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Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 159 Bewertungen
Bewertung vom 22.05.2018
Für immer ist die längste Zeit
Fabiaschi, Abby

Für immer ist die längste Zeit


gut

Maddy ist Mutter von Eve – sportlich, hübsch, beliebt - und Ehefrau von Brady - ein Workaholic par exellence. Sie leben in einem schönen Haus und sind von außen betrachtet die perfekte Familie - bis Maddy in den Selbstmord stürzt und damit die heile Welt zerbricht. Aber sie ist nicht fort, sondern wie ein geisterhafter Engel in himmlischer Mission für ihre Lieben unterwegs.

Die Idee des Romans gefällt mir sehr, dass unsere verstorbenen Familienangehörigen wie heimliche Lebensbegleiter aus einer Zwischenwelt zu uns herabschauen und mitmischen, aber die Umsetzung hat mich nicht komplett überzeugt.

Eve wirkt auf mich mit ihren 17 Jahren leider nicht glaubwürdig und taugt als Sympathieträgerin leider nur mangelhaft. Natürlich ist es für die junge Frau eine unfassbar schwierige Situation, aber insgesamt wirkt sie viel zu bockig und verzickt. Ihre Wandlung vollzieht sich sehr langsam und schwenkt dann beinahe mit einem Ruck um. Wobei mich die gesamte Geschichte sowieso sehr an einen Jugendroman erinnert und da bin ich leider kein Fan von. Ich hätte dagegen gerne mehr von Paige, Maddys bester Freundin, oder Rory, der taffen Nachhilfelehrerin, gelesen, welche starke Charaktere waren, die mir im Gedächtnis bleiben. Desweiteren hätte ich gerne mehr im Tagebuch der Protagonistin gestöbert. Der Roman wird nämlich aus drei Erzählperspektiven wiedergegeben und die Einschübe aus den Gedanken der Verstorbenen bringen ein paar Schmunzler oder regen zum Nachdenken an, wohingegen Bradys oder Eves Kapital teilweise langatmig sind.

Den Erzählstil würde ich als solides Mittelmaß bezeichnen, ohne nennenswerte Höhe- oder Tiefpunkte, was für ein Debüt aber vollkommen in Ordnung war.

Ich schwankte in meiner Bewertung zwischen zwei und drei Sternen und habe mich für die höhere Wertung entschieden, weil ich das Buch kurz vor dem Muttertag gelesen habe und es für diesen Anlass optimal ist, um auf unkoventionelle Art und Weise „Danke“ zu sagen. Mamas sind die Besten und genau das ist die gelungene Kernaussage von der Autorin, sodass man „Für immer ist die längste Zeit“ auch gerne an Heranwachsende in der schwierigen Pubertät als kleinen Wink mit dem Zaunpfal verschenken kann. Denn nach der Lektüre weiß man die kleinen Dinge wieder etwas mehr zu schätzen.

Bewertung vom 15.01.2018
Das Licht der Insel
Pendziwol, Jean E.

Das Licht der Insel


ausgezeichnet

Elizabeth Livingstone hat in ihrem Leben wahrlich viel erlebt. Sie wuchs gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Emily und den beiden Brüdern auf einer idyllischen, abgeschiedenen Insel mitten im Lake Superior auf, wo ihre Eltern als Leuchtturmwärter tätig waren.
Mittlerweile ist Lizzy eine alte Dame, wohnt in einem Seniorenheim und ist beinahe vollständig erblindet, als ihr zwei Polizisten mehrere alte Tagebücher überrreichen, die aus dem Nachlass ihres Vaters stammen.
Gemeinsam mit Morgan, die wegen einer unerlaubten Graffitti Aktion Sozialstunden leisten muss, tauchen die beiden ab in die Zeit der 20er Jahre und blicken hinter die Idylle von Porphyry Island mit seinem schaurigen Geheimnis, was noch bis in die Gegenwart hineinstrahlt.

