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Benutzername: 
Mikk

Bewertungen

Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 03.01.2023
Liebewesen
Schmitt, Caroline

Liebewesen


sehr gut

Das Cover zu Lebewesen finde ich provokativ und schön und hat mich direkt angesprochen. Thematisch hat es mich ebenfalls laut Klappentext abgeholt.
Nach der Lektüre des ganzen Debütromans von Caroline Schmitt bin ich sehr begeistert und das aus vielen Gründen. Zum einen finde ich das Thema der ungewollten Schwangerschaft ein sehr wichtiges. Mutter zu sein ist nunmal nicht das höchste Ziel einer jeden Frau und die Abgabe des eigenen Körpers an ein weiteres Lebewesen - gewollt oder nicht gewollt - wird viel zu selten thematisiert und als notwendiges Übel hingenommen. Zum anderen wird auch das eigene Körpergefühl der Protagonistin angesprochen, ihre Abneigung des eigenen Körpers aufgrund vieler traumatischer Erlebnisse in ihrem bisherigen Leben. Auch der Unwille mit anderen Menschen intim werden zu wollen, sei es jetzt aufgrund traumatischer Erlebnisse oder aufgrund der eigenen legitimen Abneigung dazu generell intim mit jemanden zu sein, sollte vermehrt in den Fokus rücken.

Alles in allem ein wichtiges Buch und es hat mir viel Freude beim lesen bereitet. Die Sprache der Autorin ermöglichte es mir durch die Geschichte zu fliegen, ohne dabei den Inhalt aus den Augen zu verlieren. Top.

Bewertung vom 19.11.2022
Die Bücher, der Junge und die Nacht
Meyer, Kai

Die Bücher, der Junge und die Nacht


ausgezeichnet

Kai Meyer habe ich schon als Kind sehr gerne gelesen und ihn dann bis jetzt als Autor aus den Augen verloren.
„Die Bücher, der Junge und die Nacht“ dreht sich um die Buchleidenschaft, verbundene Verhängnisse und familiäre Geheimnisse.
Die Geschichte teilt sich in Abschnitte auf, die drei Zeiten in Deutschland wiederspiegeln. 1933 zu Beginn der brutalen Machenschaften der Nationalsozialisten, 1943 während des zweiten Weltkriegs und 1971 und der Teilung von Deutschland. Im Fokus aller Teilgeschichten steht Jakob Steinfeld, ein Buchbinder in Leipzig und später sein Sohn Robert, der die eigene Familiengeschichte ausgräbt; die Familie Pallandt, Buchverlegende mit einem Hang dazu, die eigene Geschichte eher zu verschleiern; und ein einzelnes Buch, dass sich als roter Faden durch alle Jahrzehnte spannt.

Die Geschichte hat mich thematisch bei meiner Leseleidenschaft gepackt. Ein Buch zu lesen welches sich mit Bücher im weitesten Sinne auseinandersetzt, gespickt mit allerhand Wendungen, dichten und wirkungsvollen Beschreibungen - das las sich wirklich sehr schnell. Meyer schreibt viel Fantasy, deshalb hebt sich dieses Buch schon deutlich ab. Aber ich würde es dennoch als spannend und fantasievoll beschreiben.

Bewertung vom 31.10.2022
Für euch
Sayram, Iris

Für euch


sehr gut

Das Thema umfasst das Aufwachsen eines kleinen Mädchens in einfachen, bildungsarmen Verhältnissen; zwischen den Kulturen der deutschen Mutter und des türkischen Vaters.

Der Vater, nicht sonderlich bemüht um die soziale und finanzielle Situation der ganzen Familie, lebt so in den Tag und vertreibt sich die Zeit mit Kumpanen in Cafés und vor den Bildschirmen der Wettbüros. Die Mutter, man würde sie als einfache Frau beschreiben, wirkt grundehrlich und bemüht sich gegensätzlich zum Vater um Jobs und das finanzielle Wohl, damit es der Tochter Iris gut geht. Leider nicht immer zum gefallen der Tochter, da es auch in die anrüchige Ecke der Lohnarbeit geht. Erst, als die Tochter ihre Mutter letztendlich pflegt, kann sie mit Abstand auf die Vergangenheit und das Aufwachsen in dieser Familie blicken und auch die Beziehung zu ihrer Mutter besser einordnen.
Mir gefallen solche Aufstiegsgeschichten immer sehr gut. Die Autorin schafft es, einen warmherzigen und respektvollen Umgang mit dem eigenen Leben und dem Leben ihrer Mutter zu finden. Ich nehme den Schreibstil als sehr schonungslos, aber auch grundehrlich wahr und habe mich sehr in die Geschichte mit hinein gefühlt.

