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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 920 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2024
Die Schreiberin
Herold, Birgit

Die Schreiberin


ausgezeichnet

„Ein Text überwindet den Tod“

Autorin Birgit Herold hat sich in ihrem neuesten historischen Roman mit einer interessanten Frau beschäftigt: Clara Hätzlerin (geboren um 1430/verstorben um 1476).

Was zeichnet Clara aus?

Sie ist Tochter des realen Augsburger Notars Bartholomäus Hätzler und lernt gemeinsam mit ihrem Bruder Bartholomäus Lesen und Schreiben. Während der Bruder als Nachfolger für den Vater aufgebaut wird, übt sich Clara im Kalligraphieren und Abschreiben von Briefen und anderen Texten. Im 15. Jahrhundert können nur die wenigsten Menschen Lesen und Schreiben, weshalb der Beruf des Lohnschreibers ein durchaus geachteter ist. Außerhalb der Klöster gibt es kaum schreibende Frauen. Claras exakte Handschrift ist begehrt.

Nachdem der Vater einer Intrige zum Opfer fällt und sich Clara in den verheirateten Illustrator Johann Bämler verliebt, müssen die beiden aus Augsburg fliehen. Ausgerechnet in Mainz bei Johannes Gensfleisch, besser bekannt als Johannes Gutenberg, finden sie Unterschlupf und Arbeit. Doch Gutenberg ist allen Mitarbeitern gegenüber misstrauisch, denn er bastelt an einer bahnbrechenden Erfindung: der Druckerpresse. Er weiß, dass der Buchdruck die Welt, wie man sie bislang kennt, verändern wird.

Es kommt, wie es kommen muss. In der Werkstatt treibt ein Verräter sein Unwesen. Clara, die immer mehr zur Hausmagd degradiert wird und kaum mehr Abschriften verfassen darf, entdeckt, wer Gutenbergs Erfindung schamlos kopiert. Nun ist guter Rat teuer. Wie soll sie Gutenberg von ihrer Entdeckung berichten? Wird er ihr glauben? Und was ist mit Bämler? Was führt der im Schilde?

Meine Meinung:

Dieser historische Roman ist penibel recherchiert und gekonnt erzählt. Ich mag das!
Man kann das Verdienst alten Hätzlers, gar nicht hoch genug einschätzen. In einer Zeit, in der nur ein verschwinden kleiner Bruchteil der Menschen Lesen und Schreiben beherrscht haben, darf seine Tochter diese Kulturtechniken lernen. Natürlich ist auch ein wenig Selbstsucht dabei, spart sich der Notar einen zu bezahlenden Schreiber.

Im Personenverzeichnis am Ende dieses Buches finden sich die Namen zahlreicher realer Personen dieser Zeit. So darf zum Beispiel Konrad Peutinger, der später als Wissenschaftler, Berater von Kaiser Maximilian I. und Namensgeber der tabula peutingeriana bekannt wird, als kleines Kind kurz durch den Roman huschen. Solche liebevollen Detail gefallen mir sehr gut.

Der Roman ist flott und flüssig geschrieben. Er beleuchtet auch die Stellung der Frauen im ausgehenden Spätmittelalter an der Schwelle zur Neuzeit.

Beeindruckend sind die Abbildungen von Clara Hätzlerins Handschriften. Das im Roman mehrfach erwähnte Liederbuch, das auch ziemlich frivole Texte enthält, ist im tschechischen Nationalmuseum in Prag zu besichtigen. Von Clara Hätzlerins Leben ist nur wenig bekannt. Sie findet sich aber in der Steuerbüchern der Stadt Augsburg. Ein Lob der Bürokratie!

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der die Lebensgeschichte der Clara Hätzlerin lebensecht darstellt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.11.2024
Heimat
Schmölzer, August

Heimat


ausgezeichnet

Schauspieler und Autor August Schmölzer nimmt seine Leser in eine landschaftlich schöne Gegend Österreichs mit, nämlich in die Weststeiermark: die malerischen Weinberge sowie die sanfte Hügellandschaft machen diesen Landstrich für Touristen, die das (angeblich) Ursprüngliche suchen, interessant.

Doch hinter der schön präsentierten Fassade gärt es. Da ist zum einen die behördlich verordnete Zusammenlegung der Weststeiermark mit der Südsteiermark, die den stolzen Bewohnern gegen den Strich geht und für böses Blut sorgt, und zum anderen sind es die kleinen und größeren Alltagssorgen sowie eine nicht aufgearbeitete Vergangenheit, die zur Unzeit aufbricht.

