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wortschätzchen
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Kraichgau

Bewertungen

Insgesamt 46 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2014
Wenn die Nacht am stillsten ist
Weitholz, Arezu

Wenn die Nacht am stillsten ist


ausgezeichnet

Dieses Buch ist nicht wirklich leichte Kost. Es fordert, aber es fördert auch. Zentrale Themen sind Liebe und Selbstmord. Anna sitzt am Bett von Ludwig, der nach einer Überdosis Tabletten im Koma liegt. Warum hat er das getan? Sie redet wie Scheherazade auf ihn ein – erzählt ihm all das, was sie in den acht Monaten ihrer Beziehung, die nach Ludwigs Wunsch geheimgehalten werden musste, nicht erzählen durfte. Im zweiten Teil erfahren wir mehr von Anna und auch von Ludwig, es ist eine Zeitreise zurück in die Zeit vor diesem Vorfall. Und wir merken: Anna ist ein wunderbarer Mensch, der so viel zu erzählen hätte, wenn sie doch nur könnte. Ihre Sorgen und Ängste kann sie niemandem anvertrauen. Dabei würde gerade Ludwig so viel gewinnen, würde sie erzählen und er zuhören. Schnell merkt man, Ludwig hat ein total übersteigertes Selbstwertgefühl, wohingegen Anna absolut komplexbeladen ist und stark unter Minderwertigkeitsgefühlen leidet. Schon daher passten die beiden nie wirklich zusammen. Ludwig will Anna „stylen“, sie innerlich und äußerlich formen. Dabei ist Anna nahezu perfekt, Ludwig selbst jedoch könnte eine „Überarbeitung“ in jeder Hinsicht sehr gut brauchen. Annas bester Freund Hannes wäre ein perfekter Partner für sie, denn er versteht sie, er kennt sie, er weiß, wie er sie aufmuntert und er kennt ihre Reaktionen. Doch Liebe ist nicht logisch. Und Anna bringt es auf den Punkt: Am Ende geht es um den Moment.
Arezu Weitholz zeichnet Anna und die anderen Protagonisten so klar, dass man vergisst, dass es Romanfiguren sind. Gerade Anna möchte ich sehr gerne kennenlernen – wäre sie denn eine reale Person. Mich hat das Buch sehr berührt, auch wenn es Stellen gab, die ich nicht nachvollziehen konnte und auch Stellen, die mich lachen ließen. Ich habe es an einem Stück gelesen – weil der Stil sehr flüssig ist (trotz all der Passagen, die schwer zu verdauen sind und den Endloskapiteln) und ich einfach wissen wollte: wieso, weshab, warum, wie, wo, wann .....? Die Story klingt noch nach und ich vermute, das wird sie auch noch eine lange Zeit tun.

Bewertung vom 04.08.2014
Der Heiler
Tuomainen, Antti

Der Heiler


ausgezeichnet

Irgendwann in nicht zu ferner Zukunft in Finnland. Die Natur hat sich gegen die Menschen gewandt. Das Wetter spielt verrückt. Es gibt zwar endlos viel Erdöl, aber zu wenig Wasser und die Lebensmittel werden auch immer knapper. Ohne Vorwarnung verschwindet die Reporterin Johanna nach einem seltsamen Telefonat. Ihr Man Tapani, erfolgloser Lyriker, macht sich auf den Weg, sie zu retten. Er will herausfinden, was geschehen ist. Stück für Stück setzt er das Puzzle zusammen. Was er dabei herausfindet, ist nicht immer angenehm für ihn. Dafür aber merkt er, wie blind er oftmals war. „Manchmal sieht man es erst, wenn man aufhört hinzusehen!“ – das ist wohl der Schlüsselsatz dieses (Hör-)Buches. Nichts ist so, wie es einmal aussah.
Die Story ist in der Ich-Form (meine bevorzugte Erzählform). Die vielen fremden Namen und Orte machen es teilweise schwer, der Story zu folgen. Wolfram Koch liest das Buch so gut, dass die Figuren sehr real werden und die Zeit wie im Flug vergeht. Man lauscht gespannt und vergisst alles um sich herum. Allerdings fesselt keine Hochspannung, sondern eine ganz morbide Neugier. Das ist keinesfalls negativ, nur neu und ungewohnt. Doch nach und nach merkt man, wie düster die Welt werden könnte, wie erschreckend real alles klingt und tatsächlich werden könnte. Die Story und die Art, wie Wolfram Koch sie liest, gefallen mir sehr. Die Stimmung von Tapani überträgt sich auf den Leser/Hörer. Der Schluss zieht mir die Füße weg. Und ich höre mir das Hörbuch jetzt gleich ein zweites Mal an ...!
Fazit: Dieses Hörbuch hinterlässt Spuren. Nur wenige Bücher/Hörbücher können das so intensiv. Deshalb eine absolute Empfehlung!

