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gabiliest
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Wien

Bewertungen

Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2024
Das Herz ist niemals blind
Wöss, Lotte R.

Das Herz ist niemals blind


sehr gut

Im fünften Band ihrer Romanreihe “Ein Schluck Liebe” führt uns die bekannte Romanautorin Lotte A. Wöss (u.a. “Die Frau auf Sylt”, “Kaltblütige Abrechnung”) wieder zu Familie Schluck, Apfelbauern im Alten Land. Das fröhlich und stimmungsvoll gestaltete Cover, das perfekt zu den Vorgängerromanen dieser Serie passt und einen hohen Wiedererkennungswert hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dahinter ein einfühlsamer und lebensnaher Roman verbirgt, der sich nicht scheut, Probleme anzusprechen.

Lilly, die Tochter von Wolfgang uns Stephanie Schluck, ist bis über beide Ohren in Albert verliebt. Sie hat die Schule mit einem sehr guten Abitur abgeschlossen, weiß aber nicht, was sie weiter mit ihrem Leben anfangen soll. So hat sie sich entschlossen ein soziales Jahr in einem Altenheim zu machen. Denn dort verkehrt auch Albert, ihr großer Schwarm, der regelmäßig seine demente Mutter besucht.

Obwohl Lilly lange nicht weiß, wie sie Albert näher kommen könnte, wird ihre Zuneigung von ihrer Umgebung nicht nur wohlwollend betrachtet. Denn Albert ist ein blinder Musiker. Zwar meistert er sein Leben mit Bravour, wohnt alleine, verdient sein Geld als Musiklehrer und kann sogar den Weg zum Pflegeheim seiner Mutter selbständig zurücklegen. Allerdings kann sich Albert den Grund für seine Besuche selbst nicht ausreichend erklären, denn er hat nicht nur damit zu kämpfen, dass ihm das Augenlicht fehlt. Als Kind wurde er von seinem Vater wegen seiner Blindheit fast totgeschlagen, wobei die Mutter nicht eingegriffen hat.
Anders sieht die Situation seine Schwester Gundi, die nicht verstehen kann, wieso sich der Bruder um die Mutter kümmert. Sie selbst kann die Misshandlungen der Kindheit nicht verzeihen und leidet darunter, Albert nicht ausreichend geholfen zu haben.

Aber auch Gundi hat Probleme. Sie kann nicht schwanger werden und der Kindeswunsch wird beinahe zur Obsession, die auch ihre Beziehung gefährdet. Anfangs steht sie auch Lilly ablehnend gegenüber, da sie diese für unreif hält.

Wer dieses Buch aufschlägt und die früheren Romane dieser Serie nicht kennt, wird möglicherweise Probleme haben, sich in den komplizierten Familienverhältnissen zurecht zu finden. Ein Glossar am Anfang des Buches ist hier hilfreich. Denn wir werden auch mit Ereignissen konfrontiert, die in der Vergangenheit liegen und Sybille betreffen, eine Tante von Lilly. Sie sucht nach ihrem Vater, doch als sie erkennt, wessen Kind sie ist, ist sie schwer getroffen. Vielleicht wäre es besser gewesen, dieses Familiengeheimnis nicht zu lüften.

Lotte A. Wöss hat mit “Das Herz ist niemals blind” eine warmherzige und bewegende Familiengeschichte geschrieben, die uns auf sehr sensible Weise auch mit der Wahrnehmung blinder Menschen vertraut macht. Umso bewundernswerter ist Albert, der nicht nur sein Leben auf selbständige Weise meistert, sondern auch zeigt, dass man mit schweren Schicksalsschlägen umgehen kann, ohne zu verbittern. Und dass man verzeihen kann, ohne vergessen zu müssen. Auch als er seine Arbeit in der Musikschule verliert, verzweifelt er nicht, sondern sucht sofort nach Alternativen. Lilly, die ihn auf einer Reise zu einem Vorstellungsgespräch nach England begleitet, hat viele Prüfungen zu bestehen, bevor ihr Albert seine Liebe gesteht. Und auch mit Gundi kommt es zu einer Versöhnung.

