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Buecherbriefe

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Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 11.11.2022
Die Gartenparty
Mansfield, Katherine

Die Gartenparty


ausgezeichnet

Mit Die Gartenparty legt der Manesse-Verlag eine Sammlung der hierzulande immer noch unterschätzten Schriftstellerin Katherine Mansfield vor. Vielen gilt sie als die Meisterin der Kurzgeschichte – doch ist dies wirklich der Fall?

Slice of Life

Den Inhalt der 27 in diesem Band versammelten Geschichten wiederzugeben, ohne die Pointen der Geschichten vorwegzunehmen, stellt sich dabei als eine nicht zu bewältigende Aufgabe heraus. Den Ausgangspunkt von Mansfield Erzählungen bilden nämlich beinahe schon banale Alltagssituationen wie die Vorbereitung zu einer Party, Spaziergänge im Freien oder auch das einfache Gespräch. Ihren Reiz erfahren diese Schilderungen erst durch die präzisen Beobachtungen und Wahrnehmungen ihrer Figuren und oft ist es nur ein beiläufig daher geworfener Satz, der die ganze Geschichte nachhaltig verändert.

Die Geschichten im Einzelnen vorzustellen würde daher damit verbunden sein, wesentliche Schlüsselszenen ihrer Beobachtungen vorwegzunehmen und damit das Lesevergnügen erheblich zu schmälern. Aus diesem Grund verzichte ich an dieser Stelle auf allzu viele Details und hoffe euch Mansfield auf einer etwas abstrakteren Ebene näher bringen zu können.

Meisterin des Augenblicks

Ungeachtet ihres kurzen Lebens gilt sie vielen als Meisterin der Kurzgeschichte (ein zugegebenermaßen inflationär gebrauchter Begriff…). Doch was macht ihre Geschichten so besonders?
Wie schon bereits weiter oben beschrieben, handelt es sich bei ihren Geschichten in bester Slice of Life-Tradition um episodenhafte Erzählungen aus dem Alltag der oberen Gesellschaftsschichten. Rein zeitlich lässt sich dabei keine genaue Grenze festlegen, manchmal decken ihre Geschichten wenige Minuten, manchmal wiederum mehrere Tage ab.

Rein äußerlich geschieht in den meisten Fällen auch nichts Aufregendes, der Anblick eines aufgebahrten Leichnams darf dabei schon als spannungsgeladener Höhepunkt des gesamten Bandes bezeichnet werden und vor wirklich existentiellen Problemen stehen ihre Figuren nicht.

Viel wichtiger als diese äußerliche Komponente ist dabei die innere Perspektive: Mansfield gelingt es mit nur wenigen sprachlich ausgefeilten und treffenden Sätzen feinfühlige Portraits ihrer zumeist weiblichen Figuren zu zeichnen, die sich in einem Spannungsfeld zwischen sozialen Erwartungen und eigenen Gefühlen befinden.

Auf Fragen zu Themen wie Emanzipation und Glück versuchen sie ihre eigenen Antworten zu finden und müssen mit den Konsequenzen ihres Handelns zurechtkommen. Mansfield gelingt es dabei, die ganze Komplexität der oben aufgeworfenen Fragestellungen in wenigen Sätzen zu treffen und im richtigen Moment auszudrücken. Es ist faszinierend, wie wenige beinahe schon beiläufig daher geworfene Sätze die Kraft haben, eine ganze Geschichte nachhaltig zu verändern und im Nachhinein etwa aus einem Abend unter Freunden eine Studie zum Zustand einer Ehe machen.

Was bleibt?

Ich persönlich bin dankbar für das Klassikerinnen Jahr des Manesse Verlages, bin ich doch so auf Schriftstellerinnen gestoßen, die sonst tendenziell an mir vorbeigegangen wären. Zum Abschluss dieses Jahres stellt Die Gartenparty von Katherine Mansfield dabei noch einmal ein echtes Highlight dar: Inhaltlich erinnert sie an Cechov, stilistisch mehr an eine Virginia Woolf. Katherine Mansfield schafft es damit, das Beste aus beiden Welten miteinander zu verbinden und dennoch ihre persönliche Note nicht zu verlieren. Eine klare Leseempfehlung für Freunde sprachlich ausgefeilter Kurzgeschichten!

Fazit

Mit Die Gartenparty liegt ein ruhiger Erzählband vor, der durch sprachliche Brillanz und inhaltliche Brisanz begeistern kann. Für Freunde von Woolf und Cechov uneingeschränkt zu empfehlen!

Bewertung vom 30.10.2022
Die Scherben der Erde Bd.1
Tchaikovsky, Adrian

Die Scherben der Erde Bd.1


ausgezeichnet

Mit Die Scherben der Erde liegt der erste Band der Architekten-Trilogie des bekannten britischen Autors Adrian Tchaikovsky vor.

