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Benutzername: 
leseeule
Wohnort: 
Eisenhüttenstadt

Bewertungen

Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2023
STONE BLIND - Der Blick der Medusa
Haynes, Natalie

STONE BLIND - Der Blick der Medusa


ausgezeichnet

Die Geschichte der Medusa ist jedem, der sich für die griechische Mythologie interessiert, weitestgehend bekannt. Ein junges unschuldiges Mädchen, das dem Narzissmus und Ränkespielen egozentrischer Götter ausgeliefert war und schlussendlich zum Monster deklariert wurde. Perseus dagegen, ist im Gegenzug der strahlende Held, der die Menschheit von mehr als nur einer grausamen Kreatur befreit hat. Doch können wir dieser Version der Geschichte überhaupt vertrauen? Wird Geschichte nicht meist nur aus der Sicht der Sieger geschrieben? Genau wie eine Medaille zwei Seiten besitzt, so hat auch jede Geschichte meist mehr als nur eine Wahrheit.
In dieser Adaption darf Medusa erstmals ihre Geschichte zu größten Teilen, selbst erzählen. Sie ist hier keine Priesterin der Athene, sondern eine echte Gorgone, wenngleich sterblicher als ihre beiden Schwestern. Die Geschichte und Beziehung der Schwestern war für mich das absolute Highlight. Diese unsterblichen Wesen sind zunächst völlig überfordert, sich um dieses hilflose Bündel zu kümmern. Daraus ergaben sich zahlreiche ungewollt witzige Situationen. Es war so herzerwärmend mit zu erleben, wie die beiden an ihrer Aufgabe wuchsen, sich hingebungsvoll um Medusa sorgten und sogar zu menschlichen Gefühlen in der Lage waren. Gewissermaßen erinnerte mich dieser Teil an Maleficient und Aurora. Doch leider ist Medusa das mitunter berühmteste Beispiel für Täter-Opfer-Umkehr in der griechischen Mythologie. Geschändet, diffamiert und verflucht kann nicht einmal die Liebe ihrer Schwestern ihr Leid mindern. Dennoch verliert sie nicht ihre menschliche Seite.
Gleichzeitig lernen wir Perseus, Sohn des Zeus und Halbgott, kennen. In vermeintlich guter Absicht, muss er sich auf die Suche nach dem Kopf einer Gorgone begeben. Hierbei erhält er sogar göttlichen Beistand. Anfangs hatte ich wirklich mit beiden Mitleid, da sie ja eigentlich nur Spielbälle der Götter waren. Medusas Hass auf Perseus konnte ich zum Teil nachvollziehen, da er sie ja ermordete. Trotzdem kam ich nicht umhin mich zu fragen, weshalb sich ihr Hass so vehement auf seinen Charakter bezog. Erst im Laufe dieser „Heldenreise“ kam für mich Licht ins Dunkle. Perseus charakterlicher Wandel hat mich völlig verwirrt. War es Unwissenheit, menschliche Arroganz oder das Gefühl der Macht? Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten.
Zwischendurch kommen auch die Götter zu Wort und wir erfahren viel über ihre Taten. Dass die alten Götter grausam waren, war mir längst bekannt. Dennoch widert es mich jedes Mal aufs Neue an. Unsterbliche, gelangweilte, streit- und rachsüchtige Wesen, die selber der Hybris verfallen sind. Ohne ihre göttliche Macht sind sie nicht besser als so mancher Mensch.
Natalie Haynes Sicht der Geschehnisse hat mich wirklich überrascht und zum Nachdenken gebracht. Hier einige Zitate: „Wer entscheidet, was ein Monster ist? Was macht jemanden zu einem Monster? Wer entscheidet, wer der Liebe würdig ist? Ist ein Monster immer böse? Gibt es überhaupt so etwas wie ein gutes Monster? Denn was passiert, wenn ein guter Mensch zu einem Monster wird?“ Diese Fragen beschäftigen mich noch immer und werden noch lange nachklingen.
Der Aufbau der Geschichte ist wirklich eigenwillig und besonders. Auf den ersten Blick scheint es vielleicht seltsam zu sein, dass ein Buch dessen Hauptthema Medusa ist, so viele Nebenhandlungen und augenscheinlich irrelevante Details enthält. Für mich ergibt sich aber gerade daraus ein Gesamtbild. Es kommen außenstehende Beobachter, wie Tiere, mythologische Wesen und sogar Pflanzen zu Wort und geben noch ein Mal eine ganz neue Perspektive. Nachdem ich hinter das Geheimnis der Gorgoneion gelangte, war ich schon sehr beeindruckt.
Der Erzählstil passte sehr gut zur Handlung und unterstrich seinen mythologischen Charakter. Es gab mir das Gefühl, ein griechisches Epos zu lesen. An einigen wenigen Stellen schlich sich dann doch aber etwas Umgangssprache hinein, doch kann ich darüber hinwegsehen.
Ich bin überaus froh, dass Natalie Haynes Medusa eine Stimme gegeben hat, um ihre Geschichte zu verbreiten. Nur über das Ende, also das wirkliche Ende, bin ich etwas traurig. Einerseits scheint Medusa ihren Frieden gefunden zu haben, dennoch ist sie an dem Ort gelandet, an dem sie nie wieder sein wollte.
Ich spreche eine klare Leseempfehlung aus. Lasst euch auf die Geschichte ein, seht über die Mauer und bildet euch eure eigene Meinung.