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Bewertung vom 18.10.2022
Intimitäten
Kitamura, Katie

Intimitäten


sehr gut

Ein tolles Buch, Katie Kitamura hat ganze Arbeit geleistet. Die Protagonistin verdient sich ihr Geld am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, nachdem sie vorher noch in New York gelebt hatte. Es tritt etwas ein, womit sie nicht gerechnet hätte: sie verliebt sich in Adriaan, der einerseits alles bietet was sie sucht und andererseits noch mit seiner derzeitigen Frau verheiratet ist - mit Aussicht auf Scheidung. Während das Warten auf die Scheidung die Stimmung drückt, steht die Protagonistin in einem moralischem Dilemma bezüglich eines Prozesses gegen einen Kriegsverbrecher.
Die Autorin schafft es von vorne bis hinten mit einem großartigen Schreibstil die menschlichen Empfindungen und auch die damit zusammenhängende Sprache zu beschreiben und eine dichte Geschichte zu weben. Mir gefällt es sehr, wie man auch als lesende Person mit in moralische Empfindungen verwickelt wird und sich die Frage stellt "Wie würde ich handeln?". Große Leseempfehlung.

Bewertung vom 11.10.2022
Ich verliebe mich so leicht
Le Tellier, Hervé

Ich verliebe mich so leicht


schlecht

Der Held fliegt nach Schottland zu seiner Heldin. Keine klassische Liebesgeschichte. Eher eine Affäre die in Paris begann und jetzt nicht endet aber auch nicht so richtig voran geht. Held in einem Midlifecrisis-ähnlichen Zustand, Heldin deutlich jünger und irgendwie merkwürdig gefühlskalt. Er fliegt, er checkt ein, sie reden (kaum), beobachten eine Raupe, essen, er geht schlafen und fliegt wieder zurück.
Ich weiß wirklich nicht so viel hiermit anzufangen. Diese zwei Menschen Held und Heldin zu nennen geht irgendwie an der Tatsache vorbei, dass etwas passiert und die Interaktion beider nicht heldenhaft ist. Es wirkt zwischendurch wie ein Theaterstück, aber dafür hätte es auch zu wenig Inhalt. Nicht feinfühlig über die Liebe. Und auch kein Hecht im Karpfenteich (Deutschlandfunk Kultur, ernsthaft?). Nach „Die Anomalie“ bin ich von Hervé Le Telliers neuer Blättersammlung echt enttäuscht.

Bewertung vom 11.10.2022
Anleitung ein anderer zu werden
Louis, Édouard

Anleitung ein anderer zu werden


gut

Louis hat in jungen Jahren schon einiges mitgemacht. Das Buch ist eine sehr genaue Beschreibung seiner Veränderung vom armen Jungen, der sich so sehr eine andere Zukunft wünscht, hin zu einem komplett anderen Menschen. Er beschreibt seinen Kampf um Akzeptanz seiner selbst und die der anderen Menschen in seinem Heimatdorf. Wie er seinen Traum mehr zu erreichen als seine Eltern nie aus den Augen verliert und schließlich nach Amiens zieht, seine erste beste Freundin und das Leben einer gehobenen Gesellschaft kennenlernt und seine einstigen Ziele nicht mehr genug waren. Er will weiter kommen, mehr lernen, lesen, leben. Er schafft es immer wieder seine Vorstellungen selbst zu übertreffen und legt eine Entwicklung hin, die wahrlich bemerkenswert ist. Ein Aufsteiger, ein Klassenüberschreiter.

Ich bewundere seine Energie, Armut und die soziale Hoffnungslosigkeit des Dorfes zu entfliehen. Seine Auffassungsgabe genau zu bemerken, was er lernen muss, um sich anzupassen. Aber irgendwie ging mir sein Verhalten im Buch teilweise sehr gegen den Strich. Und ja, ich weiß natürlich auch, dass er eine ganz andere Einstellung hat als ich, mit anderen Themen und Stigmatisierungen kämpfen musste. Aber diese Anspruchshaltung an sich, besser zu sein, sich mehr Wissen anzueignen, wurde auch immer auf andere Menschen übertragen. Dass seine Eltern natürlich aus seinem Leben quasi gestrichen wurden, da die Wut und Verzweiflung über seine Kindheit zu groß war, kann ich nachvollziehen. Aber mir fehlte die Einordnung, dass auch seine Eltern aus Gründen in solch eine Situation gekommen sind, aus Perspektivlosigkeit und Resignation. Kann man es Menschen vorwerfen, dass ein hoffnungsloser Alltag nicht immer dazu einlädt, etwas besseres aus sich zu machen?

Bewertung vom 03.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


sehr gut

Cho Nam-Joo hat wieder einmal ein tolles Buch geschrieben, dass uns in den Alltag von Frauen lockt, dessen Stimmen zum einen bislang wenig gehört werden, jedoch auch sehr nachvollziehbar erscheinen.
Die Autorin stellt dem Leser/ der Leserin acht Frauen vor, die alle mit anderen Themengebieten zu tun haben. So werden das Älterwerden, die weiblich gelesene und stigmatisierte Rolle von Frauen in der Gesellschaft, aber auch der Umgang mit sexueller Übergriffigkeit angesprochen und verarbeitet.
Die Themen lassen sich gut nachvollziehen und stellen wieder einmal eine gesellschaftliche Kritik durch die Autorin dar. Obwohl es Kurzgeschichten sind, kann man sich doch ein gutes Bild machen und es wirkt nicht zu abgehackt; aber man muss den Schreibstil und Verarbeitung der Geschichten natürlich mögen. Das Buch lässt sich allerdings auch gut in Häppchen lesen. Gutes Zweitlings-Werk.