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Menschheit im Weltall ausgebreitet, bis eines Tages die Architekten auftauchen: Mondgroße (Lebe)Wesen, die einem nicht nachvollziehbaren ästhetischem Empfinden folgend ganze Planeten zu Skulpturen umformen und dabei jegliches Leben zerstören.
Die Menschheit kann ihnen nichts entgegensetzen, weder konventionelle Waffen noch hochgezüchtete Kriegerklone scheinen ihnen etwas anhaben zu können. Es beginnen jahrzehntelange Flüchtlingswellen, die erst ihr Ende finden, als es dem Intermediär Idris, einem parapsychologisch begabten Menschen, gelingt, Kontakt mit einem Architekten aufzunehmen und ihm die Existenz der Menschheit bewusst zu machen.
Der Architekt verschwindet daraufhin tatsächlich und Jahrzehnte des Friedens brechen an. Der gefeierte Kriegsheld Idris sucht unterdessen die Abgeschiedenheit und verdingt sich als Schrottsammler am äußersten Rande des Universums. Bis er eines Tages bei einer Mission Anzeichen dafür entdeckt, dass die Architekten zurückgekehrt sind…

Auf den ersten Blick scheinen sich dabei meine Befürchtungen bestätigt zu haben. Von Anfang an wird der Leser mit Begriffen bombardiert, die allenfalls Genre-Lesern geläufig sind. Wir begegnen einer Vielzahl an außerirdischen Rassen, zahlreichen Planeten, unzähligen politischen Gruppierungen und werden mit unterschiedlichsten Technologien konfrontiert, die allenfalls in einem Nebensatz erklärt werden.

Auch inhaltlich scheint der Roman überfrachtet zu sein. Das bestimmende Motiv Tchaikovskys ist die Schilderung einer Welt, deren Bewohner ihren gemeinsamen Mittelpunkt verloren haben und in ihrem verzweifelten Streben nach Halt immer weiter auseinanderdriften. Mehrere politische Bewegungen versuchen dabei die Vorherrschaft zu erlangen, seien es nun Nachfolger der Erde, eine menschlich-identitären Bewegung oder die muschelartigen und gottähnlichen Essiel, die einen Schutz vor den Architekten zu bieten scheinen.
In unterschiedlichen Ausprägungen behandelt der Autor zudem noch weitere zeitgemäße Themen wie Rassismus, Nationalismus, Inklusion, Diaspora oder Flüchtlingsbewegungen. Für den Unterhaltungsfaktor ist dabei sicherlich hilfreich, dass er den Roman nicht als Plattform für seine eigenen politischen Ansichten nutzt, sondern diese Aspekte stimmungsvoll in seine Welt integriert.
Aus meinen bisherigen Ausführungen könnte man nun leicht den Schluss ziehen, dass der Roman einfach nicht genug Platz bietet, um all dem gerecht zu werden. Um der Informationsflut entgegenzuwirken, bedient sich der Autor daher verschiedenster Werkzeuge.

Hervorzuheben wäre dabei sein Hang zu Action-Szenen – der ganze Roman ist gespickt mit Kampfszenen, die aufgrund der unterschiedlichen Szenarien tatsächlich Abwechslung bieten. Tchaikovsky gelingt es dabei, die spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Umgebung mit einzubeziehen und zögert auch nicht, wichtige Figuren sterben zu lassen, sodass der Leser gar nicht erst auf die Idee kommt, diesen Abschnitten weniger Aufmerksamkeit zu widmen.

Ein weiteres wichtiges Element seiner Erzählung sind die zahlreichen und vielfältigen Protagonisten, die einem im Laufe der Handlung ans Herz wachsen. Liebevoll beschreibt und behandelt der Autor Menschen und Außerirdische mit all ihren inneren und äußeren Macken. So reichen bereits einige wenige seiner unterhaltsamen Dialoge aus, damit sie uns ans Herz wachsen. Gerade die Interaktionen der Crew der Geiergott lässt den ansonsten weiten Erzählwinkel von Tchaikovsky schrumpfen und erdet die ganze Handlung.

Ein weiter wichtiger Aspekt des Romans ist die Schilderung der Weltraumreisen. Die Menschheit kann sich im Weltraum nämlich nicht frei bewegen, sondern ist auf die Nutzung von Passagen angewiesen, die sich zwischen allen Planeten befinden. Außerhalb dieser Passagen liegt der sogenannte Unraum. Betreten normale Lebewesen diesen Unraum, so verlieren sie innerhalb kürzester Zeit den Verstand. Einzig die Intermediäre sind in der Lage, diesen Raum einigermaßen unbeschadet zu durchqueren und sind daher gefragte Piloten und Navigatoren.
Allerdings machen ihre parapsychischen Kräfte sie gleichzeitig auch zum einzigen Mittel der Menschheit gegen die Bedrohung der Architekten. Dabei kämpfen sie nicht im herkömmlichen Sinne – physische Gewalt kann den Architekten nichts anhaben – sondern versuchen vielmehr psychisch zu ihnen vorzudringen und Kontakt aufzunehmen. Die Schilderungen der Reisen durch den Unraum und die Kontaktaufnahmen mit den Architekten gehören dabei sicherlich zu den Highlights des Romans, liegen sie doch jenseits aller Konventionen.

