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nessabo

Bewertungen

Insgesamt 62 Bewertungen
Bewertung vom 06.08.2024
A Beautiful Flaw
Radtke, Ria

A Beautiful Flaw


sehr gut

Schöne Geschichte zu innerer Schönheit mit einigen Längen in der Umsetzung

Ich fand das beschriebene Setting im Klappentext spannend und auch das Hauptthema zu "Was ist eigentlich schön" hat mich angesprochen. Außerdem wurde ein Vergleich zu Bridgerton gezogen und da bin ich natürlich sofort am Start. 😅

Die Geschichte lässt sich sprachlich gut lesen und besonders gut haben mir die Abschnitte mit den Drehbuchauszügen gefallen. Die Handlung wechselt zwischen den Perspektive von Vic und Lex, Sam kommt als Hauptdarstellerin der Serie und als Vics Schwester auch in ein paar Kapiteln zu Wort. An der Stelle habe ich aber bereits eine erste Kritik, denn ihre Sichtweise bleibt mir viel zu flach, eindimensional und langweilig. Irgendwie habe ich das Gefühl, die Perspektive hätte auch gestrichen werden können und es hätte nichts an der Handlung verändert. Sam bekommt im nächsten Teil ja auch noch ihren Auftritt, das hätte meiner Meinung nach auch genügt. Vic und Lex sind als Figuren deutlich komplexer, doch auch sie konnte ich emotional nicht zu 100 % greifen bzw. waren sie mir ein wenig zu vorhersehbar. Ich mag aber auch ambivalente Figuren lieber, das sei zur Einordnung gesagt.

Trotz des zugänglichen Schreibstils und des hilfreichen Glossars hatte das Buch seine Längen, durch die ich mich phasenweise etwas durchbeißen musste. Auf den Themen "vergangene Traumata" sowie "innere Schönheit" wurde mir persönlich ein wenig zu intensiv herumgeritten und auch der Beziehungsaufbau zwischen Vic und Lex hätte für mich ein wenig mehr Dynamik haben können. Ein paar Inkonsistenzen/Fehler gab es auch im Roman, so wurde z. B. beschrieben, dass die Serienszenen oft gar nicht chronologisch zur Handlung gedreht werden, aber die Schlussszene wurde dann auf einmal doch ganz am Ende gedreht. Und so sehr das Glossar bei den Filmbegriffen hilft, bleibt für mich bspw. trotzdem offen, was mit "Cont'd" im Skript gemeint ist.

Die konkreten Unsicherheiten Vics können bestimmt vielen Menschen dabei helfen, sich gesehen und weniger allein zu fühlen. Auch, wenn das konkret mich persönlich nicht angesprochen hat, finde ich den Roman sehr wichtig. Die 4 Sterne sind aufgrunddessen etwas aufgerundet, da er für mich wie gesagt deutlich flüssiger und emotional zugänglicher hätte sein dürfen.

Bewertung vom 02.08.2024
Das Verschwinden
Newman, Sandra

Das Verschwinden


weniger gut

Wirklich tolle Idee, doch leider zu kompliziert und wenig emotional umgesetzt

Der Klappentext versprach mir eine feministische Dystopie mit utopischen Anteilen, deshalb habe ich mir das Buch auch gekauft. Doch meine Erwartungen wurden leider sehr enttäuscht.

Ich hatte zu keinem Zeitpunkt wirklich einen angenehmen Lesefluss, nur am Ende wurde es für mich durch Evangelynes Vergangenheitsbewältigung kurz spannend. Die Handlung war mir zu sehr "irgendwo und nirgendwo" - dem Verlauf fehlte es mir an Stringenz und es gab zu viele Charaktere, die aber wiederum nicht wirklich Raum bekommen haben, um sich zu entfalten. Da mir außerdem Jane ziemlich unsympathisch war und Evangelyne sich überwiegend unnahbar angefühlt hat, habe ich zu keiner der Figuren eine emotionale Bindung aufbauen können.