Bewertung vom 22.03.2023
Finni Fantastisch
Rose, Jess

Finni Fantastisch


ausgezeichnet

Ich bin gut so wie ich bin
Finni ist ein zauberhaftes Fuchskind, dass seinen einzigartigen Charakter auch nach außen hin sichtbar macht. In farbenfroher Kleidung tanzt es wie ein Regenbogen durch die Welt. Dies bringt auch sein näheres Umfeld zum Strahlen. Doch Finnis Individualität stößt auch auf Missfallen und immer öfter wird es mit kritischen Blicken und Worten konfrontiert. Natürlich geht das nicht spurlos an Finni vorbei. Das kleine Fuchskind wird immer unsicherer und versucht sich der Masse anzupassen, um nicht weiter abgelehnt zu werden. Dadurch verliert Finni aber ein wichtiges Stück seiner selbst. Je angepasster es wird, desto trauriger und leerer wird es innerlich. Finni wird allmählich farblos und verschmilzt mit der grauen Masse. Doch auch sein Umfeld verliert dadurch seinen Glanz und Fröhlichkeit. Unbewusst stärkt Finnis Umfeld sein Inneres und das Fuchskind erhält sein Strahlen wieder zurück.
Mir gefiel besonders, dass Finni bewusst kein Geschlecht zugeordnet wurde. So kann sich wirklich jedes Kind mit dem kleinen Fuchskind identifizieren. Außerdem ist ein extrovertierter Lebensstil keine Frage des Geschlechts.
Die gesamte Gestaltung ist genauso bezaubernd wie Finni selbst. Die Illustrationen sind nicht zu grell gestaltet und bieten eine klare Bildsprache, in Verbindung mit den kurzen einfachen Texten. Die Idee, Emotionen und Farben miteinander zu verknüpfen ist zwar nicht neu, passte hier aber sehr gut. Der schleichende Prozess von bunt und fröhlich zu farblos und innerlich leer, tat unheimlich weh.
Mit Finni erhält man einen sehr kindlichen Einblick in dieses hochsensible Thema. Die Geschichte lädt zum Philosophieren und Selbstreflektieren ein. Ich hoffe Finni zeigt all den engstirnigen Menschen, wie sehr man, allein mit Worten, einer Seele Schaden zufügen kann. Hier zeigt sich auch, wie wichtig Resilienzfaktoren sind. Besondere Menschen und Dinge um sich zu haben, um zur eigenen inneren Stärke zu finden.
Ich gebe eine Altersempfehlung von 3-4 Jahren. Natürlich werden auch ältere Kinder ihre Freude mit Finni haben, doch erwarte ich dafür mehr Diversität bzw. eine bessere Problemlösung.
Charaktere wie Finni sind wichtig, um nicht selbst im Alltagsgrau zu versinken.
Danke an alle Finnis, die unsere Welt bunter und strahlender machen.
„Nicht ich bin anders. Ihr seid alle gleich“

