Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Andy
Wohnort: 
Frankfurt am Main

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 27.01.2024
Wellness
Hill, Nathan

Wellness


ausgezeichnet

Erkenntnisse über tiefe Einblicke
„Wellness“ ist ein umfassendes Buch, ein großer Roman im besten Sinne. Jacks und Elizabeths Leben liegen am Ende vor dem Leser, der alle möglichen Eindrücke bekommen hat und selbst von diesen beeindruckt ist. Nathan Hill liefert mit „Wellness“ ein Werk ab, dass aus vielen unterschiedlichen Perspektiven auf die Leben seiner Protagonisten blickt und auf diesem Wege den Leser mit auf die Reise der Protagonisten nimmt. Und diese Reise ist spannend. Wie Zwiebelscheiben entblättern sich die Leben vor einem und enthüllen immer wieder eine neue Schicht. Und wie bei einer Blume, die sich langsam öffnet, ist das Farbenspiel der Eindrücke, welches sich vor einem eröffnet, bunt und eindrucksvoll. Ich bin immer noch geflasht. Es ist Januar und ich zweifle, ob ich im weiteren Jahresverlauf ein weiteres Buch finde, dass mich so beindrucken, berühren und erstmal konsterniert zurücklassen wird. Alles in allem eine überaus lohnens- und empfehlenswerte Lektüre.

Bewertung vom 01.01.2024
Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?
Raether, Till

Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?


gut

Handeln für Hoffnung

Till Raethers Gefühlslage springt mich direkt an. Ich kann sie einfach so gut nachvollziehen. Und so lese ich seine Gedanken interessiert und nicke ganz viel. Dennoch springt das Buch zu kurz. Ja, es ist wohl formuliert, mit interessanten Geschichten angereichert und Raethers Einblicke in sein Leben lassen eine Verbindung entstehen. Am Ende wird allerdings eine entscheidende Frage nicht beantwortet: Was tun? Raether macht klar, dass jede(r) von uns individuell trotz der Aussichtslosigkeit der Situation handeln sollte. Und handeln führt zu Hoffnung. Aber wie? Was sind die besten Möglichkeiten etwas zu tun? Ich hätte mir dann in einem zweiten Buchteil etwas in der Art von Ilja Trojanows „Meine Olympiade“ gewünscht. Raether hätte unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten testen und beurteilen können. So bleibt das Buch die Antwort auf die wichtigste aller Fragen leider schuldig und erfüllt meine persönlichen Erwartungen nur zum Teil. Schade.

Bewertung vom 15.11.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Viel mehr als nur ein Frauenroman

Ich lese normalerweise keine klassisch historischen Romane. Geraldine Brooks hat mit „Das Pesttuch“ einen solchen geschrieben und dieser hatte sich gut verkauft. Nun erscheint auch „Horse“ in der sehr gelungenen deutschen Übersetzung „Das Gemälde“ von Judith Schwaab in Deutschland und wird vom herausgebenden Verlag v.a. als Frauenroman. Evtl. ist das notwendig, damit das Buch überhaupt sein Publikum hierzulande findet. Treffend finde ich das zumindest nicht. Warum der Titel im Sinn geändert wurde, erschließt sich mir nicht. Das Cover ist unscheinbar und langweilig und hätte mich normalerweise wohl nicht angesprochen. In diesem Falle hatte mich die Leseprobe davon überzeugt, das Buch lesen zu wollen. Warum? Die Charaktere waren dort schon so ausgearbeitet, dass man ihnen weiter folgen wollte. Dazu spielt das Buch im 19., 20. und 21. Jahrhundert und nicht in einer historisch weiter zurückliegenden Epoche. Mit Colson Whiteheads Underground Railroad hatte ich vor einiger Zeit einen Titel gelesen, der ähnliche Themen adressiert. Das Buch damals hatte mir schon gut gefallen, aber Geraldine Brooks‘ „Das Gemälde“ sprach mich noch mehr an.
Dies liegt einerseits am Erzähltempo, welches ich für ideal halte. Es trägt den Roman über die 560 Seiten und verknüpft die Handlungsstränge geschickt. Andererseits sind die Charaktere außergewöhnlich. Man kann sich mit Ihnen identifizieren und wartet meist gespannt, wie es weiter geht mit Jarret, Theo, Jess und Co. Dazu bearbeitet das Buch geschickt eine Vielzahl von Themen über Alltagsrassismus in Amerika, bis zum Bürgerkrieg hin zur Geschichte des Kunsthandels und der Rolle von weiblichen Kunsthändlern. Diese vielen positiven Bausteine werden um den Kern der Geschichte herumgewebt. Und dieser Kern heißt Lexington und ist das berühmteste Rennpferd der Geschichte. Man muss sich nicht für Pferderennsport interessieren, aber Lexington nimmt einen in Beschlag und fand seinen Weg in mein Herz. Hach, habe ich dieses Buch gerne gelesen. Volle Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung vom 11.11.2023
All dies könnte anders sein
Thankam Mathews, Sarah