„„Das Gute und das Schlechte geben sich in St. Vinzenz die Hand“, sagt Frau Klug, die nicht nur so heißt, sondern es auch ist.“

Franziska Klug, ist eine betagte Kleinbäuerin, die um ihre kleine Rente mit dem Vermieten eines Zimmers an den pensionierte Gendarm Josef Sudi, aufbessert.

Die Bewohner von St. Vinzenz sind so schillernd wie der Schilcher, der dort in Strömen fließt: herb, sperrig und unberechenbar. So ertränkt der Bürgermeister seine Probleme in der Gemeinde, aus der die Jugend abwandert und die national-traditionelle Heimat-Partei im Teich der Unzufriedenheit fischt, im Alkohol. Auch seine nicht mehr funktionierenden Ehe und den behinderten Sohn säuft er einfach weg. Also, nicht einfach, denn die Folgen des chronischen Alkoholabusus sind absehbar.

Als dann noch zwei Menschen ermordet werden, zerbröckelt die ohnehin trügerische Idylle vollends. Längst vergessen Geglaubtes, unter den Teppich gekehrtes, kommt, ob die Einheimischen wollen oder nicht, ans Tageslicht.

Meine Meinung:

August Schmölzer zeichnet mit seinem neuen Roman „Heimat“ ein fast kitschiges Gemälde der Landschaft und der Menschen in deren Seelen so mancher Abgrund lauert. Er fördert Wunderbares und Widerliches zu Tage. Dabei ist es gar nicht so leicht unter diesem Titel ein Buch herausbringen, wird doch das Wort gegenwärtig wieder instrumentalisiert, wenn es darum geht als „WIR gegen die ANDEREN“ zu sein. Die Bösen, die Schlechten sind immer die anderen, so dass man den selbst verursachten Schmutz vor der eigenen Haustüre gar nicht wahrnimmt.

Dieser Roman ist eine Art Liebeserklärung an das Dorf, das so oder so ähnlich überall sein könnte. August Schmölzer beschreibt das Dorfleben und seine Menschen in einer gelungenen Mischung aus Provinzposse, Gesellschaftskritik und Krimi, bei der Probleme und Missstände offenbart werden. Sich aus reiner Bequemlichkeit und Nicht-anecken-wollen, weg zu ducken hat ausgedient.

Hier muss ich wieder einmal Ingeborg Bachmann zitieren: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar.“.

Das Cover passt recht gut, betrachten die Leser das Dorf wie durch ein Schlüsselloch.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser kritischen Liebeserklärung an die „Heimat“, die voll Wortwitz und sprachlicher Eloquenz daherkommt, 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2024
Der Freihandel hat fertig
Felbermayr, Gabriel;Braml, Martin

Der Freihandel hat fertig


ausgezeichnet

Wie die neue Welt(un)ordnung unseren Wohlstand gefährdet

Mit diesem Buch, dessen Titel an den legendären Ausspruch von Giovanni Trappatoni erinnert, beleuchten die beiden Außenhandelsexperten Gabriel Felbermayr und Martin Braml, beide mit langjähriger Erfahrung in der Politik(beratung), wie unser Wohlstand trotz widriger Umstände erhalten und ausgebaut werden kann. Sie erklären kompetent und verständlich die für Laien manchmal überraschenden Zusammenhänge und decken so manchen Irrglauben auf.

Das alles wird den interessierten Lesern in den 9 Kapiteln dieses Buches in anschaulicher Weise nähergebracht, ohne dass hier eine Studium der Wirtschaftswissenschaften notwendig ist. Der, leider nicht mehr erhältliche, Hausverstand sowie kritisches Lesen und Hinterfragen der Medien tut es auch. Gleichzeitig zeigen Felbermayr und Braml auch gangbare Wege auf, die unseren Wohlstand sichern können.

Wohlstandsmotor Freihandel
Ist die WTO hintot?
Colberts Vermächtnis: Exportieren wie die Weltmeister
Trumps Handelskriege und was sie uns lehren
Wandel durch Handel?
Zurück zur Wirtschaftssicherheit
Angriff ist die beste Verteidigung
Auslandsinvestitionen: Ausverkauf von Tech-Juwelen?
Freihandel und Nachhaltigkeit

Wir erinnern uns schmerzlich an die Pandemie, die unsere außenwirtschaftliche Abhängigkeiten von Gütern des täglichen Lebens vor Augen geführt hat. Oder daran, dass inzwischen in den sogenannten DACH-Ländern (Deutschland, Österreich und Schweiz) zahlreiche Medikamente, die einst in den Produktionsstätten dieser Länder entwickelt worden sind, an Länder wie Indien ausgelagert worden sind, kaum mehr erhältlich sind. Auch die Abhängigkeit von Putins Erdgas lässt sich nicht so ohneweiters verringern.

