neues.

Ich muss gestehen, dass mich Dana Spiottas letzter Roman (Unberechenbar) mehr angesprochen hatte, aber auch Die schönere Lüge ist ein gutes Buch.

Bewertung vom 18.02.2025
Russische Spezialitäten
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten


ausgezeichnet

Eindrucksvoll

Ein Buch über den Riss in Familien, der durch äußere Konflikte wie Krieg entsteht.
Der Icherzähler Dmitrij ist als 8jähriger aus Kyjiw nach Deutschland gekommen. Seine Eltern führen dort einen Laden, der russische Spezialitäten verkauft.

Das Buch ist autobiografisch.

Zur Coronazeit übernimmt er dort kurzzeitig die Leitung, damit seine Eltern geschützt sind, auch weil der Vater nach einem Schlaganfall nicht mehr der alte ist. Doch schließlich muss der Laden schließen.
Der Angriff auf die Ukraine kommt und Dmitrijs Mutter, die aus Russland stammt, nimmt einseitig Partei gegen die Ukraine. Sie glaubt der russischen Propaganda. Durch dieses Buch wird klar, wie stark Putins Lügen bei vielen doch ziehen.
Dmitrij ist daher ständig im Streit mit der Mutter, auch mlt Freunden. Der Vater ist eher gleichgültig, als Jude jedoch mitgenommen vom Massaker in Israel.

Dmitrij möchte den Streit nicht eskalieren lassen, um Familie und Freunde nicht zu verlieren.

Er reist in die Ukraine, um sich selbst ein Bild zu machen. Diese Beschreibungen sind eindrucksvoll, obwohl die Sprache ungekünstelt, manchmal verhalten ist.

Dmitrij Kapitelman konnte mir als Leser die Situation der Ukrainer gut vermitteln.

Bewertung vom 18.02.2025
bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann
Lovrenski, Oliver

bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann


sehr gut

Überdosis vom Leben

Das Buch mit dem ausgefallenen Titel „bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann“ ist außergewöhnlich.
Das Buch ist komplett in Jugendsprache erzählt. Das ist teilweise witzig, manchmal auch anstrengend.
Abwechselnd erzählen vier Jugendliche.
Ivor, Marco, Arjan und Jonas. Sie sind wie Brüder.
Sie leben in Norwegen, lieben es zu chillen und ihr Interesse liegt bei vielen Drogen. Nicht umsonst heisst der zweite Teil des Buches Absturz.

Die Kapitel sind überwiegend sehr kurz und es gibt viele von ihnen.

Noch ein Wort zum Cover: es ist ganz in rot gehalten und zeigt offenbar einen der Jugendlichen in nachdenklicher Pose. Das passt schon.

Ein manchmal witziges, aber auch raues und wildes Buch.

Ich vermute, der Autor Oliver Lovrenski wird seinen Erfolg nicht wiedrholen können. Er hat es geschafft, ein Lebensgefühl auszudrücken. Ein weiteres mal ist das nicht zwingend.

Bewertung vom 18.02.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


sehr gut

Die vielen Geschichten rund um den Panamakanal

Man taucht tief ein in eine historisch bedeutende Zeit.
Das große historische Ereignis ist der Kanalbau Panama ca. 1907. Bis 1913 wird erzählt.
Der Autorin Cristina Henriquez gelingt es, ihre Figuren lebhaft und glaubhaft zu gestalten. Das gilt vor allen für die junge Ada Bunting, die mutig ist und Geld für ihre kranke Schwester verdiene will und als zweite Hauptfigur Omar, der auch am Kanal arbeitet. Aber auch Nebenfiguren sind großartig, zum Beispiel Omars Vater Francesco oder auch Lucille. Dann gibt es auch noch John und Marian, deren Rollen leider etwas zu klein ausfallen.
Es steckt also viel drin, denn lalle Figuren haben auch noch ihre eigenen Geschichten.

Cristina Henriquez hat einen epischen Ansatz und verwebt ziemlich viel in die Handlung, vielleicht zu viel. Nicht immer ist man als Leser dicht am Plot, da es manchmal zu ausufernd wird. Das Buch kann also nicht ganz überzeugen.
Trotzdem ist das Buch schon ganz gut geschrieben und absolut lesenswert.

