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Waldeule

Bewertungen

Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 10.01.2022
Unser kostbares Leben
Fuchs, Katharina

Unser kostbares Leben


ausgezeichnet

Ein richtig schöner Schmöker, der nicht nur unterhaltsam ist, sondern auch viel Zeitgeist aus den 1970er-Jahren vermittelt. Mir hat das Buch aus verschiedenen Gründen sehr gut gefallen.

Zum einen fand ich es nahe dran an den Protagonistinnen. Wir dürfen die Freundinnen Minka und Caro und deren Adoptivschwester Claire über ein Jahrzehnt hinweg begleiten. Als LeserIn erleben wir sie zunächst als Kinder, dann als suchende Jugendliche und letztlich als junge Frauen, die ihren eigenen Weg finden. Die Kapitel sind sehr leserInnenfreundlich mit den Namen der handelnden Personen überschrieben, wobei in diesen immer wieder auch Personen aus dem Umfeld der Mädchen in den Mittelpunkt gerückt werden. So ergibt sich nach und nach ein sehr umfassendes Bild vom Aufwachsen in einer Kleinstadt.

Zum anderen fand ich das Buch sehr lebensnah. Es gibt Höhen und Tiefen im Leben der drei Charaktere und diese dürfen wir miterleben. Aber dabei bleibt das Buch immer realistisch und ausgewogen, ohne übertriebene Dramatik. Wie im wahren Leben bleiben manche Fragen offen und nicht alle Ziele können erreicht werden. Doch immer wieder gibt es Etappenfolge zu feiern und darauf liegt der Fokus. Das fand ich wesentlich realistischer und angenehmer zu lesen, als wenn sich alle Probleme in Wohlgefallen aufgelöst hätten.

Besonders begeisterte mich die sehr gut vermittelte Atmosphäre der 1970er, wozu auch die eingestreuten Liedtexte dieser Zeit beitragen (die man dann unvermittelt mitsummt). Die Details des ganz normalen Alltags werden dabei genauso thematisiert wie die große Politik. Sicher nicht zufällig spielt die Handlung hauptsächlich 1972, 1976 und 1980, jeweils die Jahre einer Bundestagswahl. Ich habe etliches über die politische Entwicklung Deutschlands zur damaligen Zeit erfahren und wurde angeregt, einiges nachzulesen. Ich mag Bücher, die das anstoßen. Großes Augenmerk wird auf die gedankenlose Umweltzerstörung und die darauf entstehende Gegenbewegung gelegt. Für mich in dieser Zeit geborene war es sehr interessant, die damaligen Geschehnisse literarisch mitzuerleben.

Das Aufwachsen der drei Mädchen und die gesellschaftlichen und politischen Schilderungen sind dabei sehr geschickt ineinander verwoben und bilden ein perfektes Ganzes. Daneben ist das Buch sehr gut und anschaulich geschrieben und so entwickelt die Geschichte schnell einen Lesesog, den ich mich nicht entziehen konnte. Wie ganz am Anfang schon geschrieben: ein tolles Buch zum wegschmökern, das darüber hinaus auch noch einiges mitgibt. Fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung für alle Interessierten an dieser Zeit.

Bewertung vom 31.12.2021
Das Geheimnis des blauen Skarabäus
Michéle, Rebecca

Das Geheimnis des blauen Skarabäus


sehr gut

Ägypten 1921 – die Suche nach den Gräbern der Pharaonen ist in im vollem Gang. Auch Cleo, eine junge Engländerin, deren Vater als Archäologe arbeitet, lässt sich vom Fieber anstecken. Der abenteuerliche Roman führt von den grünen Hügeln Cornwalls über das quirlige, exotische Kairo in die heiße und staubige Wüste Ägyptens. Dabei bin ich Cleo und ihren Reisegefährten sehr gerne gefolgt.

