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TanyBee

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 28.01.2019
Das Volk der Bäume
Yanagihara, Hanya

Das Volk der Bäume


ausgezeichnet

Schon auf den ersten Seiten erhalten wir eine Kurzzusammenfassung, worum es in diesem Buch geht. Es sind die Aufzeichnungen von Norton Perina, einem Wissenschaftler, über siebzig Jahre alt, Nobelpreisträger, der im Gefängnis sitzt wegen Missbrauchs. Die Aufzeichnungen sind mit einem Vorwort und Kommentaren seines wissenschaftlichen Mitarbeiters Ronald Kubodera versehen.
Norton Perina erzählt uns seine Lebensgeschichte, die vor allem nach Abschluss seines Medizinstudiums richtig interessant wird. Denn er bricht zu einer Forschungsreise auf, um zusammen mit einem Anthropologen ein völlig isoliert lebendes Volk auf einer mikronesischen Insel zu finden und zu studieren. Diese Reise wird sein ganzes Leben verändern, beruflich wie auch privat, denn er stößt dort auf eine Schildkrötenart, deren Verzehr den körperlichen Alterungsprozess verlangsamt, beinahe stoppt, nicht aber den geistigen Verfall.
Dieses Buch hat mich sehr fasziniert. Zum einem das Setting. Diese Inseln, auf denen die Regeln, nach denen wir hier leben, gar keine Bedeutung haben. Die Schilderung des Urwalds, mit seinen Tieren und Früchten. Sie ist so lebhaft, als wäre man selbst dort und müsste sich von dem ernähren, was der Wald zu bieten hat.
Und zum anderen wirft das Buch ständig neue ethische Fragen auf, über die man stundenlang diskutieren könnte! Ich will nicht zu viel verraten, aber hier einige Beispiele: Ist es in Ordnung, ein isoliert lebendes Volk zu stören? Dinge der Zivilisation in ihr Leben zu bringen? Und wenn das Volk Rituale hat, die bei uns strafbar sind, was soll man davon halten?
„Das Volk der Bäume“ ist ein Roman, der einem ständig durch den Kopf schwirrt. Ich habe gekocht und an Hunonos gedacht. Ich bin Auto gefahren und habe mit dem Schicksal der Träumer gehadert. Ich habe das Bad geputzt und über die Kinder nachgedacht, die Perina adoptiert hat. So ein Buch ist das!
Ich will keinesfalls spoilern, aber was mich auch begeistert hat, ist der Aufbau des Buches. Es sind Perinas Erinnerungen, kommentiert von einem Mitarbeiter (und Freund). Der Leser bekommt also eine sehr subjektive Erzählung präsentiert und die Wahrheit steht zwischen den Zeilen.
Und nun die große Frage, die sicher jeder stellen wird: ist das Buch so gut wie „Ein wenig Leben“? Ich finde es schwierig zu beantworten, da die Bücher so unterschiedlich sind. Was Ihnen gemeinsam ist: Die Wucht, die Intensität, mit der die Autorin erzählt. Mit der sie dem Leser den Boden unter den Füssen weg zieht. Für mich persönlich ist „Das Volk der Bäume“ besser als „Ein wenig Leben“. Ich mag das Setting: das Abenteuer, den Urwald, die Forschung. Ich liebe Bücher zu diesen Themen, deswegen bin ich da voreingenommen. Außerdem ist dieses Buch nicht ganz so schmerzhaft für den Leser wie „Ein wenig Leben“.
Zusammenfassend kann ich also sagen: Wen das Thema auch nur im Geringsten interessiert, der sollte das Buch lesen! Ich denke aber, dass es zu diesem Buch nicht nur positive Meinungen geben wird und bin sehr gespannt auf die Diskussion.

