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Benutzername: 
EvaLiest
Wohnort: 
Nürnberg

Bewertungen

Insgesamt 41 Bewertungen
Bewertung vom 06.01.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


gut

Wackelkontakt von Wolf Haas fällt als allererstes durch das außergewöhnliche Cover auf. Ich konnte das Buch nicht länger anschauen, ohne dass mir schwindlig wurde und das passt ganz gut zum Inhalt der Geschichte (dazu später mehr). Wenn man den Schutzumschlag abnimmt, gibt es auch eine kleine Überraschung auf dem Cover (so etwas gefällt mir ja immer sehr gut). Optisch also schon einmal sehr gelungen.
Und dann zum Inhalt. Das Buch hätte wirklich richtig gut sein können. Aber wann kommt es endlich bei Autoren an, dass es nicht cool ist, Frauen zu objektifizieren? Auch nicht literarisch. Und vor allem nicht, wenn die Stellen absolut nichts zur Geschichte beitragen und man sie, wenn man sie schon nicht umschreiben möchte, auch einfach weglassen könnte. Und ja, wenn die Brüste einer Frau als „ihre nicht zu übersehenden Vorzüge“ beschrieben werden, ist das objektifizierend. Und auch literarisch nicht gerade originell, ganz ehrlich.
Abgesehen davon ist es ein Buch, das man ganz wunderbar mit einem Seminar zum Thema postmoderne Literatur lesen kann. Es wirkt fast ein bisschen so, als hätte Wolf Haas eine Liste gehabt mit Aspekten, die diese Literatur ausmachen (können), und hätte sich dann ans Werk gemacht. Und das mag jetzt so klingen, als wäre das negativ, aber so meine ich das gar nicht. Ich hatte großen Spaß dabei, die verschiedenen Aspekte zu entdecken, miteinander in Verbindung zu setzen, Hypothesen aufzustellen und einfach mal wieder so richtig theoretisch in die Analyse zu gehen. Wir begegnen unter anderem Lacan, Derrida, oder de Saussure und ich freue mich ja jedes Mal über ein Wiedersehen mit diesen Franzosen.
Aber keine Sorge, der Roman funktioniert auch ganz prima ohne all das und man braucht absolut kein Vorwissen. Es geht viel um Sprache und (die Auflösung von) Bedeutung, das Infragestellen von Wahrheiten, den Wegfall von Kausalzusammenhängen, Fragmentierung, Zufall. Und eben auch um eine abgefahren absurde Geschichte, die trotz aller Unmöglichkeit doch irgendwie plausibel wirkt, wenn man sich darauf einlässt.
Die Idee, dass eine Figur einen Roman liest, in dem sie selbst vorkommt, ist so neu nicht. Ich erinnere mich an Austers Travels in the Scriptorium, bei dem das bereits in Ansätzen vorhanden ist. Und es gibt sicher viele weitere. Aber es ist hier gut gemacht. Und das bringt mich auch zum Anfang meiner Rezension zurück: wenn man versucht, die Ebenen der Geschichte genau aufzudröseln, kann es sein, dass einem schwindelig wird. Es ist ein bisschen Inception und viel willing suspension of disbelief, also die Bereitschaft der Lesenden, nicht alles zu hinterfragen, und einfach mal etwas hinzunehmen.
Ich finde es jetzt schwierig, den Roman neutral zu bewerten, da mich Misogynie einfach richtig nervt und ich es leid bin, dass es so oft einfach hingenommen und ignoriert wird und dadurch einfach kein Umdenken stattfindet. Die Story an sich hat mich schon gefesselt und ich habe das Buch innerhalb eines Tages gelesen, weil ich immer wissen wollte, wie es weiter geht. Aber ich habe mich halt auch immer wieder aufgeregt. Und das finde ich umso schlimmer bei Büchern, die ich so gerne uneingeschränkt gemocht hätte.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.12.2024
Sei schnell wie der Wind! / Retter der Drachen Bd.1
Stütze, Annett;Vorbach, Britta