Überhaupt habe ich mich sehr gefreut, eine Neuerscheinung aus der Hoch-Zeit der archäologischen Ausgrabungen in Ägypten entdecken zu können, habe ich von diesem Genre doch schon viel zu lange nichts mehr gelesen. Ich wurde dabei nicht enttäuscht, denn das Buch ist sehr kurzweilig, spannend und entführt in vergangene Zeiten und ferne Länder. Der Zeitgeist der 1920er, in dem die starren englischen Standesunterschiede so langsam aufbrechen, ist deutlich zu spüren. Dabei bleibt das Buch aber immer realistisch und nachvollziehbar.

Immer wieder kam es zu überraschenden Wendungen, die aber sehr gut ins Gesamtbild passen. Als LeserIn lässt es sich prima miträtseln, welches Geheimnis sich hinter dem blauen Skarabäus verbirgt. Das Buch ist eine gelungene Mischung aus Abenteuerroman, Historie, Krimi und Liebesgeschichte. Mit über 400 Seiten ist es kein dünnes Buch, für mich hätte es gerne aber auch noch länger sein dürfen. Ich habe die Atmosphäre sehr genossen und konnte die Seiten so richtig wegschmökern. Manche Szenen gingen mir sogar etwas zu schnell.

Die Hauptperson Cleo ist sehr sympathisch und hat genau die richtige Kombination aus Angepasstheit, die zu der Zeit von jungen Frauen erwartet wurde, und eigener Ziele. Alle Protagonisten sind erfreulicherweise in Grautönen und nicht in starres schwarz-weiß gezeichnet und haben so ihre positiven und negativen Seiten.

Fazit: Ein gelungener Abenteuerschmöker, bei dem auch Kopf und Herz nicht zu kurz kommen.

Bewertung vom 31.12.2021
16 Uhr 50 ab Ellingen
Sigrun Arenz

16 Uhr 50 ab Ellingen


ausgezeichnet

„Ein fränkisch-britischer Kriminalroman“ so steht auf dem Cover des Buches und das trifft es meiner Meinung nach sehr gut. In bester Agatha-Christi-Tradition geschieht ein unblutiger Mord innerhalb eines festgelegten Personenkreises – beste Voraussetzungen für die LeserInnen, selbst auf Tätersuche zu gehen. Dabei wimmelt es auf dem fränkischen Schlosshotel nur so von Verdächtigen, denn alle haben ihre Geheimnisse.

Neben der spannenden Suche nach dem Täter hat es mir vor allem die Atmosphäre des Buches angetan. „Britisch“ angehaucht ist nämlich nicht nur Titel und Krimigenre, sondern auch der stattfindende Winterball im Regency-Stil. Jane-Austen-LeserInnen kommen dabei voll auf ihre Kosten, denn trotz Mordermittlungen und Handy steckt das Buch voller Anspielungen auf ihre Geschichten.

Es ist also ein ganz wundervoller Retro-Krimi, der trotzdem modern und frisch wirkt. Die Auflösung ist durchaus ungewöhnlich, trotzdem nachvollziehbar und stimmig. Und auch die übrigen Geheimnisse werden überzeugend aufgedeckt.

Fazit: Für mich stimmt hier eigentlich alles: Atmosphäre, Schreibstil, (verdächtige) Personen und Handlung. Ich habe das Buch sehr genossen.

Bewertung vom 31.10.2021
Die Enkelin
Schlink, Bernhard

Die Enkelin


ausgezeichnet

Lebenslinien eindringlich erzählt

Bernhard Schlink ist ein begnadeter Erzähler. Das zeigt er auch wieder in seinem neusten Roman „Die Enkelin“. Er beherrscht die Kunst, in wenigen Worten sehr detailreich mit vielen Zwischentönen ganze Lebensgeschichten zu erzählen. Den eindringlichen und sehr nahe gehenden Schreibstil Schlinks finde ich auch in diesem Roman beeindruckend und ich mag die große spürbare Empathie zu den Personen.

