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Benutzername: 
isaba
Wohnort: 
Stuhr

Bewertungen

Insgesamt 62 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2023
Stigma
Adam, Lea

Stigma


ausgezeichnet

Solider Hamburg-Thriller
Das Autorinnenduo mit dem Pseudonym Lea Adam hat mit "Stigma" einen soliden Thriller abgeliefert, der von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.

Das Ermittlerduo Jagoda "Milo" Milosevic und Vincent Frey werden zu einem Leichenfund gerufen: Ein Mann wurde brutal ermordet und verstümmelt aufgefunden. Schnell wird den Polizisten ein Zusammenhang klar, als weitere Tote gefunden werden, die offenbar alle Frauen missbraucht haben. Das Team ermittelt in Richtung einer Selbsthilfegruppe für Frauen, die in der Vergangenheit Opfer sexueller Übergriffe geworden sind. Dabei wird Milo selbst zunehmend Opfer von mysteriösen Drohungen.

Wie ein Drehbuch liest sich der Thriller. In chronologischer Abfolge werden die Ermittlungen beschrieben, als Leser weiß man dabei immer genauso viel bzw. genauso wenig wie Milo und Vince. Zwischendurch werden einzelne Episoden von Frauen eingeschoben, die verschiedene Formen des Missbrauchs erlebt haben. Der Zusammenhang erschließt sich erst später.

Vince und Milo sind authentisch gezeichnet und ergänzen sich trotz ihrer Gegensätzlichkeit hervorragend. Die Beziehung der beiden sorgt für einige Schmunzelmomente. Die weiteren Figuren sind ebenfalls interessant, bekommen aber nicht besonders viel Raum. Auch der Ausflug in Milos privates Umfeld bleibt oberflächlich und dient vielleicht der Einführung der Charaktere für weitere Fälle?!

Die Story spielt in Hamburg und bietet viele spannende Wendungen auf dem Weg zur Lösung des Falles. Bis zum Ende spannend findet die Geschichte einen guten Showdown, der für mich nicht vorhersehbar war.

Insgesamt habe ich mit Stigma einen wirklich guten Thriller gelesen, der mich immer wieder überrascht hat und den ich Thrillerfreunden, die auf Storys aus Hamburg und umzu stehen, auf jeden Fall empfehlen kann.

Bewertung vom 03.10.2022
Unsterblich sind nur die anderen
Buchholz, Simone

Unsterblich sind nur die anderen


gut

Poetische Mystery
Simone Buchholz hat die bekannten Pfade der schnodderigen Krimiheldin Riley verlassen und legt mit "Unsterblich sind nur die anderen" eine ganz neue Variante ihres Könnens vor.

Zwei Freundinnen begeben sich auf der Suche nach ihren drei vermissten Freunden auf eine Fähre, die Dänemark mit Island verbindet. Kaum an Bord angekommen, mehren sich seltsame Beobachtungen und die Realität verschwimmt. Die eine mit mehr Elan, die andere mit mehr Zweifel begeben sich auf die Reise und in die Hände der Crew, die ihre ganz eigenen Gesetze hat. Zur Story kann man mehr nicht sagen, wenn man nicht spoilern möchte.

Simone Buchholz begibt sich hier in einen wilden Genre-Mix und ich bekam beim Lesen das Gefühl, dass sie ihre poetische Ader, die ich in ihrem bisherigen Romanen immer so wunderbar fand, hier endlich voll auslebt und mit Perspektiv- und Zeitwechseln auch die Art des Schreibens durcheinander mischt.

Man muss sich sehr konzentrieren, um der Geschichte und den Wechseln der Ebenen gut folgen zu können, was dann aber ein ganz eigenes Lesevergnügen mit sich bringt. Die Geschichte beginnt seicht und "regulär" und je weiter sie voranschreitet, desto mysteriöser und verschwommener wird der Schreibstil.

Ich habe die Geschichte gern gelesen, hatte mich aber nach den ersten Seiten und dem Klappentext nicht auf diese Art von Story eingestellt und muss auch sagen, dass ich mich, wenn ich die Wahl habe, lieber wieder mit Chastity Riley in den Kneipen von Hamburg herumtreiben würde.