Auch sprachlich fand ich das Buch anstrengend. Es fällt mir nicht leicht, mein exaktes Problem zu beschreiben, aber es wirkte phasenweise sehr sachbuchartig und vor allem in der Tiefe nicht sonderlich emotional. Vielleicht haben Menschen hier Freude, die eine experimentellere und nüchterne Sprache mögen. Als Liebhaberin einer klaren, emotional vielschichtigen Sprache und Handlung war ich hiermit leider unzufrieden.

Und dann habe ich abschließend das Gefühl, die Geschichte einfach nicht verstanden zu haben. Von den Enthüllungen Evangelynes habe ich mir eindeutig mehr Klarheit erhofft, stattdessen verbleibe ich nach dem Ende einfach mit 100 Fragezeichen im Kopf.

Ich gebe trotzdem wohlmeinende 2 Sterne für die Ideen, die im Roman stecken und für die komplexe Betrachtung unserer Welt. Sandra Newman verfällt nicht in vereinfachte Lösungsvorschläge und thematisiert nebenher rassistische Polizeigewalt ebenso wie Transgeschlechtlichkeit. In ihrer Vielfalt finde ich die ganzen Themen zwar oft zu lose in die Handlung eingewoben, aber ich möchte den Versuch trotzdem wertschätzen.

Bewertung vom 30.07.2024
An dir führt kein Weg vorbei
Forsythe, Lauren

An dir führt kein Weg vorbei


gut

Solide RomCom mit interessantem Setting, jedoch wenig emotionalem Tiefgang und Tension

Ich habe die Geschichte zwar gut lesen können, bin aber emotional nicht so richtig reingekommen. Da gibt es im RomCom-Bereich Bücher, die mir persönlich besser gefallen.

Richtig gern mochte ich die zugrundeliegende Idee, dass die beiden einige der von ihrer Firma angebotenen Freizeitaktivitäten gemeinsam testen sollen, obwohl sie sich in einem direkten Konkurrenzkampf befinden. So gibt es einige lustige Dates/Nicht-Dates. Der Textfluss ist romcom-typisch leicht und ermöglicht ein schnelles Leseerleben.

Mir persönlich fehlte es aber an Tiefe. Weder habe ich so richtig eine sich aufbauende Spannung zwischen Marina und Lucas wahrgenommen, noch war es emotional sonderlich komplex. Das Enemies-to-Lovers war mir auch zu seicht und der beschriebene Konkurrenzkampf schien sich schnell erledigt zu haben. Enttäuscht war ich persönlich auch davon, dass der Spice komplett gefehlt hat, obwohl er sich gut in die Handlung hätte einfügen lassen. Irgendwie plätschert die Geschichte doch sehr vor sich hin und ich habe mich mehrfach beim unaufmerksamen Lesen ertappt, weil ich emotional einfach keine gute Bindung zu den Figuren aufbauen konnte.

Eine solide RomCom für alle, die es ziemlich vorhersehbar mögen und eine zarte Geschichte ohne Spice lesen möchten.

Bewertung vom 25.07.2024
Was glänzt, verschwindet mit uns
Reichl, Caro

Was glänzt, verschwindet mit uns


gut

Gut geschriebene Geschichte, aber die Protagonistin hat mich leider einfach nur deprimiert

Ich bin voller Erwartungen in diesen Roman gegangen und er hat sich zu Beginn auch vielversprechend gelesen. Dann aber fand ich die Hauptfigur so unfassbar deprimierend und wenig nachvollziehbar, dass ich mich eher geärgert habe.

