Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Heike
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 06.06.2022
Morgen kann kommen
Kürthy, Ildikó von

Morgen kann kommen


sehr gut

Überraschendes Buch mit Tiefgang und Humor
„Morgen kann kommen“ als gebundene Ausgabe ist ein sehr liebevoll aufgemachtes Buch. Es ist schon eine Freude, es in die Hand zu nehmen und aufzuschlagen mit seinem hochwertigen Papier und den tollen Aquarell-Zeichnungen zu zentralen Zitaten.
Alle Kapitel sind mit dem Namen einer der Hauptpersonen versehen; man kann sich also bei jedem neuen Kapitel von der Handlung überraschen lassen, denn die Kapitelüberschrift gibt dazu keinen Hinweis. Man wird nur auf die handelnde Person eingestimmt. So war ich bei jedem Kapitel wieder aufs Neue neugierig, wie es weitergeht.

Die zunächst geografisch getrennt voneinander beginnenden Handlungsfäden weben sich auf magische Art ineinander, und an besonderen Stellen überrascht das Buch durch die Schilderung einer genau zeitgleich, aber an anderer Stelle stattfindenden Handlung, und erst später wird ihr inhaltlicher Zusammenhang klar.

Es handelt sich um ein tiefgründiges Buch zum Thema Freundschaft, Vertrauen, Hinterlist, Verrat und Älterwerden unter dem alles überspannenden Schirm „Nimm Dich so, wie Du bist“.
Ich war nach dem Lese-Ende betrübt, zum einen allgemein, dass das Buch schon vorüber ist, und zum anderen wegen des tragisch-schönen Endes. Für die letzten 60-70 Seiten sollte man sich Zeit nehmen, mit einem Kaffee gemütlich irgendwo sitzen und danach keinen weiteren Termin haben, um das Buch „ausklingen“ zu lassen.
Die Charaktere werden größtenteils so beschrieben, dass man sich mit ihnen leicht identifizieren kann, und am Buchende bleibt die leise Frage: „Wie geht es denn jetzt weiter mit Ruth, Gloria, Erdal, Fatma und Johannes? Einer allerdings bietet sich für die Identifizierung nicht an, aber ohne diesen „fiesen Gegenspieler“ hätte die erzählte Geschichte nicht so viel Tiefgang und Würze.
Es ergeben sich an einigen Stellen unvorhergesehene Zusammenhänge und überraschende Wendungen, ohne dass die gesamte Handlung dadurch konstruiert oder realitätsfern wirkt.
Insgesamt finde ich das Buch äußerst lesenswert. Ob es sich speziell an die Zielgruppe Frauen Ü40 wendet, vermag ich nicht einzuschätzen.

Bewertung vom 06.06.2022
Eine Frage der Chemie
Garmus, Bonnie

Eine Frage der Chemie


ausgezeichnet

Kochen ist Chemie ist Veränderung
Ein außergewöhnliches Buch zum Verhältnis zwischen Männern und Frauen in den 50er Jahren:
Es ist tiefgründig und gleichzeitig humorvoll und überraschend geschrieben.

Die Hauptfigur ist Chemikerin und Ruderin. Alle beschriebenen Personen sind klar und plastisch beschrieben, so daß das Buch in mir einen „übersichtlichen“ und aufgeräumten Eindruck hinterlässt, eben wie das ordentliche Labor der Hauptfigur. Als weitere Ebene ist eine Spur Übernatürliches in die Handlung eingewebt.

Der Buchumschlag macht neugierig auf Elizabeth Zott und ihre Geschichte. Das Buch ist in zahlreiche übersichtliche Kapitel mit jeweils prägnanten Titeln gegliedert. Es liest sich flüssig und will zügig gelesen werden, einfach, weil man wissen muss, wie es mit der Handlung weitergeht.

Insbesondere die Verbindung aus Chemie und Kochen in der Erscheinung einer täglichen Kochsendung im US-amerikanischen Vorabendprogramm bildet einen außergewöhnlichen Handlungskern. Einige Begrifflichkeiten konnte ich aus dem eigenen Chemieunterricht wiedererkennen, und andere haben zu weiteren Internetrecherchen eingeladen.
Am Ende habe ich eine Menge über die US-amerikanische Gesellschaft und die sozialen Fragestellungen in der beschriebenen Zeit gelernt.

