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Julia V.

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 02.02.2023
Bekenntnisse eines Betrügers
Raina, Rahul

Bekenntnisse eines Betrügers


weniger gut

Rasante Geschichte eines gewitzten Aufsteigers
Das Cover erinnert mich an das Artwork des Films „Catch Me If You Can“: Es zeigt u. a. eine fliehende Männergestalt, dargestellt in reduzierten Vektorgrafiken auf knallgelbem Grund.
Auch thematisch gibt es Parallelen: Es geht um die Aufstiegsgeschichte des jungen Inders Ramesh, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt und sich durch Lug und Betrug seinen Weg nach oben bahnt, allerdings auf die indische Art – vom Teeverkäufer zum Trickbetrüger. Ramesh, der sich selbst „Bildungsberater“ nennt, legt für die Kinder reicher Leute die Aufnahmeprüfungen für die Uni ab … bis alles schief geht.
Der Roman hat mich stark an den Film „Slumdog Millionär“ erinnert, und auch ein wenig an den Roman „Der weiße Tiger“ von Aravind Adiga.
Rahul Rainas Erzähltempo ist rasant, die Stimme seines Erzählers witzig und smart. Es hat Spaß gemacht, diesen Roman zu lesen, auch konnte ich das Buch kaum zur Seite legen. Dennoch war ich vom Verlauf der Geschichte zunehmend enttäuscht. Vielleicht lag es daran, dass der Protagonist mir nie richtig sympathisch wurde, dass er mir nie ans Herz gewachsen ist.

Fazit: Für Indien-Liebhaber*innen, die Lust haben, einen Blick auf das moderne Indien zu werfen und dabei gut unterhalten zu werden, dennoch eine Empfehlung!

Bewertung vom 01.02.2023
Auf der Zunge
Clement, Jennifer

Auf der Zunge


sehr gut

Poetischer Streifzug durch New York
Eine Frau läuft durch Manhattan und begegnet verschiedenen Männern: dem Polizisten, dem Dichter, dem Räuber, dem Löwenbändiger.
Das Cover, eine verschwommene Schwarz-Weiß-Fotografie, zeigt die Rückenansicht einer Frau im gestreiften Kleid. Man sieht ihr Gesicht nicht, ihr Alter ist unbestimmbar.
Ähnlich rätselhaft wie die Figur auf dem Cover bleibt auch die Protagonistin dieses Romans, einem schmalen Band mit nicht einmal 150 Seiten. Ihr Name wird nicht genannt, und auch sonst erfährt man nicht viel über sie, weder wie sie aussieht noch wie alt sie ist. So hat sich mir erst nach einiger Zeit erschlossen, dass es sich um eine schon ältere Frau handelt, die eine Tochter hat. Anderes wird nur kurz erwähnt, aber nicht weiter vertieft, wie zum Beispiel ihr jüdischer Background.
Auch ihr Ehemann wird nicht namentlich genannt, sondern nur „der Anwalt“, und nicht näher beschrieben. Er bleibt blass, ein Mann ohne Eigenschaften, greifbar nur durch seine Anzüge, die im Schrank hängen. Dadurch wird er zu einem unter vielen anderen Männern, was sicherlich kein Zufall ist.
Ich muss sagen, dass ich beim Lesen manchmal nicht wusste, was ich von dem Buch halten soll. Es gibt kaum äußere Handlung, und die Begegnungen und Dialoge mit den Männern wirken der Welt seltsam entrückt, irgendwie schwebend. Durch die klare, bildreiche Sprache bekommt der Text etwas Poetisches. Die einzelnen Kapitel, übertitelt mit den jeweiligen Männern („Der Astronaut“), sind nie mehr als ein paar Seiten lang und dadurch recht kurzweilig.
Letztendlich habe ich es doch gerne gelesen, und es hat mir gut gefallen. Auch hat es mich neugierig gemacht auf weitere Werke der Autorin.

Fazit: Für Leser*innen, die einen ungewöhnlichen Erzählton schätzen, und für Liebhaber*innen von New York City allemal eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 10.04.2022
Die Wächterinnen von New York
Jemisin, N. K.

Die Wächterinnen von New York


gut

Originelle Idee, die mich in der Umsetzung ein wenig enttäuscht hat
Von N. K. Jemisin hatte ich vorher noch nie gehört, aber der Titel hat mich sofort angesprochen: Ein Fantasy-Roman, der in New York City spielt (eine meiner Lieblingsstädte), von einer preisgekrönten Autorin und mit einem schicken, „zeitgeistigen“ Cover – das war schon mal die halbe Miete. Zudem versprach der Klappentext eine originelle, einzigartige Geschichte: Städte sind lebendig und werden von Avataren verkörpert. New York City hat gleich sechs davon, einen primären und fünf weitere, für jeden Stadtteil einen.
Der Prolog und das erste Kapitel haben meine Erwartungen noch übertroffen: Der ungewöhnliche Protagonist (später stellt sich heraus, dass es fünf weitere Hauptfiguren gibt), N. K. Jemisins rasanter Erzählton und der spannende Einstieg haben mich direkt begeistert. Danach hat sich allerdings Ernüchterung breit gemacht. In den darauf folgenden Kapiteln (also über weite Strecken des Buchs) passiert erst mal wenig: Wir lernen die anderen Hauptfiguren, die Avatare der einzelnen Stadtteile kennen; sie suchen und finden einander, um gemeinsam gegen den Feind, der die Stadt bedroht, zu kämpfen. Und auch wenn das natürlich wichtig ist für die Handlung, so hat es sich in meinen Augen schlichtweg zu lange hingezogen.
Toll fand ich, dass man einiges über die Stadt und ihre Geschichte erfährt. Was mir auch gut gefallen hat, ist der Figuren-Cast, der sehr divers ist, was Race, Age und Gender angeht: Der primäre Avatar der Stadt ist ein obdachloser, Schwarzer junger Mann. Der Avatar von Manhattan ist ein schwuler, nicht-weißer Mann unbekannter Herkunft, vielleicht Latino. Die Avatarin von Brooklyn ist eine Schwarze Anwältin und alleinerziehende Mutter. Die Avatarin von Staten Island ist eine reiche weiße „Tochter“ Anfang Dreißig. Die Avatarin der Bronx ist eine feministische, lesbische Indigene in ihren Sechzigern. Die Avatarin von Queens ist eine junge Inderin.
Leider bleiben die Charaktere, mal abgesehen von ihrer Diversität, relativ blass. Die einzigen, die ich wirklich spannend fand, vielschichtig und ein bisschen „geheimnisvoll“, waren die beiden Männer, der primäre Avatar und Manny, die schon zu Beginn auftauchen. Und abgesehen von zwei oder drei eingestreuten Kämpfen mit dem noch unbekannten Feind passiert wie gesagt wenig. Stattdessen wird viel geredet. Die zuvor genannten Themen nehmen viel Raum ein, stellenweise las es sich wie ein Manifest gegen Rassismus und Diskriminierung. Natürlich sind das wichtige, gesellschaftlich relevante Themen, die in der Literatur verhandelt werden sollten. Aber geschickt verpackt in eine packende Geschichte mit interessanten Charakteren wäre mir lieber gewesen.

Fazit: Origineller Fantasy-Roman mit diversem Figuren-Cast, für New York-Liebhaber*innen oder solche, die es werden wollen. Zwei Sterne Abzug gibts wegen „flacher“ Charaktere und mangelndem Spannungsaufbau.