Bewertung vom 18.02.2025
Dienstmädchen für ein Jahr
Boo, Sigrid

Dienstmädchen für ein Jahr


sehr gut

Band 10 der rororo-Entdeckungen

Dienstmädchen für ein Jahr von Sigrid Boo stammt aus dem jahr 1930.
Das Buch wird von der Erzählstimme der Protagonistin geprägt. Sie ist eine moderen junge Frau im Norwegen
Als Icherzählerin verfügt sie über Frische und erfreulicherweise auch über Witz und Selbstironie.

Die verwöhnte Helga nimmt aufgrund einer Wette eijne Strelle als Diuenstmädchen für ein jahr an. Das fällt ihr anfangs nicht leicht.
In Form von Briefen berichtet sie ihrer Freundin, wie es ihr ergeht.
Streckenweise überzogen, weitgehend harmlos, aber immer munter setzen sich Helgas Erlebnisse fort.

Band 10 ist wieder eine zündende und lesenswerte Entdeckung in der Reihe.

Bewertung vom 18.02.2025
Ich gehe in ein anderes Blau
Töteberg, Michael;Vasa, Alexandra

Ich gehe in ein anderes Blau


sehr gut

Ein Kultautor

Rolf Dieter Brinkmann, jung gestorben, war ein wichtiger Deutscher Autor der siebziger Jahre.
In letzter Zeit war es eher ruhig um ihn und seine Bücher.
Diese Biographie bietet die Chance ihn wieder zu entdecken oder vielleicht sogar überhaupt erst kennen zu lernen.
Die Biografie ist relatv konventionell aufgebaut, dass heißt es wird zeitlich von Kindheit bis zum tödlichen Autounfall erzählt. Für mich ist diese Form sehr in Ordnung.

Man spürt schon schnell, dass Brinkmann ein Erneuerer der Sprache war, der radikal und kompromisslos schrieb. Schon das Cover, auf dem er abgebildet ist, strahlt das irgendwie stark aus.
Er war streitbar, anscheinend auch manchmal exzentrisch und immer suchte er das Neue in seine Texten.
Solche Schriftsteller sind in heutiger Zeit eher selten.
Außerdem erfährt man in diesem Buch viel vom Literaturbetrieb dieser Zeit und das hat mich vielleicht am meisten am Buch überzeugt.

Bewertung vom 18.02.2025
Der Junge
Aramburu, Fernando

Der Junge


ausgezeichnet

Der 23.Oktober 1980

Fernando Aramburu ist in San Sebastian geboren, lebt aber schon lange in Deutschland. Doch seine Romane sind ganz und gar Spanien.
Ein schreckliches Ereignis 1980 in Spanien und wie die betroffenen Menschen damit umgingen, ist das Thema dieses großartig gemachten Buches. Durch eine Explosion gab es 50 Tote in einer Schule, überwiegend Kinder.
Stellvertretend wird die Familie des sechsjährigen Nuco, der unter den Todesopfern war, gezeigt. Für die Eltern Mariaje und Jose Miguel ein Schock. Sie versuchen auf verschiedene Art, mit dem Verlust umzugehen. Nicos Großvater schließt nicht mit dem Tod ab. Regelmäßig besucht er den Enkel auf dem Friedhof und scheint eine Verbindung aufrecht zu erhalten. Auf andere wirkt er deswegen wunderlich.

Fernando Aramburu ist ein Autor, der es versteht, die Psyche seiner Figuren auf realistische Weise zu untersuchen und er verdeutlicht die Probleme, die entstehen, wenn man die Gefühle aufgrund von Verlusten nicht auf- und verarbeitet.

Es gibt eine ungewöhnliche zusätzliche Ebene, in dem sich das Buchmanuskript selbst zwischenschaltet und Absichten des Autors kommentiert. Solche Schreibmethoden mit Ironie kennt man von Fernando Aramburu. Manche Leser kann das irritieren, ich finde es originell.

Der Junge ist verglichen mit anderen Romanen dieses Autors relativ kurz, ist aber dem Stoff angemessen und absolut passend.

