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Lena
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Köln

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Insgesamt 127 Bewertungen
Bewertung vom 02.06.2025
Fortune, Carley

Dieser Sommer wird anders (eBook, ePUB)


gut

Neun Tage vor ihrer Hochzeit flüchtet Bridget zurück in ihre Heimat, die Insel Prince Edward Island und wünscht sich ihre besten Freundin Lucy an ihre Seite. Diese ist Inhaberin eines Blumengeschäfts in Toronto, das sie von ihrer Tante übernommen hat. Sie ist derzeit mit den Vorbereitungen für Bridgets Hochzeit befasst und versteht nicht, was so kurz vorher in ihre sonst so zuverlässige Freundin gefahren ist.
Lucy folgt ihr treu ergeben auf die Insel, auf der sie, seit sie Bridget vor sieben Jahren kennengelernt hat, schon viel Zeit verbracht hat. Dort ist sie vor fünf Jahren auch Bridgets jüngerem Bruder Felix begegnet und hat eine Nacht mit ihm verbracht, es ihrer Freundin jedoch verschwiegen. Auch in den folgenden Jahren ist sie immer wieder auf Felix getroffen und konnte ihre Anziehung nicht unterbinden. Doch dieser Sommer soll anders werden. Lucy möchte einfach nur ihrer Freundin beistehen und die Finger von Felix lassen, um sich an die Regeln zu halten, die Bridget aufgestellt hat.

Der Roman beginnt in der Gegenwart neun Tage vor Bridgets Hochzeit und führt Lucy wieder zurück nach Prince Edward Island. Die Vergangenheit beginnt fünf Jahre zuvor und handelt von Lucys jährlichen Aufenthalten auf PEI, während denen sie immer wieder Zeit mit Bridgets Bruder Felix verbringt. Bridget hat sie die heimlichen Treffen verschwiegen, denn diese hatte u.a. Die Regel aufgestellt, dass sich Lucy nicht in Felix verlieben darf. Die Gründe für die verbotene Liebe bleiben mehr als vage.

Während gerätselt wird, warum Bridget kurz vor ihrer Hochzeit von ihrem zukünftigen Ehemann flüchtet, rückt der Fokus auf die Bettgeschichte von Lucy und Felix, die sich jährlich wiederholt. Es dauert lange, bis man ein Gefühl dafür bekommt, dass Lucy und Felix tatsächlich mehr Interesse an einander haben, als heimlichen Sex im Haus von Bridgets und Felix' Eltern.

Die Geschichte ist zwei Drittel redundant und eintönig. Die Geheimnisse, die die Charaktere vor einander haben, passen nicht zu dem innigen Verhältnis, das stetig betont wird. Bridget und Lucy können sich über ihre Ängste und Träume nicht austauschen und die willkürlich aufgestellte Regel wird am Ende zur Farce. Auch Bridgets Geheimniskrämerei erhält nur Gewicht, durch die Dauer bis sie endlich Tacheles spricht. Was sie verbirgt, mag belastend sein, ihr Handeln ist dennoch nicht schlüssig und dient nur dazu, künstlich Spannung zu erzeugen.

Das letzte Drittel, wenn alles geklärt ist, ist dann nur noch langweilig. Überhaupt hätte der Roman ordentlich gekürzt werden können, ohne auf wesentliche Inhalte verzichten zu müssen. Die wiederholten Liebesbeteuerungen sind nervtötend und übertrieben - ähnlich wie das Zuviel an wettbewerbsartigem Sex bis zur Schmerzgrenze.
Der Geschichte fehlt es an Ideen und Substanz - darüber kann auch das eigentlich schöne Insel-Setting und die Liebe zu den Blumen nicht hinweg helfen.

Im Vergleich zu den anderen beiden Romanen von Carley Fortune ist dieser eine herbe Enttäuschung. Die Geschichte ist fadenscheinig, Probleme wirken aufgesetzt und lösen sich dann auch in Rauch auf. Trotz Gefühlsduselei weckt der Roman keine Emotionen. Wer jedoch Freude an eindeutigen Bettszenen hat, wird mit genug Spice belohnt.

Bewertung vom 28.05.2025
Douglas, Claire

Perfect Crime - Wenn niemand dir glaubt


ausgezeichnet

Emilia Ward ist erfolgreiche Thrillerautorin und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in einem Vorort von London. Sie hat gerade ihr letztes Buch beendet, was gleichzeitig das Ende ihrer beliebten Reihe um DI Miranda Moody sein soll, als sie sich einer Anzahl von Schikanen ausgesetzt sieht. Ein Stalker bedroht sie und ihre Familie auf subtile Art und verwendet dabei Teile der Handlungen ihrer Romane. Als Emilia dabei mit Teilen ihres neuen Buches konfrontiert wird, das noch gar nicht erschienen ist, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Sie kann niemandem aus ihrem Umfeld mehr trauen, der ein Vorabexemplar erhalten hat und gibt sich selbst die Schuld an den Vorkommnissen, denn auch sie hat gelogen.