Bewertung vom 28.08.2022
Stille blutet / Mordgruppe Bd.1
Poznanski, Ursula

Stille blutet / Mordgruppe Bd.1


ausgezeichnet

Wieder ein hervorragender Thriller von Poznanski
Wie ich nach vielen Vorgängerromanen erwartet habe, liefert Ursula Poznanski auch mit "Stille blutet" wieder ab: Ein super Pageturner, der den Leser fesselt und bis zum Showdown im Dunkeln tappen lässt.

Als die TV-Moderatorin Nadine Just ihre eigene Ermordung ankündigt und dieser dann auch schnell tatsächlich passiert, überschlagen sich in der Stadt Wien sehr schnell die Ereignisse. Der Ex-Lover Tibor gerät früh ins Visier der neuen Ermittlerin Serafina Plank, die die Abteilung Mord im Wiener LKA seit kurzem verstärkt. Die Social Media Kanäle füllen sich mit Nachahmern und während das LKA noch versucht, Spott und reale weitere Androhungen voneinander zu trennen, macht sich Tibor selbst auf die Suche nach dem Täter, um selber nicht länger als Verdächtiger im Rampenlicht der Wiener Bevölkerung zu stehen.

Die Story wird wechselnd aus der Perspektive von Tibor und Ermittlerin Fina erzählt. Beide Figuren üben ihren ganz individuellen Charme aus. Tibor, der Werbe-Fachmann mit einer großen Liste mehr oder weniger wütender Ex-Freundinnen, der eigentlich ein netter Kerl, nur leider viel zu oberflächlich ist, um zu bemerken, was die ermordete TV-Frau ihm zu Lebzeiten eigentlich alles eingebrockt hat. Und daneben Fina, die junge LKA Frau, die ihrem guten Spürsinn folgt und dabei ständig auf Schwierigkeiten aus den eigenen Reihen stößt, weil ihr älterer Kollege sie mit Spot über ihre Figur und ihre angebliche Naivität überschüttet.

Beide Erzählstränge laufen parallel, so dass der Leser immer einen kleinen Wissensvorsprung vor den beiden hat und dennoch wird bis zum Showdown ein großes Geheimnis aus dem Täter gemacht. Zudem schaltet sich immer wieder ein Ich-Erzähler ein, der seine eigenen Mordpläne hat und die Situation geschickt ausnutzt. An diesem Erzählstrang wird schnell deutlich, dass es sich augenscheinlich hier um den Auftakt einer neuen Erzählreihe handeln muss.

Auch wenn die Auflösung am Ende mir ein bißchen weit hergeholt erscheint, habe ich mich doch blendend unterhalten gefühlt. Der Schreibstil hat ein hohes Tempo und man kann das Buch bis zum Schluss nicht aus der Hand legen. Die Charaktere sind toll gezeichnet und ich würde Fina Plank gern noch einmal bei einem nächsten Fall über die Schulter schauen. Für mich wieder ein solider "Poznanski".

Bewertung vom 10.07.2022
Beifang
Simons, Martin

Beifang


ausgezeichnet

Impressionen aus der Zechensiedlung

Martin Simons war mir bisher unbekannt, hat sich nun mit "Beifang" in meinem Bücherschrank jedoch einen festen Platz geschaffen.

Frank Zimmermann lebt ein unstetes Dasein: Ohne regelmäßigen Job und ohne Kontakt zu seinem Sohn lebt er allein in Berlin und trifft lediglich alle paar Wochen seine Geliebte. Als seine Eltern das Elternhaus verkaufen, trifft ihn dies unerwartet schwer und seine Geliebte bringt ihn auf den Gedanken, nach seiner Herkunft zu forschen.

Sein Vater schwieg sich über die Vergangenheit in der Zechensiedlung seiner Kindheit aus und so beginnt Frank eine Reise zu den Geschwistern des Vaters, um mehr über seine Vergangenheit zu erfahren. Nach und nach und nicht immer übereinstimmend hört er von der schweren Kindheit seines Vaters und dem Leben der bettelarmen Großfamilie in dem kleinen Zechenhaus in Selm Beifang.