Die Autorin hat die aktuell sehr beliebte Erzählweise gewählt, bei der wir uns abwechselnd in der Vergangenheit, also in Elizabeths Jugend, und der Gegenwart befinden – gespickt wird das Ganze noch durch zahlreiche O-Töne aus den Tagebüchern vom Leuchttürmwärter, der damit nicht nur interessante Ereignisse von der rauen See teilte, sondern auch seine Schuldgefühle ins Reine schreiben wollte, die ein liebender (Ehe-)Mann und Vater in der Einöde so anhäuft.

Die Arbeit auf dem Leuchttum wird sehr bildlich beschrieben und obwohl es bestimmt kein Zuckerschlecken war, wollte ich selbst gerne auf der kleinen, abgeschiedenen Insel meine Kindheit verbringen und das warme Gefühl uneingeschränkter Schwesternliebe erfahren.
Die Atmosphäre schwillt zudem wie die Wellen vor Lake Superior stetig an und ließ mich beim Knall des Höhepunkts beinahe erschaudern. Zwar zeichnete sich schon deutlich ein Familiendrama ab, aber die Auflösung war dann doch überraschend und überaus eindringlich!

Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber für mein Empfinden hat Jean Pendziwol auf circa 400 Seiten ein kleines Familienepos erschaffen, mit dem man auch gut und gerne eine Trilogie füllen könnte, wenn man die Geschichte um Morgan noch ein wenig weiter spinnen würde.
Ihr Schreibstil ist jedenfalls wunderbar malerisch, die Sätze sind kunstvoll konstruiert und die Charaktere ergeben einen runden Rahmen für das Erzählte aus einer Zeit, die so unfassbar entfernt, unfassbar schön und unfassbar grausam erscheint.

Ich bin sehr gespannt, auf die (hoffentlich bald) folgenden Romane der Autorin.

Bewertung vom 17.09.2017
Frag nicht nach Sonnenschein
Kinsella, Sophie

Frag nicht nach Sonnenschein


sehr gut

„Du bist eine sprechende, lächelnde Mooskugel“ (S.401) - gemeint ist mit dieser wunderbar blumigen Beschreibung die Protagonistin Katie Brenner und es trifft den Nagel eindeutig auf den Kopf! Aufgewachsen auf dem ländlichen Anwesen ihres Vaters in Somerset, träumt sie davon, als junge Frau, nun endlich in der florierenden Welt Londons Fuß zu fassen und ein cooles Großstadtmädchen zu werden. Leider ist ihr London nicht so wohl gesonnen, denn neben schlechter Bezahlung, macht ihr auch noch ihre selbstherrliche Chefin Demeter einen Strich durch die Rechnung. Als sie gerade anfing eine kleine Flirterei mit dem charmanten Alex zu genießen, wird sie kurzerhand gefeuert und heuert erneut auf dem Land bei ihrem Vater an. Dieser hat eine grandiose Geschäftsidee: GLAMPING – also luxuriöses Camping in der Einöde und wer muss diesen neuen Trend natürlich gleich ausprobieren? Demeter und Alex! Kann das gut gehen?