Sei schnell wie der Wind! / Retter der Drachen Bd.1


gut

3,5/5 Sternen
Retter der Drachen – Sei schnell wie der Wind! von Annett Stütze und Britta Vorbach, und illustriert von Stefanie Klaßen, ist der Auftakt in diese neue Serie für Kinder ab sieben Jahren. Gedacht ist es als Erstlesebuch, wobei ich es meinem Sohn vorgelesen habe (er ist allerdings erst fünf). Ich würde sagen, die Erstlesenden müssen schon relativ gut motiviert sein, denn es ist ein eher langes Buch.
Zum Inhalt: Lea muss mit ihrer Familie umziehen, und an ihrem ersten Tag in Drachenfels erhält sie von der Fee Nebula ein Drachenei. Natürlich schlüpft daraus relativ bald ein kleiner Drache, der sie an ihrem ersten Tag in die neue Schule heimlich begleitet. Von nun erleben wir mit den beiden diverse lustige/kuriose Situationen, und wir erfahren ein bisschen über die Hintergründe: ein böser Drache hat die Macht im Drachenreich an sich gerissen, und so brauchen die Drachen nun die Hilfe der Menschen. Das war es dann im Großen und Ganzen aber auch schon an Informationen und hier hätte ich mir wirklich mehr Unterbau gewünscht. Da das ganze als Serie ausgelegt ist, erfahren wir selbst am Ende des Buches vieles noch nicht und ich kann mir vorstellen, dass es manche Leser:innen vielleicht etwas frustriert zurücklässt, vor allem, wenn sie sich mühsam durch das Buch gekämpft haben.
Meinem Sohn hat es dennoch sehr gut gefallen und auch die wunderbaren Illustrationen haben für Begeisterung gesorgt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir das nächste Buch noch lesen werden und dann schauen, ob wir die Reihe weiter verfolgen oder nicht – je nachdem, wie gut die Ausarbeitung der Fantasy-Elemente ist. Hier ist definitiv noch ein bisschen Luft nach oben.

Bewertung vom 23.12.2024
Pumuckl, Tiergeschichten
Leistenschneider, Uli;Kaut, Ellis

Pumuckl, Tiergeschichten


sehr gut

Die Pumuckl Tiergeschichten von Ellis Kaut, mit Illustrationen von Uli Leistenschneider, umfasst 9 Geschichten. In typischer Pumuckl-Manier wird es lustig und ein bisschen albern, aber immer auch lehrreich und herzlich. Selbstverständlich dürfen auch die geliebten Reime nicht fehlen!
Schön finde ich, dass die Tiergeschichten aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen, und so viele Aspekte abdecken. Mein Sohn fragt immer wieder nach einem Haustier, was bei uns aus verschiedenen Gründen leider nicht möglich ist, und anhand des Buches konnten wir ihm sehr gut erklären, was man alles bedenken muss und was trotz aller Tierliebe auch gegen ein Haustier sprechen kann. In diesem Sinne hat mir der Schluss besonders gut gefallen, denn die Lösung passt sehr gut zu unserer Situation.
Der einzige kleine Kritikpunkt ist für mich, dass die Geschichten fürs abendliche Vorlesen ziemlich lang sind. Aber das ist natürlich sehr subjektiv und je nach Alter des Kindes auch nicht mehr so wichtig.
Alles in allem ein wunderbares Kinderbuch, das mich ab und zu ziemlich nostalgisch werden lässt.