"Perfect Crime - Wenn niemand dir glaubt" wird überwiegend aus der Perspektive Emilias erzählt. Daneben gibt Kapitel aus der Sicht der Kommissarin, die im Fall des "Gottesanbeterinnen-Mörders" ermittelt und aus der Sicht von Daisy, deren Mutter ermordet wurde und die auf eigene Faust ermittelt, denn der Täter konnte nie gefasst werden.

Der Thriller ist raffiniert aufgebaut, denn nach einem grauenhaften Ereignis scheint sich die Realität mit dem Inhalt von Emilias neuem Roman zu vermischen. Plötzlich ist nicht mehr nur unklar, wer Emilia bedroht, sondern auch, was Wirklichkeit und was Fiktion ist.

Nach einem gemächlichen Einstieg entwickelt sich die Geschichte nicht nur durch die Schikanen zunehmend spannender. Die Geschichte ist packend, mysteriös und wendungsreich, indem wechselseitig Figuren in den Mittelpunkt rücken und sich verdächtig verhalten. Während es der Polizei anfangs schwer fällt, die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Verbindung zwischen Emilia und dem Fall eines Serienmörders zu erkennen, scheint Emilia auf sich allein gestellt, einen Mörder zu entlarven, der aus ihrem eigenen Umfeld stammen muss.

Das Gefühl einer andauernden Gefahr für Emilia und ihre Familie ist durchgehend vorhanden, was für Spannung sorgt. Dass sich der Thriller weitgehend unblutig entwickelt, tut dem keinen Abbruch. "Perfect Crime" ist ein raffiniertes Verwirrspiel, das keinen Nervenkitzel auslöst, aber gut unterhält und sich am Ende schlüssig auflöst.

Bewertung vom 26.05.2025
Fuchs, Felicitas

Die Akte Schneeweiß


ausgezeichnet

Im Jahr 1963 ist Katja 14 Jahre alt und träumt davon, Ärztin zu werden. Ihre Eltern sind konservativ und halten nichts von den beruflichen Ambitionen ihrer ältesten Tochter. Ihrem Großvater Dom, der sie in allem unterstützt, steht sie nah, doch er verbirgt ein Geheimnis und ist plötzlich verschwunden. In der Familie darf sein Name nicht mehr erwähnt werden und Katja versteht nicht, warum. Erst Jahre später, als Katja tatsächlich Medizin studiert, begreift sie, was er getan hat und findet mehr über die Geschichte ihrer Familie heraus, was bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurückführt.
Mathilde arbeitet 1936 noch in einem jüdischen Haushalt, als ihre Herrschaften fliehen und ihr eine Anstellung als Arzthelferin bei einem Gynäkologen vermitteln. Geschickt übernimmt sie schon bald die Aufgaben und verliebt sich dabei in Dr. Bönisch, der den Nationalsozialisten nicht wohlgesonnen ist. Nach einem tragischen Ereignis ist Mathilde jedoch gezwungen für die Gestapo zu arbeiten, um ihre Familie zu schützen, was sie jedoch immer schwerer mit ihrem Gewissen vereinbaren kann.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und wird aus mehreren Perspektiven erzählt, wobei in der Vergangenheit von 1936 bis 1949 Mathilde Schneeweiß und in der Gegenwart von 1963 bis 1978 Katja Schilling im Vordergrund stehen.
Beide sind ambitionierte, starke Frauen, die für ihre Überzeugungen einstehen und sich nicht so schnell unterkriegen lassen.

Die Geschichte führt in dunkle Zeiten der deutschen Historie zurück und auch wenn der Krieg und das Leid der Menschen nicht in blutigen Details geschildert wird, ist die Geschichte eindrücklich und bewegend.
Sehr anschaulich werden das Zeitgeschehen und die gesellschaftlichen Konventionen beschrieben und man taucht unmittelbar in die Lebenswirklichkeit der Protagonisten ein.

Beide Zeitebenen sind inhaltlich und in der Person von Opa Dom eng miteinander verbunden. Der Roman handelt von Widerstand und Zivilcourage, von medizinischer Versorgung und Frauenrechten. Die Geschichte ist dabei abwechslungsreich und unterhaltsam, denn trotz des Wiederauflebens der dunklen Kapitel der deutschen Geschichte gibt es auch viele heitere und beschwingte Szenen, wenn sich die jungen Frauen klammheimlich auflehnen oder Liebe und Fürsorge erfahren. Zudem werden im Verlauf der vier Jahrzehnte laufend neue Spannungsmomente gesetzt. Es wird nur zu deutlich, wie viel Unrecht geschehen ist, aber auch, dass es Menschen gab, die sich selbstlos und unter Einsatz ihres Lebens für andere eingesetzt haben.