Bewertung vom 02.01.2019
Die Schneeschwester
Lunde, Maja

Die Schneeschwester


ausgezeichnet

Julian ist fast 10, an Weihnachten hat er Geburtstag und es sind nur noch wenige Tage bis dahin. Doch dieses Jahr ist alles anders, nichts ist weihnachtlich bei ihm zu Hause, es gibt kein bisschen Freude im Haus. Denn es wird das erste Weihnachten ohne seine Schwester sein, die gestorben ist. Doch dann tritt Hedvig in sein Leben, mit ihrem breiten Lachen und ihrer Lebensfreude.
Was für ein wunderwunderschönes Buch! Sowohl die Geschichte, als auch die Illustrationen sind herzberührend und magisch. Ich habe mich auf jedes einzelne Umblättern gefreut und war gespannt, was mich dort erwartet. Ich glaube nicht, dass es möglich gewesen wäre, bessere Illustrationen zu erschaffen. Sie sind nicht nur wunderschön, sondern sie vermitteln die Emotionen perfekt. Julians Eltern sind verständlicherweise sehr traurig. Er nennt sie "Elternkopien", da sie aussehen wie seine Eltern, aber sich kein bisschen so benehmen. Wenn man die Bilder der Eltern anschaut, kann man diese Traurigkeit förmlich in sich spüren. Und genauso sprühen die schönen Bilder vor Freude oder vor Gemütlichkeit. Und nicht nur die Bilder wecken Emotionen, auch die Geschichte. Ein paar Tränen haben sich beim Lesen in meine Augen geschlichen.
Das ganze Buch ist so liebevoll gestaltet. Der Einband hat sogar einen Hauch Glitzer. Das Buch ist einfach ein Gesamtkunstwerk. Die Geschichte ist einerseits sehr traurig, aber andererseits auch so voller Hoffnung und Freude. Sie berührt den Leser. Ein Weihnachtsmärchen für Erwachsene. Genau richtig.

Bewertung vom 30.10.2018
Die Unsterblichen
Benjamin, Chloe

Die Unsterblichen


ausgezeichnet

Würdest du das Datum deines Todes wissen wollen, wenn Du die Möglichkeit dazu hättest?

Varya, Daniel, Klara und Simon sind Geschwister und wachsen in New York auf. Sie hören von einer Wahrsagerin, die Leuten ihr Todesdatum voraussagen kann. Mit ihrer kindlichen Naivität machen sie sich auf, um sie suchen. Sie bekommen ganz unterschiedliche Voraussagen. Werden sich die Prophezeiungen erfüllen? Und was macht das mit einem Menschen, wenn man einen frühen Tod vorausgesagt bekommt? Lebt man sein Leben dann anders?

Diese Anfangsszene im Buch hat mich sehr fasziniert. Schon nach wenigen Seiten wusste ich: das wird gut. Der Leser begleitet die Familie von 1969 bis in die heutige Zeit. Auch wenn die Geschwister nicht richtig an die Prophezeiung glauben, so begleitet sie sie doch durch ihr Leben. Ich will nicht zu viel über die Handlung verraten, aber ich hatte oft Gänsehaut beim Lesen. Die Art, in der die Handlung erzählt wird, ist richtig gut konstruiert. Ich glaube, jeder Leser wird die Geschehnisse ein Stück weit unterschiedlich interpretieren. Und keine Angst: es rutscht nicht ins esoterische oder Übernatürliche ab.

Umso weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr tauchen philosophische Fragen auf: was ist ein lebenswertes Leben? Ein langes? Oder ein erfülltes? Ein selbstbestimmtes? Oder ein sicheres?

An manchen Stellen hätte ich vielleicht gerne noch ein wenig mehr über einige der Charaktere erfahren. Es werden nicht alle Fragen beantwortet, aber das macht auch zum Teil den Charme des Buches aus.

Mir hat dieser Roman sehr gefallen und ich habe ihn zwischendurch nur widerwillig aus der Hand gelegt. Die Autorin Chloe Benjamin ist noch so jung – ich bin sehr auf weitere Bücher von ihr gespannt.

PS: Übrigens ist das Buch wunderschön gestaltet, die Punkte auf dem Cover schimmern golden. Ein Schmuckstück für das Bücherregal.

Bewertung vom 25.09.2018
Deutsches Haus
Hess, Annette

Deutsches Haus


sehr gut

Es sind die 60er Jahre. Eva Bruhns, eine junge Frau, steht kurz vor der Verlobung mit Jürgen. Da stolpert sie in eine Sache hinein, die ihr keine Ruhe mehr lässt. Sie arbeitet als Polnisch-Übersetzerin, doch normalerweise übersetzt sie Verträge oder geschäftliche Verhandlungen. Weil sie niemanden anderen finden, soll sie nun die Aussage eines Zeugen im Ausschwitz Prozess übersetzen. Sie ist vollkommen überrascht, sie weiß überhaupt nicht, was damals passiert ist. Dabei ist es keine zwanzig Jahre her. Wie kann das sein? Und warum wollen ihre Eltern nicht darüber sprechen?

Die Perspektive ist sehr interessant gewählt. Heutzutage lernen Kinder und Jugendliche alles über die Verbrechen der Nationalsozialisten, aber Eva weiß nichts, dabei hat sie zu dieser Zeit schon gelebt, war ein kleines Kind. Ihre Eltern möchten das Thema am liebsten tot schweigen, im ganzen Land gibt es kein großes Interesse an der Aufarbeitung der Verbrechen. Im Laufe des Romans wird sehr gut deutlich, warum das so ist. Und auch, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern sehr viele Graustufen dazwischen.

