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Leserin

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Insgesamt 176 Bewertungen
Bewertung vom 19.10.2023
Ich träumte von einer Bestie (eBook, ePUB)
Blazon, Nina

Ich träumte von einer Bestie (eBook, ePUB)


sehr gut

Fleur arbeitet als IT’lerin und säubert das Netz u.a. von Rachepornos. Ihre Dates findet sie via Tinder, das Internet ist ihre Welt. Als sie erfährt, dass ihr leiblicher (französischer) Vater verstorben ist, und dass sie als Erbin eingesetzt wurde, obwohl sie diesen Teil der Familiengeschichte am liebsten vergessen würde, reist sie via Luxemburg nach Frankreich, obwohl ihr geliebter Stiefvater und ihre resolute Mutter dagegen sind. Einzig ihr jüngerer Bruder, der sein FSJ zwecks Selbstfindung gar nicht erst antritt, unterstützt seine Schwester & fährt mit ihr über die Grenze.
In Frankreich muss sich die junge Frau ihrer traumatischen Vergangenheit stellen und sie stößt auf ein Geheimnis, dass es zu erforschen gilt …
Die Legende um die Bestie des Gévaudan, der zwischen 1764 und 1767 etwa 100 Menschen unter ungeklärten Umständen zum Opfer fielen, hat mich schon immer fasziniert, der französische Kinokracher „Pakt der Wölfe“ /«Le pacte des loups » aus dem Jahre 2001 gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Da ich „Totenbraut“ von Nina Blazon gern gelesen habe, ist auch „Ich träumte von einer Bestie“ sofort auf meine Leseliste gewandert, der Roman ist jedoch nur auf dem ersten Blick ein Fantasy - Schmöker. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass die Autorin sehr viel recherchiert hat, und ich finde, dass man bei der Lektüre viel lernt, insofern ist es mehr als „schnöde“ Unterhaltung, die Nina Blazon bietet. Nina Blazon tangiert mit ihrer Geschichte aktuelle gesellschaftliche Debatten, ohne allzu „woke“ zu werden. Der gesellschaftskritische Ansatz gefiel mir sehr gut. Ich mochte auch die kulturgeschichtliche Dimension des Romans, auch frankophile und frankophone Leser kommen hier auf ihre Kosten, über das code-switching habe ich mich sehr gefreut, die historischen Besonderheiten Okzitaniens werden auch angesprochen, sehr viele Informationen werden unheimlich leichtfüßig in den Text integriert. Toll ist auch die kleine Märchenkunde, die en passant angesprochen wird. Den Anfang fand ich sehr spannend, ein ruhiger Erzählfluss ist insgesamt vorherrschend. Ungeduldige werden vielleicht einwenden, dass die Geschichte sich zieht wie Kaugummi. Diesen Eindruck hatte ich nicht, da ich stets wissen wollte, wie die Geschichte enden wird, obwohl sich meine ursprüngliche Annahme, Fleur sei eine unzuverlässige Erzählerin, nicht wirklich bestätigt hat. Obwohl ich die Charakterisierung der handelnden Personen im Roman insgesamt spannend fand, war die Protagonistin für mich als Figur nicht ganz stimmig, auch wenn die persönliche Entwicklung Fleurs geschildert wird. Ein bisschen verwundert war ich auch über die Wiederholungen, ich habe schon beim ersten Lesen kapiert, dass die keltischen Feen nicht lieblich, sondern kämpferisch und kratzbürstig sind, die Autorin hätte es nicht mehr als einmal schreiben müssen. Fleurs Stiefvater ist ein ehemaliger Polizist, der ihr aus der Ferne hilft, das Rätsel rund um die Familie zu lösen, und mir war nicht ganz klar, wie dazu die Hauptstadt Sri Lankas – „Colombo“ – passt, die zwei Mal im Text genannt wird, genannt wird auch „Columbo“ (Peter Falk), was Sinn macht. Gegen Ende ist vom „Waschbären – Lock“ statt von einem Look die Rede. Die Autorin hat sich beim Verfassen der Geschichte erkennbar Gedanken gemacht, daher hat der Roman eigentlich ein tadelloses Korrektorat verdient, schließlich wurde er nicht im Selbstverlag publiziert. Die Landschaftsschilderungen und die Beschreibungen von sakralen Objekten sind ganz klasse, ich habe während der Lektüre richtig Lust bekommen, an die Orte zu reisen, die Nina Blazon im Buch beschreibt, auch wenn ich mit manchen Thesen und Ansätzen, die sie literarisch im Buch verarbeitet, nicht konform gehe.
Fazit:
Trotz der genannten Schwächen empfehle ich „Ich träumte von einer Bestie“ zur Lektüre, ich habe das E-Book gerne gelesen.

