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Magda
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Köln

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Insgesamt 289 Bewertungen
Bewertung vom 30.04.2025
Lacrosse, Marie

Licht und Schatten / Montmartre Bd.1


ausgezeichnet

Von Marie Lacrosse habe ich bereits die KaDeWe-Dilogie sehr gern gelesen, Montmartre steht dieser in nichts nach. Wie der Titel schon sagt, spielt der Roman in Paris im Künstlerviertel Montmartre Ende des 19. Jahrhunderts.
1879: Elise und Valérie kommen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Elise ist die Tochter einer Wäscherin, Valérie die eines wohlhabenden Kunsthändlers. Als wir beginnen, die beiden auf ihren Wegen durch Montmartre zu begleiten, sind sie 13 Jahre alt.
Valérie möchte Malerei studieren. Sie schafft es - nicht nur aufgrund ihres Talentes sondern auch dank der großzügigen finanziellen Unterstützung ihres Vaters - als einzige Frau an die Akademie von Fernand Cormon aufgenommen zu werden. Ihre Mitstudenten sind unter anderem Graf Henri de Toulouse-Lautrec und Pascal Didier, eine Zeit lang studiert auch Vincent van Gogh an der Akademie.
Valérie und Pascal verlieben sich ineinander, doch Valéries Eltern lehnen einen armen Kunstmaler als künftigen Schwiegersohn ab. Graf Henri Lautrec stellt den beiden seine Wohnung für Schäferstündchen zur Verfügung. Der Graf ist kleinwüchsig und leidet an einer Erbkrankheit. Sowohl Lautrec als auch seine Geliebte, die berühmte Kunstmalerin Susanne Valadon, zählen zu den historischen Persönlichkeiten, über deren Leben und Kunstwerke wir einiges erfahren.
Elise wächst als die ältere Tochter einer Wäscherin in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihre beste Freundin Louise Weber nimmt sie mit zu Tanzveranstaltungen und beschafft ihr zunächst einen Job als Aktmodell in der Kunstakademie und später als Tänzerin im Elysée Montmartre. Nach der Fertigstellung des Moulin Rouge werden beide dort angestellt.
Graf Lautrec macht Elise und Valérie miteinander bekannt. Er ist ein glühender Verehrer von Elises Kindheitsfreundin Louise, die in ganz Paris als „La Goulue“ bekannt ist. Die Cancan-Tänzerin tanzt sehr freizügig und für die damalige Zeit skandalös, sie gerät häufig mit dem Sittenwächter Coutelas aneinander.
Einige Szenen spielen sich in Freudenhäusern ab. Es war „Das goldene Zeitalter des Bordells“, die Geliebte von Valeries Vater ist eine berühmte Kurtisane, Elises Schwester gerät in die Fänge eines der vielen Zuhälter, die in Montmartre auf der Suche nach jungen Mädchen umherstreifen.
Wir erfahren einiges über wichtige Ereignisse aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Der Bau des Sacré-Coeur, für den Valéries fromme Mutter viel Geld spendet, die Errichtung des Panama-Kanals, in den ihr Vater eine große Summe investiert, der Bau des Eiffel-Turms im Rahmen der Weltausstellung in Paris von 1889 und nicht zuletzt die Entstehung von Kunstwerken berühmter Maler wie van Gogh, Degas, Gauguin und Toulouse-Lautrec.
Ich habe den ersten Band der Montmartre-Dilogie sehr gern gelesen und wurde nach Montmartre ins 19. Jahrhundert versetzt, wo ich mit Elise und Valérie gelitten, geweint und geliebt habe. Dank der akribischen Recherche der Autorin habe ich viel über Stilrichtungen, Kunstmaler und wichtige historische Ereignisse gelernt. Band 1 endet mit einem Cliffhanger, ich freue mich schon auf den Nachfolgeband, der im November erscheinen wird.