Bewertung vom 18.12.2024
Streit! Und nun? Das artgerecht-Bilderbuch von Nicola Schmidt
Schmidt, Nicola

Streit! Und nun? Das artgerecht-Bilderbuch von Nicola Schmidt


sehr gut

Streit! Und nun? Das artgerecht-Bilderbuch von Nicola Schmidt, das von Lisa Hänsch illustriert wurde, begleitet eine Gruppe von Freunden auf dem Spielplatz. Sie alle sind unterschiedlich und alle haben unterschiedliche Bedürfnisse – so wie es eben im echten Leben auch ist. Und so kommt es, wie es kommen muss: sie streiten sich. Wer zuerst rutschen darf, wer wie lange schaukeln darf, und wer die Schaufel haben darf. Die Erwachsenen schreiten hier nicht mit der perfekten Lösung ein, sondern ermutigen die Tierkinder, sich zu überlegen, was man nun machen könnte. Durch die Wahl von Tieren fällt manchen Kindern die Thematisierung der Konflikte vielleicht leichter, da sie nicht mehr so nah an ihrem eigenen Leben ist, aber dennoch nah genug, um sich damit zu identifizieren. Grundsätzlich gefällt mir der Ansatz des Buches sehr gut, denn den Kindern ist natürlich am allermeisten geholfen, wenn sie lernen, Konflikte möglichst friedlich selbst zu lösen. Meinem Sohn hat die Geschichte leider nicht so gut gefallen, denn er findet es furchtbar, wenn Erwachsene so mit ihm reden (er empfindet es als unauthentisch, denn Erwachsene reden untereinander ja auch nicht so). Das mag natürlich ein sehr spezieller Fall sein und ist bei vielen Kindern sicher genau andersherum. Was uns beiden allerdings nicht gefallen hat, ist die Lösung bei dem Konflikt mit der Schaufel: die Schlange kommt hier sehr gönnerhaft rüber, dabei ist sie ja diejenige, die der Maus die Schaufel weggenommen hatte.
Die Illustrationen sind ganz zauberhaft und werten das Buch absolut noch einmal auf. Toll sind auch die kleinen Ausschnitte am Ende, die die Kinder suchen können – so gibt es noch eine weitere Ebene, auf der sie sich mit dem Buch beschäftigen können.

Bewertung vom 18.12.2024
Pino - Ein Abenteuer auf vier Pfoten
Scheffel, Annika

Pino - Ein Abenteuer auf vier Pfoten


sehr gut

In dem Kinderbuch PINO - ein Abenteuer auf vier Pfoten von Annika Scheffel verbringen zwei Brüder das Wochenende alleine, während die Mutter in den dringend notwendigen Erholungsurlaub fährt (ein Detail, das ich grundsätzlich sehr begrüße, denn auch Kinder dürfen ruhig früh lernen, dass Eltern Pausen brauchen; die Umsetzung hätte ich mir allerdings etwas besser gewünscht - siehe Kritikpunkt am Schluss).

Während Pino sich auf ein Spiel- und Spaßwochenende mit seinem großen Bruder freut, möchte dieser nur alleine in seinem Zimmer chillen. Nach mehreren Versuchen von Pino, Janne doch zum Spielen zu animieren, ist dieser so genervt, dass er ihm im Streit an den Kopf wirft, dass er sowieso viel lieber einen Hund als einen kleinen Bruder hätte. Kurz darauf passiert es dann: Pino verwandelt sich tatsächlich in einen kleinen Hund! Nachdem er aus der Wohnung gerannt ist, erlebt er unzählige Abenteuer in der Stadt, findet in der Katze Fritzi einen neuen Freund und macht viele neue Erfahrungen. Ein absolutes Highlight war hier, dass Pino auf seinen Abenteuern auch in einem Museum landet und dort ein Dinosaurierskelett vorkommt. Für meinen kleinen Dinofan hat das die Geschichte gleich noch interessanter gemacht. Ob (und wenn ja: wie) er wieder nach Hause findet oder sich zurückverwandelt, verrate ich an dieser Stelle nicht, das müsst ihr selbst nachlesen.

Insgesamt eine süße Geschichte, die von Lisa Rammensee sehr schön illustriert wurde. Einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass ich es wenig realistisch/verantwortlich finde, ein Kind, das vermutlich 6 oder 7 Jahre alt ist, ein ganzes Wochenende in die Obhut des großen Bruders zu geben, der so wirkt, als wäre er etwa 13 oder 14. Natürlich ist an dem Buch grundsätzlich wenig realistisch, und das ist ja auch der Zauber der Geschichte, aber zumindest innerhalb der Rahmengeschichte hat mich das etwas gestört. Meinen Sohn natürlich überhaupt nicht, und das ist ja letztendlich auch das Wichtige.