Bewertung vom 01.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Im falschen Film?

„‘Wir bleiben nicht lang‘, sagt sie. ‚Keine Sorge. Wir reisen bald.‘ “

Georg Wilhelm Pabst gehörte während der Weimarer Republik zu den Top – Regisseuren jener Zeit. Der Österreicher konnte sich neben Fritz Lang, F.W. Murnau und Ernst Lubitsch einen Namen machen. Als Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“ arbeitete er mit (Stummfilm)Stars wie Louise Brooks, Greta Garbo oder Asta Nielsen zusammen. Erfolg hatte er jedoch auch mit dem 1931 gedrehten Tonfilm „Die Dreigroschenoper“. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte er in die USA, anders als etwa der großartige Billy Wilder („Eins, Zwei, Drei“) konnte er jedoch nicht an seinen früheren Ruhm anknüpfen, waren es widrige Umstände oder Pabsts Unfähigkeit zur Assimilation, die dazu führten, dass er in Hollywood keinen Fuß auf den Boden bekam?

Daniel Kehlmann geht in seinem Roman „Lichtspiel“ unter anderem der Frage nach, wie es dazu kam, dass der eigentlich ‚linke‘ Filmemacher Pabst zum Werkzeug des NS - Regimes wurde, da er nach einem Heimatbesuch in Österreich 1939 bei der „Bavaria Film“ anheuerte.

„Lichtspiel“ ist nicht nur für Cineasten interessant. Ich war bereits während der Lektüre der Exposition „angefixt“, man begleitet als Leser zunächst den Kamerassistenten Franz Wilzek. Die Geschichte oszilliert zwischen Fakten und Fiktion, der Autor beschreibt wunderbar den ‚Nachkriegsmief‘ und die Rechtfertigungsversuche derjenigen, die Teil der nationalsozialistischen Maschinerie waren. Echte oder vorgetäuschte Gedächtnislücken der Protagonisten werden präsentiert. Ganz nebenbei wird auch die Methodik der Geschichtswissenschaft gestreift. Nach der Lektüre des Romans wird man wissen, weswegen Oral History mit Vorsicht zu genießen ist. Es geht auch um Erinnerungskultur(en) und um das kollektive Gedächtnis im deutschen Sprachraum & natürlich um die Tatsache, dass nach Ende des WKII-Dinge unter den Teppich gekehrt wurden, gar durch (mehr oder minder) kitschige Heimatfilme kaschiert wurden, da ist es nicht verwunderlich, dass bekannte Namen auftauchen. Wer kennt nicht einen Peter Alexander? Daniel Kehlmann gibt sich jedoch nicht mit monokausalen Erklärungsmustern zufrieden. Auch die Figurenzeichnung ist gelungen, sprachlich und stilistisch gibt es nichts zu Meckern. Man kann etwas Neues lernen – ich wusste zwar, dass sich zum Beispiel Leni Riefenstahl in den Dienst der Nazis stellte (ebenso wie Veit Harlan oder der Schauspieler Heinrich George, ganz zu schweigen von Kristina Söderbaum), aber mir war vor der Lektüre tatsächlich nicht klar, dass auch G.W. Pabst nicht auf Distanz zu Goebbels & Co. gegangen war, obwohl mir sein Nachkriegsfilm "Es geschah am 20. Juli" durchaus ein Begriff ist. Biographische Fiktion, historischer Roman, politische Parabel: Für „Lichtspiel“ von Daniel Kehlmann spreche ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2023
Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3


sehr gut

"Spukerscheinungen sind derzeit in Mode."