Fazit:
Mit Die Scherben der Erde legt Adrian Tchaikovsky einen gelungenen Auftaktband hin, der trotz seiner Informationsflut durch ein spannendes Szenario und zahlreiche Action-Szenen begeistern kann. Sicherlich kein Meisterwerk, aber eine überaus unterhaltsame Lektüre!

Bewertung vom 03.09.2022
Ein Dämon auf Abwegen / Dämonen-Reihe Bd.3
Asprin, Robert

Ein Dämon auf Abwegen / Dämonen-Reihe Bd.3


sehr gut

Mit Ein Dämon auf Abwegen liegt der dritte Teil der humorvollen Dämonen-Reihe von Robert Asprin vor. Kann der Roman vierzig Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen immer noch unterhalten?

Im Mittelpunkt des Romans stehen dabei der Zauberlehrling Skeeve und sein Lehrmeister Aahz. Aahz, ein Dämon aus einer anderen Dimension, verlor in den vorherigen Bänden durch ein missglücktes Ritual seine magischen Kräfte und fühlt sich nun dazu berufen, Skeeve auszubilden und daneben finanziell von dessen Kräften zu profitieren.
Die Handlung beginnt damit, dass Skeeve von der befreundeten Dämonin Tanda dazu genötigt wird, ein Geburtstagsgeschenk für Aahz zu suchen. Sie durchstreifen mehrere Dimensionen und tatsächlich finden sie ein angemessenes Geschenk. Dabei geht natürlich so einiges schief: Während es Skeeve gelingt zu fliehen, wird Tanda gefangen genommen.
Um ihre Freundin zu befreien und vor allem um Aahzs Geburtstagsgeschenk zu sichern, ist unser Duo zu nicht weniger gezwungen, als bei dem größten Sportereignis aller bekannten Dimensionen den Sieg zu erringen. Folglich stellen sie eine schlagkräftige Truppe zusammen, bestehend unter anderem aus einem introvertierten Troll und einem verspielten Baby-Drachen…

Fantasy und Humor – das sind zwei Komponenten, die wunderbar zusammenpassen. Kaum ein anderes Genre ist so überschwemmt von Stereotypen wie die phantastische Literatur und bietet daher so viel Potential für Parodien. So gehört etwa die Heldenreise, innerhalb des Genres auch oft als Quest bezeichnet, so den Grundpfeilern vieler Werke. Robert Asprin hat schon früh diese Verbindung erkannt und in Ein Dämon auf Abwegen durch den Kakao gezogen.

Da wäre zum einen die altbekannte Konstellation eines Jünglings, der angetrieben durch einen weisen Mentor verschiedene Abenteuer erleben muss und dabei einen Reifeprozess durchläuft. Dumm nur, dass Skeeve kein Interesse daran hat die Welt zu retten oder einen mächtigen Erzfeind zu besiegen. Eigentlich möchte er nur ein Meisterdieb werden und magische Fähigkeiten sind dabei nachvollziehbarerweise ganz hilfreich. Und ach ja, der Ruhm, der einem Magier vorauseilt, den nimmt man als junger Mann auch gerne mit. Sein Mentor Aahz entspricht ebenfalls so gar nicht dem Klischee eines weisen und alten Mentors. Auch er verfolgt keine hehren Ziele – ein stetiger Geldfluss ist sowieso deutlich greifbarer und motivierender.

Bei den anderen Charakteren greift Asprin ebenfalls bekannte Stereotype auf und dreht sie in seinem Sinne auf den Kopf. Ob es nun um einen eigentlich introvertierten Troll geht, der in der Öffentlichkeit den stumpfen Menschenfresser spielt, Drachen, die eigentlich am liebsten herumtollen wollen oder um die Magier-Zunft, die scheinbar nur aus geldgierigen Stümpern besteht – kein Klischee ist vor Robert Asprin sicher. Dabei gestaltet er seine Charaktere so liebenswert, dass wir wirklich für alle Charaktere Sympathien aufbringen können, sei es nun für unsere „Helden“ oder auch für die vermeintlichen „Feinde“.

Die Geschichte spielt dabei in einem mittelalterlichen Setting, wird aber durch phantastische Elemente (Drachen, Dämonen etc.) ausgeschmückt. Interessant finde ich das Konzept des Reisens durch mehrere Dimensionen, dass den Leser in viele schräge und außergewöhnliche Welten wirft und noch viel Potential für die weiteren Romane verspricht. Beim Lesen habe ich mich ein Stück weit an die herausragende Serie Rick and Morty erinnert gefühlt, die sich wohl nicht unerheblich von der Roman-Reihe inspirieren lassen hat…

Auch oft übersehene Aspekte in der phantastischen Literatur – etwa das Geld oder das Essen – baut er so überzogen und gleichzeitig realistisch ein, dass man als Leser aus dem Lachen nicht mehr herauskommt – beispielsweise wenn ein Krieg verschoben wird, weil eine Woche einfach zu kurz ist um die passenden Merchandise Produkte herzustellen.