Nola ist Psychotherapeutin und kommt mit dem Tod ihrer älteren Schwester nicht gut zurecht. Sie flüchtet sich in ihre Arbeit, verleugnet die Realität, entwickelt eine regelrechte Obsession für einen ihrer Patienten (den sie schon zu Schulzeiten kannte und gut fand) und befindet sich zunehmend in einem hochgradig depressiven Zustand, den ich persönlich schwer auszuhalten fand. Ihre Partnerschaft erscheint auch einfach grundlegend furchtbar, distanziert und unnötig, ich konnte sie null nachvollziehen. Besonders über ihre Rolle als Therapeutin habe ich mich sehr geärgert, weil sie meiner Meinung nach komplett unverantwortlich mit ihren Patient*innen umgeht und sich im Verlauf der Handlung auf kontrollierende und manipulative Art in deren Leben einmischt. Auch die Katze ihrer Schwester, um die sie sich kümmern wollte, vernachlässigt sie auf die verheerendste Art und Weise.

Der Roman ist sehr zugänglich und leicht lesbar geschrieben, ich habe mich auch nicht großartig gelangweilt. Doch für mich persönlich war Nola als Hauptfigur einfach zu problematisch, zu selbstbemitleidend, zu übergriffig. Ein Trauerprozess ist natürlich extrem individuell, aber ich komme mit derartigen Charakteren, die sich auch völlig von anderen isolieren, einfach nicht zurecht. Und über meinen Ärger hinaus konnte ich mich leider auch nicht in die Protagonistin einfühlen und entsprechend kein Mitgefühl für sie aufbringen. Dennoch finde ich, dass der psychische Extremzustand authentisch beschrieben wurde.

Menschen, die genau solche schwierigen Figuren mögen und sich gerne von ihnen herausfordern lassen, könnten in diesem Buch etwas sehr Passendes finden, denn literarisch finde ich es durchaus gut. Und sicherlich ist es auch hilfreich mit einer mutmaßlich schwer depressiven Hauptfigur umgehen zu können. Mich hat der Roman leider sehr runtergezogen und er wird mir damit vermutlich auch nicht im Gedächtnis bleiben.

2,5 ⭐️

Bewertung vom 24.07.2024
Ein Mann zum Vergraben
Casale, Alexia

Ein Mann zum Vergraben


ausgezeichnet

Krimikomödie voller emotionaler Situationskomik und mit einer herzzerreißenden Relevanz

[TW: häusliche Gewalt]

Ich war zu Beginn etwas unsicher, ob mir das Buch mit seiner Krimi-Komponente zu viel ist, weil ich bzgl. Gewaltverbrechen extrem sensibel bin. Und obwohl es natürlich um Totschlag geht, bin ich beeindruckt davon, mit welchem Humor ein so relevantes Thema hier behandelt wird.

Eigentlich geht es Alexia Casale nämlich vor allem darum, das Thema häusliche Gewalt, ganz besonders im Kontext der Corona-Lockdowns, niedrigschwellig an die Menschen zu bringen. In ihrer Arbeit hatte sie nämlich oft das Gefühl, nicht genügend zu erreichen, weil Menschen die patriarchale Gewalt an Frauen und Mädchen (bzw. natürlich FLINTA) zu sehr als „Privatsache“ ansehen und weniger als ein strukturelles Problem. Besonders diese Einordnung im Nachwort der Autorin hat mich emotional noch einmal extrem erschüttert und macht den Roman zu einer klaren Empfehlung.

In „Ein Mann zum Vergraben“ begleiten wir vier Ehefrauen (und zum Teil deren Töchter) verschiedener Schichten und race. Zwei waren einmal befreundet, alle anderen kennen sich gar nicht. Bis sie alle ihre gewalttätigen Männer umbringen und zufällig aufeinanderstoßen. Es formt sich ein ganz besonderer Club, der geprägt ist von bedingungsloser Solidarität und Freundinnenschaft. 🤍

Begleitet von allerlei Widrigkeiten, die an Situationskomik kaum zu übertreffen sind, müssen sie nun nicht nur vier Leichen beseitigen, sondern sich auch einen plausiblen Grund für das Verschwinden ihrer Männer einfallen lassen.