Bewertung vom 04.03.2023
Wolfskinder
Buck, Vera

Wolfskinder


sehr gut

Das Böse wohnt hier wie dort.
Die Handlung nimmt uns mit in eine mehr als abgeschiedene Siedlung in einer Bergregion. Ein Ort wie aus einer vergangenen Zeit, dessen Bewohner mit allen Mitteln versucht unsichtbar zu bleiben. Schnell wird klar, dass dort etwas nicht zu stimmen scheint. Zunächst ist es mehr ein Gefühl als etwas Greifbares. Zeitgleich lernt man die junge moderne Smilla kennen. Genau vor 10 Jahren verschwand ihre beste Freundin aus genau dieser Bergregion. Immer noch traumatisiert, hat sie die Suche nach ihr nie aufgegeben. Und immer wieder verschwinden dort junge Mädchen. Auf der Suche nach der Wahrheit bringt sie etwas ins Rollen, das den ganzen Berg erschüttern wird.
Der Prolog ließ schnell erahnen, dass nicht nur idyllische Almromantik in diesen Bergen herrschen kann, sondern dort das Böse lauert, das einen einmal gepackt, schwer wieder los lässt. Schon dieser Einstieg hinterließ bei mir klaustrophobische Gefühle. Welches Monster lauert dort im Berg?
Zu Beginn war mir die Siedlung Jakobsleiter und dessen Bewohner doch sehr suspekt. Wer verzichtet freiwillig auf moderne Annehmlichkeiten und führt stattdessen ein, in unseren Augen, entbehrungsreiches Leben? Weshalb leben dort eigentlich fast nur Männer? „Dies ist kein Ort, der für das Leben erbaut wurde. Er ist fürs Verstecken gemacht. Aber wovor?“ Doch scheint selbstgewählte Einsamkeit meist durch schlechte Erfahrungen begründet zu sein. Dies merkt man schon am Verhalten des Nachbardorfes. Mit dem wahren Ursprung dieser Siedlung hätte ich aber nie im Leben gerechnet. War mir anfangs diese Art zu leben doch recht weltfremd, empfand ich im Laufe der Geschichte die Einbindung der sogenannten Zivilisation als etwas Störendes. Auf beiden Seiten herrscht ein, durch Geheimnisse und Vorurteile geschürtes Feindbild. Zeitweise hatte ich wirklich das Gefühl, dass je zivilisierter die Menschen waren, desto grausamer waren sie.
Das Smilla all die Jahre nicht aufgegeben hat, war beeindruckend. Ich bewunderte ihre Hartnäckigkeit und wunderte mich, dass sonst niemand die Zusammenhänge sah. Ich war neugierig darauf, wer nun der wahre Teufel war und habe Smilla eine Erlösung von dieser Ungewissheit gewünscht. Ebenso habe ich mit Rebekka mit gefiebert und ihr ein gutes Ende gewünscht. Doch trotz des allgegenwärtigen Nervenkitzels, konnte mich die Tätersuche nicht ganz packen.
Die Wahrheit ist ein zweischneidiges Schwert. Was für den einen Befreiung bedeutet, endet für andere in Zerstörung. „Die Männer sind auf den Berg gekommen, um alles kaputt zu machen, was bislang meine Welt war. Doch sie haben die falschen Waffen mitgenommen. Es braucht gar kein Benzin und keine Feuerzeuge. Es braucht nur die Wahrheit.“
Die Geschichte zeigte mir außerdem, wie sehr die Umgebung, das eigene Denken und Werteempfinden beeinflussen kann. Dies wird besonders an den drei einzigen Kindern in Jakobsleiter deutlich. Rebekka, 16 Jahre, kann und will nicht mehr so abgeschieden leben. „Was für eine Ironie, dass ich dem Berg entkommen wollte. Und nun Stecke ich mittendrin.“
Jesse, 17 Jahre, der gern zur Schule geht aber nie seine Familie im Stich lassen würde und sich eigentlich auch in der Siedlung wohlfühlt.
Edith, 8 Jahre, macht den Eindruck eines wirklichen Wolfkindes. Sie spricht nicht, ist eins mit der Natur und sehr intelligent. Ihre Art zu Denken machte mir stellenweise schon Angst. In ihr wohnt eine Wildheit inne, die sie fast zu einem Talgeist macht. „Man lernt viel, wenn man tote Tiere untersucht, und man lernt noch mehr, wenn man den Tieren beim Sterben zusieht.“
Die Geschichte wird abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Dies gibt dem Leser die Möglichkeit die Geschehnisse aus mehreren Sichtweisen zu erfahren. Dennoch bleibt lange ein Schleier über der eigentlichen Wahrheit. Die Kapitel sind relativ kurz und geben einem dadurch die Möglichkeit öfters das gelesene zu reflektieren. Die Autorin hat wirklich geschafft, jedem Erzähler einen eigenen Erzählstil zu geben. Dadurch hatte man noch mehr das Gefühl in deren Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen. Es herrscht durchgehend eine beklemmende Atmosphäre und es entstehen düstere Stimmungsbilder, die einen kaum los lassen. Selbst die traumhafte Kulisse wirkte dadurch kalt und unwirtlich. Ab und an flacht der Spannungsbogen etwas ab, doch auch die leiseren Szenen waren nicht weniger düster.
Das Cover wirkt sehr geheimnisvoll und symbolisiert durch sein Spiel aus Licht und Schatten, die beiden Seiten des Berges.
Leider blieben für mich 1-2 Fragen nicht vollständig geklärt.
Wolfskinder ist ein einnehmender Thriller, der es schafft gerade mit den leiseren Tönen einem bis in Mark zu kriechen. Tatsächlich waren die Thrillerelemente für mich eher nebensächlich. Mich faszinierten vor allem die subtile Gesellschaftskritik und die psychologisch gut durchdachten Charaktere.