Ganz besonders hat mir die Durchsetzungskraft und Schlagfertigkeit der Hauptfigur gefallen sowie ihre Fähigkeit, in kritischen Situationen nicht gesellschaftskonform auf Fragen zu antworten, sondern genau auf die Frage, ohne rhetorische Feinheiten zu beachten.

Auf jeden Fall ist dies eines der wenigen Bücher, die Tiefgründigkeit mit Lesespass verbinden. Ich werde es nach einiger Zeit noch einmal lesen, denn es hat aus meiner Sicht eine tiefergehende Wirkung und Aussagekraft, als es auf den ersten Blick scheint.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


sehr gut

Beeindruckendes Buch mit Nachwirkung
Die Autorin schildert vierundzwanzig Stunden aus dem Leben der fünfzigjährigen Elle Bishop und verwebt auf zauberhafte Weise diesen einen Tag mit intensiven und ungeschönten Rückblicken in die Geschichte der Großeltern, der Eltern und von Elle selbst inklusive der weiteren Familienangehörigen und Freunde. Anfänglich „plätschern“ die Handlung und die Beschreibung mehr so dahin, ohne bestimmtes Ziel, so scheint es jedenfalls, um im weiteren Verlauf an Mächtigkeit und Komplexität so stark zuzunehmen, dass ich das Buch für die letzten 100 Seiten nicht mehr aus der Hand legen wollte und einige Tage nach Leseende dieses Buch immer noch nachwirkte, so dass ich kein neues zu lesen anfing.
Ich habe viel über die Lebensumstände der beschriebenen Zeiten in den USA gelernt und finde die Übersetzung erfrischend und lebhaft.
Großes Oberthema des Buches ist „Frauen“, und daher bin ich positiv überrascht, dass der Buchumschlag so wunderschön und geheimnisvoll gestaltet ist und nicht eine Frau von hinten mit Hut und Gepäckstück zeigt, die auf eine weite Landschaft blickt.
Die Geschichte selbst ist nicht einfach eine Liebesgeschichte, wie man es aufgrund des Klappentextes erwarten könnte, sondern ein verwebtes Netz aus Gefühlen, Scham, Angst, Schmerz, Abhängigkeiten, Geheimnissen, äußeren Zwängen und schlussendlich Aufrichtigkeit, Liebe und Konsequenz.
Die Identifizierung mit der Hauptperson Elle gelingt stellenweise, an anderen Punkten der Handlung regte sie mich dazu an, mich zu fragen: „Was hätte ich jetzt an ihrer Stelle getan? Hatte sie eine Alternative?“
Das Buch ist gegliedert in fünf „Bücher“, die wiederum in einzelne Kapitel aufgeteilt sind. In diesen Kapiteln wird über Zeitangaben gekennzeichnet, ob Begebenheiten aus den zentralen 24 Stunden oder Rückblicke geschildert werden.
Es erfüllt mich mit Zufriedenheit, dieses Buch gelesen zu haben, und es bewirkte in mir den Effekt von Abschiednehmen, als sich das Ende näherte, und Bedauern, als ich es ausgelesen hatte.
Sicherlich werde ich das Buch in nächster Zeit noch einmal lesen, dann einfach, um die Verflechtung der verschiedenen Zeitebenen noch einmal bewusst wahrzunehmen, denn die zeitliche Struktur und ihre Genialität wurde mir tatsächlich erst nach Abschluss des Buches klar.

Bewertung vom 29.11.2021
Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2
Izquierdo, Andreas

Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2


sehr gut

Drei Freunde erleben drei spannende Jahre in Berlin
Die Handlung erstreckt sich von 1918 bis 1921 und dreht sich um drei Freunde aus der "Provinz", die sich nach den Wirren des Ersten Weltkrieges in Berlin wiedertreffen, verschiedene Lebenswege einschlagen und trotzdem uneingeschränkt füreinander einstehen.
Der Schreibstil ist vielfältig und bildlich, und die Handlung ist geschickt in die historischen Geschehnisse eingebettet. Abwechslungsreich sind die Dialoge in Berlinerischem Dialekt.
Passend fand ich den Schreibstil aus der Sicht eines der drei Freunde als Ich-Erzähler. So erlebte ich alles noch einmal persönlicher.
Obwohl es sich um den zweiten Teil einer offensichtlich geplanten mehrteiligen Romanreihe handelt, kann das Buch auch gut "einzeln" oder als erstes gelesen werden. Ich bin auf eine Fortsetzung gespannt.
Gut gefallen hat mir die Übersichtskarte in der hinteren Klappe des Buches.