Natürlich ist das Buch keine historische Aufarbeitung, aber das will es ja auch gar nicht sein. Denn trotz des schweren Themas ist die Geschichte drum herum spannend erzählt. Wie anders war damals noch alles! Als Eva sich verloben will, wird nichts sie selbst gefragt, sondern ihr Vater. Und es wird auch überlegt, ob Eva überhaupt standesgemäß für Jürgen ist. An dieser Spießigkeit der damaligen Zeit konnte ich mich sehr erfreuen.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und nur widerwillig aus der Hand gelegt zwischendurch. Doch einige kleine Kritikpunkte gibt es doch. Einer der Handlungsstränge (um Evas Schwester Annegret) war mir zu viel und ich weiß gar nicht, was er zur Geschichte beiträgt. Hingegen hätte eine andere Person, David Miller, vielleicht noch etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.

Aber das sind eher Kleinigkeiten. Ich empfehle das Buch auf jeden Fall weiter. Es hat mir die Stimmung und Ereignisse in den 60er Jahren ein ganzes Stück näher gebracht und ist eine spannende Lektüre.

Bewertung vom 28.08.2018
Der Abgrund in dir
Lehane, Dennis

Der Abgrund in dir


sehr gut

Rachel Childs wächst bei Ihrer Mutter auf, ihr Vater ist gegangen, als sie drei war. Natürlich fragt Rachel nach ihrem Vater, doch ihre Mutter will ihr seinen Namen nicht sagen und schiebt den Termin dafür immer weiter nach hinten. Irgendwann macht sich Rachel selbst auf die Suche.

Ich versuche, in meinen Rezensionen Spoiler zu vermeiden, deswegen bleibe ich bei dieser kurzen Inhaltsangabe, obwohl sie das Buch eigentlich nur unzureichend beschreibt. Denn es beginnt mit dieser „harmlosen“ Familiengeschichte. Es geht um die schwierige Beziehung von Rachel zu ihrer Mutter und um das Geheimnis um den Vater. Doch als ich das Buch durchgelesen hatte, kam mir dieser Teil der Geschichte schon ganz weit weg vor. Denn Dennis Lehane ist ein Meister der unerwarteten Wendungen und mit der Zeit entwickelt sich das Buch fast schon zum Thriller und die Handlung vom Anfang rückt in den Hintergrund. (Warnung: es wird auch blutig!)

Der Autor ist sehr geschickt darin, den Leser hinters Licht zu führen. Viele der Plottwists habe ich nicht mal ansatzweise erahnt, obwohl ich doch schon so einige Krimis gelesen habe in meinem Leben. Die Stärke des Romans ist allerdings auch zugleich seine Schwäche. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass der Autor nun unbedingt noch einen draufsetzen wollte und es wurde mir fast schon zu abstrus. Man sollte sich hier wahrscheinlich einfach gut unterhalten lassen und nicht alles auf die Goldwaage legen. Dann ist eine spannende Lektüre garantiert.

Was mich auch gewundert hat ist, dass einige Handlungsstränge irgendwie ins Leere laufen. Doch wie gesagt, ich will jetzt nicht zu viel verraten.

Doch diese Kritikpunkte sollen nur erklären, warum ich keine 5 Sterne gebe. 4 gibt es auf jeden Fall. Lehane hat es einfach drauf, spannend zu schreiben und den Leser zu fesseln (und zu täuschen). Wer sich gerne von einem Buch überraschen lassen will und auch Thrillern nicht abgeneigt ist, der findet hier die perfekte Lektüre.

Bewertung vom 22.08.2018
Manhattan Beach
Egan, Jennifer

Manhattan Beach


sehr gut

Manhattan Beach spielt im New York der 30er und 40er Jahre. Anna, in den 30ern noch ein Kind, ergreift in den 40ern ihre Chance: Da viele Männer im Krieg sind, arbeiten erstmals Frauen in den Werften. Doch sie ist ehrgeizig, es reicht ihr nicht, den ganzen Tag Bauteile zu prüfen, sie will mehr vom Leben. Sie möchte als Taucherin arbeiten, was jedoch zur damaligen Zeit völlig undenkbar ist. Denn auf Grund der früher sehr schweren Ausrüstung ist es richtig schwere körperliche Arbeit.

Außerdem erfährt der Leser auch einiges über Annas Leben als Kind in den 30er Jahren. Die Eltern haben früher gut verdient, hatten gute Jobs, doch dann kommt die Weltwirtschaftskrise und Vater Eddie muss die Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten.