Ob die Abschottung durch hohe Zölle (aktuell gegenüber e-Autos aus China) das wirklich Gelbe vom Ei sind, oder eher kontraproduktiv sind, kann man hier nachlesen. Nationaler Protektionismus wie er zum Beispiel in Ungarn betrieben, wo ausländischen (sprich österreichischen) Unternehmen, neben unzähligen Vorschriften das Wirtschaftsleben schwer gemacht wird und unwillkürlich auferlegte Abgaben auferlegt werden, hilft niemandem, außer den Autokraten. Ausländische Firmen werden das Land verlassen, wenn keine Gewinner mehr erzielt werden können, und mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Kaufkraft verarmt die „beschützte“ Bevölkerung.

Die DACH-Länder verdanken ihren Wohlstand dem Freihandel. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass Immigranten und Zuwanderer, sich für diese Länder entscheiden. Eine Einwanderung nach Afrika, Russland oder China strebt kaum jemand, der aus seiner wirtschaftlichen Trostlosigkeit entfliehen will, an. Die Richtung zeigt immer nach Norden und Westen.

Ich lege allen jenen, die mehr über die wirtschaftlichen Zusammenhänge lernen wollen, dieses meisterlich und dabei verständlich geschriebene Buch wärmstens ans Herz.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das uns in die faszinierende Welt der Handelsbeziehungen führt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 30.10.2024
Die Niederlage des Siegers
Baud, Jacques

Die Niederlage des Siegers


gut

Als am 7. Oktober 2023 die Nachrichten über die, von der Hamas als „Operation al-Aqsa-Flut“ bezeichneten, Angriffe auf Israel die Nachrichten beherrschten, war mein erster Gedanke: Haben die Geheimdienste, von denen es in Israel ja mehrere gibt, geschlafen? Wie kann es sein, dass ein so hoch gerüsteter Staat, die Vorbereitungen zu einem solchen Angriff nicht mitbekommt? Mein zweiter war, Benjamin Netanjahu wird die Tötung der 200 in den Händen der Hamas befindlichen Geiseln als Kollateralschaden verbuchen, die Anhänger der Hamas töten sowie die palästinensische Bevölkerung aus ihren Wohngebieten vertreiben und die Infrastruktur zerstören.

Nun ein Jahr danach, ist zu sehen, dass ziemlich genau das eingetreten ist. Zwar scheint es noch Verhandlungen um das Leben der Geiseln zu geben, viel Hoffnung habe ich nicht, denn Netanjahu scheint wild entschlossen, Israels Staatsgebiet auf Kosten der Palästinensischen Gebiete auszudehnen. Nun dreht sich die Spirale der Gewalt schneller als je zuvor. Dabei werden, von allen am Konflikt beteiligten Parteien, die Register der Propaganda gezogen und über wechselseitige Gräueltaten berichtet.

Daher dachte ich, das vorliegende Buch „Die Niederlage des Siegers“ von Ex-Geheimdienstmitarbeiter Jacques Baud wird ein wenig Licht ins Dunkel der Geheimdienste und ihr mögliches Versagen bringen. Leider wurde ich hier enttäuscht, denn wie der Autor zwischendurch ein Mal kurz erwähnt, hat er dieses Thema mit dem selben Titel bereits 2003 (allerdings nur auf französisch „La Guerre asymétrique ou la Défaite du vainqueur“) veröffentlicht und nur den aktuellen Ereignissen angepasst.

Ganz so unvoreingenommen wie auf der Rückseite des Buches vom Verlag angegeben, finde ich den Autor nicht. Er stellt allerlei Theorien in den Raum, nachprüfbare Quellenangaben liefert er nur wenige. Er verweist auf zahlreiche Nachrichten auf You Tube oder X (vormals Twitter). Seriöse Angaben sind möglicherweise gar nicht möglich. Abgebildete Screenshots von TV-Nachrichten sollen vermutlich so etwas wie Authentizität vermitteln. Leider sind die Abbildungen nur etwas größer als eine handelsübliche Briefmarke.