Bewertung vom 24.02.2023
Die kleine Rittereule
Denise, Christopher

Die kleine Rittereule


ausgezeichnet

Klein aber oho

Ich habe schon lange nicht mehr ein solch bezauberndes Kinderbuch lesen dürfen.
Eine kleine Eule träumt davon ein Ritter zu werden. Sie schafft es, das Unmögliche wahr werden zu lassen und ihren Traum zu verwirklichen.
Dieses Buch zeichnet sich für mich durch einen hohen Mehrwert aus und ist aus pädagogischer Sicht sehr wertvoll.
Beim Betrachten dieses Buches fallen einem als erstes die liebevoll gestalteten Illustrationen auf. Sie wirken nicht überladen und sind selbsterklärend, d.h. sie würden auch ohne Text funktionieren. Die jeweiligen Texte sind relativ kurz. Dadurch bietet sich viel Raum für das eigene Erzählen, Bildbetrachtungen und sogar Philosophieren.
Die kleine Eule ist ein äußerst liebenswerter Charakter. Mit ihrer kindlichen Naivität kommt sie gar nicht auf die Idee zu scheitern. Man kann förmlich spüren, wie mit wie viel Stolz sie ihre Rüstung trägt. Es ist bewundernswert, wie sehr sie die ritterlichen Tugenden verinnerlicht hat und nach diesen auch handelt. Somit hat sie auch eine gewisse Vorbildwirkung.
Obwohl die Geschichte an sich nicht lang ist, enthält sie doch eine Vielzahl an wichtigen und lehrreichen Botschaften. Die kleine Eule verfolgt zielstrebig ihren Traum und lässt sich trotz Rückschlägen nicht entmutigen. Durch sie wird auch deutlich, dass Anderssein nichts negatives ist, sondern ein Mehrwert für die Gesellschaft sein kann. Kinder können durch sie auch lernen, dass man mit Mut, Herz und Verstand auch die schwierigsten Aufgaben meistern kann.
Ich bin ein großer Fan der kleinen Rittereule und auch mein 11jähriger Sohn konnte sich ihren Charme nicht entziehen. Ich würde mich freuen noch mehr von diesem süßen Vogel zu lesen.