Daneben lebt die Geschichte vor allem von ihrer Situationskomik, vor allem in Gestalt von Skeeve und Aahz. Die beiden b

Bewertung vom 28.08.2022
O. Henry - Die besten Geschichten
Henry, O.

O. Henry - Die besten Geschichten


ausgezeichnet

O. Henry ist im englischsprachigen Raum als Meister der Kurzgeschichte bekannt, hierzulande ist er hingegen weitestgehend in Vergessenheit geraten. Kann die neu erschienene Sammlung Die besten Geschichten daran etwas ändern?

Die besten Erzählungen
Unsere Sammlung startet dabei mit der berühmten Weihnachtsgeschichte Die Gabe der Weisen (auch: Das Geschenk der Weisen). Die Geschichte dreht sich um ein junges Ehepaar, dass füreinander bereit ist, ihre kostbarsten Besitztümer aufzugeben und dürfte wohl sein bekanntestes Werk darstellen und auch vielen bekannt sein, die sie bislang nicht mit dem Namen O. Henry in Verbindung gebracht haben.
In Kleider, Sachen, Leute lernen wir Mr. Towers Chandler kennen. Der junge Mann aus der unteren Mittelschicht hat eine schrullige Angewohnheit: Monatelang spart er eisern sein Gehalt, um sich dann wenige Male im Jahr in Schale zu werfen und einen ausschweifenden Abend voller Luxus zu erleben. In Der Cop und der Choral pflegt der Bettler Soapy die Tradition, sich zur Weihnachtszeit verhaften zu lassen, um dem kalten Winter zu entgehen und in den Genuss einer Vollverpflegung zu gelangen. Doch egal welche Straftat er an diesen Abend auch begeht, immer scheint er davon zu kommen. Ist das ein Zeichen, sollte er sein Leben nicht überdenken?
In Schweineethik erfahren wir, wie ein Betrüger seinen Meister findet und was Beppo, das berühmte gebildete Schwein aus Europa damit zu tun hat. Ein Weihnachtsgeschenk von Frio Kid verbindet wieder einmal den Wilden Westen mit Weihnachten und zeigt, dass auch kaltblütige Mörder so etwas wie ein Herz haben können…

Doch was macht diesen Autor aus?
Da wäre zum einen die Tatsache, dass er als Schriftsteller der einfachen Leute galt. Henry schreibt zumeist über Menschen aus der Arbeiterklasse, die jeden Tag um ihr Überleben kämpfen müssen, und präsentiert uns Ausschnitte aus ihrem alltäglichen Leben. Damit steht er in einem krassen Gegensatz zu anderen Autoren dieser Zeit, die sich oftmals auf den Adel/die Oberschicht konzentriert haben und so gar kein Identifikationspotential für die breite Leserschaft bereithielten. Aber so sympathisch das auch wirken mag, gute Absichten alleine können seine Popularität nicht erklären.

Ein talentierter Geschichtenerzähler
Henry weiß einfach, wie man eine gute Geschichte erzählen muss. Mehr als nur einmal glaubt man als Leser, auf der richtigen Spur zu sein, nur damit der Autor uns am Ende eine völlig überraschende Wendung präsentiert, die die Geschehnisse in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt. Dass er dies in so wenigen Seiten schafft, ist umso erstaunlicher. Seine Erzählungen zeichnen sich dabei immer durch einen humorvollen, bisweilen sogar ironischen Erzählton aus, der den Geschichten trotz der teilweise bedrückenden Thematiken ein gewisses Maß an Leichtigkeit verleiht.

Die besten Geschichten versammelt dabei Geschichten aus den Jahren 1906-1911 und präsentiert uns damit einen Überblick über das vielfältige Werk des Autors. Oft handelt es sich um seine geliebten „New-Yorker“ Geschichten, manchmal verschlägt es uns in den Wilden Westen und auch Weihnachtsgeschichten nehmen einen nicht unerheblichen Teil des Bandes ein. Auch wenn ich sein restliches Werk nicht kenne, so kann ich den plakativen Titel „Die besten Geschichten“ durchaus nachvollziehen. Schon die Auswahl weiter oben ist es mir sehr schwergefallen. Keine einzige Geschichte hat mich enttäuscht, vielmehr haben mich alle auf ihre Weise begeistert – so etwas lässt sich nur sehr selten über eine Kurzgeschichtensammlung sagen.