Bewertung vom 04.08.2014
Die Achse meiner Welt
Atkins, Dani

Die Achse meiner Welt


sehr gut

Rachels ziemlich perfektes Leben wird durch einen entsetzlichen Unfall völlig aus seiner Bahn geworfen. Bei einem Abschiedsessen stirbt ihr bester Freund und sie wird verletzt. Jahre später kommt sie zur Hochzeit ihrer besten Freundin wieder in ihren alten Heimatort, den sie nie wieder betreten wollte. Sie trifft die Freunde von damals und stellt fest, dass sich im Grunde nichts geändert hat. Als sie das Grab von Jimmy besucht, verändert sich ihr komplettes Leben ....

Dani Atkins führt den Leser sehr lange sehr geschickt an der Nase herum. Des öfteren stolpert man über Dinge, die nicht zu passen scheinen, die einen immer wieder zurückblättern lassen. Und doch fliegen die Seiten beim Lesen nur so dahin. Rachel erzählt ihre Geschichte selbst. Mir persönlich gefällt die Ich-Perspektive sehr gut - fühle ich mich dann doch wirklich persönlich angesprochen. Rachel ist eine sehr sympathische junge Frau, die tapfer versucht, die Wahrheit herauszufinden. An ihrer Seite sind immer Menschen, die sie lieben und ihr auf ihre Weise helfen wollen. Manche Protagonisten schließt man sofort ins Herz, anderen möchte man am liebsten in den Hintern treten und man fragt sich, warum Rachel das nicht tut.

Ganz langsam führt Dani Atkins den Leser an die Wahrheit und das dann doch rasant kommende Ende hin. Alles ist in sich passend (wenn auch ein paar Fragen bleiben), sodass ich über meine Reaktion am Ende erst erstaunt war, dann nachgedacht habe und nun sehr zufrieden bin. Um dieses Orakel zu erklären, müsste ich wichtige Punkte des Buches verraten und das möchte ich definitiv nicht. Wichtig ist, dass es tatsächlich eine Achse in Rachels Welt und damit auch im Gefühlsleben des Lesers gibt.

Am Ende findet sich dann noch eine Art Nachwort, in dem Dani Atkins über "Die Achse meiner Welt" spricht. Für mich war das das Tüpfelchen auf dem i!

Fazit: ein sehr schönes Buch mit kleinen Schönheitsfehlern, aber auf alle Fälle lesenswert!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.07.2014
Endlich Schnurrlaub
Lind, Christiane

Endlich Schnurrlaub


sehr gut

In acht wunderschönen Geschichten erzählt Christiane Lind von Katzen unterwegs. Mal haben sie sich verlaufen, mal möchten sie nicht umziehen, mal führen sie Menschen zu ihrem Glück. Acht unterschiedliche Storys, die alle bezaubern und ins Herz treffen. Einfach zum Schnurren!

Die Autorin hat sich in vielfältiger Weise bei ihren Storys inspirieren lassen. Sehr oft waren es Zeitungsberichte und Storys, die durch alle Medien gingen. "Hopes long way home" ist das beste Beispiel. Hier schildert sie die Reise einer Katze, die von einem Ende von Australien ans andere zurück zu ihrem alten Zuhause wandert. Es sind aber keine reinen Nacherzählungen, sondern wunderschön gemachte "Katzegeschichten", die zumeist eben aus der Sicht der Katzen erzählt werden. Auch der historische Schiffskater Trim wird in einer der Geschichten geehrt - und das sogar auf besonders zauberhafte Weise: eine Geschichte in der Geschichte.

Viel sollte man von diesem Buch aber gar nicht verraten, denn bei Kurzgeschichten ist sonst viel zu leicht der Zauber und Reiz genommen. Deshalb: einfach lesen! Es lohnt sich wirklich!