Trotzdem schafft es Bernhard Schlink, mich in seinen Büchern immer wieder zu überraschen. Das gelingt ihm auch hier, als die melancholische Spurensuche Kaspars nach der Vorgeschichte seiner verstorbenen Frau plötzlich endet und er vor einer ganz neuen Herausforderung steht: Wie umgehen mit dem völkischen Gedankengut unserer Zeit? Hielt ich die Darstellung dieser sehr traditionellen Lebensweise zunächst für übertrieben, hat mich eine kurze Internetrecherche eines besseren belehrt. Schlink hat es hier (wieder) geschafft, mit dem Aufgreifen dieser real existierenden Parallelwelt meiner Weltsicht neue Facetten hinzuzufügen.

Dabei werden immer wieder auch ganz große Lebensfragen aufgeworfen: Wann ist es besser zu gehen, wann zu bleiben? Großmutter, Mutter und Tochter müssen auf diese Frage eine Antwort finden, ihre eigenen Entscheidungen treffen und vor allem damit leben. Mit ruhigen Worten, aber umso intensiver spürt Schlink dem Leben dieser Frauen nach, zusammengehalten durch die Hauptperson Kaspar. Die Lebensgeschichten der Protagonisten werden dabei gekonnt miteinander verwoben und ich bewundere den Autor, auf nicht einmal 400 Seiten so viel erzählen zu können.

Einzig mit dem Mädchen Svenja hatte ich zum Teil einige Probleme. Ob ihre fast märchenhafte Entwicklung in der Realität wirklich so sein könnte?

Fazit: Wie gewohnt beschreibt Bernhard Schlink mit leisen, aber eindringlichen Tönen das Schicksal seiner Protagonisten. Für mich ein besonderes Lesehighlight, deshalb auf jeden Fall empfehlenswert!

Bewertung vom 23.08.2021
Hauskonzert
Levit, Igor;Zinnecker, Florian

Hauskonzert


sehr gut

Ungewöhnliches Porträt eines außergewöhnlichen Menschen

Für mich war das Buch weniger eine klassische Biografie als mehr ein Einblick in das Leben des Ausnahmemusikers und Aktivisten Igor Levit. Er und der Autor Florian Zinnecker zeigen uns Höhen, aber auch Tiefen und Zweifel seines Schaffens und bisherigen Werdegangs. Das Buch ist zur Zeit der Corona-Lockdowns erstanden, in dem Igor Levits Leben zwangsläufig komplett umgekrempelt wird.

Die beiden haben eine sehr ungewöhnliche Erzählweise gewählt. Ohne zeitliche Abfolge werden immer wieder Episoden und Ereignisse aus dem Leben Igor Levits herausgegriffen und beleuchtet. Dabei springen die beiden im Leben Igor Levits vor und zurück und greifen manche wichtige Wendepunkte immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten auf. Das ist kurzweilig und aufschlussreich, auf Dauer aber auch sehr anstrengend, da mir teilweise ein durchgehender roter Faden gefehlt hat. Viele Szenen werden anhand wörtlich widergegebener Gespräche oder Vorträge geschildert. Auch das ist für mich eine ungewöhnliche Vorgehensweise, die mir zwar die Gedanken Igor Levits näherbringen, aber ebenfalls fordernd beim Lesen ist.

Inhaltlich war es für mich ein Blick über meinen Tellerrand hinaus, da ich bislang wenig Zugang zu klassischer Musik hatte. Das hat sich durch das Buch geändert, denn Florian Zinnecker schildert z. B. das Spiel der Waldsteinsonate von Beethoven so mitreißend, dass ich gar nicht anders konnte, als mir dieses und auch andere Musikstücke anzuhören. Diese tolle Beschreibung von Musik war für mich ein wesentlicher Pluspunkt des Buches.