„Frag nicht nach Sonnenschein“ ist mein erster Roman von der Autorin und ich war sehr positiv überrascht! Uns erwartet ein Buch voller Charaktere, die liebevoll mit Ecken und Kanten gezeichnet wurden und nur noch von der paradiesischen Idylle in Somerset übertroffen wird. Als Hauptstadtkind habe ich mich häufiger dabei erwischt, wie ich nur verwirrt mit dem Kopf schütteln konnte, denn welcher normale Mensch möchte das harmonische Landleben gegen das stinkende, laute London tauschen? Die Passagen auf dem Land waren mir also eindeutig die liebsten, denn hier wurden selbst starre Chefs plötzlich weich und menschlich, was im hektischen Alltag eine echte Wohltat ist.
Für Katie hat die Autorin außerdem ein spannendes Berusbild gewählt, denn im „Branding“ konnte sie ihre Kreativität interessant austoben und wir als Leser schmunzelnd mitfiebern. Der weite Bogen zum „Glamping“ wird dann gelungen geschlagen und ich habe die Entwicklung gespannt verfolgt. Zugeben muss ich, dass ich ein heimlicher Fan des neuen Trends geworden bin, denn Sophie Kinsella hat es so grandios beschrieben, dass ich mich bei den Brenners beinahe selbst einmieten wollte.
Die obligatorische Liebesgeschichte ist von Höhen und Tiefen geprägt, was abwechslungsreich und unterhaltsam war - für mich aber gar nicht unbedingt im Mittelpunkt stand. Vielmehr ging es um die Freundschaft und die Veränderung im Denken, die eine Einkehr zu sich selbst bewirken kann.
Winziger Kritikpunkt könnte sein, dass die Ausführungen zu Demeters 2-tägiger „Spezialbetreuung“ etwas zu langatmig waren, aber damit kann man gut leben. So ganz zufrieden bin ich auch nicht mit der deutschen Wahl zum Titel, da er für mein Empfinden Katies Leben zu depressiv darstellt. Im Original („My not so perfect Life“) schwingt da auch noch ein gewisser Witz mit bei, der ja eindeutig charakteristisch für die Lektüre ist.
Insgesamt bekommt der Roman aber eine klare Leseempfehlung und die Überlegung den nächsten Urlaub auf einem Camping bzw. Glamping-Platz zu verbringen, ist eindeutig gewachsen.

Bewertung vom 24.04.2017
Die wundersame Reise eines verlorenen Gegenstands
Basile, Salvatore

Die wundersame Reise eines verlorenen Gegenstands


gut

Ein Bahnhof bedeutet für die meisten Menschen ein Sprungbrett zu einer spannenden Reise oder einen praktischen Verbindungsweg zwischen Regionen. Für Michele, den Bahnhofswächter von Miniera di Mare, bedeutet er lediglich eine sichere Festung – sein Schutz vor der Außenwelt und den Mitmenschen!
Seit seine Mutter ihn als kleinen Jungen verlassen hat, scheut er das aktive Leben und verbringt seine Tage abgeschottet und alleine. Lediglich die Fundsachen, die er akurat in seiner Wohnung aufgereiht hat und seine Arbeit mit der imposanten Lokomotive geben ihm Freude. Als eines Tages völlig unerwartet sein altes Tagebuch im Zug auftaucht, was seine Mutter damals als Erinnerung eingepackt hat, und kurz darauf ein Fahrgast, die junge Elena, seine Wohnung betritt und sich um Kopf und Kragen redet, ist es um ihn geschehen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach seiner verlorenen Kindheit.

Beim Lesen der Inhaltsangabe wurde ich neugierig, denn manche zufälligen Begegnungen können tatsächlich auf wundersame Weise die Zukunft verändern und uns Leser mit großen Augen zum Schmachten bringen. Es wäre für meinen Geschmack allerdings etwas eindringlicher geworden, wenn der Autor dem Tagebuch mehr Raum gegeben hätte. Die kleinen Anekdoten vom jungen, unschuldigen Michele waren herzerwärmend und ein schönes Element, was leider zu kurz gekommen ist. Wahrscheinlich aus diesem Grunde blieb der Protagonist streckenweise sehr unnahbar und auf negative Weise verbohrt. Seine doch ziemlich rasche Wandlung vom notorischen Einzelgänger zum mutigen Fragensteller, ja beinahe Entdecker und dann wieder der harte Cut, sobald Elena aufkreuzte, hat mich etwas gestört.