Spannend, dramatisch und bewegend schildert auch dieser historische Roman nicht zu vergessende Aspekte der deutschen Geschichte, legt einen Schwerpunkt auf die Rechte der Frauen und ihre körperliche Selbstbestimmung und verknüpft diese mit einer fiktiven Familiengeschichte, in der es das Verschwinden des Großvaters zu ergründen gilt.

Bewertung vom 25.05.2025
Reid, Taylor Jenkins

Atmosphere


ausgezeichnet

Joan Goodwin blickte schon immer voller Erstaunen und Ehrgeiz zu den Sternen. Als Professorin für Astrophysik ist sie zufrieden mit ihrem Leben und kümmert sich liebevoll um ihre kleine Nichte Frances, der sie die Weite des Universums nahebringt. Als die NASA Ende der 1970er-Jahre die Türen für weibliche Kandidatinnen öffnet, ergreift Joan die Chance und beginnt die fordernde Ausbildung, um eine der ersten Astronautinnen der Geschichte zu werden. Im Johnson Space Center in Houston kommt sie mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten von Soldaten, Piloten und WissenschaftlerInnen zusammen. Sie findet dort nicht nur unerwartete Freundschaften, sondern auch zum ersten Mal die romantische Liebe, die ihr bisher völlig fremd war. Joan ist überwältigt und glücklich, auch wenn sie ihre Liebe geheim halten muss, bis es im Dezember 1984 bei einer Mission des Space Shuttles zu einem verheerenden Unglück kommt.

Der Roman wird aus der Perspektive von Joan erzählt und handelt von dem Wunsch, nach den Sternen zu greifen, der symbolhaft, aber auch tatsächlich wahr wird.
Die Geschichte beginnt mit dem harten Training, das Joan und ihre MitstreiterInnen durchlaufen und wie sich daraus Freundschaften und fest Bindungen entwickeln. Joan ist dabei trotz ihrer Begabung und ihres Fachwissens zunächst eine unsichere junge Frau, die sich ihrer selbst und ihres Potenzials nicht bewusst ist. Durch die Ausbildung und die Erfolge, die sie gerade als Frau in einer männerdominierten Domäne verbucht, beginnt sie heller zu strahlen und findet mit der Luftfahrtingenieurin Vanessa einen starken Halt, die sie zudem anspornt, ihre Flügel auszubreiten und selbstbewusst zu demonstrieren, was in ihr steckt.

Angesiedelt in den 1980er-Jahren handelt der Roman einerseits vom technischen Fortschritt in der Raumfahrt und den wissenschaftlichen Ambitionen, die die Figuren haben, aber auch von der persönlichen Weiterentwicklung der Charaktere und ihren komplizierten Emotionen. Dabei werden auch philosophische Fragen zur Weite des Weltalls, zur Existenz Gottes und dem Sinn des Lebens gestellt.
Mit dem unregelmäßigen Wechsel zwischen Vergangenheit, die die Entwicklung Joans zeigt und im Vordergrund der Handlung steht, und der Gegenwart, in der es während der Mission STS-LR9 zu einer Katastrophe kommt, wird Spannung und Dramatik erzeugt. Auch Joans Familie und ihre heimliche Liebe führen zu Problemen, denen sich Joan stellen muss, aber auch zu vielen Momenten, in denen Joan ihr Glück kaum fassen kann.

Die Geschichte ist emotionsgeladen und führt das Leben als AstronautIn lebendig, aber nur oberflächlich vor Augen. Mit Bezug auf die Entwicklungen in der Weltraumforschung handelt der Roman im Wesentlichen von der Weiterentwicklung einer ambitionierten und liebenswerten Frau, die sich selbst neu kennenlernt und entdeckt, dass es neben der Liebe zu den Sternen auch noch eine irdische, romantische Liebe für sie gibt. Schwere Entscheidungen müssen getroffen werden, die trotz einem Wunsch nach Selbstverwirklichung und Verfolgung seiner Träume, spüren lassen, was im Leben wirklich zählt.
Es ist eine packende Mischung realer historischer Hintergründe mit einer fiktiven, persönlichen Entdeckungsreise und einer großen, zartfühlenden Liebesgeschichte.