Bewertung vom 27.04.2025
Dean, Will

Die Kammer


ausgezeichnet

Die Kammer von Will Dean ist der erste Thriller des Autors, der ins Deutsche übersetzt wurde. Ich hatte am Anfang Verständnisprobleme aufgrund der Fülle an technischen Begriffen, ab der Hälfte konnte ich das Buch jedoch nicht mehr aus der Hand legen.
Das Buch ist aus der Perspektive von Ellen Brooke geschrieben, einer der wenigen Frauen, die als Sättigungstaucherin arbeiten. Ellen ist seit vielen Jahren Berufstaucherin. Während ihrer regelmäßigen Einsätze bei Ölpipelines in hundert Metern Tiefe sind die Taucher von der Außenwelt abgeschnitten. Sie werden mit Essen und Zeitschriften versorgt, haben jedoch keinen Zugang zum Internet und keinen Kontakt zu Familie und Freunden. Ellen leidet sehr unter der Trennung von ihrem Mann und ihren Kindern.
Bei den Beschreibungen der Atmosphäre in der kleinen Tauchkammer hatte ich klaustrophobische Beklemmungsgefühle, sechs Personen zusammengepfercht auf einer Fläche, die etwa so groß wie ein Kleinbus ist, in gegenüberstehenden Stockbetten mit einem Tisch dazwischen. Die meisten Männer können sich nicht ausstrecken, da sie dabei mit dem Kopf an die Decke stoßen. Sie fiebern den Tauchgängen entgegen, wenn sie sich in der Weite des Meeres fortbewegen können.
Einer nach dem anderen wacht nicht mehr auf. Die Überlebenden müssen die Leichen entsorgen und aus der Kammer schaffen. Da die Todesursache unbekannt ist, verzichten sie irgendwann auf Nahrung und Wasser. Die Zeit zieht sich endlos hin, denn die Taucher müssen erst mehrere Tage in der Kammer dekomprimieren, bevor sie raus dürfen.
Am Ende des Buches gibt es ein Glossar mit Fachbegriffen zum Sättigungstauchen. Diese Begriffe hätte ich lieber vor dem Lesen am Anfang des Buches gesehen, da ich auf den ersten Seiten einige Verständnisprobleme hatte.
Die Auflösung und die Todesursache haben mich sehr überrascht. Meine Frage, warum eine Mutter einen so gefährlichen Job macht, der sie für mehrere Tage oder Wochen von der Familie fernhält, wurde beantwortet – und nein, sie macht es nicht aus finanziellen Gründen...
Ich habe den Thriller mit angehaltenem Atem verschlungen und freue mich auf weitere Bücher des Autors, die hoffentlich bei uns erscheinen werden.

Bewertung vom 23.04.2025
Winter, Claire

Die Erbin


ausgezeichnet

Claire Winter zählt zu meinen Lieblingsautorinnen, ich habe alle ihre Bücher gelesen und auch Die Erbin konnte mich begeistern und tief berühren.
Köln, 1957: Cosima Liefenstein, 22, gehört einer angesehenen und erfolgreichen Industriellenfamilie an. Als sie nach einem Reitunfall im Krankenhaus die alleinerziehende Lisbeth und ihre drei Kinder kennenlernt, möchte sie der jungen Frau helfen. Als Witwe bekommt Lisbeth so gut wie keine Hilfe vom Staat. Cosima gründet eine Stiftung für bedürftige Frauen und macht auf der Gründungsfeier eine seltsame Beobachtung: Ein Mann schüttet ihrem Onkel Theodor ein Glas Sekt ins Gesicht.
Sie lernt den Journalisten Leo Marktgraf kennen, der über ihre Stiftung berichten möchte. Doch Theodor verbietet Cosima, mit dem Journalisten über ihre Familie zu sprechen.
Berlin, 1929-1944: Elisa, 17, bekommt eine Stelle als Dienstmädchen bei den Liefensteins. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird der jüdisch stämmige Portier entlassen, die Familie pflegt Umgang mit SS-Männern und hohen Regierungsvertretern. Wilhelm Liefenstein ist ein strenges Familienoberhaupt, seine drei Söhne müssen seinen Anordnungen Folge leisten. Theodor und Albert fügen sich, nur der Jüngste Edmund hasst die neuen Machthaber: „Wir diskriminieren und demütigen Menschen, die jüdisch sind. … Wir rüsten das Land auf für einen neuen Krieg und sammeln uns in Aufmärschen vor dem Führer wie eine dumme Herde Schafe.“ (S. 256) Wilhelm verbietet Edmund den Umgang mit seinem besten Freund David Jacobsen. Elisa und Edmund fühlen sich zueinander hingezogen, doch Edmund ist verheiratet und Vater der kleinen Cosima.
1944 wird das Leben in Berlin zu gefährlich, die Liefensteins ziehen in ihr Herrenhaus im Rheinland bei Bonn.
Der Roman ist aus der Perspektive von Cosima, Leo und Elisa geschrieben. Dazwischen finden sich auch ein paar Kapitel aus der Sicht von Edmund und Theodor. Cosima stellt Fragen zur Vergangenheit ihrer Familie und zum Tod ihres Vaters Edmund, der kurz nach seiner Rückkehr von der Front bei einem Jagdunfall gestorben sein soll, doch weder ihre Mutter noch ihr Onkel sind bereit, sich dazu zu äußern. Erst ein Gespräch mit der langjährigen Köchin der Liefensteins und das Wiedersehen mit ihrem damaligen Kindermädchen bringt sie einen großen Schritt weiter.
Das Kapitel Wahrheit und Fiktion am Ende des Buches enthält viele Informationen zum Thema Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg. Familie Liefenstein ist zwar fiktiv, sie steht jedoch für Industriellenfamilien im Dritten Reich, die ihren Reichtum während des Krieges mit Hilfe von Tausenden von Zwangsarbeitern und dank Enteignungen jüdischer Betriebe aufrechterhalten, ja sogar vergrößern konnten. Zwangsarbeiter*innen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen hausten, ohne jegliche Schutzkleidung bis zum Umfallen arbeiteten und mit minimalen Essensrationen abgespeist wurden. „Mehr als dreizehn Millionen Zwangsarbeiter*innen arbeiteten im „Deutschen Reich“. Im Sommer 1944 war jede dritte bis vierte Arbeitskraft in der Industrie ein Zwangsarbeiter.“ (S. 585) Nur sehr wenige haben von der Industrie oder vom Staat eine Entschädigung erhalten.
Erneut hat Claire Winter einen spannenden und ergreifenden historischen Roman vorgelegt, den ich jedem und jeder, auch Krimi/Thriller- und Liebesromanleser*innen, ans Herz legen möchte. Für mich ein Highlight!

