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marcialoup

Bewertungen

Insgesamt 97 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2024
Die vorletzte Frau
Oskamp, Katja

Die vorletzte Frau


ausgezeichnet

Mir fehlt Tiefe

Ein eher gewöhnungsbedürftiger Roman mit jedoch gutem Schreibstil erwartet uns in Katja Oskamp’s „Die vorletzte Frau“. Schon auch das Cover ist außergewöhnlich mit der pinkfarbenen Katze, vielleicht auch ein Löwe (in Anspielung auf Tosch), die auf den ersten Blick zweigeteilt ist, letztendlich aber das Cover als Ganzes in zweifacher Form umrundet. Vielleicht ist vieles auf den ersten Blick anders als auf den Zweiten… in diesem Roman.
Die Ich-Erzählerin, deren Namen nicht erwähnt wird, ist jung Mutter geworden aus erster Ehe und bringt ihre Tochter Paula mit zu Tosch, in ihre Beziehung nach ihrer Ehe. Und Tosch ist 19 Jahre älter als sie. Ungewöhnlich, aber nicht selten. Die Ich-Erzählerin, gerade angefangen zu schreiben, lernt den Schriftsteller Tosch an der Uni kennen. Sie verlieben sich, doch ihre Wege gehen ungewöhnliche Pfade. Beide geben ihre ersten Ehen auf, die Ich-Erzählerin schafft alles nur mit Psychoanalytik, vieles bleibt unausgesprochen, wird aber gelebt.
Dann wird Tosch krank und die Ich-Erzählerin rutscht in die Rolle der Pflegerin. Der Ich-Erzählerin haften viele Rollen an, in denen sie sich immer wieder sucht und auch verliert.

Insgesamt gesehen hat das Buch mich nicht erreicht!
Zu der Ich-Erzählerin habe ich wenig Zugang bekommen. Es erschien mir wie eine Anhäufung von Erzählungen, manchmal ein bißchen strukturlos, direkt aus dem Munde der Ich-Erzählerin. Man bekommt meines Erachtens zu wenig Einblicke in die anderen Figuren. Sehr locker und oberflächlich werden die verschiedenen und gemeinsamen Leben erzählt und es bleibt nicht nur Distanz zum Leser sondern auch eine Distanz zwischen den Protagonisten. Es mangelt mir an gefühlter Tiefe, die zwar hin und wieder mit Sätzen wie „…allein sein zu können ohne einsam zu sein, so ist das Leben mit Tosch“ angedeutet wird, aber nicht bleibend wirkt.
Ich war jetzt ganz froh, dass der Roman nur 200 Seiten hat...

Bewertung vom 22.08.2024
Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
Westerbeke, Douglas

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel


sehr gut

Rätselball und Metamorphose

Eine gigantische phantastische Geschichte erwartet uns und wird schon auf den ersten Seiten so fesseln, dass man völlig unbemerkt in einen Strudel gezogen wird bei dem sich die Seiten wie von selbst umblättern!

Eine grausame, unbekannte, tödliche Krankheit überfällt Aubry im Kindesalter, als sie mit Freunden eine Opfergabe für einen guten Zweck in einen Brunnen werfen wollten. Aubry wollte einen kurz zuvor gefundenen hölzernen Rätselball, den ich mir persönlich wie einen Zauberwürfel vorstelle, in den Brunnen werfen, jedoch entscheidet sie sich dann anders und behält den Rätselball. Dieser folgt ihr danach überall hin ...

Kurze Zeit später bricht ihre Krankheit aus, deren Auswirkungen und Symptome man kaum beschreiben kann. Bizarre Darstellungen lassen den Schmerz Aubry's spürbar werden und verlangen dem Leser einiges ab.
Die erste Begegnung zwischen Krankheit und Leser mutet wie eine Teufelsaustreibung an oder wie Szenen eines Horrorfilms!