Passend zur Zeit und Frauen in technischen Berufen, werden feministische Töne laut, die nicht gewollt wirken und auch nicht penetrant platziert werden.
"Atmosphere" ist eine mitreißende, gefühlvolle Geschichte mit einem ganz außergewöhnlichen Setting, die die Stärke der Frauen in den Mittelpunkt rückt und zeigt, dass man alles erreichen kann, wenn man an sich glaubt und zielstrebig kämpft.

Bewertung vom 23.05.2025
Brand, Christine

Vermisst - Der Fall Emily / Malou Löwenberg Bd.2


ausgezeichnet

Malou Löwenberg hat bis vor Kurzem noch als Kommissarin im Morddezernat Bern gearbeitet und sich selbstständig gemacht, um als Privatermittlerin Fälle von vermissten Personen aufzuklären. Als erste ernstzunehmende Klientin wendet sich die etwa gleichaltrige Vera König an sie, die seit vier Jahren ihre Tochter vermisst. Emily verschwand als Vierjährige spurlos von einem Spielplatz und Vera ist überzeugt, dass sie noch am Leben ist. Malou nutzt die erste unaufgeklärte Spur zum Kindsvater und gelangt damit nach Paris. Dort ermittelt die Polizei im Fall eines Menschenhändlerrings, der sich darauf spezialisiert hat, Kinder als Taschendiebe einzusetzen. Während Malou noch von einer weiteren Klientin kontaktiert wird, die den Vater ihres ungeborenen Kindes ausfindig machen möchte, sucht Malou auch weiterhin nach ihrer eigenen Mutter, die sie niemals kennenlernen konnte.

"Vermisst - Der Fall Emily" ist nach "Vermisst - Der Fall Anna" der zweite Band der Krimireihe um die Berner Ex-Polizistin Malou Löwenberg, die als Findelkind ein Faible für Cold Cases hat. Sie weiß, wie es ist, jemanden zu vermissen und seine Herkunft nicht zu kennen und möchte deshalb auch nicht, dass andere Vermisstenfälle in Vergessenheit geraten.

Malou ermittelt erstmals als Privatdetektivin und stellt sich häufig nicht ganz geschickt an, da die Polizistin noch in ihr steckt, die mehr Kompetenzen hat und unmittelbaren Zwang ausüben kann. Als Privatperson fehlt ihr das bei ihren Befragungen, denn niemand ist so einfach gewillt, mit ihr zu sprechen. Malou ist deshalb weiterhin auf Kollegen und Kolleginnen aus dem Polizeiapparat angewiesen, die sie bereitwillig, selbst auf internationaler Ebene, unterstützen.

Mehrere Handlungsstränge und mehrere Perspektiven sorgen in Band 2 für Spannung. Er handelt nicht nur von dem Fall der seit Jahren vermissten Emily, sondern am Rande auch von Malous persönlicher Suche nach ihrer Mutter, in der sie einen ersten Anhaltspunkt durch einen Brief hat. Darüber hinaus wendet sich noch eine jüngere Klientin mit einem Auftrag an sie und sie lernt in Paris den attraktiven Undercover-Ermittler Alex kennen, der im Fall eines Kinderhändlerrings ermittelt.
Die Geschichte ist damit vielschichtig und abwechslungsreich. Das Privatleben von Malou wird fortgesetzt, während die unterschiedlichen Fälle komplex sind und Malou nicht von Rückschlägen verschont wird. Aber auch die Verzweiflung der Mutter, die ihr Kind sucht und es immer wieder in anderen Kindern sieht, ist nachvollziehbar und berührend dargestellt.

Der Roman ist durchgehend spannend und im Hinblick auf Malous erste Klientin undurchsichtig, was zu immer mehr Fragen statt Antworten führt. Auch wenn frühzeitig zu spüren ist, in welche tragische Richtung der Fall Emily sich entwickelt, ist es packend zu lesen, wie und was Malou herausfinden und ob es dabei tatsächlich Verbindungen mit den Ermittlungen in Paris geben wird. Da es sich um Kinder handelt, die vermisst sind oder entführt worden und der Verdacht besteht, dass diese von Kriminellen zu ihren Zwecken psychisch oder physisch missbraucht, sind die Kriminalfälle besonders erschütternd.
"Vermisst - Der Fall Emily" ist ein dramatischer, authentischer Kriminalfall, der mir noch besser gefallen hat als Band 1. In Bezug auf den "Fall Emily" bleiben am Ende keine Fragen offen, ihre Eltern hat Malou jedoch immer noch nicht ausfindig machen können, was Hoffnung auf eine Fortsetzung der Buchreihe macht.