Ich mochte besonders, dass es hier überhaupt nicht darum geht, (tödliche) Gewalt als etwas Lustiges darzustellen. Stattdessen macht der Roman Raum für moralische Fragen. Welche Optionen haben Frauen, die unter der Gewalt ihrer Ehemänner leiden? Wenn die ihre Töchter zwangsverheiraten wollen? Oder sogar das Leben der Kinder bedrohen? Was, wenn aufgrund eines Lockdowns die sowieso begrenzten Hilfsangebote noch weiter beschränkt werden? Können wir als Leser*innen ihre Erleichterung nachvollziehen?

Der Humor des Romans ist ein schwarzer, doch er nimmt dem Thema nie die Ernsthaftigkeit. Casale ist es dabei gelungen zu transportieren, dass patriarchale Gewalt unabhängig von religiösen und kulturellen Einflüssen überall zu finden ist ohne dabei z. B. rassistische Stereotype zu bedienen. Ebenfalls schafft es die Autorin, die emotionale Ambivalenz der Frauen nach der Tat abzubilden. Die Krimi-Aspekte finde ich so reduziert beschrieben, dass der Roman auch von sensibleren Gemütern gelesen werden kann. Die deutsche Übersetzung war an einigen Stellen etwas holprig, das ist aber mein einziger Kritikpunkt.

Ich gehe bedrückt, aber auch bestärkt aus der Lektüre hervor. Mein Herz bricht für all die Gewalt, die FLINTA weltweit besonders in ihren Beziehungen ertragen müssen. Solange sich nichts grundlegend ändert, bleibt uns zumindest die Solidarität untereinander. Und das ist eindeutig die große Stärke des Romans.

Bewertung vom 23.07.2024
Land in Sicht
Hartmann, Ilona

Land in Sicht


sehr gut

Voller Humor und mit Leichtigkeit erzählte Suche nach dem eigenen Vater (und der eigenen Identität)

Das Buch lässt sich in seiner Kürze einfach unfassbar flüssig lesen. Der Schreibstil ist leicht und von einem feinen Humor geprägt. Es ist absolut beeindruckend, wie Ilona Hartmann hier ernste Themen auf eine so leichtfüßige Weise behandelt, ohne ihnen dabei die Ernsthaftigkeit zu nehmen.

Jana sucht ihren Vater und geht dabei an Bord eines Kreuzfahrtschiffes auf der Donau, auf welchem er der Kapitän ist. Es geht aber nicht nur um das Annähern der beiden, um das Gegenüberstellen von Erwartungen und Realität, um die Erinnerung an sein Fehlen. Ilona Hartmann reflektiert durch ihre Protagonistin auch über ganz andere Themen, die meine inner millenial sehr deutlich angesprochen haben.

Wie ist eigentlich das wirkliche "Coming of Age"-Leben? Welche Rolle hätte ein Vater spielen können, wäre er zumindest physisch anwesend gewesen? Was genau sind die eigenen Vorstellungen von der Zukunft? Und trotz all dieser bedeutenden Fragen wird das Buch nie schwer.

Ich hatte mit dem Buch eine sehr gute Lesezeit und musste etliche Male lachen. Emotional hätte es für mich noch ein wenig intensiver sein können, die Handlung springt dafür dann doch etwas zu schnell hin und her. Doch alle, die eine kurzweilige und humorvolle Lektüre suchen, werden mit "Land in Sicht" glücklich sein.

Bewertung vom 22.07.2024
Potenziell furchtbare Tage
Jankovska, Bianca

Potenziell furchtbare Tage


sehr gut

Eine Essaysammlung mit radikalen Gedankengängen, vielen Anekdoten und wichtiger Systemkritik

Dieses Sachbuch ist sicherlich nicht jedermenschs Geschmack, dafür ist die direkte Art Jankovskas wohl einfach zu unkonventionell. Wer in der Lage ist, die persönlichen Erfahrungen und Gedanken der Autorin von sich selbst zu trennen, kann hier aber gute Anstöße bekommen.