Martin Simons schreibt nüchtern und sachlich und fängt den Leser gerade damit schnell ein und transportiert damit die Trostlosigkeit der Geschichte seiner Hauptfiguren. Weil ich den Ort Selm selbst sehr gut kenne, habe ich die Schauplätze vor dem inneren Auge, was dem Abtauchen in den Verlauf der Geschichte natürlich sehr zuträglich ist. Der Autor hat es wunderbar verstanden, Selm in seinen Facetten damals und heute in die Geschichte einzubringen.

Die Geschichte der Familie ist keine leichte Kost, sondern regt sehr zum Nachdenken an: wie Familie trotz Widrigkeiten funktioniert, wie erlebte Traumata in nachkommenden Generationen nachwirken und wie jeder einzelne eine individuelle Wahrheit der eigenen Vergangenheit hat.

Mit "Beifang" hat Martin Simons mir einige interessante Lesestunden bereitet, so dass ich das Buch absolut weiter empfehle.

Bewertung vom 04.04.2022
Wo die Wölfe sind
McConaghy, Charlotte

Wo die Wölfe sind


ausgezeichnet

Wölfe zurück in die Highlands
"Wo die Wölfe sind" ist der neue Roman von Charlotta McConaghy... und was für einer! Ich bin hellauf begeistert, wie sie die Geschichte einer jungen Frau mit der Geschichte der Wölfe, der schottischen Natur und einem spannenden Plot rund um die Wiederansiedlung in Einklang bringt.

Inti wächst mit ihrer Schwester Aggie abwechselnd bei ihrer Mutter und ihrem Vater auf, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Mutter möchte ihre Töchter auf das harte Leben in der heutigen Gesellschaft bestens vorbereiten, während der Vater ein echter Selbstversorger und Klimaschützer ist und den Kindern ein Leben im Einklang mit der Natur näher bringt. Inti leidet am Mirror-Touch-Syndrom, das sie die körperlichen Symptome anderer Lebewesen mitfühlen lässt. Sie ist fasziniert von Wölfen und wird so die Leiterin eines Programms zur Widereingliederung der Wölfe in den schottischen Highlands. Dort bekommt sie es schnell mit den Bewohnern der Region zu tun, die dem Vorhaben mehr als skeptisch gegenüberstehen, da sie Sorge um ihre wirtschaftliche Existenz haben, die zumeist aus der Schaafzucht besteht.

Die Story entwickelt sich auf verschiedenen Ebenen: Der Hauptplot begleitet Indi und ihr Team bei der Aussetzung und Beobachtung einiger Wolfsrudel in den Highlands sowie der schwierigen Kommunikation mit den Einwohnern der Umgebung. Parallel dazu erfährt der Leser in Rückblenden mehr über die Kindheit von Indi und ihrer Schwester.

In beide Erzählstränge baut die Autorin grandios das Hintergrundwissen zu den Verhaltensweisen der Wölfe sowie ihren Wert für die Erhaltung der Wälder und damit die Verlangsamung des Klimawandels ein. Die bildhafte Beschreibung der Highlands sorgt zudem dafür, dass man sich mitten im Geschehen fühlt. Als nach dem ersten Buchdrittel auch noch Krimi-Elemente einfließen, kann man das Buch als Leser endgültig nicht mehr aus der Hand legen.

Mich hat die Geschichte absolut begeistert und Charlotte McConaghy hat sich meiner Meinung nach gegenüber ihrem Vorgängerroman "Zugvögel" noch einmal deutlich gesteigert. Die Verwebung der verschiedenen Elemente, die empathische und so besondere Heldin des Buches, ihre Verletzlichkeit und Stärke sind zutiefst beeindruckend und ihre Lebensgeschichte ist sehr bewegend erzählt.

Für mich ist "Wo die Wölfe sind" das Lese-Highlight des bisherigen Jahres!