In diesem in klarer und emphatischer Sprache geschriebenem Buch stellt uns die Autorin in lebendigen Dialogen sympathische Figuren vor, wie sie auch im wirklichen Leben vorkommen. Durch immer neue Wendungen bleibt die Spannung erhalten und der Lesende ist beeindruckt von der tiefgründigen Analyse der Familienprobleme. “Das Herz ist niemals blind” ist ein schön zu lesendes Buch, das die Lesenden, die die Vorgeschichte nicht kennen, nur manchmal durch die Komplexität der familiären Verbindungen etwas überfordert. Dennoch eine klare Leseempfehlung von mir, denn die Autorin ermöglicht es uns, einen Blick in den Kosmos von blinden und sehbehinderten Menschen zu tun, ihre Schwierigkeiten in der Welt der Sehenden zu begreifen und zu erkennen, dass man nur mit dem Herzen gut sieht.

Bewertung vom 27.08.2024
It's me oder Wie mein Leben plötzlich glitzerte
Andeck, Mara

It's me oder Wie mein Leben plötzlich glitzerte


ausgezeichnet

In ihrem einfühlsamen und witzigen Tagebuchroman “It`s me oder Wie mein Leben plötzlich glitzerte” beschreibt die erfolgreiche Kinder- und Jugendbuchautorin Mara Andeck liebevoll die Probleme, denen sich Heranwachsende stellen müssen.

Bei Gwinny, fast vierzehn ,läuft es im Leben nicht ganz rund. Ihre Eltern haben sich getrennt, die heißgeliebte Schwester Evi sieht sie nur jede zweite Woche und sogar Freundin Leo ist krank. Aber da trifft sie eine Fee- nein, einen süßen Jungen, der behauptet, er könne wie eine Fee drei Wünsche erfüllen, wenn Gwinny sieben Aufgaben löst. Die erhält sie auf abenteuerliche Weise immer auf kleinen Zettelchen. Erst ist Gwinny skeptisch, aber ein Versuch schadet nichts.

Und so lernt Gwinny im Lauf der Zeit viel über sich und das Leben. Sie erkennt, dass man Dinge stets von zwei Seiten betrachten kann, Angst überwindbar ist und Herausforderungen gemeistert werden können. Ganz nebenbei glitzert es in ihrer Welt immer mehr, wenn sie an den geheimnisvollen Jungen, Noam, denkt. Durch die Bewältigung seiner Aufgaben gewinnt sie Selbstbewusstsein, kann auch ihren Eltern gegenüber zu ihren Wünschen und Bedürfnissen stehen und zeigt den lästigen Jungs in der Schule, dass Schluss ist mit dummen Gerede.

Das erzählt Gwinny, die sympathisch und offen vom freundlichen Cover des Buches auf die Lesenden blickt, ihrem Tagebuch. Manchmal schreibt sie es wie ein Drehbuch, manchmal schattet sie mit Freundin Leo. Aber ihr Herz hat sie schon lange an den wunderbaren Noam verloren. Bei Aufgabe sieben muss sie all ihren Mut zusammennehmen, um Noam näherzukommen. Schafft Gwinny das?

Selten wurden in einem Buch die Gefühle von Teenagern besser, humorvoller und doch voller Leichtigkeit beschrieben. Leo und Gwinny muss man einfach gern haben und freut sich, welch positive Entwicklung sie durch die gestellten Herausforderungen nimmt. Die phantasievollen Illustrationen lockern die Geschichte wunderbar auf. Die zarte Liebesgeschichte zwischen Gwinny und Noam rundet dieses Buch gelungen ab und sorgt für ein Happy End. Ein tolles Buch für junge Leserinnen ab 11 Jahren!

Bewertung vom 09.08.2024
Idefix und die Unbeugsamen - Der große Taubenschlag
Uderzo, Albert;Goscinny, René

Idefix und die Unbeugsamen - Der große Taubenschlag


ausgezeichnet

Auf dem lustigen, bunten Buchcover finden sich die bekannten und von den Kindern geliebten Hunde Dertutnix, Turbine und Idefix. Im Hintergrund abgebildet ist der Taubenschlag, und der ist wirklich hoch. Das hat Idefix bisher gar nicht so beachtet, aber jetzt gilt die Rettungsaktion zwei Tauben, Arbeitsbine und ihrer Tochter Hermine. Sie sind eingeschlossen, die Statue des römischen Adlers blockiert den Eingang zu ihrem Nest.