Einerseits hat mir das Buch richtig gut gefallen: es lässt sich locker und leicht lesen, die Geschichte ist spannend, die Charaktere sind interessant und man erfährt viel über die Zeit, in der es spielt. Allerdings ist die Story ein bisschen zu vollgestopft. Ich hatte ein Buch über eine starke Frau erwartet. Doch ein großer Teil der Handlung spielt auch im Gangstermilieu. Anna Schwester Lydia ist schwer behindert, was großen Einfluss auf den Rest der Familie hat. Und gegen Ende findet sich der Leser auch noch auf einem Schiff der Handelsmarine wieder, das Angst vor deutschen U-Booten haben muss. Das alles ist zu viel für einen Roman, ein wenig mehr Konzentration auf einzelne Themen wäre vielleicht besser gewesen.
Auch gibt es insgesamt gibt es zu viele knappe Rettungen und klischeehafte Wendungen, was zu Lasten der Glaubwürdigkeit geht.

Wahrscheinlich ist bei diesem Roman die Herangehensweise entscheidend für die Bewertung. Wenn man als Leser gute Unterhaltung sucht, einen Schmöker, dann wird man zufrieden sein mit „Manhattan Beach“. Wenn man anspruchsvolle Literatur sucht und hohe Maßstäbe anlegt, dann wird man eher enttäuscht werden.

Wie bewerte ich nun so ein Buch? Trotz all meiner Kritikpunkte habe ich es sehr gerne gelesen. Es hat mich gefesselt und ich habe mich immer sehr auf das Weiterlesen gefreut. Und das ist ja doch ein sehr wichtiger Punkt! Deswegen gebe ich auf jeden Fall 4 Sterne.

Bewertung vom 07.08.2018
Weit weg von Verona
Gardam, Jane

Weit weg von Verona


ausgezeichnet

Jessica Vye ist neun Jahre alt, als sie die Bestätigung erhält für etwas, dass sie schon lange vermutet hat. Sie ist nicht wie die anderen Kinder. In ihrer Schule tritt ein Autor auf und in letzter Sekunde, kurz bevor sein Zug fährt, gibt sie ihm ihre bisher verfassten Geschichten zum Lesen mit. Einige Monate später erhält sie von ihm einen Brief, dass sie „ohne jeden Zweifel eine echte Schriftstellerin“ sei.

Jessica ist nun 12 Jahre alt und durch ihre unangepasste und ehrliche Art hat sie Schwierigkeiten mit anderen Kindern und vor allem mit den Lehrern. Außerdem tobt gerade der zweite Weltkrieg und auch in Jessicas Wohnort fallen Bomben.

Beim Lesen des Buches musste ich oft an „Anne of Green Gables“ denken. Denn auch Jessica hat überschäumende Emotionen und ist nicht so still und brav, wie es von Kindern früher erwartet wurde, sondern sagt ihre Meinung. Ich frage mich, ob ein Stück weit die Autorin über sich selbst schreibt, das Geburtsjahr von Jane Gardam und Jessica Vye stimmt jedenfalls überein.

Zur Handlung muss ich sagen, dass es davon gar nicht so viel gibt. Es werden eher Episoden aus Jessicas Leben erzählt, wobei es trotzdem einen roten Faden gibt und einen Bogen, der vom Anfang bis zum Ende gespannt ist. Aber hat mich die dahin plätschernde Handlung gestört? Nein! Es ist ein großes Vergnügen, dem Geplauder, den Ängsten und Träumen von Jessica zu lauschen.

„Weit weg von Verona“ ist das erste Buch von Jane Gardam, aber mir persönlich hat es sogar besser gefallen als „Ein untadeliger Mann“, mit dem sie in Deutschland Bekanntheit erlangt hat. Und das liegt ganz sicher an der wunderbaren Heldin.

Es war mir eine große Freude Jessica Vye kennenzulernen.