Allerdings hat der Autor mit seiner Feststellung, dass der Staat Israel unter Benjamin Netanjahu wiederholt das Völkerrecht bricht und gegen mehrere UN-Resolutionen verstößt, recht. Noch akzeptieren die meisten Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft Israels Vorgehen. Doch wie lange noch? Junge amerikanische Juden, die sich für einige Monate in den Dienst der israelischen Armee gestellt haben, kehren desillusioniert nach Hause zurück, weil sie nicht mehr, an die zuvor als „gerechte Sache“ verkauften Kämpfe glauben. Dieses in die Unglaubwürdigkeit Schlittern, ist wie der Buchtitel so treffend sagt: „Die Niederlage des Siegers“, wobei es bei diesem Krieg nur Verlierer gibt.

Wie es wohl im Nahen Osten weitergehen wird? Der Flächenbrand auf die Nachbarstaaten hat sich Richtung Libanon schon ausgebreitet? Würde ein anderer Ministerpräsident anders handeln?

Der letzte Ministerpräsident, der aktiv an einer friedlichen Zwei-Staatenlösung für Israel und die Palästinensischen Bevölkerung gearbeitet hat, war Jitzchak Rabin, der am 4. 11. 1995 von einem Mitglied einer ultraorthodoxen Partei bei der Veranstaltung „Ja zum Frieden, Nein zur Gewalt“ ermordet worden ist.

Fazit:

Es fällt mir schwer, dieses Buch zu bewerten, da ich viel zu wenig weiß oder nachprüfen kann. Der eine oder andere Gedanken ist es wohl wert, sich damit näher zu beschäftigen. Nach langem Abwägen gibt es 3 Sterne.

Bewertung vom 30.10.2024
Sisis schwerste Stunden
Klausner, Uwe

Sisis schwerste Stunden


sehr gut

Der Stapel Bücher, die rund um den Mord und Selbstmord von Kronprinz Rudolf geschrieben worden sind und vermutlich auch noch weiter verfasst werden, ist um ein Exemplar reicher.

Den Kern der Sache darf ich voraussetzen? Wenn nicht, hier eine kurze Zusammenfassung: Kronprinz Rudolf, des Lebens als Thronfolger, der seinem Vater nichts recht machen kann, überdrüssig, syphiliskrank und von Morphium abhängig, erschießt am 30. Jänner 1889 zuerst seine Geliebte Mary Vetsera und anschließend sich selbst.

Was dann folgt, ist ein Panoptikum sondergleichen. Da Selbstmörder kein christliches Begräbnis erhalten, wird alles daran gesetzt, die Ereignisse zu vertuschen, um Rudolf in der Kapuzinergruft beisetzen zu können.

Diese Vertuschungsaktionen (es sind ja gleich mehrere) greift Uwe Klausner für diesen historischen Roman auf, der Fakten und Fiktion mischt.

Er wählt dazu verschiedene Erzählperspektiven, der damit befassten Personen: Hermann von Widerhofer (Rudolfs Leibarzt), Pater Alban (Kustos der Kapuzinergruft), Graf Eduard Taafe (k. und k. Ministerpräsident) und Irma Sztaray (Hofdame der Kaiserin Elisabeth). Pater Alban ist eine fiktive Figur, die es in Hand hat, für einen Skandal im Kaiserhaus zu sorgen.

Man kennt ja die Geschichten und G’schichtln um die Kaiserin, die überall lieber ist, als in Wien bei ihrem Mann. Daher sind auch die Liebschaften des Kaisers durchaus bekannt. Dass es eine bislang verheimlichte gegeben hat, ist durchaus möglich. Darüber kann man sich in einem zweiten Handlungsstrang gerne den Kopf zerbrechen.

Meine Meinung:

Ja, der Tod des Thronfolgers und einzigen Sohnes ist tragisch, zumal ja bereits seine Schwester Sophie als Kleinkind gestorben ist. Ja, so öffentliche Personen wie Kaiser und Kaiserin haben kaum Möglichkeit angemessen zu trauern, da sie ständig unter Beobachtung stehen.

Interessant ist ein kleiner Einblick in die Verschlussakten, aus denen hervorgeht, dass auch die Kaiserin bespitzelt worden ist. Fürst Metternich lässt herzlich grüßen!

Für diejenigen, die nicht genau wissen, warum und wieso Franz Joseph 1848 mit nur 18 Jahren Kaiser wird, ist eine kurze Zusammenfassung über die damaligen Ereignisse gut in die Handlung eingepasst.