Bewertung vom 19.02.2023
In blaukalter Tiefe
Hauff, Kristina

In blaukalter Tiefe


gut

Eine Reise, die mich nicht ganz mitnahm

Der Roman ist an sich ein psychologischer Einblick, was falsche Erwartungen und Geheimnisse, in Verbindung mit beklemmender Enge hervorbringen kann. Zusammen mit den schwedischen Schären als Schauplatz, hatte ich große Erwartungen an diesen Roman.

Das Cover fängt auf beeindruckende Weise die magische Atmosphäre am Meer ein. Das kaleidoskopartige Farbenspiel weckte mein Meerweh.

Der alternde Finanzanwalt Andreas chartert eine Segelyacht, um seine Frau Caroline wieder für sich zu gewinnen. Sie kommt nur widerwillig mit. Mit dabei sind Andreas junger Protegé Daniel und dessen Freundin Tanja. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht dieser vier Charaktere erzählt, wobei der Fokus auf Caroline zu liegen schien. Dadurch gerieten meiner Ansicht nach, vor allem die Männer sehr in den Hintergrund. Begleitet werden die beiden Paare von dem Skipper Eric. Von ihm erfährt man eigentlich fast gar nichts. Als Leser erhält man keinen Einblick in seine Hintergrundgeschichte und Gedankenwelt. Er bleibt genauso unnahbar und undurchsichtig, wie das Meer auf dem sie segeln.

Andreas, Caroline, Daniel und Tanja. Jeder von ihnen erhoffte sich ganz gewisse Dinge von dieser Reise. Doch stellte sich bei allen relativ schnell Ernüchterung ein. Unterschiedliche Charaktere, die jeder für sich, ihre eigenen Päckchen mit an Bord brachten, werden auf engstem Raum damit konfrontiert. Dies ist meiner Meinung nach, immer ein perfekter Nährboden für Konflikte. Die gemeinsam verbrachte Zeit wurde für alle eine physische und mentale Herausforderung, die auch zwischenmenschliche Opfer forderte und alles veränderte. An Bord gibt es keine Möglichkeit für sich zu sein. Keine Chance auf Rückzug oder seine eigene Maske auf Dauer aufrecht zu erhalten. Doch auch, wenn man sich nicht aus dem Weg gehen konnte, waren die Charaktere viel mit ihren Gedanken allein.
Und je ungestümer das Meer um sie herum wurde, desto rauer wurde die Stimmung im Inneren.
Die Namenswahl des Schiffes, „Querelle“, hätte eigentlich allen eine Warnung sein sollen.

Der Schreibstil war zum einen nüchtern gehalten und passte eigentlich relativ gut zur unterkühlten Stimmung an Bord. Die Umgebungsbeschreibung dagegen war wunderschön detailliert gezeichnet.

Abschließend muss ich leider sagen, dass dieser Roman meine Erwartungen leider nicht ganz Erfüllen konnte.
Stellenweise war mir die Segelsprache etwas zu viel und störte mich im Lesefluss. Wirklich sympathisch waren mir die Charaktere auch nicht. Sie waren für mich nie ganz greifbar. Es bricht zwar viel aus ihnen heraus, doch wird kaum etwas zur Sprache gebracht.
Für mich gibt es besser ausgearbeitete Romane dieser Art.