Ich mochte die etwas rotzige Schreibweise der Autorin, ebenso wie ihre fundamentale Systemkritik - auch, wenn ihre Lösungsvorschläge und -ideen sicherlich diskutiert werden können (nichts anderes sagt sie allerdings auch). In essayistischer Art schreibt Jankovska über Leistungsdruck im Kapitalismus, die Benachteiligung von Menstruierenden und über mögliche Gegenmaßnahmen. Die vielen radikalen Ansätze zu Anti-Work fand ich sehr interessant und wohltuend. Mit ihrer grundlegend antikapitalistischen Einstellung trifft sie bei mir auch einen Nerv und ich denke, eine derartige sollte auch gegeben sein, damit das Buch ein angenehmes Leseerlebnis wird.

Rückblickend finde ich den Titel, der ein Werk über den Zusammenhang von Menstrual Health, Anti-Work und das gute Leben suggeriert, nicht so gut gewählt. Alle Themen werden zwar behandelt, aber oft unabhängig voneinander. Lesende sollten kein Problem mit Essays haben, die sich lose aufeinander beziehen. Denn einen roten Faden habe ich oft vergeblich gesucht.

Auch das Thema Mutterschaft/Abtreibung wird emotional recht intensiv behandelt. Mich persönlich hat das positiv angesprochen, ich kann mir aber vorstellen, dass Mütter bzw. Eltern gewisse Dinge persönlich nehmen. Das kann bei diesem Buch aufgrund der direkten Schreibart immer mal wieder passieren. Wer das nicht trennen kann, wird hier eher nicht glücklich werden.

Ich verstehe das Buch als ein persönliches mit vielen radikalen Ideen, die Aushandlungsprozesse anstoßen sollen und nicht den Anspruch haben, eine Lösung für alle Probleme darzustellen. Als ich mich von meiner Erwartung einer klaren Struktur getrennt hatte, habe ich die essayistischen Texte sehr gern gelesen. Aufgrund der anekdotischen Art lässt sich das Buch schnell lesen und ist dadurch auch kein klassisches Sachbuch. Ich konnte einige Impulse mitnehmen und habe mich phasenweise sehr verstanden gefühlt. Viele Sachen waren mir allerdings auch nicht neu, weshalb ich es in großen Teilen einfach als Unterhaltung gelesen habe.

3,5 Sterne

Bewertung vom 20.07.2024
Love, unconventionally
Joyce, Lola

Love, unconventionally


gut

Leichter Lesefluss und tolles Plädoyer für mehr Toleranz, für mich aufgrund der Protagonistin aber nicht so passend

Der Roman liest sich auf jeden Fall super schnell, der Schreibstil ist also sicher zugänglich für viele Menschen. Ich finde ihn thematisch spannend und war super überrascht vom großen Thema! Dafür gibt es von mir auch Pluspunkte, denn Sexarbeitsfeindlichkeit ist so präsent in dieser Gesellschaft und im Rahmen eines Romans für den Abbau von Vorurteilen zu kämpfen, lobe ich sehr. Dass es einige spicy Szenen gab, hat mir ebenso gut gefallen. 🌶️

Auch, dass es diverse Figuren und Lebensmodelle im Roman gab, finde ich gut. Sprachlich gab es für mich hingegen ein paar Dinge, die noch verbessert und inklusiver formuliert werden können.

Es fehlte mir zudem etwas am Comedy-Aspekt, ich würde es eher als Romance mit einem klaren Plädoyer für mehr Toleranz und sexuelle Freiheit einordnen.