An manchen Stellen versprühte der Roman wiederum schon fast den Charme eines modernen Märchens, dafür blieb sich Salvatore Basile jedoch für mein Empfinden nicht treu genug und rutschte zurück in eine trübe Realität. Als Leser fühlte ich mich teilweise wie ein Fähnchen im Winde, was nicht wusste, in welchem Genre sich die Geschichte schlussendlich einordnen möchte. Man ahnt natürlich ziemlich früh, wo die literarische Reise sinnbildlich hingehen soll - der Weg dorthin fesselte mich leider nur bedingt.
In den Schreibstil kann man sich dagegen wunderbar einlesen und regelmäßig werden richtig schöne Vergleiche und versenähnliche Sätze eingebaut, die hängen bleiben und das Buch lesenswert machen!
Vielleicht wirkt die Handlung im Sommerurlaub (am besten nahe Italien) noch besser - ich würde deshalb gute 3,5 Sterne vergeben!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.09.2016
Auf Null
Junk, Catharina

Auf Null


ausgezeichnet

Es gibt wohl keinen Menschen, der weder in seiner Familie, im Bekanntenkreis noch im Berufsalltag keinen Krebspatienten zu Beklagen hat. Die heimtückische Krankheit gilt als Volkserkrankung und insgeheim fürchtet sich wohl Jeder davor, selbst diese niederschmetternde Diagnose zu erhalten.
Die Protagonistin Nina aus dem vorliegenden Roman muss sich schon in jungen Jahren mit der Leukämie herumschlagen und zeigt, dass der Kampf gegen Ängste, seelische und körperliche Folgen, sowie das „normale“ Leben nach kräftezehrenden Chemotherapien alles andere als einfach und unbeschwert ist.

Ein wenig skeptisch war ich zu Beginn der Lektüre schon, ob die Thematik angenehme Lesestunden bescheren kann. Umso erstaunter war ich dann spätestens nach der letzten Seite, als ich „Auf Null“ mit einem guten, lebensbejahenden Gefühl weggelegt habe.
Zu verdanken ist das eindeutig Ninas ehrlicher Art und rebellischer Goßschnäuzigkeit, die sich auch im lässigen Schreibstil widerspiegelt – wenigstens was ihre Gedankengänge angeht. Da wird ein scheinbar gut gemeintes Geschenk der Eltern mit einer verbalen Heftigkeit zerrissen, die mir den Mund offen stehen ließ und auch die Ecken und Kanten ihre Freundschaften mit nüchternen Beschreibungen offenbart, wie es wahrscheinlich nur Menschen mit einer Nahtoderfahrung gelingt. Verbitterung und Selbstmitleid schwingen unterbewusst natürlich mit, aber auf eine Weise, die sehr verständlich und keineswegs erdrückend ist – hier hat die Autorin wunderbare Arbeit geleistet.

Im stetigen Wechsel erhalten wir Einblicke in Ninas steriler Krankenhauswelt, sowie nach der Entlassung mit allen Höhen und Tiefen. Diese Zeitsprünge habe ich nicht immer als optimal empfunden, aber insgesamt sorgten sie doch für die nötige Abwechslung und halfen die Protagonistin besser zu verstehen. Die kleine, obligatorische Romanze verlief etwas zu vorhersehbar und hätte für meinen Geschmack eine Prise mehr Überraschung vertragen können. Dahingegen war der Nebenstrang um die krankheitsbedingte Funkstille mit Ninas Freundin Bahar ein sehr gelungenes Element und hat mich mit den beiden mitfiebern lassen.
Einige komische, fast schon überspitzte Sezenen wurden von der Autorin zur Auflockerung auch eingewebt, die sich beispielsweise mit der Frage beschäftigen, ob wir selbst bzw. unsere Seele für gängige Krankheiten verantwortlich sind und ob eine Entspannungs-CD eventuell des Rätsels Lösung sein könnte. So ulkig wie es bei der Lektüre auch war, zeigt es doch, dass wir im Ernstfall sehr empfänglich für jeden Strohhalm zur Rettung sind und wie wichtig jeder einzelne Tag im Kreise unserer Lieben ist. Dies und noch vieles mehr hat mir Catharina Junk wieder deutlicher vor Augen geführt und genau deshalb war ihr Debüt für mich gelungen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.07.2016
Weil wir Flügel haben  (Restauflage)
Diffenbaugh, Vanessa