Als jüdischer „Piefke“ hat es der Ermittler Leopold „Leo“ von Herzfeldt in Wien nicht leicht, auch sein Hochdeutsch (seine Mutter stammt aus Hannover) macht ihn zum Außenseiter. Seine Beziehung zur Tatortfotografin Julia muss er geheim halten – die beiden sind Kollegen bei der Polizei.
Spiritismus und Séancen sind im 19. Jahrhundert in Wien der letzte Schrei (sogar Kaiserin Elisabeth nimmt an Geisterbeschwörungen teil), und auch die (bereits wissenschaftlich widerlegte) Phrenologie spukt noch in den Köpfen herum. Der technische Fortschritt kurbelt die Wirtschaft an (die Armen fristen dennoch ein Leben am Rande der Gesellschaft), in der High Society nimmt indes der Aberglaube zu. Als ein Naturwissenschaftler, der dem okkulten Humbug ein Ende setzen wollte, tot aufgefunden wird und mehrere Kinder aus einem Wiener Waisenhaus verschwinden, sind neben dem Inspektor auch der Totengräber Augustin Rothmayer und sein Mündel Anna (das Mädchen kannte einen ermordeten Jungen, der vor seinem Tod vor dem „Nachtkrapp“ warnte!) gefordert. Gespenstergeschichten sorgen für hohe Auflagen und Leo ist nicht glücklich, als ein Journalist geheime Informationen veröffentlicht, und es fuchst den Inspektor, dass Julia den vermeintlichen Rivalen gut kennt. Als auch noch Mama Herzfeldt nach Wien kommt und einem Schriftsteller namens Arthur Conan Doyle nicht mehr von der Seite weicht ist das Chaos perfekt, und es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, als die Polizei den Hauptverdächtigen tot aus der Donau fischt…

„Der Totengräber und der Mord in der Krypta“ ist ein interessanter historischer Kriminalroman, der ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann (obwohl es sich bei dem Buch um den dritten Teil einer Reihe handelt). Der Totengräber ist meine Lieblingsfigur, und ich mag es, dass der Autor die Sozial- und Medizingeschichte Wiens tangiert. Trotz kleiner Schwächen hat mich der Roman prima unterhalten - die Sprache klang in meinen Ohren stellenweise zu modern, ich hätte mir mehr Austriazismen gewünscht & man hätte den plot straffen können; manchmal hätte ich mir ein wenig mehr ‚Feinschliff‘ gewünscht. Müsste nicht eine Figur namens „Nikolai Trevic“ eher „Nikola Trević“ heißen? Ich fand die Story insgesamt spannend – auch wenn es erst im letzten Drittel der Erzählung Schlag auf Schlag geht.