Grundsätzlich hab ich zur causa prima wenig Neues erfahren.

Dieser historische Roman sorgt durchaus für einiges Schmunzeln sowie (vielleicht) ein paar neue Wiener Ausdrücke und für alle jene, die mit dem Wiener Dialekt so vertraut sind: Im Anhang gibt es ein Glossar.

Fazit:

Ein historischer Roman, der zeigt, dass die Mächtigen manchmal ziemlich überfordert wirken. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 26.10.2024
Rath / Kommissar Gereon Rath Bd.10
Kutscher, Volker

Rath / Kommissar Gereon Rath Bd.10


ausgezeichnet

Zwei Jahre, nach dem Gereon Rath an der Schöndorfer Brücke mit Hilfe von Reinhold Gräf seinen Tod auch vor seiner Frau Charly vorgetäuscht und nach Amerika abgetaucht ist, kehrt er 1938 heimlich nach Deutschland zurück und findet ausgerechnet bei Konrad Adenauer in der Nähe von Bonn Unterschlupf.

Charly Rath arbeitet wieder im Detektivbüro Böhm, nachdem sie den Dienst bei der Kriminalpolizei quittiert hat. Heimlich trifft sie sich auf halber Strecke zwischen Berlin und Bonn mit Gereon. Die Ehe steht auf wackeligen Beinen.

Fritz Thalmann, der ehemalige Pflegesohn der Raths, ist nunmehr bei Sturmbannführer Rademanns Familie untergebracht, wo er zum strammen Hitlerjungen erzogen wird. Er wird verdächtig zwei HJ-Kameraden ermordet zu haben. Die Waffen, eine Pistole, die Fritz angeblich Rademann gestohlen hat und der HJ-Dolch mit seinen Initialen , wurden bei den Leichen entdeckt.

Weiters erhalten wir Einblick in die andere Familie Rath. Gereons Bruder Severin reist mit seiner Freundin Marion Goldstein, der Witwe von Abe Goldstein, aus Amerika nach Deutschland, um den Mörder ihres Mannes zu finden.

Zudem spielt auch Reinhold Gräf, Gereons Freund wieder eine größere Rolle. Allerdings balanciert er ebenso Gereon und Charly am Rande des Abgrunds, wenn auch aus anderen Gründen ...

Als in der Nacht vom 9. November 1938 jüdische Geschäfte und Synagogen in Brand gesteckt und die Juden verprügelt und getötet werden, ist beiden klar, dass ein Leben in Deutschland für sie beide nicht mehr möglich ist. Inzwischen ist es Gereon, der auf ein rasches Verlassen Nazi-Deutschlands drängt. Doch Charly hat noch einiges zu erledigen. Sie muss das Baby, das Hannah Singer kurz vor ihrer Ermordung geboren hat, finden, ist es doch Fritz Thalmanns Sohn.

Meine Meinung:

In diesem zehnten Band der Gereon-Rath-Reihe steuern die Protagonisten in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf den Abgrund zu. Sei es, dass sie das Regime ablehnen und entfernt werden müssen, oder sei es, dass sie sich selbst in die Bredouille bringen wie Gräf, der für die SS Spitzeldienst leisten muss, um vorerst seine Karriere zu retten. Selbst der ehemals mächtige Kriminaldirektor Gennat ist mehr oder weniger kalt gestellt, denn Polizist wird nur mehr der, der Parteimitglied ist. Alle anderen werden unter mehr oder weniger fadenscheinigen Gründen entlassen. Da wundern sich dann viele, dass Charly Rath wieder in den Polizeidienst eintritt. So mancher schäumt vor Wut, aber gegen die Protektion von Hermann Göring, dem sie gemeinsam mit Gräf das Leben gerettet hat, ist schwer anzukommen.

Wie schon in den Vorgängern ist auch diesmal die politische Situation penibel recherchiert. Einige reale Personen haben ihren kleinen oder größeren Auftritt. Zudem fesselt der Autor seine Leser durch häufige Szenenwechsel und, führt alle Handlungsstränge zu einem großartigen Finale zusammen. Gleichzeitig entwirrt er einige, bereits über Jahre bestehenden komplexen Verstrickungen und Abhängigkeiten einzelner Charaktere.

Der Epilog lässt darauf schließen, dass es einen elften Band geben wird. Es ist zu befürchten, dass einige ihre Macht (weiter) missbrauchen werden, um ihre persönlichen Rachefeldzüge zu starten.