Nur Idefix und die Unbeugsamen können helfen. Und wirklich, eine schwierige Aufgabe, denn Idefix ist nicht schwindelfrei, aber der unerschrockene kleine Hund kann auf einmal fliegen. Juchuu! Und das braucht er auch, denn die römischen Hundesoldaten und Zerberus sind ihm auf den Fersen. Nur ein Trick kann helfen, die schwere Statue hinunter zu stürzen. Was hat sich Idefix da noch mal ausgedacht?

Wieder ist es der kleine (“ich bin nicht klein”) Idefix, der sich tapfer und listig seinen römischen Hundegegnern stellt. Bei dieser schwierigen Aufgabe ist er natürlich nicht allein: Dertutnix und Turbine sind im Rettungskommando, Uhu Weissnix braut einen seltsamen Zaubertrank und auch Astmatix, die alte Taube, hilft. Denn die Freunde werden an die Römer verraten und die Gegner sind mächtig. Aber zusammen sind die Unbeugsamen nicht zu besiegen.

Hier helfen Freundschaft und Zusammenhalt, natürlich auch Klugheit und Mut, eine schwierige Situation zu meistern. Dieses mit farbenfrohen und fröhlichen Illustrationen ausgestattete Erstlesebuch zur TV-Serie sorgt für einen tollen Leseeinstieg und verdient eine klare Leseempfehlung. Also fünf Sterne!

Bewertung vom 05.08.2024
A Beautiful Flaw
Radtke, Ria

A Beautiful Flaw


ausgezeichnet

In ihrem Roman “A Beautiful Flaw” erzählt die Autorin Ria Radtke über Schönheit und Ruhm, sowie über die Liebe, die hinter die glitzernde Fassade blickt. Das zum Thema passende, stilvolle Cover in dunkelgrün und silber lädt die Lesenden ein, an den Schicksalen der liebevoll gezeichneten Figuren teilzunehmen.

Vic, die auf TikTok erfolgreiche Make-up-Tutorials gibt, aber nie ihr Gesicht vor einer Kamera zeigen würde, hat gerade ihre geliebte Großmutter verloren, die sie jahrelang gepflegt hat. Beim Begräbnis fehlt Sam, ihre Zwillingsschwester. Während Vic in einer Mall arbeitet und Kundinnen schminkt ist Sam der weibliche Star der Regency-Serie Silver Lines, die auf Netflix laufen soll. Doch zwischen den Schwestern steht ihre Vergangenheit.

Als Vic ihren Job verliert, erhält sie ein überraschendes Angebot: Sie soll bei Silver Lines in der Maske mitarbeiten und dabei die Produkte einer Kosmetikfirma bewerben. Nach anfänglichem Zögern nimmt Vic das Angebot an. Doch die Crew nimmt sie kühl und abweisend auf, nur der Hauptdarsteller er Serie, Lex, ist nett zu ihr. Vic ist verunsichert, aber fühlt sich zu Lex hingezogen. Was sie nicht weiß und ihr Lex als sie sich näher kommen, verschweigt: Er hatte vor längerer Zeit eine Beziehung mit Sam.

Auch Sam sieht die Anwesenheit von Vic kritisch, denn sie hat der Crew Lügen über ihre Schwester erzählt. Die Affaire mit Lex hat sie noch nicht überwunden, ist einsam und verzweifelt. Was folgt, ist der Griff zur Flasche.

Lex kämpft ebenso hinter der glamourösen Fassade der Filmwelt mit Problemen. Wer ist er wirklich? Denn Lex ist adoptiert.

Als Sam betrunken einen Autounfall verursacht, ändert sich die Situation aller Beteiligten….