Wenn man wirklich kleinlich sein möchte, dann könnte man bemängeln, dass Henry sich immer auf sicherem Boden bewegt. Er vermeidet nicht ohne Grund „Actionszenen“, denn wenn mal eine solche stattfindet, dann ist sie sicherlich alles, nur nicht spannend. Und so überraschend seine Geschichten auch ausgehen mögen, im Endeffekt bleibt es bei dem immer gleichen Muster. Allerdings ist es auch eine Qualität zu wissen, was man kann und wa

Bewertung vom 21.08.2022
Der zerstreute Zeitreisende
Pratchett, Terry

Der zerstreute Zeitreisende


sehr gut

Der zerstreute Zeitreisende versammelt achtzehn bislang unveröffentlichte Kurzgeschichten aus dem Frühwerk des berühmten phantastischen Schriftstellers Terry Pratchett. Doch können diese Geschichten mit seinen späteren Meisterwerken mithalten?

Der 2015 verstorbene Brite Terry Pratchett gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten phantastischen Autoren aller Zeiten und ist weit über die Genregrenzen hinaus bekannt. Dass es sich bei einem Prozent aller in Großbritannien verkauften Romane um einen Scheibenwelt-Roman handelt, dürfte verdeutlichen, wie populär seine Romane heute noch sind.
Die hier vorliegenden achtzehn Geschichten (wobei es sich um siebzehn deutsche Erstveröffentlichungen handeln soll) entstanden lange vor dieser Zeit, um genau zu sein war Pratchett siebzehn Jahre alt. Er stand noch am Anfang seines Schaffens und war als Lokalreporter für kleinere Zeitungen tätig, die seine Geschichten glücklicherweise veröffentlichten.

Die Geschichten sind inhaltlich zu heterogen und so kurz, dass eine Inhaltsangabe einfach keinen Sinn macht. Die meisten Geschichten spielen in der fiktiven (?) Kleinstadt Blackbury, die wohl so etwas wie eine idealisierte Version von Großbritannien darstellt. Wichtig ist dies allerdings nicht, da der Ort sowieso keine große Rolle spielt. Gemeinsam haben sie nur die sprudelnde Fantasie des Schriftstellers, der uns unter anderem von Zeitreisenden Höhlenmenschen, diverse Invasionen, die wahre erste Mondlandung oder auch von einem Computer, der eine Sinnkrise durchläuft, berichtet. Daneben dürfen wir auch dem Kampf der Wettergötter beiwohnen und erfahren endlich, wo Witze wirklich entstehen.

Dass Pratchett mit siebzehn Jahren noch nicht das Niveau seiner späteren Klassiker erreicht, sollte sich wohl von selbst verstehen. Ich möchte damit natürlich nicht sagen, dass Geschichten eines siebzehnjährigen Schriftstellers zwangsläufig schlecht sind, aber in den meisten Fällen schadet etwas Erfahrung nicht.
Von der Originalität seiner Scheibenwelt Romane ist Pratchett zu diesem Zeitpunkt noch ein gutes Stück entfernt. Die Ansätze sind zwar durchaus vorhanden, so entwirft Pratchett immer wieder interessante Szenarien, die dann allerdings ein Stück weit im Sande verlaufen. So haben wir es im Grunde genommen mit etwas ausgereifteren Skizzen zu tun, die jeweils nur kurze Momente aufgreifen und den (erwachsenen) Leser ein Stück weit unbefriedigt zurücklassen.

Sein Humor war allerdings bereits in jungen Jahren schon ausgeprägt und wir erkennen hier bereits viele Elemente wieder, die seine späteren Werke kennzeichnen. So bediente er sich damals schon zahlreicher Fußnoten und die Geschichten sind von einem leichten positiv-zynischen (wirklich!) Unterton durchzogen, der natürlich noch nicht die Tiefe und Ausmaße seiner reiferen Werke erreicht. Über seine Figuren lässt sich ähnliches sagen. Auch wenn Kurzgeschichten dieses Umfangs natürlich nicht den Raum bieten, um die Charaktere vollständig entfalten zu können, so spüren wir bereits hier die Leichtfüßigkeit und Schrulligkeit, die seine Figuren auch sonst auszeichnet.

Nicht vergessen darf man, dass sich die Geschichten vor allem an Kinder gerichtet haben und aus dieser Perspektive fallen wahrscheinlich einige Aspekte nicht so sehr ins Gewicht, wie es bei mir der Fall war. Auch wenn man keinen feinsinnigen Humor erwarten darf, überraschen seine Geschichten mit netten Ideen und bringen durchaus auch den erwachsenen Leser zum Schmunzeln.