Die Krankheit verlangt nach Bewegung, heißt, Aubry kann nie lange an einem Ort verweilen muss immer weiter reisen und darf gleiche Orte nicht mehrmals aufsuchen. Doch irgendwann ist die Welt bereist... Und dann?
Auf ihren Wegen begegnet sie vielen Menschen, manche suchen für sie nach Heilung, können die Hilflosigkeit nicht ertragen, doch Aubry will nur überleben...

Hat die Krankheit etwas mit dem Rätselball zu tun?
Oder mit dem Brunnen?

Metaphern gehen einem durch den Kopf: immer weiter, niemals Stillstand, denn das wäre Tod.
Nicht begreifen können, flüchten,
akzeptieren was ist.
Aber auch, einen Schritt schneller sein.

Eine unglaubliche Lebensgeschichte einer fast magischen Reise in tiefe Schluchten, Abgründe, aber auch unzählige Erlebnisse bieten metamorphorische Momente.

So schillernd, skurril, bunt, berührend, fast märchenhaft aber auch krass, brutal, erschütternd, grausam, fesselnd, taucht man nach der letzten Seite aus einer völlig anderen Welt wieder auf und muss sich neu orientieren.
Was für ein Buch!!

Ein Punkt Abzug für die manchmal etwas chaotischen Kapitelsprünge, die zeitlich irritieren können. Man verliert dadurch jedoch trotzdem nicht den Faden und bleibt Audry immer nah genug.

Bewertung vom 20.08.2024
Zwischen den Welten
Vlahos, Hadley

Zwischen den Welten


ausgezeichnet

Ein Engel auf Erden

Da fallen Worte schwer, wenn man zusammen mit Hadley so viele Menschen aus dem Leben scheiden erlebt. Unglaublich was Hadley als Hospizschwester leistet! Und mit welcher unendlichen Fürsorge sie sich auf jeden Patient neu einlässt, diesen in den Mittelpunkt stellt und alles gibt um die letzten Tage so angenehm wie möglich und schmerzfrei zu gestalten.
Wow! Absoluter Respekt!
Dabei verliert sich Hadley auch immer wieder in ihren eigenen Gefühlen, die sie nach so intensiven Zeiten nicht einfach abstellen kann.

Ich musste nach jeder Geschichte inne halten, Luft holen und oft liefen Tränen, bevor ich Weiterlesen konnte. Es ist kein Buch zum einfach so weglesen.
Jedes Kapitel erzählt von einer anderen Person, einem anderen Schicksal, das Hadley mit uns echt, nah und ehrlich teilt.

Am Anfang mutete dieses Buch in amerikanischer Erzählweise an, fast wie ein Blog. Zwischendrin wird uns Hadleys eigenes Leben nicht vorenthalten.
Doch dann kommt es mit Wucht! Die Schicksale der Betroffenen und das unglaubliche Geschick Hadleys jedem Einzelnen ein Stück von ihr zu geben und Ängste zu nehmen.

Es ist ein wichtiges Buch, denn jeden von uns erwartet ähnliches und man setzt sich viel zu wenig damit auseinander.

Das Cover ist auf den Innenseiten sehr liebevoll mit ausgewählten Zitaten gestaltet und hat auch von Außen eine eindrucksvolle Wirkung.
Ein wirklich gutes Buch, dass Respekt und viele Leser verdient.

Bewertung vom 09.08.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


sehr gut

Ödlandweh

Steigen Sie ein, liebe Reisende, in den Transsibirien-Express im Jahr 1899 und begeben Sie sich auf eine einzigartige Reise!
In diesem Zug erwartet Sie Besonderes. Lassen Sie sich ein auf geheimnisvolle Vergangenheit, auf rätselhafte Erlebnisse, auf mystische Momente und atemberaubende Landschaften. Lernen Sie ihre Mitreisenden kennen, aus unterschiedlicher Herkunft mit verschiedensten Schicksalen, die durchs Ödland geschickt werden, die aber auch außergewöhnliche Lebensgeschichten im Koffer haben.
Jedoch: passen Sie auf, dass das Ödlandweh Sie nicht erwischt! Schauen Sie am besten nicht allzu lang aus dem Fenster…
Auch gibt es unantastbare Geheimnisse, die ihre Verborgenheit vielleicht nicht verlassen sollten!
Was hat es mit dem Zugkind Weiwei auf sich?
Was ist mit Maria’s Vater wirklich passiert?
Und wer ist eigentlich die Kompanie?