Bewertung vom 21.10.2021
Auf Basidis Dach
Ameziane, Mona

Auf Basidis Dach


sehr gut

Guter Blick auf Marokko von Basidis Dach aus ;-)

Die Autorin erzählt auf erfrischende Art aus ihrem Leben in zwei Kulturkreisen; in Deutschland aufgewachsen mit der Familie väterlicherseits in Marokko. Der Schreibstil fühlt sich an, als ob sie die Begebenheiten persönlich erzählt, bei einer Tasse Kaffee oder Tee. Mit Witz geschrieben, daher sehr lesenswert!!!
Sehr originell ist der "virtuelle Ausflug" nach Snober, der Geburtsstadt ihrer marokkanischen Großmutter.
Die zeitlichen Erzählebenen wechseln sich interessant miteinander ab und bieten die Gelegenheit, sich in die geschilderten Situationen hineinzuversetzen (als Kind, als Jugendliche, als Autorin des vorliegenden Buches).
Das Buch lädt ein, sich weiter über Fes und Marokko und die dortige Gesellschaft über weitere Quellen zu informieren.
Am Ende des Buches findet sich ein hilfreiches Glossar sowie Quellenangaben zu den einzelnen Kapiteln.

Bewertung vom 21.10.2021
Berlin Friedrichstraße: Novembersturm / Friedrichstraßensaga Bd.1
Schweikert, Ulrike

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm / Friedrichstraßensaga Bd.1


sehr gut

Ein faszinierendes Buch!
Das Buch gefällt mir schon durch seine hochwertige Erscheinung (Taschenbuch). Ich habe es gerne in die Hand genommen. Sehr interessant ist auch die Berliner Innenstadtkarte von 1920 im vorderen Umschlag zur räumlichen Orientierung.
Die gesamte Erzählung fesselt und bleibt über den gesamten Handlungsstrang von 1902/1920 bis 1932 spannend und detailreich. Ich habe außerdem durch die Schilderungen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Umstände dieser Zeit nebenbei viel dazugelernt. Die Kapitel umfassen meist einzelne Jahre und sind wiederum in Unterabschnitte unterteilt. Ganz besonders pfiffig finde ich die immer mal wieder eingestreuten Rückblicke, durch die der Leser die Hintergründe vorhergehender Handlungen oder Entscheidungen erfährt. Auf diese Weise bleibt die Spannung insgesamt auf einem hohen Niveau, und ich war so manches Mal überrascht über unerwartete Wendungen.
Abgerundet wird das Buch noch durch eine Literaturliste, die zum vertiefenden Weiterlesen einlädt, um diverse Aspekte dieser turbulenten Zeit noch besser zu verstehen.

Bewertung vom 21.09.2021
Der schwarze Winter
Lindemann, Clara

Der schwarze Winter


sehr gut

Eine Geschichte über Freundschaft und Vertrauen
Der Buchumschlag stimmt auf die Ausgangslage der Handlung ein: die Jahre 1946 und 1947 im zerstörten Hamburg.
Der Schreibstil ist flüssig und schnörkellos, und die kurzen Kapitel führen schlüssig durch die spannende Handlung, welche wiederum trotz vieler Figuren übersichtlich bleibt.
Die Figuren selbst sind detailreich dargestellt und bieten gute Einblicke in die Situation und Nöte der Bevölkerung in der beschriebenen Zeit. Für mich ist es außerdem eine plastische Erzählung zu Freundschaft und Vertrauen.

Es ist leicht möglich, sich in die verschiedenen Charaktere hineinzuversetzen und die erschaffene Atmosphäre zu "erleben". Ich habe das Buch in drei Tagen gelesen und fand das Leseerlebnis abgerundet und bereichernd.

Die behandelten Themen aus Freundschaft, Vertrauen, aber auch menschlichen Abgründen sind aus meiner Sicht auch heute noch aktuell. Es ist auch deswegen ein lesenswertes Buch!