Bewertung vom 21.05.2025
Novic, Sara

Klartext


ausgezeichnet

Charlie ist gehörlos und trägt ein Cochlea-Implantat. Ihre Eltern wollten, dass sie wie andere Kinder aufwächst, weshalb sie auf eine herkömmliche Schule gegangen ist und bisher nicht die Gebärdensprache gelernt hat. Charlie ist mit dem Implantat unglücklich und könnte sie selbst entscheiden, würde sie es nicht tragen. Als sie auf ein Internat für Gehörlose wechselt, hält sie sich erstmalig in einer Gemeinschaft von Gehörlosen auf uns muss die Gebärdensprache ganz von vorn lernen.
Dort lernt sie Austin kennen, der nicht spricht und nur die Gebärdensprache beherrscht. Er stammt aus einer Familie von Gehörlosen, seine Großeltern und seine Mutter sind gehörlos und sein Vater arbeitet als Gebärden-Dolmetscher. Als seine Schwester geboren wird und hören kann und sein Vater sie als "perfekt" bezeichnet, ist Austin wie vor den Kopf gestoßen.
February Waters ist Direktorin des Internats, das sie mit viel Empathie für ihre Schüler leitet. Sie ist hörend, beherrscht jedoch die Gebärdensprache, da ihre Mutter gehörlos ist. Als sie privat und beruflich gleichzeitig zu kämpfen hat, da die Sorgen um ihre Mutter zunehmen, ihre Ehe kriselt und das Internat aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden soll, verschwinden ausgerechnet noch drei ihrer Schüler spurlos.

Die Autorin Sara Nović ist selbst gehörlos, erlebte den Hörverlust allerdings erst im Lauf ihres Lebens, weshalb sie beide Welten gut kennt und genau das merkt man ihrem Roman an. Auf sehr authentische Weise beschreibt sie das Leben von Gehörlosen und das ihrer Angehörigen mit allen Problemen und Verständnisschwierigkeiten, die es gibt.
In "Klartext" erzählt sie nicht nur von drei ganz unterschiedlichen persönlichen Schicksalen im Zusammenhang mit der Gehörlosigkeit, sondern vermittelt auch in Einschüben zwischen den einzelnen Kapitel Sachwissen über die Gebärdensprache und den historischen gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Gehörlosigkeit.

Es ist aufschlussreich und berührend zu erfahren, mit welchen Widrigkeiten Gehörlose zu kämpfen haben, wie Gebärdensprache in der Vergangenheit stigmatisiert und ausgemerzt wurde und wie sie von hörenden Angehörigen als peinlich empfunden werden kann. Gleichzeitig ist es bewegend zu sehen, wie hörende Eltern sich ein "normales", einfaches Leben für ihre gehörlosen Kinder wünschen und sie damit erst recht als Menschen mit Behinderung einordnen. So ist es bei Charlie der Fall, für die das Cochlea-Implantat kein Allheilmittel, was sie insbesondere ihrer Mutter nicht vermitteln kann, sie es im Gegenteil als belastend empfindet und sich am Ende als ernstzunehmende Gefahr für ihre körperliche Unversehrtheit herausstellt.

"Klartext" ist eine Mischung aus Own-Voice-Roma, Coming-of-Age-Geschichte und Familiendrama, der beiläufig viele Informationen zur Gehörlosigkeit vermittelt. Es ist vielschichtiger und empathischer Roman, der einen mitreißenden Einblick in die Gemeinschaft und Kultur der Gehörlosen bietet und eine berührende Geschichte mit lebensechten und liebenswerten Charakteren über Zusammenhalt und Verbundenheit, aber auch über Verantwortung, Selbstvertrauen und den Mut, für seine Ideale zu kämpfen und seinen eigenen Weg zu gehen. Es ist ein augenöffnender Roman für mehr Verständnis, Inklusion, Diversität und das Recht auf Selbstbestimmung.

Bewertung vom 17.05.2025
Goodman Confino, Sara

Sommer fängt mit Freiheit an


sehr gut

Nachdem die 20-jährige Marilyn Kleinman beim Knutschen mit dem Sohn des Rabbis vor der gesamten jüdischen Gemeinde erwischt wurde, ziehen ihre Eltern die Konsequenzen und schicken Marilyn für einen Sommer von New York zu ihrer Großtante nach Philadelphia. Ada arbeitet dort erfolgreich als Heiratsvermittlerin und soll Marilyn mit einem strengen Blick unter ihre Fittiche nehmen. Marilyn ist von der Vorstellung einer Anstandsdame wenig angetan und ist umso überraschter, als sie Ada kennenlernt. Trotz der Regeln, die Ada für Marilyn aufstellt, ist sie weniger konservativ als gedacht. Zudem schätzt Marilyn sie für ihre Selbstständigkeit, was im Jahr 1960 alles andere als selbstverständlich ist.
Marilyn lässt sich dennoch nicht so einfach bändigen und möchte den Sommer an der Küste New Jerseys nach ihren Vorstellungen genießen. Sie unterstützt ihre Großtante bei ihrer Tätigkeit als Schadchen und setzt sich selbst über das Verbot hinweg, mit den Heiratskandidaten zu flirten, bevor sie ihre Lektion lernt und sich darauf besinnt, was ihr im Leben tatsächlich wichtig ist.