Mein Fazit: eine wunderbare Geschichte zum Vorlesen, die sowohl lustige Momente beinhaltet als auch solche, die zum Nachdenken anregen. Mir und meinem Sohn (5) hat es sehr gut gefallen.

Bewertung vom 18.12.2024
Murmelschreck und der Pantoffelfresser
Reifenberg, Frank Maria

Murmelschreck und der Pantoffelfresser


gut

Das Buch Murmelschreck und der Pantoffelfresser, geschrieben von Frank Maria Reifenberg und illustriert von Maja Bohn ist in mehrere Kapitel eingeteilt. In jedem davon erlebt Murmelschreck ein anderes Abenteuer auf dem Rummelplatz.
Meinem Sohn hat die Geschichte mit der Geisterbahn am besten gefallen, mir selbst die mit dem goldenen Karussell. Grundsätzlich hatte mein Sohn (5 Jahre alt) viel zu lachen und hat sich an den Geschichten und auch den Illustrationen erfreut. Seine Lieblingsstelle ist wohl, als Adalbert Bombasto Ceralius (ja!) ein Wort mit K für einen Zauberspruch sucht. Mein sprachbegeistertes Kind hat hier gleich selbst mitgesucht :). Stellenweise haben ihm die Geschichten also sehr gut gefallen, allerdings habe ich gemerkt, dass er insgesamt nicht so gefesselt war, wie bei manch anderen Büchern.
Mir persönlich waren ein paar zu viele Klischees/Stereotype dabei: der hässliche Troll, die zarte Fee und natürlich ist es der Troll, der einen Fehler macht und die gutmütige Fee, die ihm hilft, ihn wieder auszubaden. Grundsätzlich finde ich auch nicht, dass eine bärtige Frau als Zirkusattraktion dargestellt werden sollte. Zudem (und das ist total subjektiv und hat nichts mit der Qualität der Geschichten zu tun) waren mir die Geschichten einen Tick zu lang zum Vorlesen.
Insgesamt ein nettes Kinderbuch, das wir gerne gelesen haben, das aber vermutlich nicht zu unseren Favoriten gehören wird.

Bewertung vom 18.12.2024
Die Lungenschwimmprobe
Renberg, Tore

Die Lungenschwimmprobe


gut

Die Lungenschwimmprobe von Tore Renberg, übersetzt aus dem Norwegischen von Karoline Hippe und Ina Kronenberger, behandelt das Schicksal der Anna Voigt, einer jungen Frau, die bezichtigt wurde, ihr Kind nach der Geburt umgebracht zu haben.
Es wird in relativ langen Kapiteln erzählt, die jeweils die Perspektive unterschiedlicher am Prozess beteiligter Personen fokussieren. Wir erfahren viel über die damaligen Gesetze (v.a. über die Carolina), die das gottesfürchtige und misogyne Weltbild widerspiegelten und darüber, wie schwierig es war, mit Logik und Argumenten dagegen anzukämpfen. Ab und zu empfand ich es als etwas langatmig und repetitiv, letztendlich hat das aber die Leselust nicht getrübt und ich bin durch die 700 Seiten innerhalb weniger Tage geflogen.