Bewertung vom 16.02.2025
Halbe Leben
Gregor, Susanne

Halbe Leben


ausgezeichnet

Klara und Paulina

Halbe Leben ist ein bei Zsolnay erschienener zeitgenössischer Roman mit relevanten Thema.
Nachdem Klaras Mutter Irene einen Schlaganfall hatte und pflegebedürftig ist, stellt sie die aus der Slowakei stammende Pflegerin Paulina ein. Schon bald ist Paulina unverzichtbar für die Familie, die neben Irene aus Klara, ihren Mann Jakob und der 11jährige Ada besteht.

Da bereits auf der ersten Seite erzählt wird, wie Klara durch Sturz von einem Berg ums Leben kommt, ist man als Leser gespannt, wie die Zusammenhänge sind.
Paulina, die zwei Söhne hat, fährt regelmäßig nachhause, wird aber immer mehr von Klara vereinahmt, besonders nachdem Irene einen zweiten Schlaganfall erlitten hat.
Paulina steht immer mehr unter Druck. Stets pendelnd muss sie immer mehr leisten.

Susanne Gregors Sprache ist dicht und stimmungsvoll. Sie kann einfühlsam erzählen und gibt den Figuren eigene Stimmen. Das macht Halbe Leben neben dem zwingenden Plot zu einem großartigen Roman.

Bewertung vom 16.02.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


sehr gut

Time after time

Das Buch beginnt mit einer drolligen Szene, in der die Protagonistin Marlene es nicht schafft, die Tür einer Toilettenkabine wieder zu öffnen und sich daher unten drunter rausrobben muss. Gleichzeitig ist Marlene in Trauer um ihren toten Mann.
Das ist typisch für das Buch, absurde wie ernste Momente zu mischen.

Marlenes Zustand der Wut und Trauer wird detailliert herausgearbeitet. Manche Momente erinnern mich an Daniela Kriens letzte Roman, in der die Hauptfigur auch in Trauer war, allerdings um ihr Kind.
Es kommt in Susann Pasztors Buch jedoch zu einem anderen Aspekt, als eine weitere Figur auftaucht: Jack Habermann, ein ehemaliger Schüler von ihr, jetzt Klempner und momentan obdachlos. Sie nimmt ihn bei sich auf.
Marlene und Jack verstehen sich gut, sie hat jetzt jemand zu reden und Jack ist eine offene, verständnisvolle Person.
Das Buch wird sehr dialogbetont und die Autorin beherrscht das.
Als dritte kommt noch die Ärztin Ida hinzu. Zu dritt fahren sie schließlich nach Wien. Die Unterstützung dieser Freund könnte der Weg zur Heilung sein. Eigentlich zu schön um wahr zu sein, aber es ist ein unterhaltendes Buch.

Bewertung vom 16.02.2025
Meine Bäume
Limón, Ada

Meine Bäume


ausgezeichnet

Bäume und Leben

Ada Limón ist eine Amerikanische Dichterin, die mit diesem hervorragenden Buch über Bäume kurze lyrische Prosastücke vorlegt.
Es geht nicht nur um Bäume, obwohl es da tatsächlich detailreich wird, sondern sie erzählt auch von sich und ihrer Familie, prägenden Erlebnissen, ihre Kindheit und später ihre Jahre in New York. Meistens ist sie aber in Kalifornien. In einem Kapitel auch in New Mexiko, sie hat mexikanische Wurzeln.
Die Prosastücke werden durch diese Passagen ihres Lebens zusammengehalten und sie sind sehr lyrisch gehalten. Wer lyrische Prosa liebt, kommt hier auf seine Kosten. Manche Passagen erinnerten mich vom Lesegefühl her vage an Louise Glücks Wilde Iris.
Aber insgesamt hat Ada Limón natürlich einen eigenständigen Stil, der mir ausgesprochen gut gefällt. Hoffentlich wird auch einmal einer ihrer Gedichtbände auf Deutsch übersetzt.
So lange aber kann man dieses Buch auch mehr als einmal lesen, denn bei aller kürze ist es doch sehr reichhaltig.