Ansonsten erfahre ich zwar viel über das Leben und Denken von Igor Levit, doch es bleiben Lücken. Zum Teil werden viele Details geschildert, wie bei seiner musikalischen Prägung, zum Teil bleibt anderes, was mich interessiert hätte, wie Näheres zu seinen politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten, aber unerzählt. Oder ist das Buch nur für Fans gedacht, die seine Aktivitäten in den (sozialen) Medien sowieso verfolgen? Das wäre aber sehr schade! Igor Levit wird als „ganz normaler Mensch“ beschrieben, nicht als musikalisches Wunderkind und auch seine Schwierigkeiten und Zweifel haben ihren Platz. So bin ich als Leserin sehr nah an ihm dran, was mir gut gefallen hat und einen durchaus kritischen Blick hinter die Kulissen des klassischen Musikbetriebes ermöglicht.

Fazit: Was bleibt ist eine äußerst ungewöhnliche Biographie eines außerordentlichen Menschen. Durchaus lohnenswert, aber so ganz überzeugen konnte sie mich aufgrund der teilweise anstrengenden Schreibweise nicht. Es bleiben einzelne Gedanken im Kopf, wenig aber vom großen Ganzen – außer den tollen Beschreibungen von Musik.

Bewertung vom 10.06.2021
Die fremde Spionin / Die Spionin Bd.1
Müller, Titus

Die fremde Spionin / Die Spionin Bd.1


ausgezeichnet

„Geschichte in Geschichten zu erzählen ist Titus Müllers großes Talent.“ Dieses Zitat von Bayern 2 steht auf der Rückseite dieses Buches und selten trifft ein Zitat so sehr zu wie hier. „Die fremde Spionin“ ist eine sehr spannende fiktive Geschichte über eine junge Frau in Ost-Berlin, die unversehens zwischen die Fronten der Geheimdienste gerät. Es ist aber auch ein packendes Zeitdokument über die Geschehnisse kurz vor und während des Mauerbaus.

Gleich von Anfang an hat mich die Spionagegeschichte in den Bann gezogen, denn es beginnt mitreißend und spannend. Nach und nach lernen wir die Protagonisten kennen, die sehr gut ausgearbeitet sind. Mitten zwischen BND, KGB und Stasi ist Ria, eine junge Sekretärin im Ministerium für Außenhandel der DDR in Berlin. Ihre eigene Geschichte ist eng mit dem jungen Staat verwoben und bringt sie zum Spionieren.

Sehr gut gefallen haben mir die Grautöne der Figuren, hier hat jeder Hauptcharakter Licht- und Schattenseiten, ein einseitiges schwarz-weiß gibt es glücklicherweise nicht. Sehr mitreißend agieren so die Personen und die Seiten verfliegen im Nu. Das Ende war mir persönlich etwas zu actionlastig (anderen wird gerade das gefallen) und so habe ich den Bezug zu den Figuren etwas verloren, doch das ist nur ein kleiner Kritikpunkt. Umso mehr freue ich mich auf den nächsten Band, denn „Die fremde Spionin“ ist der (abgeschlossene) Auftakt zu einer Trilogie, die mit den Geschehnissen 1989 enden wird.

Überhaupt ist der historische Bezug eine der weiteren großen Stärken des Buches. Ich fühlte mich mitgenommen in das Leben sowohl in Ost- als auch in Westberlin des Jahres 1961. Sehr atmosphärisch werden dabei viele kleine Details aus dem Alltagsleben erwähnt. Großen Spaß hatte ich z. B. bei den Beschreibungen der Tätigkeiten einer Sekretärin wie dem Schreiben auf der mechanischen Schreibmaschine oder dem aufwändigen Kopieren einer Seite.

Aber auch die große Politik kommt nicht zu kurz und für mich war es sehr aufschlussreich und spannend, die damaligen historischen Ereignisse in dieser Form miterleben zu dürfen. Dabei sind die vielen Informationen geschickt in die Handlung eingebunden, so dass die Geschehnisse ganz selbstverständlich und nebenbei geschildert werden. So wird Geschichte äußerst spannend erlebbar!