Fazit:

Gerne bewerte ich diesen zehnten Krimi aus der Gereon-Rath-Reihe mit 5 Sternen und einer Leseempfehlung. Ich rate, mit Band eins „Der nasse Fisch“ zu beginnen.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.10.2024
111 MAL MOZART

111 MAL MOZART


sehr gut

Die Stiftung Mozarteum hat in diesem Buch die 111 häufigsten oder wichtigsten Fragen rund um Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) in acht Kapitel zusammengefasst. Es ist eine von Grund auf aktualisierte und um 11 Fragen erweiterte Fassung des Buches „Mensch Mozart!“ aus dem Jahr 2005.

Abstammung und Familie
Jugend und Alltag in Salzburg
Reisen
Bediensteter am Hof in Salzburg
Kompositionstechnik und Werke
Über Mozarts Tod
Die Mozart-Familie nach 1791
Mozart-Forschung

Dabei werden zahlreiche Fakten genannt, Mythen und Halbwahrheiten als solche enttarnt, und zurecht gerückt. Nicht zu kurz kommt auch der historische Hintergrund, ohne den Mozart nicht gesehen werden darf. Das betrifft vor allem die Gepflogenheiten rund um Mozarts Begräbnis, das den damaligen, von Kaiser Joseph II. erlassenen Vorschriften, entsprochen hat und KEIN Armenbegräbnis war, wie immer wieder behauptet wird.

Zu (fast) jeder Frage und Antwort gibt es eine Abbildung, sei es ein Faksimile eines Briefes oder eines Notenblatts. Ich habe wenig Neues erfahren, da ich bereits einige Bücher über die Familie Mozart gelesen habe. Einige davon aus dem Verlag Anton Pustet.

Fazit:

Für Mozart-Liebhaber und jene Menschen, die gerne in ihrem Bekanntenkreis mit Anekdoten über berühmte Persönlichkeiten auftrumpfen wollen, ein geeignetes Geschenk. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 26.10.2024
Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6
Benedict, Marie

Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6


ausgezeichnet

Dieses Buch aus der Reihe „Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte“ von Marie Benedict ist das 6., das ich von der Autorin gelesen habe.

Wie Marie Benedict im Nachwort erzählt, ist sie bei ihren Recherchen zu „Lady Churchill“ mehrfach über die Mitford-Schwestern gestolpert. Doch halt, nicht über alle sechs, sondern hauptsächlich über Diana, Unity und Nancy. Von diesen drei Schwestern wird auch in diesem Buch vorrangig die Rede sein.

Wer sind also die Mitford-Schwestern, die noch einen Bruder, Thomas (1909-1945), haben?

Nancy (1904-1973)
Pamela (1907-1994)
Diana (1910-2003)
Unitiy (1914-1948)
Jessica (1917-1996)
Deborah (1920-2014)

Sie sind Töchter einer alten englischen Aristokratenfamilie, deren „Lebensaufgabe“ es sein sollte, einen reichen Ehemann zu finden und zahlreiche Kinder zu bekommen. Ihr Leben pendelt zunächst zwischen Kleideranproben, Langeweile und Dinnerpartys. Ihre Bildung erhalten sie bis auf Diana, die für sechs Monate auf eine Privatschule in Paris geschickt wird, ausschließlich durch Hauslehrer.
Diana, die mit dem Brauereierben Bryan Walter Guiness verheiratet ist, beginnt 1932 mit Sir Oswald Mosley ein Verhältnis, das 1936 in einer Ehe münden sollte. Bei dieser Trauung in Berlin sind Hitler und Goebbels anwesend.

Die blonde, blauäugige und 1,80m große Unity ist schon zuvor nach Deutschland gereist und hat Hitler kennengelernt. Der stellt ihr eine zuvor arisierte Wohnung in München samt Auto und Chauffeur zur Verfügung. Zwischen 1935 und 1939 gehörte sie zum inneren Kreis der NSDAP und versorgt Hitler & Co mit Details aus Englands Politik. Am 3. September 1939, dem Tag der Kriegserklärung an England, unternimmt Unity eine Suizidversuch, der missglückt.

Während Diana und Unity sich zu fanatischen Anhängerinnen von Adolf Hitler und den Nazis entwickeln, sieht Nancy die älteste der Schwester sowohl die politische als auch die persönliche Entwicklung von Diana und Unity äußerst kritisch. Sie wird, als Nazi-Deutschland Großbritannien den Krieg erklärt, Diana für den Britischen Geheimdienst aushorchen, Dokumente entwenden und sie Winston Churchill, mit denen die Mitfords über dessen Schwägerin verwandt sind, zuspielen.