Marilyn benimmt sich zunächst wie ein rebellischer Teenager und wirkt damit deutlich jünger als ihre 20 Jahre. In der New Yorker Oberschicht aufgewachsen, ist sie privilegiert und verwöhnt, unerfahren und naiv. Nach ihrem Fehltritt, der für die Familie rufschädigend ist, ziehen die Eltern die Reißleine und befördern sie als erzieherische Maßnahme zur Tante ihrer Mutter. Auch dort ist Marilyn unter den strengen Augen ihrer Großtante zunächst uneinsichtig und geht eine Liaison mit einem von Adas Heiratskandidaten ein.

Fast zu spät lernt Marilyn, dass die Ratschläge ihrer Tante lebenserfahren und hilfreich sind. Trotz ihrer Strenge mag Marilyn Ada, die ein gutes Herz hat, schlagfertig und frech ist und sich ein eigenes Unternehmen aufgebaut hat, das sie unabhängig macht. Für Marilyn ist nichts wichtiger als ihre Freiheit, weshalb sie nicht früh heiraten möchte. Sie träumt davon, Schriftstellerin zu werden und wird von ihrer Tante dabei unterstützt, ein Buch zu schreiben. Schon bald kann sich Marilyn eine Rückkehr nach New York in den goldenen Käfig ihrer Eltern nicht mehr vorstellen.

"Sommer fängt mit Freiheit an" ist eine unterhaltsame Sommerlektüre, die an den Strand New Jerseys entführt und beschreibt, wie eine privilegierte, unerschrockene junge Frau, heranreift und erwachsen wird. Auch wenn Marilyn die Hauptfigur ist, lebt das Buch insbesondere von Ada und ihren prägnanten Botschaften und wie sie mit einer Mischung aus Strenge und Nachsichtigkeit ihre Nichte auf den rechten Weg führt.
Dabei bildet der Roman das Sittengemälde der 1960er-Jahre ab und zeichnet den Charakter zweier emanzipierter Frauen, die ihrer Zeit voraus sind. Die damalige Zeit wird anschaulich durch liebevolle Details über Konventionen und Gesellschaft beschrieben und verbindet sie mit der fiktiven Geschichte, was ihr noch mehr Authentizität verleiht, auch wenn der Verlauf zum Schluss sehr geradlinig ist.

Bewertung vom 12.05.2025
Frey, Sita Maria

Tage wie Salzwasser


sehr gut

Atlanta ist studierte Mathematikerin und ein logisch denkender Zahlenmensch. Als sie trotz Pille unerwartet schwanger wird, ist sie verunsichert und fürchtet um ihre Karriere. Als dann auch noch ihr stets optimistischer Freund Malte wegbricht, wird Atlanta aus der Bahn geworfen. Verzweifelt klammert sie sich an sein Notizbuch mit vier Namen und Adressen, von denen sie sich Antworten erhofft.
Enza ist Inhaberin eines Fahrradladens und eine Einzelgängerin, die ein enges Verhältnis zu ihrer Mutter hat. Als Hilde ihr eröffnet, dass sie schwer krank ist, tut sie ihr den Gefallen und verspricht ihr nach Sizilien zu reisen, um die Angehörigen ihres verstorbenen Vaters kennenzulernen.
Atlanta und Enza begegnen sich zufällig durch einen Unfall und befinden sich wenig später gemeinsam auf der Reise in Richtung Noto.

Der Roman beginnt turbulent mit den ungewöhnlichen Umständen einer Geburt, geht dann fünf Monate zurück und erzählt von einem holprigen Roadtrip durch Europa und einer Bekanntschaft zweier ungleicher Frauen, die sich zögerlich näher kommen und einander auf ihrer Reise Halt geben.

Die spontane Route führt von Frankfurt bzw. Bad Vilbel über Freiburg, Marseille und Barcelona bis nach Sizilien. Atlanta und Enza sind Einzelkämpferinnen, die unterschiedliche Hoffnungen und Erwartungen an die Reise haben. Während Enza, die sich in vertrauter Umgebung am wohlsten fühlt, nur ihrer Mutter zuliebe aufbricht, schließt sich Atlanta aus einem Impuls heraus Enza an, um eine Erklärung für die Entscheidung ihres Freundes zu finden.