Bewertung vom 19.02.2023
Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1
Mackintosh, Clare

Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1


sehr gut

Eine Party, die weit mehr als eine Leiche zutage fördert
...
Der Fund einer Leiche, während des traditionellen Neujahrschwimmens, erschüttert das kleine walisische Dorf Cwm Coed. Schnell ist klar, dass es sich bei dem Toten um den reichen Bauherren Rhys Lloyd handelt, der in der Nähe das Luxusresort „The Shore“ aus dem Boden gestampft hat. Wer könnte ein Motiv gehabt haben, ihn auf der Party in der Silvesternacht um zubringen?

„Die letzte Party“ bildet den Auftakt einer neuen Krimireihe rund um die walisische Polizistin Ffion Morgan. Aufgrund der zwiegespaltenen Zuständigkeit, ermittelt sie gemeinsam mit einem englischen Kollegen, namens Leo Bradey. Die beiden kennen sich durch eine flüchtige Begegnung, wodurch sich die Zusammenarbeit nicht gerade einfach gestaltet.

Während der laufenden Ermittlung wird eines ganz deutlich. Es gibt niemanden, der kein Motiv gehabt hätte ihn aus dem Weg zu räumen. Jeder trägt entweder ein Geheimnis in sich oder hegte einen tiefen Groll gegen Rhys Lloyd. Sei es seine eigene Familie, Einheimische oder die Bewohner des Resort. Keiner ist wirklich frei von Schuld. Nicht einmal Ffion Morgan selbst, die in dem Dorf aufgewachsen ist, ist unbefangen. Zum einen hat sie zu jedem Dorfbewohner eine Verbindung und zusätzlich ein großes Geheimnis, das sie mit aller Macht bewahren will.

Die Erzählweise war schon sehr außergewöhnlich. Die Ermittlung an sich erleben wir chronologisch fortlaufend aus der Sicht der beiden Ermittler. Dazwischen erfährt man in vielen Rückblicken, aus unterschiedlichsten Perspektiven etwas über die zurückliegenden Ereignisse. Das ganze geschieht auch noch rückwärts erzählt. Ich muss zugeben, dass die Unmenge an handelnden Personen, mich zunächst etwas überforderte. Mir fiel es schwer im Kopf zu behalten, wer, wie und mit wem was gemacht hatte. Auch zog sich für mich die erste Hälfte etwas zäh dahin, da mir die bis dato offenbarten Geheimnisse zu trivial erschienen. Doch nach einem Plottwist, konnte ich das Buch nicht mehr weglegen. Mit jedem neuen Rückblick wurden neue Details enthüllt. Ich war bis zum Ende vollkommen ahnungslos, da nichts für mich vorhersehbar war. Die Idee gleiche Handlungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu offenbaren, empfand ich als sehr geschickt eingesetzt. Jede neue Sichtweise birgt eine ganz eigene Wahrheit und lässt nichts so sein wie es scheint. Und als ich am Schluss dachte, dass nun wirklich jede verdrängte Wahrheit an die Oberfläche getreten war, wurde ich eines Besseren belehrt. Ich war vollkommen fassungslos.

Um ehrlich zu sein hatte ich anfangs meine Schwierigkeiten mit den Charakteren warm zu werden. Einzig für Leo hatte ich Sympathie und seine Charakterentwicklung hat mich sehr beeindruckt. Ffion empfand ich zunächst als sehr anstrengend und eigenwillig mit ihrer Art. Irgendwann konnte ich sie dann aber auch verstehen und sah sie als starke Persönlichkeit. Alle anderen Charaktere blieben für mich teilweise unnahbar, obgleich die Einheimischen mich mit ihrer rauen Art mehr überzeugten. Ich denke, dass die Distanz hauptsächlich an den ganzen Geheimnissen lag und keiner wirklich auffallen wollte.

Der Schreibstil war sehr angenehm zu lesen. Die Beschreibung der Umgebung war unglaublich detailliert. Ich konnte mir wirklich sehr gut vorstellen am Llyn Drych zu stehen und die Schönheit der Natur in mich aufzunehmen. Die kühle und reservierte Art der Dorfbewohner wurde dadurch gut unterstrichen. Die Einbettung der walisischen Sprache fühlte sich für mich sehr authentisch an.