Bewertung vom 20.04.2025
Frank, Rebekka

Stromlinien


ausgezeichnet

Stromlinien von Rebekka Frank ist schon von der Optik und Haptik her ein echter Hingucker, auf dem wunderschönen und zum Inhalt perfekt passenden Cover kann man die (Strom)Linien ertasten. Dem Buch sieht man die 500 Seiten nicht an, es ist kein wuchtiger Wälzer, sondern handlich genug für die Handtasche.
Es ist die Geschichte von drei Familien – die Wilkes, die Ellerbrocks und die Eggers. Wie das Schicksal der Familien miteinander verbunden ist, erfahren wir in Rückblenden in die 1920er, 1970er und 1980er Jahre.
2023: Die siebzehnjährigen Zwillingsschwestern Enna und Jale Eggers leben bei ihrer Oma Ehmi in den Elbmarschen und warten ungeduldig auf die Entlassung ihrer Mutter aus dem Gefängnis. Als endlich der Tag X da ist, warten Enna und Ehmi vergeblich vor dem Gefängnistor. Doch nicht nur von Alea, sondern auch von Jale fehlt jede Spur. Enna macht sich auf die Suche nach Mutter und Schwester.
Am Tag von Aleas Entlassung ertrinkt ein Mann in seinem Sportboot nicht weit vom Gefängnis auf Hahnöfersand entfernt, die Polizei verdächtigt Alea.
1923: Der fünfzehnjährige Gunnar stiehlt ein paar Äpfel und muss ins Gefängnis auf der Insel Hahnöfersand. Dort freundet er sich mit seinem Mithäftling Rudolf Wilke an. Nach ihrer Entlassung fahren die beiden zur See.
1978 sinkt das Schiff mit Aleas Vater an Bord auf hoher See, 1985 kommt es zu einem Bootsunglück auf der Elbe, bei dem neunzehn Menschen sterben.
Das Buch deckt mehrere Genres ab: Coming of Age, Krimi, Liebesroman und historischer Roman. Im Nachwort erfahren wir, dass die Handlung an wahre Ereignisse angelehnt ist. So gab es beide Schiffsunglücke, und auf der Insel Hahnöfersand war früher zunächst ein Jugend- und später ein Frauengefängnis. Im Gegensatz zu dem Urteil im Buch mussten jedoch noch nicht einmal Terroristen achtunddreißig Jahre im Gefängnis bleiben. Und hier kommt mein Kritikpunkt: Ich konnte nicht nachvollziehen, warum Alea nichts dafür getan hatte, um ein milderes Urteil zu bekommen und erst sehr spät ein Gnadengesuch gestellt hatte.
Wunderschön sind die Beschreibungen der Natur in den Elbmarschen, wo Enna mit ihrem Boot „Sturmhöhe“ unterwegs ist. Die Auflösung und die geschickte Verknüpfung der Schicksale der drei Familien fand ich großartig. Ich vergebe fünf Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die tief in Familiengeheimnisse eintauchen möchten.