Bewertung vom 20.03.2022
Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Deutsch-Dänisches Ermittlerduo
Dennis Jürgensen hat mit Gezeitenmord einen tollen Auftakt zu einer neuen skandinavischen Krimi-Reihe vorgelegt.

Lykke Teit aus Kopenhagen reist nach Südjütland, um dort zusammen mit dem deutschen Ermittler Rudi Lehmann aus Flensburg in einem Mordfall im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Dänemark zu ermitteln. Die beiden sind sehr unterschiedlich und sich dennoch auf Anhieb sympathisch. Lykke kennt das Mordopfer persönlich und auch die mit dem Fund der Leiche verbundene Entführung verkompliziert den Fall. Schon bald ist klar, dass neben den aktuellen Geschehnissen im Wattenmeer einige bereits länger zurückliegende Fälle von Kindesentführung ebenfalls eine Rolle spielen.

Der Plot ist gekonnt konstruiert, man kann wunderbar miträtseln. Das gesamte Buch ist bis auf einige kurze Ausnahmen aus der Perspektive von Lykke und Rudi geschrieben, so dass man das Gefühl hat, mit den beiden gemeinsam unterwegs zu sein und die Zeugen zu vernehmen. Die Geschichte rund um den rätselhaften Toten im Watt und den verschwundenen Jungen ist kreativ und konsequent bis zur Auflösung durchdacht, wenn auch in Teilen etwas drastisch.

Am besten gefallen aber haben mir die Protagonisten. Lykke Teit und auch Rudi Lehmann sind sehr authentisch gezeichnet und bringen durch ihre schweren Schicksalsschläge viel Persönlichkeit und Tiefe mit in die Geschichte. Zudem ist Lehmann sehr humorvoll, was dem Buch noch mehr Lesefluss gibt. Spannung und Leichtigkeit halten sich hervorragend in Balance. Und auch die Nebenfiguren wie der herrlich grumelige Kleinstadtpolizist oder der nette Gastwirt bereichern die Geschichte.

Da sowohl die privaten Sorgen von Lykke als auch von Rudi nur am Rande in der aktuellen Geschichte erwähnt werden, bin ich sicher, dass noch viel Stoff für weitere gemeinsame Aufgaben des tollen Ermittlerduos zur Verfügung steht.

Mein Fazit: Ein toller Krimi mit kleinen Thrillerelementen und viel Humor. Ich habe "Gezeitenmord" gerne und in einem Rutsch durchgelesen und freue mich sehr auf die Fortsetzung

Bewertung vom 04.03.2022
Der dreizehnte Mann / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.2
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Der dreizehnte Mann / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Überzeugender zweiter Fall für das Duo Eberhardt und Jarmer
"Der 13. Mann" ist der zweite Fall für den Rechtsanwalt Rocco Eberhardt und den Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer aus Berlin. Hier führt das Autorenduo Florian Schwiecker und Michael Tsokos die Story um die beiden sympathischen Figuren sehr spannend fort, wobei beide Teile auch unabhängig voneinander gut zu lesen sind.

Nachdem Eberhardt und Jarmer sich in Teil eins der Reihe "Die 7. Zeugin" während einer Verhandlung eher zufällig über den Weg gelaufen sind, arbeiten beide in dieser zweiten Geschichte von Beginn an bewusst Hand in Hand. Eine Journalistin und ein Opfer von Kindesmissbrauch werden in der Kanzlei vorstellig, weil kurz vor Erscheinen der Story über ein Missbrauchsskandal eines der beiden Opfer plötzlich verschwunden ist. Als die Leiche des Mannes gefunden wird, ist allen Beteiligten schnell klar, dass die Verantwortlichen von damals offenbar alles daran setzen, die Aufklärung des sog. Granther-Experiments zu verhindern. Bei diesem waren heute hochrangige Staatsbedienstete daran beteiligt, Kinder bewusst in Obhut von Pädophilen zu geben. Eberhardt und Jarmer versuchen, die Hintergründe aufzudecken und die Verantwortlichen zu überführen.