Die ganze Buchgestaltung, die an ein Kinderbuch erinnert, deutet schon an, an wen sich das Buch richtet: die jüngere Leserschaft und mit Abstrichen auch eingefleischte Pratchett-Fans. Für einen Erwachsenen stellen diese Bücher keinen angemessenen Einstieg in Pratchetts Welt dar, da würde ich zu einem beliebigen Scheibenwelt Roman greifen. Jüngere Leser können hingegen mit diesem Band behutsam an die Werke dieses großartigen Schriftstellers herangeführt werden. Als eingefleischter Pratchett Fan kann man mit diesem Band ohn

Bewertung vom 29.07.2022
Der vergiftete Thron / Tumanbay Bd.2
Dryden, Walker

Der vergiftete Thron / Tumanbay Bd.2


gut

Mit Der vergiftete Thron erwartet uns der (vorläufige) Abschluss der Tumanbay-Saga.

Unsere Geschichte beginnt einige Wochen nach den Ereignissen des ersten Teils. Die Gefolgsleute von Maya haben die Kontrolle über den Thron von Tumanbay erlangt und lassen im wahrsten Sinne des Wortes keinen Stein auf dem anderen stehen. Wo vor nicht allzu langer Zeit verschiedenste Kulturen nebeneinander in Einklang lebten, herrscht nun Missgunst und Zwietracht.
Der Inquisitor Barakat hat unter dem Deckmantel der Religion ein Klima der Angst und des Misstrauens geschaffen. Seine Truppen patrouillieren pausenlos durch die Stadt und nehmen wahllos Verhaftungen vor, verschleppen Kinder und schaffen Kunst und Kultur aus der Stadt. Und während sich ein Großteil der Bevölkerung mit der Situation abfindet, regt sich im Untergrund Widerstand …

Schon beim ersten Teil habe ich die Abhängigkeit des Romans von der Podcast-Vorlage betont und nichts anderes gilt auch für diesen Band. Auch hier zeigt der Roman seine Stärken in den Dialogen und einer temporeichen Erzählweise und offenbart seine Schwächen insbesondere dann, wenn er sich die Vorlage nicht ohne Weiteres in Schriftform übertragen lässt, etwa wenn im Rahmen des Worldbuildings Hintergrundgeräusche und Musik fehlen.

Zu meiner Erleichterung besinnen sich die Autoren in diesem Band auf ihre Stärken und versuchen gar nicht erst, Worldbuilding in extensiven Umfang zu betreiben. Von Anfang an werden wir in das neue Tumanbay geworfen und erleben hautnah, was ein Leben unter Mayas Regime bedeutet. Die Stimmung ist von Verrat und Missgunst geprägt, nicht einmal in den eigenen Wänden ist man vor Verrätern sicher. Wie schon im ersten Band werden am laufenden Band Intrigen geschmiedet und die Handlung ist gespickt mit überraschenden Wendungen. Die Machtverhältnisse in der Stadt sind völlig auf den Kopf gestellt und wir erleben, wie sich die einst mächtigsten Männer der Stadt im neuen Tumanbay dem neuen Regime unterworfen haben und jeden Tag um ihr Leben fürchten müssen. War dies schon vorher nicht sicher, so kann jetzt jedes falsche Wort zum Tod führen und es ist eine Freude, die Protagonisten bei diesem Drahtseilakt zu beobachten.
In Kombination mit den Dialogen und den kurzen Kapiteln entwickelt der Roman wieder eine starke Sogwirkung, sodass man ihn getrost das Label Pageturner verpassen kann – eine deutliche Steigerung zum ersten Band.

Bereits der erste Band wies unzählige Erzähler auf und nicht anderes gilt für den zweiten Band. Nachdem im ersten Band der eine oder andere Protagonist sein Leben lassen musste, gesellen sich zu einigen altbekannten Gesichtern wie Gregor, Madu oder Ibn Bai neue Figuren wie Dorin oder Alkin hinzu, die im weiteren Geschehen noch eine wichtige Rolle einnehmen sollen. Als inoffizielle Hauptfigur übernimmt Gregor auch dieses Mal die Position als Dreh- und Angelpunkt der Erzählung und kann durch einen interessanten Handlungsstrang begeistern, muss er doch den schwierigen Spagat zwischen der Unterstützung der neuen Machthaber und dem Fördern des Widerstandes wagen.
Allerdings bekommt er dieses Mal starke Konkurrenz. Einige alte Nebenfiguren rücken nämlich zu Hauptfiguren auf, allen voran Manel, die sich in einem Leben im Untergrund arrangieren muss und nicht zuletzt auch Himmel, die man ob ihrer erlittenen Schicksalsschläge nur bedauern kann. Gerade die letzten beiden beleben die Geschichte deutlich, da sich ihre manchmal sehr naive Herangehensweise deutlich von Gregors kühler und sachlicher Art unterscheidet. Überhaupt spielen im ganzen Roman in allen Lagern starke Frauenfiguren eine noch viel größere Rolle als es im ersten Band ohnehin schon der Fall war.