Bewertung vom 14.08.2023
Die Schwarze Königin
Heitz, Markus

Die Schwarze Königin


sehr gut

Der Fantasyautor Markus Heitz hat einen Abschluss in Geisteswissenschaften, und man merkt seinen Geschichten auch an, dass er neben der Germanistik auch Geschichtswissenschaft studierte, da der Kern der Erzählungen (trotz des Fantasyelements)immer historisch fundiert ist, was ich persönlich sehr zu schätzen weiß.
Ob Vampire oder Zwerge – es sind auch die Schauplätze, die begeistern. Die heimliche „Gothic-Hauptstadt" Leipzig zieht sich durch Heitz' Werk, und oft sind es auch (Süd)osteuropäische Staaten, die eine Rolle spielen. Eine von Heitz' Geschichten spielt etwa bei den Plitvicer Seen in Kroatien. Der Nationalpark bildete die perfekte Kulisse für ein Action-Märchen, das ich gern gelesen habe. Des Autors Herz schlägt aber auch für die Tschechische Republik, da Prag ein Setting ist, das immer wieder verwendet wird, so auch im neuesten Roman namens „Die schwarze Königin“.
Worum geht's?
- Zwei verschiedene Zeitebenen garantieren Spannung. Der junge Len ahnt nicht, dass ein Busausflug ins Banat ( und nach Prag ) gleichsam zur Reise in die Vergangenheit wird, in der Gestalten wie Vlad Dracul und Königin Barbara von Cili „regieren". Transsilvanien und die Walachei waren spätesten seit dem Mittelalter hart umkämpft. Heitz würzt das Ganze mit einer übernatürlichen Prise Fantasy. Vampire, Fürsten der Finsternis, Okkultismus und Spiritismus sind die Eckpfeiler der „schwarzen Königin.“ Mich hat der Roman prima unterhalten, und es gefällt mir, dass der Autor eigene Wege geht, ohne amerikanische Kollegen zu imitieren. Sogar das Osmanische Reich wird integriert, und natürlich Ungarn (Historiker werden's lieben). Die europäische Kulturgeschichte mit ihren fabelhaften Sagen und Mythen liefert Stoff für eine spannende Story, die von Markus Heitz perfekt in Szene gesetzt wird.
Daher empfehle ich „Die schwarze Königin“ gerne zur Lektüre!

Bewertung vom 08.08.2023
Magnolia Parks / Magnolia Parks Universum Bd.1
Hastings, Jessa

Magnolia Parks / Magnolia Parks Universum Bd.1


weniger gut

„Wir opfern unsere Herzen auf dem Altar des anderen.“
Mit „Magnolia Parks“ präsentiert die Autorin Jessa Hastings das „Gossip Girl“ 2.0 für die Gen Z,denn es gibt junge, hippe, reiche Protagonisten, reichlich Namedropping (Edelmarken, hallo!) und ein tragisches Liebespaar mit einer on-off-Beziehung. Genau das Richtige für den Sommer, dachte ich.
Die Haupthandlung ist in London angesiedelt, es gibt alternierende Erzählperspektiven. Abwechselnd kommen die Protagonistin Magnolia Parks und ihr (Ex)Freund Baxter James Ballentine zu Wort. Magnolia ist „aus Kensington“ und sie wurde als Tochter eines Models und eines Musikproduzenten quasi mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Mode ist ihre Welt. Ihre Schwester hingegen ist der Bücherwurm der Familie und so wenig modeaffin, dass Magnolia sie förmlich dazu zwingen muss, sich chic zu kleiden. Tragisch! Magnolia hat eine russische Großmutter und eine Nanny namens „Mars“, die sie abgöttisch liebt und die ihrerseits BJ nicht leiden kann. Zur Clique von Magnolia und BJ (er ist zwei Jahre älter als sie) gehören, wie könnte es anders sein, sämtliche rich kids. Magnolia und BJ können nicht miteinander leben, aber auch nicht getrennt sein. Sie lernten sich kennen, als Magnolia 4 Jahre alt war. Sie verletzen und erfreuen einander. Ehrlich gesagt war ich von dem ganzen Drama, das in Kapitel 12 immer noch andauerte, genervt. Ein Seitensprung führte zum Hyperventilieren. Das ist nicht romantisch, nur noch nervtötend. Von wegen star-crossed lovers!
Viele Versatzstücke der Erzählung hat man in anderer Kombination daher schon irgendwo anders gelesen, aber man möchte dennoch wissen, wie das Ganze enden wird.
Stilistisch und sprachlich habe ich mehr erwartet. Da das Ganze in Großbritannien spielt, hatte ich mich auf eine schwarzhumorige Story mit Hintersinn und Selbstironie gefreut. Weit gefehlt! Das Ganze wirkt irgendwie seltsam selbstverliebt, Pathos gibt es zuhauf, aber auch sehr platte Sätze, lol:
„Ihn zu lieben bedeutete nichts anderes, als einem Chauffeur ohne Führerschein die Schlüssel zu meinem Herzen zuzuwerfen.“
An der deutschen Version des Romans waren drei Übersetzerinnen beteiligt. Dennoch (oder gerade deshalb) waren mir manche Sätze zu holprig. („Ich würde über die schönen Seiten des Lebens meditieren, …“ , „Und dann schaltete ich.“)
Jessa Hastings braucht unglaublich lange, um auf den Punkt zu kommen. Ich wünschte, ein Lektor hätte das Ganze ein wenig gestrafft. In Sachen Figurenzeichnung hätte ich mir ein wenig mehr Feinschliff gewünscht. Bei fast jeder Figur wird aufgezählt, in welche Edelmarken sie gehüllt ist. Mich hätte aber eher etwas über den Charakter des jeweiligen Helden interessiert, und nicht unbedingt, ob er Prada oder Gucci trägt. Der Roman war auf Social Media wohl der Hit, und so ist es wohl nicht falsch anzunehmen, dass „Magnolia Parks“ das „Gossip Girl“ für die Generation Tik Tok ist. Blair Waldorf und Chuck Bass waren irgendwie glaubwürdiger.