Sehr interessant fand ich die Erzählhaltung, denn der Erzähler präsentiert sich auf der einen Seite als allwissend (bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. im zweiten Buch), lässt aber an einigen Stellen auch seine Unzuverlässigkeit durchblicken, wenn er beispielsweise von Vermutungen spricht. Er präsentiert sich außerhalb des Geschehens und verweist auf die Forschungslage, verwendet aber die damals übliche Sprache (inklusive sehr verschachtelter Satzgefüge mit mehreren Einschüben, was sich jedoch nach ein paar Kapiteln relativ flüssig lesen ließ). Diese Gegensätze erzeugen eine gewisse Spannung, die sehr subtil wirkt, und für mich typisch für gute historische Romane ist. Man fragt sich beim Lesen, wo genau die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion verläuft, und passt die eigenen Erwartungen immer wieder neu an. Auch gibt es anekdotische Kapitel, in denen der Autor den Entstehungsprozess kommentiert.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Ausdauer und Genauigkeit, mit der der Autor recherchiert hat, erwähnen. Am Ende des Buches findet sich ein QR-Code, mit dem man ein Dokument herunterladen kann, in dem sich ein Register sämtlicher historischer Personen findet, die im Roman vorkommen, inklusive teils ausführlicher Beschreibungen. Zusätzlich enthält es eine umfangreiche Übersicht der Sekundärliteratur und Abbildungen (wie Zeichnungen und Karten), mithilfe derer man sich die Originalschauplätze noch besser vorstellen kann. Natürlich braucht es das nicht unbedingt, ich fand es bei diesem Roman jedoch sehr aufschlussreich. Ich hätte mich gefreut, dafür nicht extra das Handy zur Hand nehmen zu müssen und bei Erwähnung eines neuen Namens einmal schnell hinten im Buch nachschauen zu können, aber ich kann auch verstehen, dass das Buch dann noch um einiges dicker geworden wäre.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die bereits erwähnte Sprache für einige Leser:innen ein Grund sein könnte, das Buch zur Seite zu legen. Viele Latinismen oder gar gleich lateinische Passagen, viele gestelzte, gekünstelte Konstruktionen und ausschweifende Monologe, die sich an der Rhetorik des siebzehnten Jahrhunderts orientieren, sorgen für einen sehr eigenwilligen Stil. Auch schwingt bei den Herren der gehobenen Berufsstände (ob nun Juristen, Theologen oder Mediziner) eine gewisse Arroganz mit, die nicht immer sympathisch ist. Ich fand es schade, dass die männlichen Sichtweisen so viel Raum einnehmen und Anna vergleichsweise wenig zu Wort kommt bzw. wir wenig aus ihrer Perspektive erzählt bekommen. Das mag die damaligen Verhältnisse repräsentieren, muss in aktueller Literatur ja aber nicht unbedingt so reproduziert werden.

Aufgrund des Titels und des Klappentextes hatte ich erwartet, mehr Fokus auf der Lungenschwimmprobe, dem wissenschaftlichen medizinischen Prozess und den Bemühungen der Aufklärung zu finden. Tatsächlich geht es allerdings sehr viel um die Darstellung der Gesellschaft und die Innenwelt der Protagonisten.

Insgesamt war das ein sehr unterhaltsamer und interessanter Roman, den ich trotz der vielen Seiten sehr schnell gelesen habe, auch wenn er nicht unbedingt das fokussiert, was ich mir erhofft hatte. Bei der Bewertung mit Sternen tue ich mich gerade etwas schwer, denn hier spielen besonders viele Kriterien eine Rolle, die sehr unterschiedlich ausfallen. Ich denke, 3,5 passt insgesamt ganz gut; ein Buch, das ich ganz gerne gelesen habe, aber doch die ein oder andere kleine Schwäche hat.

Bewertung vom 18.12.2024
When Women were Dragons - Unterdrückt. Entfesselt. Wiedergeboren: Eine feurige, feministische Fabel für Fans von Die Unbändigen
Barnhill, Kelly

When Women were Dragons - Unterdrückt. Entfesselt. Wiedergeboren: Eine feurige, feministische Fabel für Fans von Die Unbändigen


ausgezeichnet

“[Y]ou did not raise me to be an angry woman, [...] I was never allowed to be angry, was I? [...] Until, at last, I learned to stop denying myself.” (3)

When Women Were Dragons von Kelly Barnhill hat mich absolut überwältigt. Selten habe ich so viele zitierwürdige Stellen in einem Buch markiert oder einfach nur "Yes!" an den Rand geschrieben, weil die Sätze der Autorin so wunderschön, so treffend, so relevant sind.