Fazit: Hier stimmt die Story, die Charaktere, die Hintergrundinformationen und vor allem die Atmosphäre. Unterhaltsam, spannend und lehrreich. Eine ganz klare Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2021
Die 12 Glücksbringer
Merten, Michaela;Franckh, Pierre

Die 12 Glücksbringer


ausgezeichnet

Auf der Suche nach dem Glück

Bin ich nach der Lektüre glücklicher? Diese Frage muss sich das Buch mit dem vielversprechenden Titel „Die 12 Glücksbringer“ durchaus gefallen lassen. Michala Merten und Pierre Franckh haben darin zwölf „Glücksformeln“ verschiedener AutorInnen gesammelt. Auf vielfältige Art und Weise wird sich so dem Thema Glück genähert und ganz unterschiedliche Antworten und Tipps zum Finden des persönlichen Glücks gegeben. Von den Vorgängen im Gehirn beim Ausschütten von Glückshormonen über den Blick in die eigene Kindheit und der Suche nach dem Glück hinter dem Glück hin zur Selbstwahrnehmung und der Erfüllung eigener Bedürfnisse ist es ein buntes Potpourri an Gedanken und Ideen, das die Herausgeber hier zusammengetragen haben.

Diese unterschiedlichen Herangehensweisen – tatsächlich hat sich nur eine davon wiederholt – fand ich sehr spannend und aufschlussreich. Es gibt nicht einen Weg zum Glück, sondern – je nach eigenem Charakter und persönlicher Lebenssituation – ganz unterschiedliche. Manche Kapitel haben mich sehr bereichert, weil sie momentan genau passen – andere hingegen weniger. Natürlich kann ein Gedanke auf den ca. 15 Seiten eines Kapitels nur grundlegend erörtert werden, aber mir hat diese Verknappung auf das jeweils Wesentliche sehr gut gefallen. Durch die weiterführenden Angaben zu AutorInnen, Verweise auf Literatur, Websites oder Podcasts gibt es viele Möglichkeiten, die persönlich ansprechendsten Ideen weiterzuverfolgen. Da ich ansonsten keine Ratgeber zu diesem Thema lese, waren mir die Inhalte und auch die Autoren weitgehend unbekannt und so empfand ich diese Zusammenstellung als eine große Bereicherung für mein Leben.

Alle Beiträge liesen sich gut lesen und sind kurzweilig geschrieben. Für mich war es aber keine Lektüre nebenbei, sondern ein richtiges „Arbeitsbuch“. Ich bin eingetaucht in das Buch und seine „Rezepte“ und habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, was Zeit und Energie benötigte. Aber für mich war es wichtig und richtig, mir dazu viele Gedanken und Notizen zu machen, um einen möglichst großen Nutzen aus dem Buch ziehen zu können.

Noch ein Wort zur Aufmachung: diese gefällt mir (außer dem Cover) sehr gut. Es ist in dem sehr handlichen Format der GU-Ratgeber und das Rot des Covers zieht sich durch das gesamte Buch. Den verschiedenen Kapiteln sind unterschiedliche Rottöne zugeordnet, in dem (Zwischen-)Überschriften und Wissenswertes geschrieben sind. Das fand ich sehr übersichtlich und ansprechend.

Bevor ich zur Ausgangsfrage zurückkomme möchte ich noch erwähnen, dass ich vorher weder unglücklich noch auf der Suche nach dem Glück war, sondern zum Buch allein aus Interesse an den verschiedenen Herangehensweisen gegriffen habe. Trotzdem: bin ich nach der Lektüre „glücklicher“? Nun auf alle Fälle bin ich reflektierter, achtsamer, aufmerksamer und achte mehr auf meine Bedürfnisse. All das Facetten des Glücks, wie ich gelernt habe. Und ja, dadurch würde ich mich als ein kleines bisschen glücklicher bezeichnen. :-) Von daher: Daumen hoch und eine klare Leseempfehlung von mir für alle, die sich für das Glück interessieren.