Mein Hauptkritikpunkt ist, dass ich einfach gar keinen Bezug zu Claire hatte und mir Leon wiederum zu eindimensional war. Klar, er hat das große Geheimnis, aber ansonsten scheint er keine "Fehler" zu haben. Ich mag ambivalente Figuren lieber, aber das ist nur meine persönliche Präferenz. Ich verstehe auch, dass viele Menschen so nette Charaktere super schön finden. 
Claire ist einfach gar nicht mein cup of tea. Wir sind zwar ähnlich alt, aber mir gingen ihr Selbstmitleid und ihre sich ständig wiederholenden Gedankengänge mit den ganzen Vorurteilen ehrlicherweise auf die Nerven. Ich bin aber in meinem Toleranzdenken einfach schon deutlich weiter und sehe mich deshalb nicht als Zielgruppe des Romans.

Ich empfehle das Buch für Menschen, die keine Berührungsängste haben und sich vielleicht bezüglich des eigenen Toleranzdenkens testen wollen. Dafür ist der Roman nämlich wirklich gut geeignet und wird dann für eine gute Lesezeit sorgen.

Bewertung vom 18.07.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


ausgezeichnet

Auf die schmerzvollste Art schön

TW: häusliche und sexualisierte Gewalt

Ruth-Maria Thomas hat hier ein unglaublich schmerzvolles und intensives Debüt geschaffen, mit dem ich mich in Teilen viel zu stark identifizieren konnte.

Jella und Yannick führen eine Beziehung, die gesellschaftlich gern als „leidenschaftlich“ bezeichnet wird. Die Autorin zeichnet in „Die schönste Version“ auf zwei Zeitebenen eindrücklich die Dynamiken einer toxischen Beziehung. Wie konnte es dazu kommen, dass Jella trotz einer zu Beginn so wunderschön erscheinenden Partnerschaft eines Tages auf dem Polizeirevier sitzt und Anzeige erstattet - mit den Würgemalen noch am Hals?

Dabei behandelt der Roman nicht nur, warum Frauen in gewaltvollen Partnerschaften bleiben, sondern auch das Aufwachsen als Frau in einer durch und durch misogynen Gesellschaft. Das Setting einer Kleinstadt in der Lausitz während der 00er-Jahre setzt der Handlung für mich persönlich das Krönchen auf. Die Perspektivlosigkeit junger Menschen in dieser strukturschwachen Gegend aber auch die Verbundenheit mit ihr ist immer wieder spürbar.

Thomas zeichnet komplexe, ambivalente und nahbare Charaktere. Jella bemüht sich entsprechend der patriarchalen Erwartungen von Anfang an darum, Männern zu gefallen. Ihre ersten sexuellen Erfahrungen sind entsprechend so schrecklich wie sie nur sein können. Bei allen Fragen, die sie sich danach stellt, war mir schlecht vor Wut und Trauer. „Ist wirklich etwas passiert? War es denn überhaupt so schlimm? Hätte ich klarer kommunizieren müssen?“ In welcher Welt leben wir, dass Gewaltopfer sich diese Fragen stellen - und warum hat sich das einfach kein Stück verändert? 💔

Doch Jella ist auch impulsiv, verletzt andere Menschen, während sie versucht, die Kontrolle über ihr Leben wiederzuerlangen. Das macht sie für mich als Figur unglaublich spannend und greifbar. Gleichzeitig schafft es die Autorin, niemals ernsthaft zu vermitteln, Jella sei auch nur in Teilen mitschuldig an dem, was ihr passiert. Das halte ich für ein großes Talent, denn die Protagonistin wird mit diesen Fragen ständig konfrontiert. Wieder und wieder zeigen sich außerdem ihre Traumata und das schiere Ausmaß derer hat mich zerstört. 😭

Wir begleiten Jella während der 11 Tage nach der Tat. Ihren Freundinnen öffnet sie sich erst extrem spät und während auch dieser Punkt mir so unfassbar weh getan hat, war das Thema Freundinnenschaft immer wieder auf heilsame Art präsent.