Darum geht's:
In den 1950ern kommt es in den USA zu einem Phänomen, das als “dragoning” bezeichnet wird: immer mehr Frauen verwandeln sich scheinbar ohne ersichtlichen Grund in Drachen, verlassen ihre Familien und nutzen die neu gewonnenen Fähigkeiten, um Gebäude oder auch Ehemänner in Brand zu setzen. Die Geschehnisse werden von der Gesellschaft zunächst geleugnet und später öffentlich verurteilt.

Viel mehr kann ich dazu gar nicht schreiben, ohne wichtige Elemente der Geschichte zu verraten. Nur so viel: es ist ein Buch über das kreative Potenzial von Frauen, die sich gegen den patriarchalen Mythos auflehnen, aufgrund ihrer weiblichen Körper minderwertig zu sein. Es ist ein Buch, das zeigt, welche produktive Kraft entfesselt werden kann, wenn wir unserer Freude und unserer Wut freien Lauf lassen können, ohne dabei in Kategorien wie “zu kindlich” oder “nicht ladylike” gesteckt zu werden. Es ist auch ein Buch, das ganz klar deutlich macht, dass Feminismus eben nicht bedeutet, Verhalten, das mit traditionellen Geschlechterrollen assoziiert wird, aus Prinzip zu verurteilen - vielmehr geht es darum, eine echte Wahl zu haben und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Und nicht zuletzt ist es ein Buch über Mutterschaft, Freundschaft und den Zusammenhalt unter Frauen, und das daraus resultierende schöpferische Potenzial.

Was mir neben der Geschichte besonders gefallen hat, war die lyrische, malerische Sprache, bei der jedes Wort mit Bedacht gewählt wurde. Ich hoffe sehr, dass das bei der deutschen Übersetzung nicht zu sehr verloren geht. Allen, die gerne auf Englisch lesen, empfehle ich das Original, aber auch die deutsche Ausgabe ist lesenswert.

Und damit diese Rezension eine runde Sache wird, lasse ich euch zum Schluss eine Frage da, die sich wunderbar auf den Anfang bezieht und die wir uns viel öfter stellen sollten: “Who benefits, my dear, when you force yourself to not feel angry?” (208)

Bewertung vom 18.12.2024
Als wir im Schnee Blumen pflückten
Harnesk, Tina

Als wir im Schnee Blumen pflückten


gut

Der Titel hat mir richtig gut gefallen und auch die Prämisse klang spannend: eine Frau verheimlicht ihrem dementen Ehemann, dass sie schwer erkrankt ist und versucht stattdessen mit Hilfe einer KI-Stimme in ihrem Handy, ihren verschollenen Ziehsohn zu finden.

Aber leider ist diese Storyline nur eine von vielen und schöpft ihr Potenzial nicht aus. Es mag auch sein, dass ihr hier einfach eine falsche Vorstellung hatte, aber ich hätte mir diesen Teil der Geschichte irgendwie witziger vorgestellt.

Zudem springt die Erzählung zwischen verschiedenen Ebenen und Perspektiven, was mich ehrlich gesagt ein wenig verwirrt hat. Das ständige Hin und Her macht es für mich unnötig schwer, in die Geschichte einzutauchen und die Charaktere kennenzulernen. Es braucht auch immer kurz am Anfang eines Kapitels, um sich in die entsprechende Konstellation einzufinden.

Ich bin dennoch froh, dass ich bis zum Ende durchgehalten habe, denn im letzten Viertel hat es mich dann doch irgendwie gepackt. Es kommen einige Informationen ans Licht, die noch einmal beeinflussen, wie man das Gelesene bzw. Gehörte wahrnimmt und der Abschluss von Mariddjas und Bieras Geschichte war gleichzeitig traurig und auch was fürs Herz.

Das letzte Kapitel wirkte auf mich dann leider etwas aufgesetzt und so, als hätte man es angehängt, um eine politische Aussage zu machen. Schade nach diesem eigentlich sehr schönen Schluss.