Abwechselnd aus der Perspektive der beiden Hauptfiguren geschildert, fühlt man mit beiden Frauen, die ihr Päckchen zu tragen haben, mit. Sie sind getrieben von Wut und Trauer, überfordert und voller Emotionen und treffen deshalb unorthodoxe und unüberlegte Entscheidungen. Sie haben mit Rückschlägen zu kämpfen und werden mit zahlreichen Hürden auf ihrem Weg konfrontiert, gehen jedoch stoisch weiter, als gäbe es nichts zu verlieren.
Es ist regelrecht frustrierend, was sie auf ihren Zwischenstopps erleben. Man kann ihr Durchhaltevermögen nur bewundern, versteht jedoch auch, dass sie noch nicht zurück nach Hause können. Gepackt hofft man, dass sie auf ihrem Weg das finden, was sie sich erhoffen. Dass es Antworten auf offene Fragen gibt, dass Atlanta eine Erklärung für Maltes Flucht und Enza Trost finden wird.

"Tage wie Salzwasser" ist ein tränenreiches Buch über Tod und Verlust, über Abschiednehmen und Loslassen, aber auch über Hoffnung, Mut, Loyalität und Neuanfang - bittersüß und kraftvoll erzählt.

Bewertung vom 11.05.2025
Novak, Genevieve

No Hard Feelings


sehr gut

Penny ist 26 Jahre alt, wohnt in Melbourne und arbeitet im Marketing. Von ihrer Vorgesetzten fühlt sie sich nicht ernst genommen und die versprochene Beförderung liegt in weiter Ferne. Ihren zwei besten Freundinnen Annie und Bec schüttet sie regelmäßig ihr Herz aus, per Gruppenchat oder bei dem ein oder anderen Drink. Verschiedene Dates haben zu nichts als Frust geführt und eigentlich hängt Penny auch noch viel zu sehr an Max, der sich jedoch nicht auf eine monogame Beziehung einlassen möchte. In der Hoffnung, dass er seine Meinung ändert, trifft sie sich dennoch mit ihm und leidet. Das wiederum führt zu Stress mit ihren Freundinnen, bei denen es im Leben besser zu laufen scheint. Bec ist glücklich verlobt und Annie als Anwältin beruflich erfolgreich.
Penny hadert mit sich, fühlt sich mies, leidet unter Panikattacken und geht ab und an zu einer Therapeutin. Doch da ist auch noch ihr Mitbewohner Leo, der kein Date auslässt, aber immer für sie da ist, wenn sie wieder einmal allein und frustriert ist.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Penny geschildert, die nicht mit Selbstkritik spart. Ihre positiven Seiten nimmt sie kaum wahr, betont lieber ihre Misserfolge und wertet sich selbst damit am meisten ab. Sie wünscht sich einen Partner, hat von ersten Dates aber die Nase voll und im Job verkauft sie sich unter Wert.

Es fällt leicht, sich in Penny hineinzuversetzen, die sich stetig mit anderen vergleicht, die vermeintlich besser oder glücklicher sind. Sie hält sich an einer toxischen Beziehung fest, in der sie ihr langjähriger Loveinterest nur sehen möchte, wenn es ihm gerade passt und er Lust auf sie hat. Ihr Verhalten führt dazu, dass ihre Freundinnen zunehmend genervt von ihr sind und ihr Verhältnis angespannt ist.

Es ist eine authentische, lebendige und sehr unterhaltsame Erzählung über eine junge Frau, die meint, nicht zu genügen und das auch nach außen so darstellt. In vielen Alltagsszenen am Arbeitsplatz, im Kontakt mit Freundinnen und ihrem On-Off-Lover oder dem Zusammenleben mit Leo wird deutlich, dass Penny in einer Spirale aus Selbstzweifeln gefangen ist, in der Anspruch und Wirklichkeit kollidieren.
Die Geschichte entwickelt sich wenig überraschend, sondern so, wie man einen Weg zu mehr Selbstfürsorge erwartet. Sie handelt von Unsicherheiten und Ängsten, wie sie jede(r) nachvollziehen kann. Auch wenn die Hauptfigur in Teilen überspitzt dargestellt wird, ist sie eine Identifikationsfigur der Generation Z.

Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen und so braucht auch Penny, bis sie Schritte in die richtige Richtung macht, sich von dem löst, was sie bremst und verletzt und liebevoller mit sich selbst umgeht, sich um ihre eigenen Bedürfnisse kümmert und nicht mehr nur wünscht, dass dies andere tun.
"No hard feelings" ist ein lebensnaher, warmherziger Roman mit einer zeit- und alterslosen Botschaft: sei nicht so hart zu dir selbst!