Jessica hingegen wendet sich den Kommunisten zu und verlässt Großbritannien.

Soweit der historische Rahmen, in dem dieser Roman, der in kurze Kapitel, die mit Datum und dem Namen jener Schwester überschrieben ist, aus deren Sicht die jeweilige Episode in den Jahren 1932 bis 1941 erzählt wird, spielt.

Recht deutlich kommt heraus, dass die Familienmitglieder in ihrer Einstellung zu Nazi-Deutschland höchst zerrissen war. Diana und Unity fanatische Anhängerinnen Hitlers, Jessica eine Kommunistin, Nancy, die für England spioniert und selbst die Mutter scheint sich für die Faschisten erwärmen zu können, während für Vater Mitford die Deutschen nur „The Hons“ (die Hunnen) sind. Selbst die Internierung von Diana und Mosley ändert nicht an deren Weltanschauung.

Erschreckend zu lesen ist auch, wie viele Anhänger der Faschismus auch in Großbritannien hat. Vor allem die adelige Gesellschaft hat große Sympathien für den Faschismus. Mosely steht hier nicht alleine da. Diese Sympathien reicht bis in Königshaus und kostet mit einigen anderen Gründen, Edward VIII. den Thron. Auch wenn der „offizielle“ Grund seiner Abdankung die geplante Hochzeit mit seiner zweifach geschiedenen Geliebte, der Amerikanerin Wallis Simpson war.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig und spannend. Die Leser erhalten einen Einblick in die abgehobene Lebensweise Englands High Society. Der Roman ist penibel recherchiert und gekonnt erzählt. Einzelne Ereignisse werden durch die drei Schwestern Nancy, Daina und Unity aus den jeweils unterschiedlichen Perspektiven betrachtet.

Durch ihre fanatische Begeisterung für Hitler und den Faschismus sind Diana und Unity die bekanntesten der MItford-Schwestern während Nancy, Jessica und Deborah als Schriftstellerinnen Erfolg hatten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Roman, der die komplexe Gemengelage der politischen Einstellungen einer aristokratischen Familie zum Inhalt hat, 5 Sterne.

Bewertung vom 24.10.2024
Die Orgelbauerin (eBook, ePUB)
Meyer, Martin

Die Orgelbauerin (eBook, ePUB)


sehr gut

Dieser historische Roman entführt uns in die Weimarer Republik (1918-1933), die von instabiler Regierungen, Armut, Arbeitslosigkeit und zahlreichen Männern, die an Körper und Geist versehrt aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen sind, gekennzeichnet ist. Die Not ist in den Städten größer, Dorfbewohner können sich mit den kümmerlichen Erträgen aus ihren Gärten und der Kleinviehhaltung gerade noch über Wasser halten.

Paula Bertram, die Tochter des Orgelbauers Theodor Bertram, will unbedingt das Handwerk des Orgelbaus erlernen, zumal ihr Bruder auf Grund einer schlecht heilenden Kriegsverletzung an der rechten Hand, den Beruf nicht wirklich ausüben kann. Doch in Theodors Gedankenwelt haben Frauen ihren Platz in der Küche, im Ehebett und Kirche.

Nach einer gescheiterten Ehe mit dem Möbeltischler Motte, der sie zudem misshandelt hat, beginnt sie eine Tischlerlehre bei Hans Meichelbeck, der einst Orgelbauer im Betrieb ihres Vater gewesen ist. Der ist für beide steinig und hart, denn die zahlreichen gesetzlichen Vorschriften stehen sowohl Paula als auch Hans im Weg.

Doch für die Orgelbauer im ganzen Land sieht es schlecht aus. Die Kirchengemeinden jammern zwar über den schlechten ZUstand ihrer Orgeln, für eine Instandsetzung oder gar eine neue Orgel fehlt schlichtweg das Geld.

Muss Paula ihren Traum vom Orgel bauen aufgeben? Oder muss der väterliche Betrieb erst vor die Hunde gehen, damit der jähzornige Patriarch ein Einsehen hat?

Meine Meinung:

Mir hat dieser historische Roman, der mich nach Weimar, in die Stadt Goethes und Schillers sowie in die Werkstätten des Bauhauses geführt hat, sehr gut gefallen. Das Bauhaus und seine revolutionären Ideen sind für die bodenständige Paula einen Hauch zu progressiv. Die will die traditionelle Handwerkskunst lernen und den väterlichen Betrieb wieder auf Vordermann bringen.