Bewertung vom 26.07.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


gut

„Das war es doch, was sie alle wollten, oder? Im Gesicht eines anderen Menschen pure Akzeptanz zu sehen.Eigentlich simpel, aber so selten, dass Leute es nicht von ihren Familien erfuhren, von ihren Partnern, es sich suchen mussten bei jemandem wie Alex."

Wer erinnert sich an die Fernsehserie „O.C., California“ (im Original: “The O.C.“), in welcher die Figur Julie Cooper bereit war, alles zu tun, um nicht wieder im Trailer Park ihrer Kindheit zu landen?
Emma Clines Roman „Die Einladung“ geht von einer ähnlichen Prämisse aus. Ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen, die Handlung ist eher character – driven als plot- driven.

Worum geht’s?

Die 22jährige Opportunistin Alex ist die Gespielin reicher alter Amerikaner, scheint dies aber nur unter Tabletteneinfluss zu ertragen. Nach creepy Dom wechselt sie zum Fitnessfanatiker Simon. Altes Geld! Der Sommer in den Hamptons beginnt vielverheißend, bis Alex ungewollt Simons Luxusauto beschädigt & Simon sie daraufhin vor die Tür setzt. Die junge Frau, die qua Geburt mitnichten zur Upper Class gehört, traut sich nicht nach New York zurück. So lässt sie sich treiben und fiebert Simons Party entgegen, in der Hoffnung, die Wogen glätten zu können, bis es zur Katastrophe kommt…

„Die Einladung“ ist eine Sommerlektüre der etwas anderen Art. Das Luxusleben existiert nicht ohne Abgründe, es geht um Machtgefälle und Abhängigkeit, aber auch um Manipulation und darum, dass Menschen gerne glauben, was sie glauben wollen. Ein Raubtierkapitalismus durchdringt alle Bereiche des Lebens, Jugend & Schönheit werden gegen Geld eingetauscht, aber ist es ein fairer Handel? Der Spielplatz der Superreichen – die Hamptons – verliert in Emma Clines Roman seinen Glanz, ist alles nur Fassade? Die Protagonistin (die lügt und betrügt, wenn es nötig ist) ist eine ambivalente Figur, die sich nimmt, was sie will. Hält sie mit ihren Taten der feinen Gesellschaft den Spiegel vor? Ist ihr Lebensentwurf eine Notwendigkeit, ein Ausdruck der Selbstermächtigung oder pure Prostitution?
Dunkle Schatten liegen über den Hamptons. Die sommerliche Idylle wird in „Die Einladung“ (der englische Originaltitel „The Guest“ ist meines Erachtens treffender) entzaubert.

Bewertung vom 11.07.2023
Eine Lady hat die Wahl
Irwin, Sophie

Eine Lady hat die Wahl


gut

"Noch nie waren Sparsamkeit und Vernunft so romantisch gewesen."

Vor einem Jahr habe ich den ersten Teil der „Lady’s Guide“ –Serie von Sophie Irwin gelesen.

Mit „Wie man sich einen Lord angelt“ hatte die Autorin den Auftaktband zu einer Regency – Romance – Reihe vorgelegt. Die Geschichte rund um Katherine „Kitty“ Talbot fand ich ganz amüsant. Nun ist der Folgeband ins Deutsche übertragen worden. Wenn man bedenkt, dass Irwin anfangs aus „Persuasion“ zitiert, wird klar, an welchem Vorbild sich „Eine Lady hat die Wahl“ orientiert.