Ein monumental aufgebauter Roman, der Historisches, Reales und Phantastisches miteinander verschmelzen lässt, zeichnet in angepasster, kraftvoller Sprache individuelle Figuren auf einer Reise, die Ödlandweh im Gepäck hat.
Die Lesenden sitzen als stille Beobachter und werden hineingezogen in einen atmosphärischen Roman mit Krimielementen und Fantasy, aber auch einigen wenigen Längen.

Man wird das Buch schon allein des Äußeren wegen in die Hand nehmen. Ein fantastisches Farbspiel aus Graublaugrün und Goldbronze schmückt das Cover und lässt den langen Titel im Mund zergehen.
Im Inneren findet man zunächst das Innere des Zuges, die einzelnen Abteile, und stellt fest, dass die zweite Klasse fehlt. Findet man im Verlauf der Geschichte heraus, warum sie fehlt?

Am Ende der Reise könnte man sich diese auch verfilmt vorstellen!

Bewertung vom 04.08.2024
Ava liebt noch
Zischke, Vera

Ava liebt noch


ausgezeichnet

Kieran ist vierundzwanzig + Ava 43 = bittersüß

Eine ausgesprochen sympathische Protagonistin lässt uns an ihrem Leben teilhaben. Ihrem Leben als Mutter und Ehefrau, die sich selbst verloren hat. Und als sie sich findet, gleich wieder verliert, auf andere Weise, mit Kieran. Kieran ist vierundzwanzig, Ava 43.
Die Welt dreht sich trotzdem und schenkt ihnen beiden kostbarste Momente, die dem Leser in angenehmer Sprache übermittelt werden. Wir nehmen an Ava’s Gefühlswelten teil, die gespickt sind mit Freiheit und Begehren, Zweifel und Schicksal… Sehnsucht, Verlust und Erfüllung.
Die Perspektive wechselt kapitelweise zu Kieran und hinterlässt, ebenso in Ich-Schreibweise, seine Gefühle, Verletzungen und tiefsten Gedanken.
Der Verlauf ihrer beider Leben und deren Einfluß auf ihr Umfeld bleibt überraschend in ihrem Werdegang.

Vera Zischke schreibt kreativ und einfühlsam sehr lebensechte Szenen, die eine Achterbahn der Gefühle und mehrere Leben nach Außen tragen. Sie hat ein Gespür für subtile Darstellung, die sie mit leisen bemerkenswerten Sätzen zu gewaltigen Eindrücken verarbeitet. Manche Abschnitte liest man gern zweimal um sie in ihrem vollen Bildnis zu erfassen und darin einzutauchen.
Mit Ava hat sie eine hervorragende, vielleicht auch klassische Figur geschaffen, die neben allen Aufgaben des Lebens einfach nur Frau sein und sich selbst wieder spüren möchte und damit in den Herzen vieler Leserinnen etwas entfacht.
Doch Vera Zischke hat noch mehr eingearbeitet in das moderne Bild einer Frau und Mutter. Solange Ava funktioniert, funktioniert auch alles um sie herum. War es nicht immer so?

-Ava liebt noch- ist nicht nur eine Romanze.
Die Autorin legt alle Finger in mehrere Wunden, was uns extrem fühlbar in die Story hineinzieht. Gekonnt setzt sie Wendungen, die spontan erschüttern und man möchte fast eingreifen, um zu verhindern, was geschehen könnte.

Am Ende des Romans ist man dankbar, dass man in Ava diese einzigartige Frau gefunden hat, stark, mutig und tapfer, empfindsam und verletzlich, mit all den Gefühlen, die Frau-sein ausmacht.

Cover und Titel passen zusammen und auch zum Inhalt, sprechen mich aber im Vergleich zum Klappentext nicht sofort an.