Was mich aber leider am meisten gestört hat - und das ist eher selten der Fall - ist die Sprache. Auf der einen Seite wurden die blumigsten Metaphern verwendet und die Sätze lasen sich fast lyrisch, auf der anderen Seite fanden sich eher derbe, schroffe Worte und das hat für mich überhaupt nicht zusammengepasst. Ich habe mich öfter dabei ertappt, wie ich mit den Augen gerollt habe, wenn ein ganz trivialer Sachverhalt poetisch überhöht wurde.

Ich glaube, zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich nicht die richtige Leserin für das Buch war. Ich bin mir aber sicher, dass es anderen Menschen bestimmt richtig gut gefällt, weil durchaus viel Potenzial drin steckt. Also lasst euch von meiner Meinung nicht abschrecken!

Bewertung vom 18.12.2024
Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


ausgezeichnet

Anna Brüggemanns Wenn Nachts die Kampfhunde Spazieren Gehen ist laut Cover ein „Roman über Mütter und Töchter“. Und das trifft es eigentlich schon richtig gut, denn alles, das passiert, lässt sich in irgendeiner Form auf die Beziehung zur Mutter oder aber auch zwischen den Schwestern zurückführen.
Den Roman zu besprechen fällt mir nicht ganz leicht, denn ich finde, dass das, was man beim Lesen empfindet, sehr viel Intimes preis gibt. Je nachdem, wie man die eigene Beziehung zur Mutter und vielleicht auch zu Schwestern erlebt hat, wird man ganz unterschiedlich auf das Buch reagieren. Und ob ich jetzt unbedingt meine familienbezogenen Traumata offenlegen möchte, weiß ich auch nicht… 😊
Ganz unabhängig davon lässt sich aber sagen, dass der Autorin ein wirklich guter Roman gelungen ist. Keine der drei Protagonistinnen bleibt verschont von einer knallharten Analyse ihrer Schwachstellen und Probleme, und während sich die Töchter mal mehr, mal weniger reflektiert mit ihren Traumata auseinandersetzen, so bleibt die Mutter bis zum Schluss auf einer sehr oberflächlichen Ebene und scheint sich gar nicht zu trauen, sich ihre Psyche mal genauer anzusehen – das macht sie nur bei Fremden, denn sie ist Psychologin.
Mich hat beeindruckt, wie genau Anna Brüggemann das komplexe Zusammenspiel der drei Empfindlichkeiten seziert und offenlegt und dabei ständig den Finger in der Wunde hat, ohne einen moralischen Zeigefinger zu erheben. Und dennoch gelingt es ihr, zu zeigen, dass wir zwar anerkennen können, dass äußere Faktoren an unseren psychischen Problemen Schuld haben können, wir aber selbst Verantwortung übernehmen müssen, um uns und zukünftige Generationen von der Last des transgenerationalen Traumas zu befreien.
Der Roman bildet meiner Meinung nach gut ab, wie Traumabewältigung und generell Selbstreflektion und die Beschäftigung mit der eigenen psychischen Gesundheit in den unterschiedlichen Generationen stattfinden. Von den Boomern (Regina) über die Millenials (Wanda und Antonia) bis hin zu Gen Z (Celina) wird die Kommunikation immer ein Stück ehrlicher, offener, selbstreflektierter und dadurch letztendlich weniger schädlich. (Versteckte) Misogynie und Machtspiele nehmen ab, während Authentizität und Lebensfreude zunehmen.
Ich könnte noch sehr viel mehr dazu schreiben und tiefer in die Analyse der einzelnen Figuren gehen (besonders spannend finde ich zum Beispiel die Frage der Identitätskonstruktion und -aufrechterhaltung: Während Regina jedwede Kritik von sich abperlen lässt, konstruiert Wanda eine möglichst ideale aber komplett unauthentische Persönlichkeit und Antonia scheint auf alles Identitätsstiftende zu verzichten). Aber dann würde ich vermutlich schon zu viel vom Inhalt verraten müssen und das möchte ich natürlich nicht.