Mit “A Beautiful Flaw” hat Ria Radtke einen sehr einfühlsamen Roman über den Glanz von Schönheit und Ruhm geschrieben, der oft die wirklich wichtigen Dinge im Leben überdeckt. Die Figuren erzählen ihre Geschichte jeweils in Ich- Form, so dass der Lesende sich persönlich angesprochen fühlt und die Protagonisten direkt mit all ihren Unsicherheiten, Zweifeln und Ängsten kennen lernt.

Hier werden die Themen Body Shaming und Mental Health direkt angesprochen. Besonders die wichtige Botschaft “Du bist schön, so wie du bist und schuldest es niemandem, zu gefallen” legt dieses Buch allen Lesenden ans Herz. Obwohl der Roman das Leben junger Erwachsener beschreibt, greift es alters- und zeitlose Probleme auf. Eine nachdenklich machende Lektüre, die darauf hinweist, was im Leben wirklich zählt.

Bewertung vom 05.08.2024
Die große Weltreise durch den Zoo
Schoenwald, Sophie

Die große Weltreise durch den Zoo


ausgezeichnet

Dieses Buch ist bereits der sechste Band über die lustigen Zootiere, und das bunte und heitere Cover zeigt alle Zoobewohner in tollen Verkleidungen. Nicht nur Kinder werden hier neugierig, sondern auch Eltern und Großeltern werden gerne nach diesem Buch greifen.

Denn morgen bleibt der Zoo geschlossen und die Tiere wollen verreisen. Jeder möchte etwas anderes: Gisela Giraffe nach Paris und zur Modeschau, Kamele und Erdmännchen in den Schnee und das Chamäleon ins Museum… Wie geht eine Weltreise an einem Tag? Kein Problem für Ignaz Igel! Durch seinen Erfindergeist bekommt jeder, was er sich gewünscht hat, denn alle Tiere machen mit. Durch landestypische Verkleidungen und die Verwandlung der Zoogehege in die gewünschten Reiseziele, wobei der Phantasie, die durch die gelungenen Bilder unterstützt wird, keine Grenzen gesetzt sind. Auch die Vorlesenden finden immer wieder Anlass zu schmunzeln, wenn z.B. von den Zebras dargestellte Gemälde des blauen Reiters, von Vermeer und sogar die Mona Lisa im “Museum” auftauchen.

So vermittelt das Buch den Kindern, dass es auch möglich ist, schwierige Probleme mit Phantasie und Köpfchen erfolgreich zu meistern, wenn alle zusammen helfen. Hier kann und soll das Buch die Möglichkeit bieten, über Zusammenhalt und Freundschaft mit dem Kind zu sprechen.

Der kindgerechte Text macht kleinen Lesern ab vier Jahren Freude und regt vielleicht dazu an, die Reiseziele der Tiere auf einer Landkarte oder dem Globus zu suchen. Die bunten, fröhlichen und phantasievollen Illustrationen machen das Lesen dieses Buches zum Vergnügen und die Kinder werden dieses bezaubernde Buch mit seiner tollen Geschichte nicht oft genug anschauen und immer wieder hören wollen. Als besonders nette Zugabe gibt es hinten im Buch eine Postkarte, die das Kind an Freunde verschicken kann.

Bewertung vom 01.08.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


sehr gut

In ihrem Roman “Seinetwegen” arbeitet die Autorin Zora del Buono ihre eigene Familiengeschichte auf. Aber nicht nur das- spotlightartig werden immer wieder Fakten aus den Jahren ab 1960 eingeschoben, oft zum eigentlichen Thema des Buches passend, manchmal aber auch ohne Zusammenhang. Daher irritiert das anfänglich, denn man sucht hier nach dem der Bedeutung für den Fortgang der Geschichte.

Der Vater der Autorin, ein angesehener, junger Arzt, kam bei einem Autounfall vor sechzig Jahren schuldlos ums Leben. Wie die Autorin schreibt: Ein wertvoller Mensch, dessen Tod keinen Sinn ergibt. Der Verursacher des Unfalls wird von ihr völlig anders beurteilt: Erst kurz den Führerschein, fuhr trotzdem schon mehrere Autos und hatte bereits mehrere Unfalle. Trotz dieser Tatsachen wird er vom Gericht nur zu 200 Franken Strafe und bedingter Haft verurteilt. Damals war die Autorin erst acht Monate alt.