Und so lässt mich der Roman auch zurück: mit schmerzendem, aber auch irgendwie geheiltem Herzen und der Frage, warum ich so viel Lebenszeit mit den unerreichbaren Idealen des Patriarchats verschwendet habe statt mit meinen Freundinnen eine gute Zeit zu haben. Ich bin beeindruckt vom Schreibstil der Autorin, auch wenn er phasenweise aufgrund seiner fragmentarischen Art herausfordernd war. Doch das passt meiner Meinung nach perfekt zum Inhalt, welcher ebenso Zeit und Raum zum Reflektieren braucht. Ein Text, der einfach weggeatmet werden kann, hätte dem widersprochen.

Achtet auf die Triggerwarnungen, aber lest dieses Buch, wenn ihr könnt. Ich denke, es kann ganz viele Menschen erreichen. Ob mit oder ohne Gewalterfahrung, ob Millenial oder nicht. Die grundlegenden Dynamiken haben sich leider nicht merklich verändert. 2023 waren 70,5 % aller Opfer häuslicher Gewalt weiblich. Jeden Tag versucht ein Mann, seine (Ex-)Partnerin zu ermorden, jeden 3. Tag gelingt es ihm. Wir müssen Betroffenen glauben und dürfen ihnen keine Schuld zusprechen, denn kein Mensch hat das Recht, einem anderen das Leben zu nehmen oder es zu bedrohen. Genau das vermittelt der Roman auf die schmerzvoll-schönste Art. ❤️‍🩹

4,5 Sterne

Bewertung vom 16.07.2024
The Summer of Broken Rules
Walther, K. L.

The Summer of Broken Rules


gut

Sommerliche RomCom, die mir phasenweise zu seicht, unlogisch und emotional einseitig war

Wer nach einer seichten Geschichte für den Sommer sucht, ist hier an der richtigen Stelle. Ich hatte mit dem Buch auch ein gutes Leseerlebnis, doch es kann für mich nicht mit anderen RomComs mithalten.

Das sommerliche Setting auf Martha’s Vineyard, wo die Autorin selbst viele Sommer verbrachte, ist super schön. Auch die beschriebenen Figuren sind eigentlich alle liebenswert, respektvoll und einfach nett. Sehr gut gefallen hat mir das Spiel „Killer“, in dem sich die Teilnehmenden gegenseitig mit Wasser „umbringen“ müssen. Da das Spiel 24 h am Tag läuft, entsteht eine spannende, aber gleichzeitig auch harmlose Dramatik.

Ich habe aber auch einige Punkte, die „The Summer of Broken Rules“ für mich einfach nicht zu einer perfekten RomCom machen. Zum einen hätte die Liebesgeschichte deutlich tiefer sein können. Klar, die beiden sind noch nicht einmal 20, aber das Buch ist ja kein YA und da hätte es für mich ruhig expliziter sein können. Und obwohl ich die liebevolle Familiendynamik sehr mochte und sogar heilsam fand, waren mir die Charaktere damit irgendwie auch zu eindimensional. Außer der Liebe zwischen den Figuren habe ich emotional nicht wirklich viel greifen können. Selbst die beschriebene Trauer Merediths um ihre verstorbene Schwester konnte ich nicht so richtig fühlen. Und Wit blieb mir bis zum Ende mehr oder weniger ein Rätsel. So richtig viel habe ich nicht von seinem Charakter mitbekommen, außer dass er sanft zu sein scheint.
Auch die Handlung fand ich nicht so ganz rund. Ich brauche nicht zwangsläufig enormes Drama, aber die Geschichte plätscherte teilweise zu doll vor sich hin. Außerdem hatte ich einige Stolpermomente, in denen die Figuren etwas gemacht haben, das für mich recht unlogisch erschien. Ich hatte da den Eindruck, die Autorin wollte bestimmte Dinge einfach reinschreiben, auch wenn es nicht so richtig passte.

Trotz meiner Kritik lässt sich das Buch super schnell und leicht lesen. Ich empfehle es Menschen, die Drama nicht wirklich brauchen und stattdessen einen Sommer-Roman über eine funktionierende, liebevolle Familie lesen wollen. 3,5 ⭐️