Das Endergebnis erinnert aber eher an „Bridgerton“ als an Jane Austen (oder an Georgette Heyer). Regency Era meets Wokeness?

„Eine Lady hat die Wahl“ spiegelt den Zeitgeist, es gibt eine Dreiecksbeziehung und auch ein gleichgeschlechtliches Liebespaar.

Worum geht’s?

Die Protagonistin wird zunächst als Kind ihrer Zeit eingeführt, welches den gesellschaftlichen Erwartungen entsprach, indem es eine Vernunftehe einging. Als die unsichere Eliza Balfour unverhofft ein Vermögen erbt (nie hätte sie gedacht, dass ihr distanzierter Ehemann Lord Somerset, der immerhin zwanzig Jahre älter als sie war, sie als Haupterbin einsetzen würde), stehen ihr theoretisch alle Türen offen, die Erbschaft ist jedoch an gewisse Bedingungen geknüpft. Daher entschließt sich die schüchterne junge Frau dazu, mit ihrer Cousine Margaret nach Bath zu reisen. Als der offene Landauer mit einer anderen Kutsche kollidiert, lernt sie den berüchtigten Max Melville kennen, der ihr schon bald den Hof machen soll. Doch es gibt da noch den jungen Lord Somerset, Elizas Jugendliebe. Für welchen Mann wird die Heldin sich entscheiden? Oder entscheidet sie sich am Ende gar für sich selbst?

Wenn Figuren einer längst vergangenen Ära sich wie Menschen des 21. Jahrhunderts verhalten, ist dies ahistorisch. Wenn ich eine moderne Geschichte lesen will, greife ich in der Regel nicht zu einem historischen (Liebes)roman. Ich hätte mir auch eine filigranere Figurenzeichnung gewünscht, dann hätte ich mit den Helden richtig mitfiebern können. Als Autorin hätte ich den plot gestrafft, noch mehr Witz und Tempo wären auch nicht schlecht gewesen, obwohl die story ganz unterhaltsam ist. Die Wortgefechte, die sich Eliza und Lord Melville liefern, verleihen der Erzählung Würze.

Fazit:

„Eine Lady hat die Wahl“ kommt leider nicht ganz an „Wie man sich einen Lord angelt“ heran. Der zweite Band einer Reihe ist aber eine nette Lektüre für Zwischendurch.

Bewertung vom 02.07.2023
Refugium / Stormland Bd.1
Lindqvist, John Ajvide

Refugium / Stormland Bd.1


sehr gut

Mord an Mittsommer

„Julia Malmros, back in the game.”

Den schwedischen Bestseller gibt es endlich auf Deutsch:
Mit „Refugium“ hat John Ajvide Lindqvist den Auftakt zur „Stormland“ – Trilogie vorgelegt. Eigentlich bin ich niemand, der sich von der Umschlaggestaltung eines Buches zum Kauf verleiten lässt – hier ist das Cover aber ein echter „Hingucker“!

Worum geht’s?
Kim Ribbing und Julia Malmros ermitteln zum ersten Mal gemeinsam, ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen.
Julia ist Polizistin und Schriftstellerin (sie soll eine Fortsetzung des ‚Millenium‘-Krachers fabrizieren), Kim ist ein Hacker (ein Multitalent sowieso, mir kam eine bekannte fiktionale Hackerin in den Sinn). An Mittsommer 2019 wird eine Partygesellschaft regelrecht hingerichtet, nur Astrid Helander (die Tochter der Familie) überlebt,zur Zeugin taugt sie aber leider nicht, das Mädchen ist so schwer traumatisiert, dass es verstummt. Zunächst ist Julias Exmann Johnny für den Fall verantwortlich. Doch bald schon spitzen sich die Ereignisse zu, und es beginnt eine fieberhafte Suche rund um den Globus…