Bewertung vom 04.07.2018
Das weibliche Prinzip
Wolitzer, Meg

Das weibliche Prinzip


sehr gut

Greer Kadetsky ist eine ehrgeizige junge Frau, ganz im Gegensatz zu ihren Eltern, die einfach in den Tag hinein leben. Auf dem College schließt sie Freundschaft mit Zee, die schon auf der Highschool als Aktivistin tätig war. Zee nimmt sie mit zu einem Vortrag von Faith Frank, einer bekannten Feministin. Diese Begegnung wird Geers Leben verändern, denn auch sie wird sich ab diesem Zeitpunkt dem Feminismus verschreiben.
Der Leser begleitet nicht nur Greer, wie sie wichtige Weichen in ihrem Leben stellt, sondern auch ihren Freund Cory und ihre Freundin Zee. Auch von Faith erfährt man viel in Rückblenden. Und es wird deutlich: Selbst wenn man sich dem Feminismus mit Haut und Haaren verschrieben hat, ist man doch immer noch ein Mensch und nicht frei von Fehlern. Interessant sind auch die ganzen moralischen Fragen, die im Buch aufgeworfen werden. Zum Beispiel in Bezug darauf, wie Feminismus überhaupt finanziert werden kann. Ist Feminismus, der von einer großen Investment-Firma finanziert wird, guter Feminismus?
Besonders beeindruckt hat mich die Figur von Faith Frank, obwohl sie mir gar nicht so sehr sympathisch ist. Was ich gut an ihr finde ist die Art, wie sie anderen Frauen und jungen Mädchen den Glauben an sich selbst gibt und diese unterstützt. Da braucht es oft weniger als man glaubt, ein paar Worte können ein ganzes Leben verändern.
Insgesamt ein gutes Buch, das sich sehr angenehm liest. (Bis auf eine Stelle. Da hat die Autorin leider mein Herz gebrochen. Ich weiß nicht, ob ich ihr das verzeihen kann.) Aber irgendwie hat mir etwas gefehlt zum „sehr gut“. Vielleicht liegt es daran, dass „Die Interessanten“ eines meiner absoluten Lieblingsbücher der letzten Jahre ist und ich es im Kopf natürlich verglichen habe mit „Das weibliche Prinzip“. Und manchmal waren mir da zu viele Parallelen, Greer und ihre Beziehung zu Cory haben mich an Jules und Dennis erinnert. Die Figuren und ihre Beziehungen zueinander sind aber bei weitem nicht so faszinierend wie in „Die Interessanten“.
Fazit: Ich habe das „Das weibliche Prinzip“ sehr gerne gelesen und empfehle es weiter, aber im Vergleich zu „Die Interessanten“ ist es doch schwächer, deswegen geben ich 4 Sterne.

Bewertung vom 17.04.2018
Kleine Feuer überall
Ng, Celeste

Kleine Feuer überall


sehr gut

Die Richardsons sind eine amerikanische Vorzeigefamilie: Der Vater ist Jurist, die Mutter Journalistin und sie haben vier Kinder, die inzwischen im Teenageralter sind: Lexie, Trip, Moody und Izzy. Sie wohnen in Shaker Heights, einer Stadt für Wohlhabende, die schon auf dem Reißbrett so geplant wurde. Was könnte man sich also mehr wünschen? Sie haben ein tolles Haus, gute Nachbarschaft, gute Schulen, mehrere Autos. Eines Tages ziehen Mia und ihre Tochter Pearl in eine Wohnung, die sie vermieten. Moody freundet sich mit Pearl an, deren Leben nicht gegensätzlicher sein könnte als das der Richardsons: Mia ist Künstlerin, lebt von Gelegenheitsjobs und wechselt oft den Wohnort. Dabei nehmen sie immer nur mit, was in ihr kleines Auto passt. Statt einer Couch haben sie einen Teppich und Kissen im Wohnzimmer. Und doch scheinen sie nicht unglücklich zu sein.
Der Roman wirft einen Blick hinter die makellose Fassade der Richardsons und zeigt, dass sie nicht unbedingt glücklicher sind als andere Familien. Sind Kinder automatisch zufriedener, wenn sie in wohlhabenden Familien aufwachsen? Diese Frage wird auch noch an einer anderen Stelle aufgegriffen, denn es geht auch um unerfüllten Kinderwunsch und Adoption, Leihmutterschaft und Abtreibungen. Hier werden sehr interessante Gedanken aufgegriffen: wo wächst ein Kind besser auf, bei seiner leiblichen Mutter, die arm ist, oder bei einer reichen Familie, die es lieben wird wie ihr eigenes?
Die einzelnen Handlungsstränge sind interessant, aber leider verliert sich der Roman ein wenig zwischen den verschiedenen Themen. Mir kam es so vor, als wäre zu viel hineingepackt worden und am Ende fehlte der Feinschliff, die Geschichte ist nicht richtig rund geworden. Vielleicht hätte das Buch mehr Fokus gebraucht und ein paar Streichungen. Mehr Konzentration, da die Themen doch sehr komplex sind.
Natürlich bin ich besonders kritisch, weil ich nach „Was ich euch nicht erzählte“ sehr hohe Erwartungen hatte. „Kleine Feuer überall“ kann da nicht ganz mithalten. Aber es ist kein schlechtes Buch und ich habe es trotzdem gerne gelesen, deswegen gebe ich vier Sterne.