Bewertung vom 13.04.2025
McFadden, Freida

Die Kollegin - Wer hat sie so sehr gehasst, dass sie sterben musste?


ausgezeichnet

Von Freida McFadden habe ich bereits „Wenn sie wüsste“ sehr gern gelesen. Das Cover und der rote Farbschnitt ihres neuen Thrillers finde ich sehr gelungen, es lenkt die Aufmerksamkeit auf das Buch und hat mich neugierig gemacht. Das Buch hält, was das Cover verspricht.
Boston: Natalie, 30, arbeitet beim Vertrieb von Vixed, einer Firma, die Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminprodukte vertreibt. Sie sieht gut aus, ist seit einigen Wochen mit Caleb, einem Kollegen von der IT zusammen und Vixed‘s beste Verkäuferin. In der Firma kann sie sich aufgrund ihrer Spitzenverkäufe alles erlauben, stundenlang bespricht sie im Aufenthaltsraum mit ihrer Kollegin Kim deren bevorstehende Hochzeit, Anrufe von verärgerten Kund*innen belasten sie nicht weiter.
Die Mitarbeiter*innen sitzen in sogenannten Bürozellen, nur Seth, der die Firma leitet, hat ein Einzelbüro. Dawn hat die Bürozelle neben Natalies und bekommt zwangsläufig viel von ihr mit. Sie ist Buchhalterin und erst seit kurzem bei Vixed. Die Neue ist pünktlich, gewissenhaft und introvertiert, sie scheint weder eine Beziehung noch Freunde zu haben. Außerdem macht ihr Faible für Schildkröten in allen Größen und Formen sie zu einem gefundenen Fressen für Mobberin Natalie.
Als Dawn eines Morgens nicht wie sonst um 08.45 Uhr an ihrem Arbeitsplatz erscheint, fährt Natalie zu ihrer Wohnung. Dort finden sich Anzeichen für einen Kampf und viel Blut, und Dawn ist spurlos verschwunden. Natalie wird zur Hauptverdächtigen.
In Rückblenden und über E-Mails, die Dawn an ihre Freundin Mia schreibt, erfahren wir, was sich in der Vergangenheit ereignet hatte.
Ich habe bis zum Schluss gerätselt, wer gut und wer böse ist. Natalie wurde mir immer unsympathischer, doch auch Caleb, Seth und Mia zählten für mich zu den Verdächtigen.
Wie wir es von Freida McFadden kennen, gibt es auch in Die Kollegin einen überraschenden Twist, der die Handlung in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Der Thriller hat mich gut unterhalten, der Spannungsbogen war konstant hoch, ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, die Auflösung war keineswegs vorhersehbar und hat mich überrascht. Gerne vergebe ich fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 13.04.2025
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Frauen jenseits des Flusses von Kristin Hannah ist das dritte Buch der Autorin, das ich gelesen habe. The Women konnte mich genauso begeistern wie Die Nachtigall und Die vier Winde.
„Dieser Roman ist den mutigen Frauen gewidmet, die in Vietnam gedient haben. Diese Frauen folgten dem Ruf ihres Landes und zogen in den Krieg. Viel zu oft kehrten sie in eine Heimat zurück, die sich nicht dafür interessierte, was sie geleistet hatten und in eine Welt, die nichts von ihren Erfahrungen hören wollte.“
1965, Kalifornien, Coronado Island: Frankie und ihr Bruder Finley wachsen behütet in einem wohlhabenden Elternhaus auf. Amerika befindet sich im Krieg mit Vietnam, Finley meldet sich freiwillig. Kaum in Vietnam angekommen, wird sein Flugzeug abgeschossen.
Frankie geht als Krankenschwester nach Vietnam. Sie schließt Freundschaft mit ihren beiden Kolleginnen Barb und Ethel und verliebt sich, zunächst in Jamie, später in Rye. Als sie nach zwei Jahren nach Hause zurückkehrt, schlägt ihr Feindseligkeit und Hass entgegen, bereits am Flughafen wird sie angespuckt. Amerika protestiert gegen den Vietnamkrieg, Vietnamveteranen werden angefeindet. Frankies Eltern schämen sich dafür, dass ihre Tochter in Vietnam war.
Derweil kämpft Frankie mit ihren Dämonen, Albträumen und Traumata. Schonungslos zeigt The Women den Krieg mit all seiner Gewalt und Grausamkeit. Frankie und ihre Kollegen und Kolleginnen arbeiten Tag und Nacht, um Verwundete zu retten, oft behandeln sie auch einheimische Kinder und Frauen. Verheerend sind die Nachwirkungen des Pflanzenvernichtungsmittels Agent Orange: Krebs, Fehlgeburten, Fehlbildungen.
Kristin Hannah gehört zu meinen Lieblingsautorinnen, ihre Bücher lese ich mit angehaltenem Atem. Einmal angefangen, konnte ich The Women nicht mehr zu Seite legen. Man sollte bei ihren Büchern allerdings nicht mit einem Happy End rechnen, Beziehungen gehen unwiederbringlich auseinander, geliebte Menschen sterben, Verlust und Trauer beherrschen die Handlung. Sie schreibt authentisch und lebensnah, ihre Bücher sind wie das wahre Leben. Von mir eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 08.04.2025
Nore, Aslak