Die Idee der Story beruht auf wahren Begebenheiten, was die Lektüre mitunter sehr schockiert. Die Autoren schaffen es auch hier wieder hervorragend durch einen präzisen und schnörkellosen Schreibstil mit kurzen Kapiteln den Leser an das Buch zu fesseln. Es liest sich manchmal fast wie ein Drehbuch. Dieser Stil passt für mich perfekt zu einem Justiz-Krimi, bei dem die Täter schnell bekannt sind und sich die Spannung durch die Aufarbeitung des Anwalts und seiner Mitarbeiter ergibt. Die Figuren geben zudem auch kleine private Details preis, diese sind jedoch sehr reduziert. Daher vermute ich, dass noch viele weitere Fälle für das Duo folgen werden.

Insgesamt wurde ich auch in Band zwei nicht enttäuscht, die Story ist spannend und wendungsreich und man fliegt durch die Seiten. Ich bin gespannt auf weitere Fälle des Duos Eberhardt/Jarmer.

Bewertung vom 22.12.2021
Thirteen / Eddie Flynn Bd.4
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4


ausgezeichnet

Erstklassiger Gerichtsthriller
Einen Gerichtsthriller mit einer großen Liebe zum Detail legt Steve Cavanagh mit "Thirteen" hier vor. Herausgekommen ist für mich eine Lektüre, die zu meinen Topleseerlebnissen dieses Jahres gehört.

Hier ist von Seite eins an klar, wer der Mörder ist: Joshua Kane brachte eine Schauspielerin sowie deren Bodyguard grausam um und hat den perfekten Plan erdacht, dies dem Ehemann des Opfers Bobby zuzuschieben. Und dazu sorgt er dafür, selbst als Geschworener in der Jury zu sitzen, um den vermeintlichen Mörder zu verurteilen. Dies verhindern kann nur ein Anwaltsgeschwader, allen voran der "kleine" Strafverteidiger Eddie Flynn. Dieser glaubt an Bobbys Unschuld und tut alles, um dies zu beweisen.

Man könnte meinen, dass es dem Buch jede Spannung nimmt, wenn Täter und Opfer gleich zu Beginn bekannt sind. Jedoch merkt man beim Lesen sehr schnell, dass es noch viel spannender sein kann, den Täter zu kennen und mitzufiebern, ob sein Plan aufgeht und dabei immer zu frage: Warum das alles?

Die Geschichte wird aus der Perspektive von Kane und von Flynn im Wechsel erzählt. Flynn folgt man dabei aus der Sicht des Ich-Erzählers. Dieses Detail sorgt zusätzlich dafür, dass der Leser mit Flynn gemeinsam wünscht, den Schauspieler frei zu bekommen. Steve Cavanagh baute zahlreiche Wendungen und Twists ein, so dass trotz mehr als 500 Seiten in keinem Moment Langeweile aufkommt. Die Figuren sind phantastisch konstruiert und auf Anhieb sympathisch. Zudem gibt Cavanagh interessante Einblicke in Taktiken vor Gericht. Diese runden den perfekten Gesamteindruck ab.

Ich bin absolut begeistert von der Geschichte und habe ich inzwischen erfahren, dass dies nicht der erste Fall für Eddie Flynn ist. Garantiert werde ich die Vorgänger-Romane ebenfalls lesen und freue mich auf weitere Bücher von Steve Cavanagh, denn "Thirteen" war eines meiner Lesehighlights des Jahres.

Bewertung vom 04.12.2021
606
Fox, Candice

606


ausgezeichnet

Filmreife Story
Der Thriller "606" von Candice Fox ist ein spannendes Leseabenteuer mit außergewöhnlichen Figuren und tollen Wendungen, das wunderbar für einen Hollywoodstreifen herhalten kann.

Der Leser wird direkt mit einem höchstdramatischen Gefängnisausbruch in der Geschichte begrüßt. Währenddessen lernt man unter anderem John Kradle kennen, der im Todestrakt sitzt. Er nutzt seine plötzliche Freiheit und macht sich auf, um seine Unschuld zu beweisen. Davon abhalten möchte ihn die Justizvollzugsangestellte Celine, die im Todestrakt arbeitet und trotz vieler Schwerverbrecher eine Fehde mit dem vergleichsweise harmlosen Kradle pflegt.