Das Cover ist einerseits an die strenge geometrische Form des Bauhauses angelehnt, andererseits sind natürlich Orgelpfeifen abgebildet.

Die fiktive Story rund um Paula ist geschickt angelegt und flüssig geschrieben. Erst im Laufe der Geschichte erfährt man einerseits, warum Theodor Bertram so verbittert ist und keine Frau in der Werkstatt duldet, und andererseits einiges über Paulas Bruder Maximilian. Die Charaktere sind sehr gut ausgestaltet.

Wir erfahren einiges über die Kunst des Orgelbaus. Ich gebe zu, bislang habe ich mich nur wenig damit befasst. Erst der Besuch des Kölner Domes, bei dem ich fasziniert die sogenannte „Schwalbennest-Orgel“ bestaunt habe. Diese Orgel ist allerdings eine moderne Orgel, die erst 1998 von Johannes Klais gebaut worden ist. Diese Erklärungen zum Orgelbau sind geschickt in die Handlung integriert.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman aus der Weimarer Republik 4 Sterne.

Bewertung vom 24.10.2024
Tod und Teufel / Jacop der Fuchs Bd.1 (eBook, ePUB)
Schätzing, Frank

Tod und Teufel / Jacop der Fuchs Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Frank Schätzing entführt uns auf die Großbaustelle des Kölner Dom im Jahre 1260. Überall dort, wo viel Geld, Macht und Einfluss im Spiel sind, sind Intrigen und Korruption nicht weit. So auch auf dieser Baustelle, wo zu Ehren Gottes, die schönste Kathedrale mit den höchsten Türmen entstehen soll.

Im Sog der Handwerker, die aus allen Teilen Europas in das mittelalterliche Köln, das damals noch mit C und Doppel-L, also Cölln, geschrieben worden ist, wollen unterschiedliche Menschen ein kleines oder größeres Stück vom Kuchen, darunter Jacob, ein kleiner Dieb und Herumtreiber.

Jacob beobachtet ungewollt wie der leitende Baumeister der Dombaustelle, Gerhard Morart, von einer dunklen Gestalt vom Gerüst gestoßen wird. Blöderweise wird er selbst vom Mörder gesehen. Nun beginnt eine gnadenlose Jagd auf den Zeugen. Jeder, dem Jacob von seiner Beobachtung erzählt, ist wenig später selbst tot, denn wie es scheint, ist Jacob in eine umfassende Verschwörung geraten, die den Tod des Erzbischofs plant.

Jacob kann niemandem mehr vertrauen. Unterschlupf findet er bei Jaspar, einem versoffener Kleriker, und dessen Nichte Richmodis. Die beiden beschließen, Jacob zu helfen, die Verschwörung aufzudecken und die Ermordung des Erzbischofs zu verhindern. Doch wird das gelingen? Die Gegner besitzen Macht, Geld und Einfluss.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist im Jahre 1995 (!) erstmals erschienen und bereits mehrmals neu aufgelegt. Anlässlich der Veröffentlichung von „Helden“, des zweiten Teils der Jacob-Trilogie im Oktober 2024, hat der Verlag Emons, nun „Tod und Teufel“ abermals als Hardcover herausgebracht.

Da ich im Frühjahr 2024 bei einem mehrtägigen Besuch das mittelalterliche Cölln unter fachkundiger Anleitung kennenlernen durfte, habe ich mich recht bald in diesem historischen Kriminalroman zurecht gefunden.

Frank Schätzing hat penibel die Geschichte Cöllns recherchiert und auch das damalige Weltgeschehen wie Kreuzzüge und die übermächtige katholische Kirche in seinen Roman eingebunden. Der Autor fesselt seine Leser mit stetig wachsender Spannung sowie häufigen Perspektivenwechsel. Die Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht von Jacob, aber auch aus Sicht der einzelnen Verschwörer, der Mitglieder einer bekannten Kölner Patrizierfamilie sowie des gedungenen Mörders erzählt. Zunächst scheint es, als ob der Mörder alle Vorteile auf seiner Seite hätte. Doch er unterschätzt Jacob, den man nicht umsonst Jacob, den Fuchs nennt.

An manchen Stellen erinnert dieser Roman an Ken Folletts „Kingsbridge-Reihe“, weil ähnlich opulent und detailreich.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman, der der erste der Jacob-Trilogie ist, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.