All dies könnte anders sein


ausgezeichnet

Wenn man das Cover von „All dies könnte anders sein“ von Sarah Thankam Matthews betrachtet, dann sieht man viele Farben, die wieder in unterschiedliche Nuancen der Grundfarbe unterteilt werden. Damit beschreibt das Cover das Buch besser, als man es je hätte vermuten können. Der Roman „All dies könnte anders sein“ beschäftigt sich nicht nur mit einem wichtigen Thema. Er befasst sich mit einer großen Anzahl an Themen und Nuancen, seien es Heimat, Identität, mentale Gesundheit, Queerness, Immigration, Freundschaft und Einsamkeit. Einerseits tut der Roman das mit einer gewissen Leichtigkeit, andererseits werden auch die Untiefen, die das Leben so mit sich bringt, ungeschönt beschrieben. Insgesamt ist Sarah Thankam Matthes auf diesem Wege ein Werk gelungen, welches zumindest für mich einen Ankerpunkt setzt. Es bietet genau das, was ich von gelungenen Romanen erwarte: ich verstehe Themen durch die dargestellte Perspektive besser und gewinne neue Erkenntnisse. An einigen Stellen habe ich mich selbst sehr wiedergefunden und die Autorin hat für mich gesprochen. Dabei sind die Charaktere um Sneha, Marina, Antigone und Thomm rund ausgearbeitet und die Geschichte entfaltet einen Sog. Ich hätte nie gedacht, dass ich neben den tiefgründigen Einblicken eine solche Freude bei der Lektüre des Buchs empfinden würde. Überraschend, aber eines der besten Bücher meines Lesejahres. Volle Empfehlung!

Bewertung vom 16.09.2023
Landgang
Zervakis, Linda

Landgang


weniger gut

Linda Zervakis' Landgang klang wie spannende Lektüre. Wir sind auch Städter und das Leben auf dem Land wirkt immer wieder wie eine attraktive Alternative. Zervakis hatte das Abenteuer ausprobiert, war letztendlich aber wieder zurück in die Stadt gezogen. Aus ihren Berichten zu dem Experiment musste man doch etwas mitnehmen können. Oder eben auch nicht. Das Buch ist eine Aneinanderreihung von Anekdoten, die mich nicht berührt haben. Dazu vermittelt das Buch für mich auch keine Learnings. Zervakis vermittelt nicht, was sie nun aus dem Landleben mitgenommen hat. Welche Routinen sich geändert haben. wie es ihr danach geht. Es ist ein bisschen schade, denn man wird das Gefühl nicht los, dass da viel Potential gewesen wäre. Und ich hätte anstatt des Buchs ein anderes Lesen können. Denn während der Lektüre blieb stellenweise mangels fehlendem emotionalem Zugang und fehlender Informationsvermittlung schlicht Langeweile. Zwei positive Punkte bleiben: das Buch war nicht allzu lang und Zervakis wird nicht erneut über das Landleben schreiben, denn sie ist ja zurück in der Stadt. Auf zu neuen Ufern.

Bewertung vom 13.09.2023
Tasmanien
Giordano, Paolo

Tasmanien


ausgezeichnet

Erstmal ist Paolo Giordanos „Tasmanien“ ein schönes Buch. Das Coverbild vermittelt einen verträumten Eindruck und hat mir von Anfang an gut gefallen. Und es sind Wolken abgebildet. Wolken spielen in Giordanos Buch eine große Rolle. Schon alleine das Cover zieht einen in seinen Bann.