Weil wir Flügel haben (Restauflage)


gut

Als ich den 400 Seiten starken Roman in den Händen hielt, waren meine Erwartungen erst einmal nicht sehr hoch. Das Debüt der Autorin „Die verborgene Sprache der Blumen“ lag mir mit seiner vom Weg abgekommenen und etwas schwer zu händelnden Protagonistin noch dumpf im Magen und die Inhaltsangabe deutete auch hier wieder ähnliches an. So war es für mich nicht verwunderlich, dass ich mit einigen Startproblemen zu kämpfen hatte.

Die dreiunddreißigjährige Letty ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und lebt gemeinsam mit ihren mexikanischen Eltern in einem Armutsviertel, wo es nur Sumpf und pure Tristigkeit weit und breit gibt. Ihrer Mutterrolle war sie von Beginn an überhaupt nicht gewachsen, da sie als Teenager ungewollt schwanger wurde und diese Pflichten sofort nach der Geburt an ihre Mutter abgegeben hat. Um die Familie einigermaßen über die Runden zu bekommen, arbeitet Letty nachts als Kellnerin und schläft tagsüber. Als ihre Eltern sich in einer Nacht und Nebel Aktion plötzlich dazu entschließen wieder zurück nach Mexiko zu gehen, verliert Letty aufgrund der neuen Verantwortung komplett die Nerven. Wird sie es schaffen oder kläglich an der Herausforderung scheitern?

Die größten Schwierigkeiten hatte ich bei der Lektüre damit, dass ich kaum Sympathien zu den Handelnden aufbauen konnte. Lediglich der wissbegierige und frisch verliebte 14-Jährige Alex war mein Hoffnungsschimmer zwischen den ganzen Geldproblemen und Alkoholeskapaden der Erwachsenen. Er wirkte mit seiner friedfertigen und vernünftigen Art beinahe wie hineingeschmissen in die Szenerie einer Trash-Tv Sendung, die seine Mutter geschrieben hat. Noch deutlicher wird dieser Faktor als sein Erzeuger nach Jahren wieder auftaucht und seine Mutter in ein Gefühlschaos schleudert – zumal sie gerade dabei war mit einem Kollegen anzubändeln, womit das „Dreiecks-Wirrwarr“ perfekt ist.
Obwohl man Letty zugutehalten muss, dass sie sich im weiteren Verlauf der Handlung durchaus Mühe gibt, um den Karren sprichwörtlich aus dem Dreck zu ziehen, damit jedoch aber andere Steine ins Rollen bringt, die fatale Folgen haben. Wie ein kleiner nerviger Satansbraten nimmt die 6-Jährige Luna auch noch irgendwo dazwischen am Familienleben teil. Mit einer Mischung aus verzogen, quengelig und unterfordert sorgte sie bei mir regelmäßig für Augenrollen, da nützt auch kein Welpenfaktor.
Mr. Everett, Alex‘ Lehrer in den Naturwissenschaften, und Sara, Lettys beste Freundin, agieren glücklicherweise als Nebencharaktere wie gute Feen und zeigen, dass auch am Abgrund noch ein Licht am Tunnel Hoffnung schenkt, was in manchen Szenen wirklich goldwert war und die Stimmung wieder steigen ließ.

Wichtiger Pluspunkt der Autorin ist ihr federleichter Schreibstil, der trotzdem vollgepackt mit schönen Dialogen ist, die dem Ernst der Lage angepasst sind, aber auch Freude bereiten. Der angenehme Lesefluss hat mich mehrmals erstaunt und ein paar Kritikpunkte wieder aufgehoben.
Mein Highlight bei „Weil wir Flügel haben“ sind allerdings unbestritten Alex‘ Ausführungen zu den Federmosaiken seines Großvaters – Bilder aus Vogelfedern, die wie gemalt aussehen. Von dieser Form der Kunst hatte ich vorher noch nichts gehört und gebannt umgeblättert.
Das dramatische Finale ist dann für meinen Geschmack etwas zu gesellschaftskritisch, da hätte ich mir ein weicheres Ende für die Familie gewüscht nach den zahlreichen Höhen und Tiefen, aber wahrscheinlich macht genau dies Vanessa Diffenbaugh aus.