Felsengrund / Die Falck Saga Bd.2


gut

Bei Felsengrund von Aslak Nore handelt es sich um Band 2 der Falck-Saga. Ich war schon sehr auf die Fortsetzung der Familiensaga gespannt, da mir Band 1 Meeresfriedhof sehr gut gefallen hatte.
Sehr hilfreich ist der Stammbaum der Familie Falck, der am Anfang des Buches abgedruckt ist. Beim Anschauen des Stammbaums hatte ich sofort die mir bekannten Charaktere aus Band 1 vor Augen.
In Band 2 stehen Patriarch Hans Falck und seine entfernte Cousine Connie Knarvik im Mittelpunkt. Hans ist Anfang sechzig, er war sein ganzes Berufsleben lang als Arzt in Kriegsgebieten unterwegs, sein Herz hängt besonders am Nahen Osten. In den 1970er und 1980 er Jahren hatte er viel Zeit im Libanon verbracht. Hans ist und war überzeugter Kommunist bzw. Maoist.
Connie gehört das Grundstück Adventdalen auf Spitzbergen, ein Grundstück, das sowohl die Falcks auch Russland in ihren Besitz bringen wollen.
Johnny Berg schreibt eine Biographie über Hans Falck, doch erst einmal soll er herausfinden, ob es innerhalb der SAGA-Stiftung einen russischen Spion gibt. Ein Großteil der Handlung spielt auf Spitzbergen, einer Region, über die ich fast nichts weiß, und die geopolitisch für Russland interessant ist.
Meine Lieblingscharaktere sind Connie Kvarnik und Sasha Falck. Sasha kämpft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln um ein Wohnrecht auf dem Familiensitz Rederhaugen. Sie ist mit Mads verheiratet, fühlt sich aber zu Johnny Berg hingezogen.
Ich mochte die Beschreibungen der arktischen Landschaft auf Spitzbergen und Connies Lebensgeschichte. Geschmunzelt habe ich über die Anekdote mit einem Eisbären, der eine Konservendose im Ganzen verschlungen hatte.
Meine Empfindungen zu diesem Band sind gemischt, einige Passagen fand ich interessant und spannend, andere musste ich mehrfach lesen, um sie zu verstehen. Den Schreibstil von Aslak Nore mag ich sehr, hier mein Lieblingszitat: „Der Vorrat an Erinnerungen lag tief verborgen wie eine Ölquelle, für das bloße Auge unsichtbar, aber bohrte man an der richtigen Stelle, schossen sie heraus.“ (S. 364)
Ich hoffe, dass mir Band 3 wieder besser gefallen wird, da ich die Geschichte von Sasha, Sverre, Hans und Johnny auf jeden Fall weiterverfolgen möchte.