Über ihre Kindheit und Jugend erfährt der Lesende nicht viel, speziell nicht über das Verhältnis von Mutter und Tochter. Beide haben nie über den Tod des Vaters gesprochen und so bleibt, wie sich zeigen wird, vieles ungesagt. Nunmehr ist die Mutter dement und in einem Pflegeheim, die Chance einer Aufarbeitung vertan.

Als die Autorin ihre Nachforschungen zum Unfallverlauf beginnt, wird sie von den Schweizer Behörden arrogant und unhöflich abgewiesen. Sie fährt an den Ort des Geschehens und erst durch Gespräche mit Menschen, die E. T., den Todeslenker, gekannt haben und die Nachforschungen eines Archivars erfährt sie, dass dieser lebenslang an seiner Schuld gelitten hat, lange Zeit für die Unfallfolgen bezahlt hat und Kontakt mit ihrer Mutter hatte. Auch hat er ihren Vater im Spital besucht, wo dieser im Koma lag und die Mutter die schwierige Entscheidung getroffen hat, die lebenserhaltenden Maschinen abzuschalten. Aus dem “Töter”, wie ihn die Autorin bezeichnet, wird langsam das Bild eines Menschen und seines Schicksals.

Die Einschübe im Buch befassen sich häufig mit Autos und allgemein mit dem Unfallgeschehen. Hier hat die Autorin sorgfältig recherchiert und wir erfahren Fakten. Ebenso sind die Stellung der Frau, ihr Missbrauch im Verlauf der Geschichte und furchtbare weibliche Schicksale immer wieder Thema. Auch die Verfolgung Homosexueller bekommt in diesen Abschnitten Raum. Die Autorin schildert in einer klaren, präzisen und sachlichen, ja distanzierten Sprache die Geschehnisse, sie wie durch ein Brennglas betrachtend und den Lesenden überlassend, ob sich daran Ekel, Abscheu oder auch Mitleid entzündet.

Das gut zum Thema passende Cover, ein Mann auf eine gewundene Straße blickend, lässt Raum für Interpretation, ob hier Vater oder Unfalllenker dargestellt sind. Wer immer, er blickt wohl auf den Weg, den sein Schicksal genommen hat.

Der Roman “Seinetwegen” ist bereits das zweite Buch von Zora del Buono, in dem sie ihre Familiengeschichte aufarbeitet. Neben ihren Romanen “Die Marschallin”, “Gotthard” und “Hinter Büschen an eine Hauswand gelehnt” hat sie eine Kulturzeitschrift gegründet und als Architektin und Bauleiterin gearbeitet.

Das vorliegende Buch der Autorin ist ein vielschichtiges Werk, in dem Persönliches mit (Zeit)geschichtlichem verwoben wird. Immer wieder stellt sich die Frage nach Schuld und Sühne und der Lesende, der sich auf die Welt von Zora del Buono einlässt, wird nachdenklich zurückbleiben, seine Meinung über das Buch vielleicht erst im zweiten Anlauf bilden, aber dankbar sein, dass ihn die Autorin in ihr Leben gelassen hat und an ihren Gedanken teilnehmen ließ.

Bewertung vom 15.07.2024
Die Kraft der Bücher / Die Glücksfrauen Bd.2
Claire, Anna

Die Kraft der Bücher / Die Glücksfrauen Bd.2


sehr gut

Der Roman erzählt einerseits die Geschichte von Maria Kirschbaum und ihrer Familie- beginnend in Berlin 1936; auf einer zweiten Zeitebene betreibt ihre Enkelin Sandra in Rio de Janeiro im Jahr 2023 einen Buchladen.