Bewertung vom 29.07.2024
Wir treffen uns im nächsten Kapitel
Bickers, Tessa

Wir treffen uns im nächsten Kapitel


ausgezeichnet

In Liebe, Jane Austen

Was für eine außergewöhnliche und wunderschöne Liebesgeschichte!!
Durch das auffallend schöne Cover nimmt man das Buch gern in die Hand und läßt es dann nicht mehr los!

Gespickt mit literarischen Ausflügen lernen sich Erin und James über ein versehentlich in einen Bücherschrank gestelltes Buch kennen, in dem Erin Randnotizen hinterlassen hatte. Auf diese Randnotizen antwortet James und stellt es zurück. Erin wollte das Buch einfach nur wieder zurückholen und war überrascht über James’ Antworten, der am Ende ein Treffen in einem anderen Buch vorschlug. So geht es weiter und die beiden lesen sich durch zeitgenössische Literatur in der es immer wieder um Liebe geht und hinterlassen sich gegenseitig Botschaften, die in Frage- und Antwortspielchen übergehen. Mystery Man und Kritzelqueen lernen sich so mit jedem weiteren Buch näher kennen.
Zwischendurch erfahren wir Leser genug um das Leben von James und Erin herum und zunächst wissen nur wir Leser, dass die beiden sich schon längst kennen, allerdings in böser Erinnerung und schlimmen Geschehnissen, was nicht nur die gemeinsame, schon verstorbene Bekannte betrifft...
Verrückterweise tun beiden ihre literarischen Austausch-Momente so gut, dass sie ihnen hilft, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. James schafft es sogar, endlich das Buch zu schreiben, was er schon immer schreiben wollte, bis er merkt, für wen er dieses Buch eigentlich wirklich schreibt…
Eines Tages erkennt er am Duft plötzlich Kritzelqueen, die aber keine Ahnung hat, dass er nun weiß, wer sie ist. Und daraufhin muß er sein Ich noch ein bißchen mehr verpacken, denn die Wahrheit ist eine Katastrophe…
Kann diese Geschichte ein Happy-End haben?

Mit jedem Öffnen des Bücherschranks war ich genauso kribbelig wie James und Erin ob der Erwartungen, was denn nun für Notizen auf sie warten.

Ein liebevoller, herzschmerzlicher, amüsanter und literarisch wertvoller Wohlfühl-Roman, der spannende Momente bereithält, die dafür Sorgen, dass man das Buch nicht beiseite legen kann.
Ein Muß für jeden Bücherwurm, allein schon, weil es darin auch um Bücher geht.
Außerdem bekommt man Lust, alle Bücher, die Erin und James im Bücherschrank ausgetauscht haben, selbst zu lesen – wobei dann Middlemarch sicher die größte Herausforderung wäre.
In Liebe, unvergessen
Jane Austen

Bewertung vom 27.07.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


ausgezeichnet

Ängste, Trennungen, Fußstapfen und eine Reise

Micha Lewinsky nimmt den Leser sofort mit in seine Szenarien, mitten ins Leben von Ben und Marina, die sich vor kurzem getrennt haben, die aber aus finanziellen Gründen im teuren Zürich noch in der gemeinsamen Wohnung leben (müssen), zusammen mit den beiden Kindern – heutzutage, wo Krieg im Osten Europas herrscht und wo der Krieg auch in ihrer Altbauwohnung weiter wütet. Ben ist jüdischer Abstammung, seine Familie ist über Kriegswirren des ersten Weltkriegs in die Schweiz gekommen. In Marina hat er eine jüdische Frau gefunden, was eher Zufall war und worüber sich seine Großmutter sehr freute.
Aber über die Trennung von Marina ist Ben noch irgendwie zwiegespalten. Flucht, mental wie physisch und Zukunftsängste beschreiben Ben’s Gefühlsleben.