Bewertung vom 29.10.2014
Was wir auch tun
Lucas, Marie

Was wir auch tun


gut

Robin ist 16 Jahre alt und der wahr gewordene Traum vieler schlafloser Jungsnächte! In ihrem Innern fühlt sich die Halbwaisin aber trotzdem einsam und verlassen, denn ihre böswillige Stiefmutter hat ihre erste Jugendliebe Jasper geküsst, ihre Großeltern werden immer mehr von ihren Krankheiten geschwächt und ihr neuer Schwarm Alex lässt sie nicht an seinen Gefühlen teilhaben. In einer verzweifelten Eroberungsaktion erpresst der schöne Jasper seinen Konkurrenten und erschleicht sich somit eine letzte Nacht mit Robin, doch damit beginnt ein Alptraum ungeahnter Ausmaße.

Ich hätte gerne mehr über die Hooligan-Szene, in der Alex feststeckt, erfahren, birgt sie doch viel Gesprächsstoff, kann Angst schüren und wäre für einen Jugendroman ziemlich neu gewesen. Zumal das auf dem Klappentext groß angekündigte Geheimnis um seine Person wohl nur bei unreifen Charakteren ein Drama nach sich zieht und im Grunde vollkommen überspitzt wird. Offenheit ist für alle Beteiligten leider ein Fremdwort und so verselbstständigt sich ein dunkler Fleck aus der Vergangenheit zu einem schwarzen Unheil!

Hannes & Käfer, die beiden Jungs aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sich zufällig finden, sind mein heimliches „Lieblingspärchen“, da Robins Affinität zu ihren beiden Herzbuben doch zu sehr vom Äußeren geprägt ist. Nun sind Jugendliche zwar in dieser Hinsicht seit jeher stark davon vereinnahmt, aber so kam bei mir nicht das Gefühl auf, dass wir es hier mit dem Traumpaar schlechthin zu tun hätten. Alex war mir von den Dreien noch am sympathischsten, war er doch recht vielschichtig und zeigte unverfälschte Gefühle, während mir sowohl Jasper, als auch Robin zu wankelmütig waren. Sie sind allein schon durch ihr wohlbetuchtes Elternhaus etwas abgehoben, wobei Robin wenigstens durch den Umgang mit ihren Großeltern viele Pluspunkte sammeln konnte, welche sie dann aber wieder verspielte, indem sie zum Beispiel bei der kleinen Liebeskummer-Szene ihrer Freundin Steffi am liebsten peinlich berührt aus dem Café fliehen würde, weil sie angeblich nicht gerne auffällt, trägt dann jedoch am ersten Schultag grüne Hotpants und einen riesigen Strohhut, um eben genau eins zu tun: aufzufallen..

Den Schreibstil würde ich mit recht ungewöhnlich beschreiben, da hier viele kurze, zackige Sätze gewählt wurden und die Gegenwartsform noch mehr Holprigkeit beisteuert. Der Eindruck wird außerdem verstärkt, indem selten Absätze und nie Kapitelunterbrechungen eingeflochten wurden, sodass ich mir beim Lesen Zwangspausen auferlegte, um nicht im Wirbel der Buchstaben unterzugehen. Ein schöner Lesesog kam dadurch leider selten zustande und schlussendlich konnte die Autorin meinen Geschmack lediglich in Ansätzen treffen, deshalb vergebe ich nur gut gemeinte 3,5 Sterne.