Bewertung vom 10.05.2025
Jimenez, Abby

Just for the Summer


ausgezeichnet

Justin fühlt sich verflucht, denn jede Frau mit der er sich trifft, findet nach ihrer Trennung ihre große Liebe. Durch einen Reddit-Thread geht seine Annahme viral und einige Frauen möchten nun unbedingt mit ihm ausgehen, um anschließend ihren perfekten Partner zu finden. Eine Direktnachricht erhält er von Emma, die ihm ein ähnliches Problem schildert. Um den Fluch zu brechen, möchten sie sich zu Dates verabreden und sich trennen, um anschließend die Liebe ihres Lebens zu finden.
Justin und Emma wohnen an unterschiedlichen Orten, aber Emma arbeitet als Springer-Krankenschwester und findet zusammen mit ihrer besten Freundin Maddy eine sechswöchige Anstellung in einem Krankenhaus in Justins Nähe in Minnesota.
Beide möchten sich gemäß ihrer Erfahrungen mindestens viermal treffen, einmal küssen und nicht weitergehen, doch sie merken schon frühzeitig, wie viel sie für einander empfinden. Neben dem angeblichen Fluch und den Prinzipien, die sie für ihre Beziehung aufgestellt haben, sorgen ihre Mütter für weitere Probleme. Emma sieht ihre Mutter, die sie in ihrer Kindheit stark vernachlässigt hatte, nach zwei Jahren Abwesenheit wieder und Justin muss für längere Zeit die Vormundschaft für seine jüngeren Geschwister übernehmen.

Bleibt es bei einer sechswöchigen Sommerliebe - passend zum Titel "Just for the Summer" oder hat die Liebe von Emma und Justin eine Zukunft?
"Just for the Summer" ist Band 3 der Buchreihe "Part of your world", einer Liebesroman-Reihe, die im Umfeld des Royaume Northwestern Hospital handelt, wo Emma und Maddy in dem Sommer arbeiten. Alle Romane können unabhängig von einander gelesen werden. In einem Interview am Ende des Buches erklärt die Autorin die Zusammenhänge zwischen den Büchern und warum es mit einzelnen Figuren ein Wiedersehen gibt.

Die Geschichte von Band 3 ist wechselnd aus den Perspektiven der beiden Hauptfiguren Emma und Justin geschildert. Auf diese Weise erhält man nicht nur Einblicke in die Gefühle und die Beziehung zu einander, sondern auch in ihren Alltag und die Lebenswelten, die nicht unbelastet sind.

Emma ist aufgrund ihrer Kindheit traumatisiert und leidet unter nachvollziehbaren Bindungs- und Verlustängsten. Beständig an ihrer Seite ist ihre beste Freundin Maddy, die wie eine Schwester für sie ist und mit der sie die befristeten Anstellungen an Krankenhäusern gemeinsam absolviert.

Justin arbeitet in der IT-Branche, ist jedoch kein Nerd, sondern ein kreativer Kopf. Sein Vater ist vor vier Jahren gestorben, was Auswirkungen auf die Familie hatte. Seine Mutter hat fatale Fehler gemacht und nun ist es an Justin, sich um seine jüngeren Geschwister zu kümmern.

Emma und Justin haben nach dem Austausch von Nachrichten und Telefonaten einen Plan entwickelt, ihren Liebesfluch zu durchbrechen. Man spürt auf Anhieb die Chemie zwischen den beiden. Die Funken sprühen und auch wenn sie sich nicht in allem einig sind, passen sie perfekt zu einander. Sie sind empathisch und ehrlich zu einander, entwickeln Verständnis für die Probleme des anderen und sind für einander da. Vor allem Justin legt sich ins Zeug, um Emma von sich und Minnesota zu überzeugen und sie zum Bleiben zu bewegen.
Man wünscht den beiden ihr Happy End und fragt sich gleichzeitig, wie sie die Hürden meistern werden, die sie trennen.

"Just for the Summer" ist vielmehr als nur eine Sommerromanze, dafür aber auch weniger unbeschwert als zunächst gedacht. Der Aufhänger mit dem Beziehungsfluch ist witzig und originell, woraus sich eine lebensnahe Geschichte entwickelt, in der sich so einige Schwierigkeiten aus den Biografien der Hauptfiguren offenbaren.
Die Geschichte ist romantisch, aber nicht kitschig, humorvoll, aber nicht albern. Sie ist voller liebenswerter, nahbarer Charaktere, die nachvollziehbare Probleme haben, die der Geschichte mehr Tiefe geben und zusätzliche Spannung erzeugen. Ein Liebesroman, der mich so positiv überrascht hat und damit neugierig auf die beiden anderen Bücher der Reihe macht, was durch das Interview der Autorin noch verstärkt wird.