Natürlich hat John Ajvide Lindqvist das Rad nicht neu erfunden, wenn man sich das Grundgerüst (oder auch das „Personal“) der Geschichte anschaut. Einsamer Wolf, eine Dichterin mit Schreibblockade! Der routinierte Erzähler kann jedoch mit einem eingängigen Stil und mit frischen Ideen punkten. Stellenweise ist das Ganze zwar nichts für schwache Nerven, aber es ist wenigstens nicht die ganze Zeit ein Splattermovie in Buchform wie bei Chris Carter. Auch ist die Figurenzeichnung feiner als bei Carter – da es sich bei „Refugium“ um einen Auftaktband handelt, erfährt man als Leser relativ viel über den Hintergrund der Protagonisten, und man soll als Leser (m/f) „angefixt“ werden, also Lust auf weitere Bände der Reihe bekommen. „Sitzfleisch“ kann ebenfalls nicht schaden, da die spannende Story erst nach 524 Seiten auserzählt ist. Die Handlung ist jedoch „am Puls der Zeit“, wie man so schön sagt. Die Kapitel an sich sind eher kurz, und am Ende werden alle Erzählfäden zufriedenstellend zusammengeführt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2023
City of Dreams / City on Fire Bd.2
Winslow, Don

City of Dreams / City on Fire Bd.2


sehr gut

Typischer Mittelband


„Jimmy, ich hab das Heroin ins Meer gekippt.“
Don Winslow hat mit „City of Dreams” den zweiten Band seiner Trilogie rund um den irisch-amerikanischen Mafioso Danny Ryan vorgelegt. Um es gleich vorwegzunehmen – „City of Dreams“ ist meines Erachtens ein typischer Mittelband – nicht ganz so stark wie der Auftakt „City on Fire“ und hoffentlich schwächer als das Finale der Reihe, die sich liest wie eine Mischung aus Homers „Ilias“ und dem Scorsese – Kracher „The Departed“.
Die Exposition von „City of Dreams” fand ich gelungen, der Mittelteil zog sich leider etwas in die Länge und war gleichzeitig zu gehetzt, und es gab für mich vorhersehbare und fast klischeehafte Erzählelemente. Das Ende dieser Mafiaballade in Buchform ist aber ganz okay und es macht neugierig auf den Abschluss der Serie. Zum besseren Verständnis empfehle ich, tatsächlich auch „City on Fire“ zu lesen (obwohl der Autor den Inhalt auch in diesem Folgeband zusammenfasst).
Worum geht’s?
Die Erzählung beginnt als Roadmovie. Die Gang macht sich von Neuengland (Rhode Island) nach Kalifornien auf. Dannys Frau Terri erlag ihrem Krebsleiden, der Protagonist beschloss, dem Bandenkrieg mit den Italienern und dem Katz-und-Mausspiel mit korrupten Polizisten ein Ende zu bereiten und kippte eine große Drogenlieferung kurzerhand ins Meer. Er wollte seinem Söhnchen Ian ein besseres Leben bieten und seinem Vater einen ruhigen Lebensabend, doch das FBI lässt nicht locker. Als in Hollywood ein Streifen über sein früheres Leben gedreht werden soll, verliebt sich der moderne Odysseus Danny in eine Filmdiva, ein Neuanfang liegt in greifbarer Nähe. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht so einfach abschütteln…
Don Winslow kann mit tollen Figuren und einem potentiell interessanten plot punkten. Leider konnte er mich mit seinem „geschwätzigen“ Stil nicht unbedingt überzeugen, und damit meine ich nicht nur die Tatsache, dass die Handlung arg dialoglastig ist. „Show, don’t tell“ möchte man ihm zurufen. Oft werden handwerkliche Schwächen im Thrillergenre mit spannenden, wendungsreichen Szenen kompensiert. „City of Dreams“ hätte für meinen Geschmack fesselnder sein dürfen, aber der Roman ist eben ein zweiter Teil, in welchem nicht das ganze Pulver verschossen werden darf. Jetzt darf man auf ein fantastisches Finale der Reihe rund um Danny Ryan & Co. hoffen!