Bewertung vom 05.10.2014
Seelenweh / Leitner & Grohmann Bd.3
Berwein, Saskia

Seelenweh / Leitner & Grohmann Bd.3


ausgezeichnet

Kommissarin Jennifer Leitner ist noch gar nicht richtig aus ihrem Urlaub zurück, als sich über dem sonst so beschaulichen Lemanshain erneut das Unheil zusammenzieht. Die grausam verstümmelte Leiche einer 17-jährigen Ausreißerin in einer abgelegenen Hütte stellt die Ermittler vor ein Rätsel, denn niemand scheint der Tod von Isabella zu wundern, geschweige denn zu kümmern. Sie galt als kleine „Hure“, die vermutlich von einem ihrer zahlreichen Freier ermordet wurde, doch Jennifer will den Mord an der jungen Frau nicht ungestraft lassen und gräbt tiefer. Als ein Kollege vom BKA plötzlich eine brutale Fährte zu einem Großstadt-Serienkiller knüpft, schrillen im Präsidium die Alarmglocken. Kommissarin Leitner, der eine große Portion Skepsis vor dem BKA zu eigen ist, hält weiterhin die Augen offen und wird ungewollt mitten hineingezogen. Ist sie dieses Mal mit ihren gefährlichen Alleingängen zu weit gegangen?

Durch die beiden megaspannenden Vorgänger „Todeszeichen“ und „Herzenskälte“ waren die Erwartungen an den mittlerweile dritten Teil der Leitner & Grohmann Reihe natürlich riesig.
Saskia Berwein hat diese auch mit „Seelenweh“ vollkommen erfüllt, denn schon der Prolog war wieder ein Appetithappen erster Güte und tropfte (wie auch der gesamte Thriller) vor menschlichen Abgründen.
Zum Ausgleich wartete die Autorin mit einer weicheren, persönlicheren Seite der Protagonistin auf, was mir sehr gut gefiel, zeigt es doch nur, dass hinter der harten Ermittlerin auch eine Frau mit Gefühlen steht und wir noch mehr mit ihr mitfiebern können. Zudem offenbart sich uns auch ein klareres Bild davon, warum sich Jennifer noch immer krampfhaft gegen ein wenig mehr Nähe zu ihrem Kollegen, Staatsanwalt Grohmann, wehrt, was sicherlich einige weibliche Fans schier zur Leseverzweiflung bringt.
Das Objekt der kollegialen Schwärmerei wiederum hat im aktuellen Buch wenig zu lachen und kaum Zeit für Grübeleien, denn seine neue Vorgesetzte, Oberstaatsanwältin Ricarda Anstett, hält ihn ordentlich auf Trab und krempelt als Drill Instructor alte Erfolgsstrategien neu um. Sie belebt mit ihrer herrischen Art erfolgreich das Geschehen und obwohl wir Leser uns vermutlich alle wünschen, dass sie mit ihrer Hochnäsigkeit gehörig auf eben jene gepuderte Nase fällt, warten wir doch gespannt auf ihre nächsten bösen Schwingungen – speziell im Alphaweibchenzoff mit Jennifer, die sich aber glücklicherweise nicht unterbuttern lässt.

Berweins lockerer Schreibstil ist so luftig wie Luftschokolade und zergeht zwar nicht auf der Zunge, dafür aber definitiv vor dem Auge. Zum großen Finale fallen die losen Stücke dann alle zusammen zu einer perfekten Tafel. Was wie ein kranker Auswuchs der Phantasie in Form einer Kirchenbeichte begann, und das Wort „krank“ wird wohl dem ein oder anderen beim Schmökern in den Sinn kommen, endet mit Fassungslosigkeit über die vermeintliche Liebe einer Mutter, die jedoch aus Egoismus, Angst und Abgestumpftheit ein Monster erschuf.

Kurzum verlasse ich Lemanshain nach der letzten Seite wieder nur ungern für eine zwölfmonatige Wartezeit auf den Nachfolger, der erfreulicherweise schon bestätigt wurde.