Schon das Zitat von Stefan Zweig – Ben’s Lieblingsautor - am Anfang des Buchs trifft den Kern und läßt innehalten. Wie sehr beeinflußt das Außengeschehen unser Inneres und läßt uns zu denen werden, die wir sind bzw. läßt unsere Leben in Richtungen laufen, die wir nicht selbst beeinflussen können?
Ben schreibt nach der Trennung von seiner Frau ein Drehbuch über Stefan Zweig und dieser begleitet Ben auch weiterhin in diesem Roman. Er versucht, in Zweigs Fußstapfen zu treten oder zumindest einmal dort gewesen zu sein, wo Stefan Zweig Fußstapfen hinterließ – in Brasilien. Dieses Land schwebt Ben als Zuflucht vor dem drohenden Atomkrieg vor, gemeinsam mit Kindern und zukünftiger Ex-Frau. Dort vermag er hoffnungsvoll besser schreiben zu können, doch er landet u.a. in einem Retreat zum Ausprobieren von halluzinogenen Urwalddrogen. Außerdem spürt er wieder die Liebe… zu seiner Ex-Frau. Er kommt aber auch in Brasilien nicht zu der von ihm gewünschten Ruhe.

Lebhafte Dialoge bereichern eine bildhafte Kulisse, kein Satz zuviel, sondern präsizes Werkzeug um Stimmung und Gefühl charakteristisch hervorzuheben. Auch geschichtsbezogene Momente sind in diesem diogenes-Buch aufgearbeitet. Eingestreuter subtiler Humor lockert Szenarien auf, man liest mit einem fast schelmischem Lächeln im Gesicht. Ben Oppenheim, den reale Ereignisse ängstigen, der gewisse Sicherheiten braucht, um leben zu können, der immer wieder ins Fettnäpfchen tritt, ja, fast tolpatschig anmutet, der einem schon fast leid tut für das, wie er ist.
Insgesamt bekommt man einen unterhaltsamen erlebnisreichen Roman geboten.

Das Cover im diogenes-Stil … beinahe etwas crazy!

Zitat:
Man kriegt den Körper zwar aus dem Krieg, aber den Krieg kriegt man nicht so schnell wieder aus dem Körper.

Bewertung vom 21.07.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


sehr gut

Der Bär – eine Metapher in Cascadia?

Cascadia! Wo ist Cascadia?
Ein traumhaftes Cover in Pastelltönen und vom durch den See aufsteigenden Nebeldunst angehauchte Berge bilden eine Kulisse in verwunschener Umgebung, die eine unklare Stimmung aufkommen lassen. Doch Cascadia ist anders. Durch die altrosé-Brille taucht ein Bär auf.
Der Bär – plötzlich stand er an ihrer Tür – ein echter Bär!

Sam und Elena wohnen auf einer kleinen amerikanischen Inselgruppe, zusammen mit ihrer lungenkranken Mutter in einem ärmlichen Haus. Sam versucht alles, um die Familie zu versorgen und hat Hoffnung auf ein besseres Leben, das sie mit ihrer Schwester Elena nach dem Tod ihrer Mutter abseits der Insel aufbauen möchte. Doch dann kommt der Bär und bringt alles durcheinander. Ein Riß geht durch die Beziehung der Schwestern.
Sam reagiert ängstlich und will den Bär verjagen, am liebsten töten, schaltet die Behörde ein, hofft auf Hilfe von Außen und driftet in negative Gedankenwelten ab.
Elena geht ruhig und gelassen damit um und auf den Bär zu, taucht in die Natur ein und zeigt keine Angst. Sie gewinnt Bärenkräfte aus seiner Anwesenheit. Zwei völlig verschiedene Schwestern, die vor Auftauchen des Bäres an einem Strang gezogen hatten, immer zusammenhielten… wirklich? Der Bär, wild und frei, wühlt Kaskaden von Problemen auf.
Er ist Störenfried und Befreiung, Gefahr und Angstmacher, Feind und Freund, Verbundener und Eindringling zugleich.
Etwas verändert sich, kommt nach oben, wo es brodeln kann. Der Bär – eine Metapher?
Welche Thematiken im Inneren der Schwestern verbergen sich dahinter?
Ein kurzweiliger interessanter Roman, den man allein schon wegen dem Cover immer wieder gern zur Hand nimmt!