Leider folgt nach der wirklich großartigen ersten Hälfte im zweiten Band die Ernüchterung. Viele vielversprechende Erzählstränge werden für den Leser sehr abrupt zu einem mehr als nur unbefriedigenden Ende geführt und auch der Widerstand in Tumanbay scheint beinahe nur aus nicht ernst zu nehmenden Stümpern zu b

Bewertung vom 18.06.2022
Die Stadt der Dolche / Tumanbay Bd.1
Dryden, Walker

Die Stadt der Dolche / Tumanbay Bd.1


sehr gut

Die Stadt der Dolche ist der erste Teil der Romanfassung des erfolgreichen BBC-Podcasts Tumanbay. Doch kann die Geschichte auf dem Papier ebenso überzeugen wie die Vorlage?

In Die Stadt der Dolche verschlägt es uns in die Stadt Tumanbay, Mittelpunkt und Umschlagplatz eines ganzen Imperiums. Gestützt auf ihrer hervorragenden Lage und dem florierenden Sklavenhandel breitete die Stadt im Laufe der Jahrhunderte ihren Einflussbereich immer weiter aus und eroberte Stadt für Stadt. Infolge dessen entwickelte sich Tumanbay selbst zu einem Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen und Gesellschaftsschichten, in dem Armut und Reichtum nah beieinander liegen.
Doch noch ist jedes große Imperium eines Tages zusammengebrochen und auch Tumanbay droht dieses Schicksal: In einer fernen Provinz erhebt sich die Usurpatorin Maya und schart innerhalb kürzester Zeit eine erhebliche Zahl von Anhängern um sich. Sultan al-Ghuri, seines Zeichens Herrscher von Tumanbay, muss zu allem Überfluss schon bald feststellen, dass Maya nicht die einzige Gefahr ist, die Tumanbay droht. Innerhalb der Stadt haben verschiedene Akteure ihre Netze ausgebreitet und setzten zu einem Machtkampf an, dessen Ausgang niemand vorhersehen kann…

Die Stadt der Dolche wird auch als Game of Thrones im Orient beworben, ein Vergleich, der zwar nachvollziehbar, aber nicht ganz zutreffend ist. Zutreffend ist, dass das Autorenduo von einem Machtkampf um ein gewaltiges Reich erzählt und sich dabei einer Vielzahl an Charakteren bedient. Über 15 Erzähler haben ihren Auftritt in diesem Band und gerade zu Beginn fällt es dabei schwer, den Überblick zu bewahren. Doch dieser Zustand ist nicht von Dauer, da sich frühzeitig Hauptfiguren herauskristallisieren und so ein Stück weit Orientierung bieten.

Die Autoren haben dabei sichtlich bemüht, den Figuren Leben einzuhauchen und sie greifbarer zu machen, indem sie etwa ihre Vorgeschichten integrieren. Überschlägt man allerdings die Zahl der Figuren und die Seitenanzahl dieses Bandes, dann kann man sich schon denken, dass dies nicht bei allen Figuren gleichermaßen gut und ausführlich gelingt.

Auch bietet die geringe Seitenzahl wenig Raum für interne Entwicklungen der Protagonisten. In den meisten Fällen ist das auch unerheblich, da bei ihnen Machtspiele im Vordergrund stehen. Auffällig wird das nur, wenn die Entwicklung gerade im Mittelpunkt des Erzählstrangs stehen soll.

Ein wesentlicher Bestandteil der meisten Fantasy-Romane ist das Worldbuilding, also der Aufbau einer glaubwürdigen und faszinierenden Welt. Die Autoren versuchen ihrer Geschichte einen passenden orientalischen Rahmen zu verpassen, sei es durch bloße Nahrungsmittel, Gerüche oder auch nur entsprechende Gebäude. Dies gelingt ihnen auch recht gut, aber auch hier offenbart sich ein strukturelles Problem: Als Podcast war Tumanbay gar nicht darauf angewiesen, durch sonderlich viel Text ein glaubwürdiges Setting zu erschaffen, dafür standen schließlich Audio-Elemente zur Verfügung. Diese können aber naturgemäß nicht eins-zu-eins umgesetzt werden und so fehlt stets das gewisse Etwas, dass die Stimmung von gut zu sehr gut getragen hätte.
Prägend für die Struktur des Romans ist die Dialoglastigkeit. Wenn deutlich mehr als die Hälfte des Romans aus Dialogen besteht, dann ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass es sich bei ihnen um das Herzstück des Romans handelt. Mit ihnen steht und fällt letztlich die Erzählung: Stimmen die Dialoge, dann haben wir einen überaus unterhaltsamen Fantasy-Roman vor uns, stimmen sie nicht, dann allenfalls Durchschnitt. Und hier lässt sich immerhin festhalten, dass die Dialoge öfters stimmen, als nicht.
Auf jeden Fall sorgt die Dialoglastigkeit in Verbindung mit den kurzen Kapiteln für ein unglaublich hohes Lese- und Erzähltempo – wir Leser fliegen geradezu durch die Geschichte. Und dies tut der Geschichte in jeglicher Hinsicht gut. Viele Schwächen in Sachen Worldbuilding oder Charakterentwicklung fallen kaum auf. Stattdessen wird dieser Aufb

Bewertung vom 21.05.2022
Ich und Jimmy
Lispector, Clarice

Ich und Jimmy


ausgezeichnet

In Brasilien erlangte Clarice Lispector schon zu Lebzeiten Kultstatus als Schriftstellerin und feministische Ikone, während sie in hiesigen Gewässern bislang nicht über den Status als Geheimtipp hinauskommt. Kann die Kurzgeschichtensammlung Ich und Jimmy daran etwas ändern?