Was ich dabei nicht gedacht hätte: das ich mit diesem Buch, in dem es auch viel um Wolken, Bomben und den Klimawandel geht, so sehr resonieren würde. Dabei ist es vielleicht die Perspektive des Autors, die sich in dem Buch wiederfindet, die mich so sehr anspricht. Ich kann mich mit der Geschichte und Lebenssituation von Paolo sehr identifizieren. Nicht, dass mein Leben ähnlich verlaufen wäre. Überhaupt nicht. Dennoch kann ich die Probleme und Herausforderungen in seinem Leben und die Begegnungen mit Freunden und Familie sehr gut nachvollziehen. Wie er auch den momentanen Zeitgeist meisterlich abbildet. Als Folge hat mich dieses Buch auf seine Art hypnotisiert. Ich habe Paolos Leben gerne verfolgt, ohne dass die Geschichte mitreißend gewesen wäre. Aber sein Leben hat mich auf vielen Ebenen sehr berührt und ich wollte immer wissen, wie es weitergeht, bis die Geschichte von Paolo zu einem gelungenen Abschluss findet.

Insgesamt war das Buch so für mich eines der besten Lese-Erlebnisse dieses Jahres und ich empfehle es gerne und mit vollem Herzen weiter.

Bewertung vom 03.09.2023
Hinter der Hecke die Welt
Molinari, Gianna

Hinter der Hecke die Welt


gut

Gianna Molinaris Buch „Hinter der Hecke die Welt“ hat mich mit klarer Sprache und Nerd-Fakten zu vielen unterschiedlichen Themen getriggert.Das achtsame Entdecken der Welt über das Gelesene ist für meine innere Neugier Motivation genug, mich über die Lektüre anfänglich zu freuen. Molinari formuliert klar. Und so wird einem recht schnell bewusst: bei diesem Buch steht die Langsamkeit im Vordergrund. Dabei ist es nicht so, dass die Langsamkeit kein bewusstes Stilmittel wäre. Den Plot kann man dabei dann schon fast vergessen, denn mit diesem Buch öffnet die Autorin wohl eher einen Raum zur bewussten Reflektion über ganz viele Dinge. Der - kaum vorhandene - Plot ist dabei eher ein Stichwortgeber, so man ihn benötigt. Die erzählte Geschichte könnte man denn auch in 2-3 Sätzen zusammenfassen. Der Raum, der durch sie geschaffen wird, hat sich für mich wohltuend angefühlt. Die Geschichte baut dennoch eine gewisse Spannung auf, die sie leider zu meiner Enttäuschung am Ende nicht aufzulösen vermag. Und so bereue ich zwar die Lektüre nicht, schwankte aber bei der endgültigen Beurteilung zwischen belanglos und meditativem Zeitvertreib ohne großen Impuls.

Bewertung vom 13.08.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


sehr gut

An sich ist die Geschichte, um die es in Nora Haddadas Debütroman geht, schnell erzählt: Leila hat den Auftrag bekommen ein Drehbuch zu schreiben. Es gab einen ordentlichen Vorschuss. Das Drehbuch soll zudem in einer größeren Produktion umgesetzt werden. Die Geschichte begleitet Leila von der Abgabe der Idee und Zusage bis zum Abschluss des Projekts.

So einfach wie sich der Plot liest, so komplex ist das Buch dann am Ende. Diese Komplexität entsteht, handwerklich sehr geschickt umgesetzt, auf unterschiedliche Wege. Einerseits wechselt die Erzählungen zwischen einem frühen und späten Erzählstrang, die sich beide auf einen separaten Höhepunkt hinzubewegen. Andererseits spielt das Buch mit den Wahrnehmungen der Hauptfigur. Erst dezent und später deutlicher wird klar, dass nicht alle Wahrnehmungen der Hauptfigur real sein können. Was aber passiert in ihrem Kopf und warum und was ist real? Der Leser wird zum Rätseln gezwungen. Insgesamt entsteht durch diese Erzählelemente eine spannende Sogwirkung, die mich zum Ende hin sehr gefesselt hat.

Wer Spannung aufbaut muss am Ende einen Abschluss finden. Ich hätte mir für das Buch auch ein weniger eindeutiges Ende vorstellen können, bin aber auch mit dem gefundenen Abschluss als Leser zufrieden. Einerseits spiegelt er die Mehrheit der Projektabschlüsse wohl gut wieder, andererseits ist er wenig klischeebehaftet. So wird eine schön erzählte, packende Geschichte am Ende auch noch befriedigend abgerundet. Ich bin als Leser zufrieden und fühlte mich in kleineren Momenten an Identitti erinnert. Die Lektüre schwingt noch positiv nach, ich empfehle das Buch weiter und vergebe 4 von 5 Sternen.