Bewertung vom 12.07.2014
Karl Konrads heimliches Afrika
Beckerhoff, Florian

Karl Konrads heimliches Afrika


ausgezeichnet

Ein Fleckchen im Osten Deutschlands, nur noch wenige Menschen wohnen im kleinen Dorf, sogar die Leute aus der Stadt meiden die Dörfler – und die beobachten sich gegenseitig sehr genau. Schrullig und einsam sind sie, die restlichen Einwohner. Aber sie finden noch immer die anderen schrulliger als sich selbst. So wird Karl Konrad zum Ziel ihrer Beobachtungen, kümmert er sich doch um seine kranke Mutter, hat seltsame Eigenarten und einen Bruder, der wie sein Vater nach Afrika verschwunden ist. Wenn das nicht Stoff für Spekulationen bietet!
Obwohl es dem Dorf zu schaffen macht, dass immer mehr Leute wegziehen, kommen sie mit Fremden nicht klar und beäugen sie mit Argwohn und trauen ihnen nur Schlechtes zu. Sogar der neue Vikar wird wie ein Störenfried behandelt. Elke, die einzige ledige Frau im Dorf, jongliert sich durch ihre Arbeit, die Annäherungsversuche ihres Chefs, dem Metzger und denen der anderen männlichen Dorfbewohnern, den Anspielungen der Dörfler und ihren eigenen Träumen und Wünschen. Zwei Schwarze Unbekannte bringen das Dorf endgültig aus dem Tritt. Die wildesten Vermutungen werden angestellt.
Herrlich, diese kleinen eingestreuten Spitzen wie beispielsweise: „Erst soll keiner raus, dann keiner rein, das ist doch alles bescheuert.“
Florian Beckerhoff nimmt mit „Karl Konrads heimliches Afrika“ Vorurteile jeglicher Art auf die Schippe und zwingt den Leser, über sich selbst zu reflektieren. Geschrieben im Tonfall eines Märchens für Erwachsene lässt es den Leser aber auch durchgehend lächeln. Ein wunderbares Buch, das die Kraft hat, Menschen zu verändern!

Bewertung vom 12.07.2014
Voll streng, Frau Freitag
Frau Freitag

Voll streng, Frau Freitag


sehr gut

Frau Freitag erzählt im Kolumne-Stil diverse kleine Geschichten aus dem Schulalltag mit ihrer „besonderen“ (jetzt) zehnten Klasse und legt auch viel von ihrer Seele dazu. Außerdem hat sie eine neue siebte Klasse bekommen. Sie schafft den Spagat zwischen strenger Lehrerin und lockerem Kumpel vorbildlich. Immer wieder lässt sie sich etwas einfallen, um der Klasse oder aber auch einzelnen Schülern das mitzugeben, was gerade wichtig ist. Mal geht es um die nötige Anmeldung zur Prüfung, mal um die Zeit nach der Schule, nämlich das künftige Berufsleben, mal um den Umgang mit anderen, mal um die richtige Handhabung von Kontaktlinsen – Frau Freitag ist für alle und jeden da und findet immer eine Lösung. Und ab und an blitz auch durch, dass sie ein riesiges Herz hat und ihre Klasse eigentlich noch viele Jahre behalten würde, auch wenn sich diese um alles kümmert, nur nicht um die Schule, die Prüfung und Bewerbungen für eine Ausbildung.

Der Schreibstil ist jung und flott und macht Spaß. Keine lauten Lachanfälle, aber ein durchgehendes Dauergrinsen beschert uns Frau Freitag. Man überlegt ständig, ob sie nun die Schüler auf die Schippe nimmt oder sich selbst und alle anderen Lehrer. Doch kommen auch leicht melancholische und ernste Stellen vor und runden damit die Authentizität ab. Nicht nur die Schüler, auch die Lehrer haben „Stimmungsschwankungen“ während des Schuljahres! „Voll streng, Frau Freitag!“ ist der Nachfolger von „Chill mal, Frau Freitag!“, liest sich aber auch ohne den ersten Band lockerflockig am Stück weg.