Bewertung vom 08.04.2025
Behm, Martina

Hier draußen


ausgezeichnet

Der Debütroman der Autorin hat einen sehr passenden Titel, denn es geht um eine Dorfgemeinschaft draußen auf dem Land. Ingo und Lara sind mit ihren beiden Kindern aufs Land gezogen. Sie wollen es ruhiger angehen zu lassen, der Hektik der Stadt entfliehen. Lara ist selbstständige Designerin und arbeitet im Home Office. Ingo arbeitet bei einem Start Up-Unternehmen in Hamburg, die Fahrerei strengt ihn an. Eines Abends läuft ihm eine weiße Hirschkuh vors Auto. Die Polizei benachrichtigt Uwe, den zuständigen Jäger, der der Hirschkuh den Gnadenschuss geben muss.
Uwe erschießt das Tier gemeinsam mit Ingo, da er nicht allein die Last tragen will, die die weiße Hirschkuh mit sich bringt: Dem Aberglauben nach stirbt derjenige, der eine weiße Hirschkuh tötet, innerhalb von einem Jahr.
Wider Erwarten und obwohl sie völlig unterschiedlich sind, freunden sich Ingo und Uwe an. Ingo interessiert sich für die Jagd, und Uwe nimmt ihn mit auf den Hochsitz und macht mit ihm Schießübungen. Ingos Frau Lara sind Uwe und das Thema Jagd ein Dorn im Auge, das Ehepaar driftet immer mehr auseinander.
Mein Lieblingscharakter unter den Dorfbewohnern ist Tove. Sie ist mit Schweinebauer Enno verheiratet, der alles andere als ein Sympathieträger ist. Landfrau Tove arbeitet bei ihrem Bruder Olaf und seiner Frau Christine. Die beiden betreiben eine kleine Pension und eine Alpaka-Farm.
Dann gibt es da noch Maggie und Sönke. Maggie und Tove sind gut befreundet, die beiden haben viel gemeinsam, sie leben seit Jahrzehnten in Fehrdorf und haben beide erwachsene Kinder. Zusammen besuchen sie Vorträge für Landfrauen und tauschen sich über die Ehe und die Männer aus.
Interessant fand ich Jutta und Armin, Überbleibsel einer ehemaligen Sechser-WG. Die beiden sind kein Paar, mögen sich aber sehr. Jutta hat ein paar Hühner und gibt Kurse im Hühnerschlachten.
Ich war sehr gern in Fehrdorf und habe Zeit mit Tove, Maggie, Lara und den anderen verbracht. Ich habe viel über die Jagd erfahren, aber auch über Schweinezucht, Hühner und die Arbeit und das Leben auf dem Bauernhof. Trotz der knapp fünfhundert Seiten fand ich das Buch an keiner Stelle langatmig, ich wollte immer weiterlesen, mit Tove leiden, lieben und hassen, mich mit Lara über Ingo aufregen und mit ihr und ihrer Hündin Cookie über die Felder ziehen. Gerne empfehle ich das Buch allen, die für eine Weile dem Alltag entfliehen und ins Dorfleben abtauchen möchten.