Und auch am Ende wird alles anders als man denkt. Cascadia!

Bewertung vom 08.07.2024
Die Unvollkommenheit des Glücks
Bagus, Clara Maria

Die Unvollkommenheit des Glücks


ausgezeichnet

Schimmernde Sprachperle gegen den Lärm der Welt

Ist Glück grün? fragt das Cover den Titel.

Mit sprachlich sanftendem Klang entführt uns Clara Maria Bagus wieder in ihre Welt der Worte. Ihre einzigartige fein-tonige Ausdrucksweise gibt der Geschichte einen besonderen Tiefgang. Sie holt aus einfachen Situationen beeindruckende Bilder und Emotionen hervor, die den Leser nicht nur mitnehmen, sondern auch aufwühlen und mitfühlen lassen. Die Themen, denen sie sich in Ihrem Roman „Die Unvollkommenheit des Glücks“ widmet sind jedoch alles andere als sanft.

Die Schicksalsschläge der Protagonistin Ana nagen durch ihre Hochsensibilität intensiv an und in ihr und verschleiern zunächst den Weg der Befreiung. Der Lärm der Welt überflutet sie.
Im Gegenzug steht Lew, ein Soldat, der erst nach grausamen Erlebnissen im Krieg erkennt, wofür er nicht geeignet ist.
Bewegende, fast unerträgliche Momente der sehr lebendigen Darstellung dieses Kriegs muß man aushalten können, um im Buch weiterzukommen und bleibt in erschütternden Momenten hier und dort hängen.

Ana und Lew sind in längeren Kapitelphasen voneinander getrennt.
Ein Roman voller Tragik und schwerlastiger Finsterheit wendet überraschend in andere Sphären. Denkt man, die düsteren Momente des Buchs nicht mehr ertragen zu können, kommt eine völlig andere Dynamik in Bewegung und man liest beglückt in die Wendungen hinein.
In den Wirren des Lebens schreibt Clara Maria Bagus behutsam und eindringlich die Seele der Protagonisten in die Welt. Zarte Konstrukte, denen die Zerbrechlichkeit bewußt ist, bilden starke Verknüpfungen durch Scheitern und Selbstfindung.

So viele Sätze, die man zitieren möchte, verstärken das Leseglück dieses Romans.

Zitat S. 18: „Ana mag den frühen Morgen, wenn es draußen noch leise ist. Und die Abenddämmerung, wenn alles ruhig wird. Sie liebt sie, die Ränder des Tages, wenn die Welt gedämpft ist und still.“
Ich auch!

Bewertung vom 04.07.2024
Der Club der Bücherfreundinnen
Green, Amy Lynn

Der Club der Bücherfreundinnen


gut

Buchclub in Kriegszeiten

Die Idee, einen Buchclub zu gründen, einerseits um die Bücherei zu retten und aber auch, um in den schweren Zeiten des zweiten Weltkriegs aus dem Alltag abzutauchen, finde ich ganz bezaubernd.
Avis, die zwar gar nicht gern liest, arbeitet in der Bücherei von Miss Cavendish, die diese schließen möchte. Der Krieg ist in aller Munde und Avis möchte mit dem Buchclub einen Herzensort schaffen, der Ablenkung und fröhliche Stunden bescheren soll. Doch leider ist es nicht so einfach wie gedacht. Und auch eher durch Zufall hat Avis diesen Buchclub erwähnt, als ihre Chefin sie spontan über die Schließung der Bücherei infomierte...

Die Idee: so weit - so schön, doch die Umsetzung im Roman ist der Autorin nicht annähernd mitreißend gelungen. Eigentlich ist an nichts zu kritisieren, Sprache ok, Handlung ok, Figuren ok - mehr aber nicht. Es plätschert sehr träge durch die Seiten. Bis Seite 100 habe ich durchgehalten, dann habe ich ein bißchen quer gelesen und später wieder richtig reingelesen. Aber auch im weiteren Verlauf habe ich keinen besonderen Kick gefunden.