Maria erkennt bereits im Jahr 1936, dass Juden in Deutschland immer stärkeren Repressalien ausgesetzt sind und möchte nach Amerika emigrieren, schon um der Sicherheit ihrer beiden Kinder Noah und Tabea wegen. Ihr Mann Jakob, der eine Buchhandlung führt, spricht sich so lange dagegen aus, bis eine sichere Flucht nicht mehr möglich und die Familie gezwungen ist, unter widrigsten Umständen durch halb Europa zu fliehen, um endlich und mit gefälschten Papieren ein Schiff nach Brasilien zu besteigen. Während ihrer Flucht besteht Maria darauf, drei ihrer Lieblingsbücher mitzunehmen, die ihr Halt, Hoffnung und Heimat geben sollen. Werden diese Bücher noch bedeutsam im weiteren Schicksal der Familie Kirschbaum sein? Wird der Familie die Flucht gelingen und kann sich Maria ihren Traum erfüllen, auch in Brasilien eine Buchhandlung zu eröffnen?

2023 erhält Sandra eine Nachricht von June, der Enkelin von Luise, die während der dreissiger Jahre mit Maria und einer Anni Graf befreundet war. Luise war rechtzeitig nach Amerika emigriert und betrieb dort ein Restaurant, bei dem Anni und Maria beteiligt waren. Doch der Kontakt zu Luise war abgebrochen- der Grund dafür ist schwerwiegend, doch bleibt weiterhin ein Geheimnis.
Nun ist Luise verstorben und June soll die Nachkommen der Freundinnen von Luise suchen, die anteilig erben sollen. Jetzt gilt die Suche Anni Graf oder ihren Nachkommen.

Da Sandras Buchhandlung schlecht läuft- Sandra ist eher chaotisch, lebenslustig und träumt davon zu reisen- schlägt sie June vor, die Fluchtroute Marias anhand ihres Fluchttagebuches nachzureisen, um eine Spur von Anni zu finden. Obwohl June eine sehr organisierte Journalistin ist, lässt sie sich ohne zu zögern auf das Abendteuer ein. Unterwegs erfahren die Freundinnen nicht nur mehr über die gefährlichen Wege und nicht enden wollenden Schwierigkeiten, die Maria und ihre Familie überwinden mussten. Sandra erkennt auch, was sie am Erbe ihrer Großmutter hat. Wird es ihr- zurück in Rio de Janeiro- gelingen, ihre Buchhandlung zu retten? Und haben Sandra und June tatsächlich eine Spur von Anni Graf gefunden und etwas über ihren Aufenthaltsort erfahren?

Die Protagonisten des Buches sind sehr markant gezeichnet. Einerseits Maria, die bewundernswert niemals die Hoffnung verliert und alles versucht, das Leben ihrer Familie zu retten und es selbst in schlimmsten Situationen erträglich zu machen. Auch wenn den Gräueltaten des Nationalsozialismus im Buch kein breiter Raum gegeben wird, erkannt man, dass ihr Mann Jakob durch die Strapazen der Flucht gebrochen ist und sein Selbstbewusstsein- und wie er selbst sagt- auch seine Würde verloren hat.

Interessant ist die Entwicklung Sandras von der leichtlebigen, etwas kindlich naiven und bindungsängstlichen Person in eine verantwortungsbewusste Frau, die erst durch die Reise erkennt, was sie ihrer Großmutter verdankt und nunmehr alles versucht, ihrem Vermächtnis gerecht zu werden. Auch June erkennt, welche Strapazen jüdische Auswanderer auf sich nehmen mussten und ist fest entschlossen, mit Sandra weiter nach Anni zu suchen. Eingewoben in die Geschichte ist eine sanfte Love-Story, bei der man den beiden Frauen ein Happy- End gönnen möchte.

Der Roman “Die Glücksfrauen- Die Kraft der Bücher von Anna Claire ist der zweite Teil einer Romantrilogie, die dem Schicksal von Emigranten nachspürt. Marias bewegende Geschichte lässt den Lesenden tief betroffen zurück in dem Bewusstsein, nicht einmal im Ansatz die Angst, die Not, den Hunger und die Demütigungen nachempfinden zu können, die man jüdischen Menschen und anderen im Nationalsozialismus Verfolgten angetan hat. Dieses Buch muss man lesen- gegen das Vergessen und um sich selbst wieder und wieder klar zu machen, wie dankbar man sein muss für “die Gnade der späten Geburt”.