Der Handlungsort war meiner Ansicht nach, sehr gut ausgewählt. Die Fehde zwischen Nordwales und England hat die Stimmung noch mehr angeheizt und war quasi zum Zerreißen gespannt. Die Abneigung untereinander war allgegenwärtig spürbar.

Auf eine Fortsetzung bin ich schon sehr gespannt. Ich würde mich sehr freuen noch mehr von Ffion und Leo zu lesen. Wer weiß schon, welche Abgründe noch in Cwm Coed ans Tageslicht drängen wollen

Bewertung vom 19.02.2023
Jetzt ist Sense
Rath, Hans

Jetzt ist Sense


ausgezeichnet

Kommt der Tod zum Psychiater...
Was normalerweise einen platten Witz ankündigen würde, funktioniert in diesem Roman auf eine sehr eigene Art und Weise perfekt.

Das Cover an sich ist schon ein echter Blickfang und zog mich magisch an. Auf der einen Seite wirkt der Anblick des Sensenmannes an der Bar schon sehr surreal. Andererseits stimmte es mich unendlich traurig, ihn dort ganz allein sitzen zusehen.

Der Tod gehört zu unserem Leben dazu, auch wenn wir davor gern die Augen verschließen. Hier begegnet er uns in Gestalt eines griechischen Gottes, der nicht nur verdammt gut aussieht, sondern auch noch äußerst charmant zu sein scheint. Kein Wunder also, dass die Psychiaterin Olivia ihn für einen Stripper hält, als dieser rein zufällig an ihrem 50. Geburtstag auf der Matte steht. Da er nebenbei in einer Sinnkrise steckt, nutzt der Tod, hier Zino genannt, die Gelegenheit und besucht Olivia nun häufiger, um in Therapie zu gehen. An der wahren Identität hat Olivia zunächst Zweifel. Doch einige Zufälle später ist sie sich da nicht mehr so sicher.

Schon nach den ersten Seiten hatte mich die Geschichte. Der locker leichte Schreibstil, in Verbindung mit einem ganz eigenen Humor, bescherte mir reines Lesevergnügen. Es herrschte eine Situationskomik, die für mich auf den Punkt genau richtig war und nie peinlich oder zu gewollt wirkte.

Deshalb mochte ich die Charaktere, da sie auf mich verdreht aber deswegen so authentisch wirkten.

Manchmal fragte ich mich, wie Olivia es mit all den skurrilen Charakteren in ihrem Umfeld überhaupt aushält, ohne selbst in Therapie zu müssen.

Und genau dieser Humor nimmt dem Thema Tod seine erdrückende Schwere, ohne respektlos zu werden. Denn neben all der Ironie und dem Wortwitz tauchen auch viele leise Töne auf, die zum Philosophieren und Nachdenken anregen. Es treten tiefgründige Fragen und Sichtweisen auf, die noch lange nachklingen. Zum Glück passiert das Ganze, ohne esoterisch zu werden.

Was ist der Sinn des Lebens?

Ist das Schicksal unausweichlich?

Habe ich erfüllt gelebt?

Ist man irgendwann bereit zu gehen?

Viel zu oft denkt man, dass man noch ewig Zeit hätte oder man vergisst zu leben, aus Angst Fehler zu machen.

Den Tod zu personifizieren, dem Unbekannten ein Gesicht zu geben, um einem die Angst davor zu nehmen, gefiel mir sehr gut. Für mich hatte er viel menschliches an sich. Leben und Tod sind halt untrennbar miteinander verbunden. Die Einbettung der griechischen Mythologie, ist in meinen Augen das Sahnetüpfelchen.

Genau wie der Tod kam das Ende leider viel zu überraschend. Gern hätte ich noch länger in der Geschichte verweilt.

Für mich gehört dieser Roman jetzt schon zu meinen Jahreshighlights.

Und wenn der Tod eines Tages vor eurer Schwelle steht, dann hadert nicht mit eurem Schicksal.
Ladet ihn einfach auf einen Ouzo ein.