Die Kapitel werden abwechselnd aus den verschiedenen Perspektiven der Figuren erzählt und zu Beginn ist einem keiner der Charaktere wirklich sympathisch. Zudem fehlt jegliches Verständnis dafür, dass die Schließerin ausgerechnet diesen einen der 606 Flüchtigen so unbedingt wieder einfangen will. Es werden nach und nach weitere Nebenplots aufgemacht, die die Story voranbringen und die für Tiefe und Spannung sorgen.

Im Laufe der Jagd wird dem Leser nach und nach klar, warum die Figuren so handeln und man entwickelt doch noch Sympathie. Durch zahlreiche Twists bleibt die Spannung durchgängig hoch und man mag das Buch kaum aus der Hand legen.

Genau diese Tatsache, dass die Figuren mir zu Anfang so fremd waren, macht das Buch für mich so gut. Man ist es als Leser gewohnt, gleich mit der Hauptfigur zu sympathisieren und es ist ganz erfrischend, mal anders an die Geschichte herangeführt zu werden. Schade finde ich nur, dass der Buchtitel ein wenig in die Irre führt, weil die 606 Flüchtlinge eigentlich nicht relevant für die Story sind. Aber das ist vielleicht eher ein Punkt für die deutsche Übersetzung, weniger für die Autorin.

Insgesamt ist das Buch klasse geschrieben und man spielt durchgängig die Story im Kopfkino mit. Der Stoff würde sicherlich auch auf der Leinwand richtig gut ankommen.

Bewertung vom 13.11.2021
Wir sind schließlich wer
Gesthuysen, Anne

Wir sind schließlich wer


ausgezeichnet

Heimatliebe
Mit "Wir sind schließlich wer" hat Anne Gesthuysen einen wunderschönen Roman über Familie, Gemeinschaft und Zusammenhalt geschaffen, der nicht so sehr von der Entwicklung der Story, sondern vielmehr von den tollen Figuren lebt, die in Erinnerung bleiben.

Anna ist als Vertretung in einer katholischen kleinen Dorfgemeinde eingesetzt. Selber adelig, weiblich und evangelisch hat sie es zunächst nich leicht mit der Gemeinschaft. Sie wird in so manches Fettnäpfchen geworfen und die dörfliche Gerüchteküche hat ihre wahre Freude an der neuen Pastorin. Während sie versucht, Fuß zu fassen, wird ihre Familie in einen Strudel schlimmer Ereignisse hineingezogen und Anna versucht, zwischen dem Job und ihrer Familie allen gerecht zu werden.

Mit vielen Rückblenden lernt der Leser Annas Familie kennen. Vor allem Schwester Maria nimmt einen wichtigen Platz ein: Von der Mutter bevorzugt, nimmt sie den familiär gewünschten Platz in der adeligen Gesellschaft ein, indem Sie einen Adeligen heiratet. Schon früh erkennt man als Leser, dass diese Verbindung nur der Fassade dient, die in der aktuellen Zeitschiene komplett auseinander bricht. Erst dann zeigt sich, was Familie und Gemeinschaft wirklich bedeutet.

Durch die wechselnde Perspektive zwischen Gegenwart und Vergangenheit der Schwestern offenbaren sich immer mehr Details aus ihrem Leben, die die Geschichte spannend und flüssig machen. Mich haben jedoch vor allem die Figuren sehr begeistert, die mit so viel Liebe zum Detail gezeichnet sind. Nicht nur Anna und ihre Familie sind sehr lebensecht, auch die Figuren wie zum Beispiel die pastorale Haushälterin, der mitleiderrergende Postbote Martinchen und vor allem Großtante Ottilie, die aus dem Seniorenstift heraus die Geschicke der Familie beeinflusst und als einzige das große Ganze verstanden hat, machen dieses Buch so einzigartig.

Man verliert sich in der Geschichte, die wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft. Man schmunzelt, sorgt sich und fiebert mit und bekommt das Gefühl, Teil der Gemeinschaft zu sein. Ein tolles Buch, das Heimat zeigt.