Clarice Lispector schrieb in ihrem kurzen Leben neben zahlreichen Romanen 84 Kurzgeschichten, von denen dreißig in dem hier vorliegenden Band versammelt sind. Diese umfassen dabei den gesamten Zeitraum ihres erzählerischen Schaffens, sowohl Erzählungen aus ihrem Frühwerk (etwa Ich und Jimmy) als auch aus ihrem Spätwerk (Tag um Tag) und sogar Geschichten aus ihrem Nachlass (Ein Tag weniger) sind hier vertreten.

Ihr Werk dabei in irgendeiner Art und Weise zu charakterisieren oder einzuordnen, stellt sich dabei als nicht zu bewältigende Aufgabe heraus. Im Gegensatz zu meinem üblichen Vorgehen verzichte ich dieses Mal auch darauf, zumindest einige Geschichten zusammenzufassen: Die Wege, die sie mit ihren Erzählungen beschreitet, sind einfach zu vielfältig und unkonventionell, als dass einige wenige Worte meinerseits ihnen auch nur ansatzweise gerecht werden könnten. Darum versuche ich mich ihnen wenigstens anzunähern, indem ich einige Aspekte hervorhebe.

Rein äußerlich handeln ihre Geschichten von geradezu banalen Alltagssituationen wie einer Zugfahrt oder einem Spaziergang, oft passiert dabei wenig bis gar nichts Nennenswertes. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, legt Lispector den Fokus ihrer Geschichten doch ganz klar auf die Gedankenwelt ihrer zumeist weiblichen Figuren. Prägende Motive ihrer Erzählungen sind dabei insbesondere die Rolle von Mann und Frau, die Emanzipation der Frau und damit einhergehend auch um die Loslösung von alten Denkmustern. Dabei variiert sie ihren Erzählton von Geschichte zu Geschichte, sodass wir eine gesunde Mischung aus humorvollen, tragischen und stellenweise auch zynischen Geschichten vor uns haben.

Allen Geschichten gemein ist jedoch die unglaubliche schöpferische Kraft, die Lispector im Umgang mit der Sprache hat. Wir tauchen mit ihrer Hilfe tief in die Wahrnehmung ihrer Figuren hinab und es ist immer wieder von Neuem erstaunlich, was für Bilder sie für Gedanken und Gefühle findet. Noch für den unaussprechlichsten Gedanken findet sie ein (ungewöhnliches) Bild, das gleichermaßen klar und präzise und doch verworren und unverständlich ist. Das hört sich auf den ersten Blick widersprüchlich an, entspricht jedoch bei genauerer Betrachtung der Wirklichkeit eines inneren Gedankens.

Das bedeutet allerdings auch, dass das Lesen ihrer Geschichten die beständige Aufmerksamkeit des Lesers fordert. Vollzieht man ihre Bilder nicht in Gänze nach, besteht die reale Gefahr, sich in den Geschichten zu verlieren und keinen Anschluss mehr an ihre weiteren Gedankenverästelungen zu finden. Darum eignet sich dieser Band auch nur bedingt als Nachtlektüre. Wer diesen Erzählungen allerdings die nötige Aufmerksamkeit widmet, wird mit einem umso ergiebigeren Leseerlebnis belohnt, dass noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Lispector wird oft mit Kafka verglichen und gewisse Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen. Bei beiden steht die Handlung nicht im Mittelpunkt ihrer Erzählungen und bei beiden sind die Protagonisten Getriebene, die keine Kontrolle mehr über ihr Leben haben und in geradezu surreale Situationen geraten, die von einer gewissen Tragik und Komik durchzogen sind. Ein wesentlicher Unterschied ist wohl darin auszumachen, dass der Kontrollverlust bei Kafka von übernatürlichen Mächten herrührt, während Lispectors Figuren Opfer der gesellschaftlichen Strukturen sind.

Damit enden allerdings schon die Ähnlichkeiten. Während Kafka in seinen Erzählungen betont sachlich bleibt und eine journalistische Distanz zu seinen Lesern aufbaut, erleben wir bei Lispector das genaue Gegenteil. Es ist gerade ihr Ziel, die menschliche Gefühlswelt bis ins kleinste Detail auszuloten und darzustellen. Dadurch sind ihre Geschichten auc