Frau Freitag zeigt dem Leser, dass es sowohl für Lehrer als auch für Schüler Knochenarbeit ist, ein Schuljahr hinter sich zu bringen. Und sie lässt den Leser für beide Seiten Verständnis aufbauen. Ich persönlich finde das einfach großartig und viel mehr, als die meisten Lehrer fertigbringen. Bestimmt wird sie noch viel mehr „Stoff“ sammeln können, um uns mit weiteren Frau-Freitag-Büchern durch ihren (und den der Schüler) Alltag zu nehmen. Ich würde mich jedenfalls über weitere Bände freuen! Mehr Lehrer wie Frau Freitag und die Pisa-Studie bringt uns auf die vordern Plätze! Sie hat mich für die Dauer des Lesens wieder die Schulzeit erleben lassen. Dafür ein dickes DANKESCHÖN!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.07.2014
Schnitt
Raabe, Marc

Schnitt


ausgezeichnet

Ein Cover ganz nach meinem Geschmack - erhabene Buchstaben und ein ebenso gestalteter Blutstropfen an der Messerspitze. Ausklappbar ist es auch noch und zeigt dann den Autor Marc Raabe. So hat man gleich ein Bild von dem Mann, der einen in Atem hält!

Das Buch ist "rund" - es liest sich flüssig und nichts hakt. Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz. So kann man auch, wenn man wenig Zeit zum Lesen hat, häppchenweise lesen, ohne den Faden zu verlieren. Das macht Laune und steigert den Lesegenuss.

Schon der Prolog geht auf die Psyche. Man möchte als Leser diesem kleinen Neunjährigen beistehen, ihn beschützen - und wird doch am Ende mit Fragen und Ängsten zurückgelassen. Weiter geht es erst ganze 29 Jahre später. Der kleine Junge ist Erwachsen und wird ohne Vorwarnung aus heiterem Himmel in seine eigene, ganz persönliche Hölle geworfen.

Leider fängt es hier an, etwas zäh zu werden. Der Schreibstil ist noch immer sehr eingängig, aber immer, wenn man meint, jetzt geht es so richtig los, kommt doch nur wieder ein viel zu kurzer Thrill und es plätschert nebulös weiter. Es dauert mehr als 250 Seiten, bis der Spannungsbogen so anzieht, dass man das Buch nicht mehr weglegen kann und der echte Psychothrill aufkommt. Dann aber hat man wirklich Spaß an der Story und der Adrenalinpegel will gar nicht mehr sinken. So hätte das ganze Buch sein sollen!

Mir ist aufgefallen, dass Raabe mit Namen spielt. Sie passen nicht alle wirklich in die Story, die weitestgehend in Deutschland spielt und Viellesern werden einige der Namen auch abgekupfert vorkommen. Ob Raabe das absichtlich getan hat - wer weiß!

Die Idee für den Plot ist mehr als gut, aber umgesetzt hat sie Raabe für meinen Geschmack nicht optimal. Der Stil ist perfekt, der Spannungsaufbau leider nicht. Da es aber sein Erstlingswerk ist, darf man auf Steigerung hoffen. Trotzdem hat mich dieses Buch sehr gut unterhalten. Drei Sterne wären definitiv zu wenig, wenn auch vier eigentlich etwas zu viel sind. Trotzdem runde ich auf, weil es das Buch insgesamt doch verdient hat.

Bewertung vom 09.07.2014
Linksaufsteher
Sachau, Matthias

Linksaufsteher


ausgezeichnet

Herrlich! Matthias Sachau hat mich wieder und wieder zum laut Auflachen und zu Kicherkrämpfen gebracht. Gut, dass ich "Linksaufsteher" daheim gelesen habe und nicht in Bus oder Bahn oder Wartezimmer oder .....

"Schief gewickelt" fand ich super gut, "Wir tun es für Geld war dann leider um Klassen schlechter, aber "Linksaufsteher" macht wieder RICHTIG Spaß!

Man muss es einfach lesen, wie gekonnt Sachau facebook, i-pod & Co, schlechte Laune am Montag, das Verhalten Verliebter, Leben in WG's und Scheidungsspielchen überspannt zeichnet und lockerflockig auf die Schippe nimmt.

Noch genialer ist, wie er all seine einzelnen Ideen miteinander verknüpft. Es entsteht ein Feuerwerk an Humor - absolut empfehlenswert! Ein Buch (oder e-Book), das man ungern zur Seite legt.

Abschließend sei gesagt - wer bei dieser Lektüre nicht wenigstens Lächeln kann, der geht ganz sicher zum Lachen in den Keller ... Wer aber locker drauf ist und auch mal kritisch dem Technik- und Internetwahn gegenübersteht, ohne deshalb gleich noch im Mittelalter zu leben, der hat mit diesem Buch 352 köstliche Seiten!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.