Bewertung vom 28.03.2021
Die Roseninsel
Reitner, Anna

Die Roseninsel


sehr gut

Alte Wunden heilen und unerwartete Wunder geschehen

Idyllischer Schauplatz des Romans ist die Roseninsel im Starnberger See. Ganz zu Recht wurde sie im Buchtitel verewigt, denn für mich steht dieser wunderbare und außergewöhnliche Handlungsort im Mittelpunkt des Buches. Die junge Berlinerin Liv hat sich auf die Roseninsel zurückgezogen, um über ein traumatisches Ereignis hinwegzukommen, während für das Mädchen Magdalena in einem zweiten Zeitstrang über 100 Jahre vorher die Roseninsel zum Gefängnis wird. Beide dürfen wir im Buch auf einem Stück ihrer Lebenswege begleiten.

Es ist ein perfektes Buch zum Abtauchen und Entspannen. Fast meditativ begleiten wir Liv bei der Gartenarbeit und Magdalena bei ihren Spaziergängen um die Insel. Das Buch nimmt sich Zeit, in die Personen, in die Geschichten und vor allem in das Umfeld und die Atmosphäre der malerischen Roseninsel einzuführen. Lange Zeit ereignet sich zwar wenig, doch langweilig ist das Buch nie. Ich fühlte mich selbst auf die einsame Insel versetzt und konnte die geruhsamen Momente miterleben. Ideal zum Abschalten!

Mit Magdalena erleben wir eine ganz besondere (Hoch-)Zeit Bayerns – die Zeit des Prinzregenten Luitpolds am Ende des 19. Jahrhunderts. Zwar ist ihre Geschichte fiktiv, doch die Roseninsel und ihre Vergangenheit sind real und daran lehnt sich die Autorin gekonnt an. Es gibt ein paar Ungereimtheiten vor allem im zeitlichen Ablauf, über die ich gestolpert bin, doch sind sie so unwichtig, dass sie die Geschichte nicht weiter stören. Sie hätten nur nicht sein müssen.

Fazit: ein schöner Schmöker zum Abtauchen und Versinken in einer idyllischen Umgebung. Von mir gibt’s für die wunderbar entspannenden Stunden vier Sterne.

Bewertung vom 23.03.2021
Das Geheimnis der Themse
Goga, Susanne

Das Geheimnis der Themse


sehr gut

Susanne Goga entführt uns in ihrem neuen Buch nach London Ende des 19. Jahrhunderts. Es wird geheimnisvoll-mystisch, da Charlotte und Tom, ein junges Ehepaar, das manche/r Leser/in vielleicht schon aus „Der verbotene Fluss“ kennt, nach magischen Orten Londons suchen. Es knüpft zwar an die Geschehnisse des Vorgängerbandes lose an, doch kann man es auch wunderbar ohne dieses Vorwissen lesen.

"Das Geheimnis der Themse" ist ein schönes, atmosphärisches London-Buch, das mich mitgenommen hat in die Zeit der Industrialisierung und das damalige Umfeld mit ihren Licht- und Schattenseiten. Ein richtiges Buch zum Drin-Versinken und Abtauchen. Kurzweilig und spannend, aber nicht nervenaufreibend oder dramatisch. Das ein oder andere Detail ist überraschend, doch insgesamt ahnt man doch sehr schnell, auf welchen Höhepunkt das Buch zusteuert. Was aber zumindest bei mir dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan hat.

Die Hauptfiguren Charlotte und Tom sind sehr sympathisch und menschlich gezeichnet. Abwechslung in das „Erwachsenen-Leben“ bringt Strandsucher Alfie, mit dem die beiden auf ihren Recherchen zusammentreffen. Mir gefällt an den Büchern Susanne Gogas, das die Figuren wirklich „leben“ und im Alltag stehen und auch unangenehme Themen oder Entscheidungen sich nicht einfach Luft auflösen, sondern stimmig zu einem passenden Ende geführt werden.