Bewertung vom 07.04.2025
Ehrenhauser, Martin

Unsere Suche nach Zärtlichkeit


sehr gut

Unsere Suche nach Zärtlichkeit von Martin Ehrenhauser ist das zweite Buch des Autors und auch das zweite, das ich von ihm gelesen habe. Sein Debütroman Der Liebende zählt zu meinen Highlights. Ehrenhausers Schreibstil habe ich sofort wiedererkannt, er schreibt ruhig und gefühlvoll.
Sebastien Dumont lebt in Brüssel, wo er ein kleines Uhrengeschäft führt. In seiner Freizeit arbeitet er ehrenamtlich für die Telefonseelsorge. Als er eines Tages eine weinende Frau am Telefon hat, die vorhat, nach Antibes zu fahren, fasst er den spontanen Entschluss, die Frau zu suchen.
Nach einer achtstündigen Zugfahrt erreicht er Antibes, wo er ein Zimmer in einer kleinen Pension reserviert hatte. In einem Museum lernt er Florence kennen. Zusammen erkunden sie Antibes und machen Ausflüge in die Umgebung. Dabei lernen sie sich näher kennen, doch Florence hat ein Geheimnis. Als Sebastien zufällig hinter ihr Geheimnis kommt, droht die gerade erst entflammte Beziehung zu zerbrechen.
Sebastien war mir sehr sympathisch, er hat hohe Moralvorstellungen und hilft mit seiner Tätigkeit in der Telefonseelsorge Menschen, die in Not sind. Mit Florence bin ich nicht richtig warm geworden, obwohl ich das Dilemma verstehen konnte, in das sie unverschuldet geraten ist. Ihr Schicksal ist mir nahegegangen.
Der leise Roman hat mir gut gefallen, ich mag den Schreibstil des Autors und seine gefühlvolle Art, Emotionen, Orte und Charaktere zu beschreiben. Es war eine Reise an die Côte d’Azur und in die Provence, nach Antibes, Nizza und Grasse bis nach Monaco. Diejenigen, die schon dort waren, werden sich sehnsuchtsvoll zurückerinnern, denjenigen, die die französische Riviera noch nicht kennen, empfehle ich, an die Orte zu reisen, die Sebastien und Florence zusammen besucht hatten.
Ich hätte mir mehr französisches Flair gewünscht, typisch Französisches wie Chansons, Spezialitäten wie Coq au Vin, Crème Brûlée, Bordeaux oder Café au lait habe ich vermisst.
Das Buch empfehle ich allen, die gern leise Liebesromane lesen und/oder gedanklich an die französische Riviera reisen möchten.

Bewertung vom 04.04.2025
Takahashi, Yuta

Das Restaurant am Rande der Zeit


ausgezeichnet

Seit einigen Jahren lese ich sehr gern und regelmäßig japanische Literatur, zuletzt Das Café der zweiten Chancen, das einen ähnlichen Plot aufweist wie Das Restaurant am Rande der Zeit: Trauernde Menschen bekommen die Chance, ein letztes Mal mit der verstorbenen Person zu sprechen, die sie sehr geliebt hatten.
Der junge Schauspieler Yuito rettet seiner Schwester Kotoko das Leben und verliert dabei das seine. Kotoko und ihre Eltern versinken in tiefer Trauer. Als das junge Mädchen von einem Restaurant hört, in dem man die Gelegenheit bekommt mit Verstorbenen zu sprechen, setzt sie sich in den Zug und fährt von Tokio aus etwa zwei Stunden nach Chiba, wo das Restaurant in einer Bucht liegt. Dort wird ein Kagezen, „ein Gericht von damals“, zubereitet.
Das „Chibis Kitchen“ wird von einem jungen Mann namens Kai betrieben, Chibi ist Kais kleine Katze. Wie es zu der Begegnung mit Yuito kommt und welchen Rat dieser seiner Schwester gibt, müsst ihr selbst lesen, es ist so schön geschrieben, dass ich Tränen in den Augen hatte.
Kotoko empfiehlt Chibis Kitchen dem Fünftklässler Taiji Hashimoto, der sehr unglücklich über den Tod seiner Mitschülerin ist, mit der er sich unbedingt aussprechen will, da zwischen ihnen einiges ungeklärt geblieben ist.
Ein weiterer Gast in Chibis Kitchen ist der hochbetagte Yoshio Kurata, dessen Frau kürzlich verstorben ist. Yoshio möchte seiner Frau eine Frage stellen, die ihn sein ganzes Leben lang beschäftigt hatte.
Schließlich darf auch Kai Kontakt zu seinen verstorbenen Eltern aufnehmen.
Neben dem „Gericht von damals“ lernen wir eine weitere japanische Tradition kennen: „Uketsuki“, die empfangende Mondsichel. „Wenn man einem Uketsuki seinen Wunsch anvertraut, wird dieser von der Sichel aufgenommen wie Wasser in einer Schale und geht dann in Erfüllung.“ (S. 131)
Katzen spielen im Land der aufgehenden Sonne eine wichtige Rolle, sie sind mir bisher in fast jedem Buch begegnet, das ich von einem japanischen Autor bzw. Autorin gelesen habe.
Im Buch findet man vier Rezepte für Gerichte, die man nachkochen kann, wobei einige Zutaten im Asia-Shop gekauft werden müssen.
Ich bin sehr gern in das Buch eingetaucht und habe mit Kotoko, Kai und den Restaurantgästen gelitten, geliebt und die leckeren Gerichte genossen. Ich empfehle das schlanke Buch (190 Seiten) allen, die Japan mögen und – wenn auch nur gedanklich - hinreisen möchten.