Heimliche Hauptperson: die Themse und ihre Ufergebiete, die viel Lust machen auf den nächsten London-Besuch. Begeistert haben mich auch die vielen historischen Details, die Susanne Goga ganz geschickt in den historischen Roman eingebaut hat, seien es beeindruckende Bauwerke wie der Lesesaal des Britischen Museums oder tatsächliche Geschehnisse wie die Ausbildungsschiffe für Straßenkinder. Gerne hätte ich auch noch mehr über die verschiedenen magischen Orte, auf die Charlotte und Tom bei ihrer Suche stoßen, erfahren.

Fazit: Ein wunderbarer Schmöker zum Abtauchen voller historischer Atmosphäre. Eine ganz klare Leseempfehlung und gute vier Sterne.

Bewertung vom 07.03.2021
Die dritte Frau
Fleischhauer, Wolfram

Die dritte Frau


ausgezeichnet

Ein ungewöhnlich und erfrischend anderes Buch. Es vermengt verschiedene Aspekte, bleibt aber dabei sehr gradlinig und seinem roten Faden treu.

Ich tue mich etwas schwer, die Geschichte in Worte zu fassen, auch um nicht zu viel zu verraten. Die Geschehnisse eines namenlosen Autors, der als Ich-Erzählern von seiner Recherche in Frankreich berichtet, muss man selber entdecken. Das Buch knüpft dabei an den historischen Roman „Die Purpurlinie“ des gleichen Autors an, aber man kann ihn sehr gut eigenständig lesen. Zwar gibt es immer wieder Bezüge darauf, doch diese werden gut erklärt und zusammengefasst, so dass ich nie den Eindruck hatte, ich würde etwas verpassen, weil ich das Vorgängerbuch nicht kenne.

Die historische Spurensuche zu Henriette d´Entragues, einer Geliebten Heinrichs IV., zeigt, dass man historische Episoden auch spannend und anschaulich in der Gegenwart erzählen kann. Außerdem bringt es eine neue, ganz andere Sichtweise auf die damaligen Geschehnisse. Und es verknüpft Probleme der damaligen Zeit mit der heutigen, wie auch unser Ich-Erzähler in Laufe der Geschichte erfahren muss. Die Wendung kommt unerwartet, aber sehr gut eingebettet und stimmig.

Ob mir die Auflösung so gefällt bin ich mir, selbst einige Tage nach dem Beenden des Buches, nicht schlüssig. Aber er wirft Fragen auf, über die ich seitdem nachdenke und das ist ja auf alle Fälle ein sehr gutes Zeichen. Gut gefallen hat mir auch, dass der Autor diese Fragen nicht beantwortet, sondern es uns, den LeserInnen überlässt, darauf mögliche Antworten zu finden.

Gut gefallen haben mir auch die Einblicke in den Literaturbetrieb und den Entstehungsprozess eines Buches, zu denen vor allem Literaturagentin Moran beiträgt.

Das Buch hat von Anfang einen Lesesog entwickelt. Dazu trägt auch die gradlinige und kurzweilige Erzählweise dabei. Der namenlose Ich-Erzähler und sein Erleben bleiben dabei jederzeit im Mittelpunkt des Geschehens, er erzählt diese Geschichte und weicht davon nicht ab. So wird sich nicht in Nebenstränge verfranst, sondern sehr konsequent durcherzählt. Das hat hier sehr gut gepasst.

Fazit: Ein Buch, das ich zwar nicht wirklich einordnen kann, dass ich aber sehr gerne gelesen habe und mir einiges zum Nachdenken mitgibt. Kein „Mainstream“, aber auf alle Fälle lesenswert, wenn man sich literarisch abseits der ausgetretenen Pfade bewegt. Von mir gibt’s noch 5 Sterne.