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adel69
Wohnort: 
Baden-Württemberg

Bewertungen

Insgesamt 98 Bewertungen
Bewertung vom 01.02.2023
Rote Sirenen
Belim, Victoria

Rote Sirenen


ausgezeichnet

Lesenswerte Familiengeschichte

Worum geht es in dem Buch?
Die Autorin Victoria Belim ist Ukrainerin, lebt aber schon seit einigen Jahren mit ihrem Mann in Belgien. 2014 reist sie in ihre Heimat, um ihre Großmutter Valentina wiederzusehen. In Bereh, in der Nähe der malerischen Stadt Poltawa, bei den Obstgärten erinnert sich Victoria zurück und versucht zu ergründen, was mit einigen Verwandten, besonders ihrem Urgroßonkel Nikodim, passiert ist. Niemand aus ihrer Familie – auch nicht Valentina – will über ihn reden.
Deshalb begibt sich Victoria zum so genannten „Hahnenhaus“, einem Archiv in der Ukraine, das von Valentina immer noch als KGB (Geheimdienst der Sowjetunion) bezeichnet wird. Es ist nicht einfach, die Informationen zu bekommen, aber schließlich ist Victoria erfolgreich…

Meine Leseerfahrung:
Ich wollte ein Buch über die Ukraine lesen. Keine nüchterne Abhandlung von Geschichtsdaten und Fakten – sondern ein persönliches Buch mit Erfahrungen. Genau das bekomme ich mit dem Buch „Rote Sirenen“. Victoria Belim hat hier versucht, die Geschichte ihrer Familie und ihre Reiseerlebnisse in der Ukraine miteinander zu verknüpfen.
Innerhalb der ukrainischen Familien gibt es manchmal unterschiedliche Ansichten. So trauert Victorias Onkel Wladimir der Sowjetunion nach, auch wenn er seit einigen Jahren in Israel lebt.
Man liest ebenfalls über Leute, die ihre Traditionen bewahren wollen. Beispielsweise Valentina, die sich um ihren Kirschgarten kümmert. Weiterhin Nadja, die gerne stickt und wünscht, dass die „Weißstickerei aus Reschetyliwka“ zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO erhoben wird. Sie alle führen ein einfaches Leben. Über die Vergangenheit – zum Beispiel über die Zeit als Sowjetrepublik – reden viele nicht gerne. So wird auch das Schicksal von Victorias Urgroßonkel Nikodim lieber totgeschwiegen, anstatt dass man darüber spricht.
Victoria muss erkennen, dass es in der Ukraine immer noch viel Bürokratie gibt. Manche Menschen werden ungerecht behandelt. So wird Nikolai, dem Sohn von Nikodim, die Rente gekürzt, weil er irgendeine Bescheinigung nicht beschaffen kann. Leider sind viele Gesetze in der Ukraine noch Überbleibsel aus der Sowjetunion. Ebenso ist Korruption immer noch ein Thema.
Victoria schafft es mit viel Geduld und Nachdenken, die Informationen zu bekommen, die sie haben will – und die ihr helfen zu verstehen, woher sie kommt und wer ihre Familie ist und war. Herausgekommen ist ein informatives, interessantes, lebendiges und lesenswertes Buch über Victorias Familie, das aber auch Einblicke über das Leben in der Ukraine bietet.
Ich vergebe fünf Sterne und empfehle das Buch weiter.

Bewertung vom 01.02.2023
Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


gut

Er reitet und er mordet

Worum geht es in dem Buch?
Ming Tsu ist Chinese. Er kam als Baby in die Vereinigten Staaten von Amerika, seine Eltern starben früh, und so wuchs er in einem Waisenhaus auf. Seinem Pflegevater Silas hat er viel zu verdanken – dieser zeigte ihm auch, wie man gut mit einem Revolver umgeht.
Den Revolver beherrscht er auch jetzt, als Erwachsener im Jahre 1869. Es gibt Leute, die ihm Böses angetan haben. An einigen von ihnen will er sich rächen und sie nach und nach umbringen. Er plant genau diese Morde. Nicht nur der Revolver ist ein nützliches Tötungsinstrument, sondern auch ein Schwellennagel, der immer wieder geschärft wird.
Ming Tsu wird begleitet von einem alten Chinesen, genannt „Der Prophet“. Der Prophet verfügt über seherische Qualitäten, die sich oft als lebensrettend erweisen können.
Ming Tsu sucht nicht nur die Leute, an denen er Rache üben will – er wird auch gesucht von Sheriffs und Leuten, die ihn der Justiz übergeben wollen, damit er für seine Verbrechen bestraft wird und sie eine Belohnung kassieren können.
Sein Ruf als guter Schütze ist auch zu einer Zirkusgruppe gedrungen, die ihn als Beschützer anheuert und ihn gut bezahlt. Sie will er bis Reno begleiten – und dann weiter nach Kalifornien reiten, wo er hofft, seine Frau Ada wieder zu finden.

Meine Meinung zu diesem Buch:
Das Buch ist aus der auktorialen Erzählperspektive (also kein Ich-Erzähler) in der Vergangenheit verfasst. Um einen Thriller handelt es sich hier – meiner Ansicht nach – nicht. Eher um einen Abenteuerroman oder einen Western. Für einen Thriller liest sich das Buch leider zu zäh.
Einen Western aber liest man selten – und so war auch ich gespannt auf die Lektüre von „Die tausend Verbrechen des Ming Tsu“. Man liest viel über einen reitenden und mordenden Chinesen – und man fragt sich, wie lange Ming Tsu morden wird.
Das Buch beinhaltet einige Kampfszenen und als Leser ist man erstaunt, wie wendig und listig Ming Tsu ist – und er gefährliche Situationen immer wieder überleben kann. Ein bisschen Menschlichkeit kommt auf, wenn sich Ming Tsu mit manchen Leuten aus der Zirkusgruppe unterhält. Je länger er mit ihnen zusammen ist, desto mehr verstehen sie ihn und sein Handeln. Sie sind froh, dass er bei ihnen ist – denn sie profitieren nicht nur von seinen Schießkünsten, sondern auch von seiner Ortskenntnis.

Mein Fazit:
Dieser Roman um einen reitenden und mordenden Chinesen konnte mich nur bedingt begeistern. Der Schreibstil ist toll, aber das Buch ist kein Pageturner. Oftmals liest es sich zäh.
Ich vergebe drei Sterne.

Bewertung vom 16.11.2022
Der Klang von Licht
Bagus, Clara Maria

Der Klang von Licht


ausgezeichnet

Ein schöner und leiser Roman

Worum geht es in dem Buch?
Der Roman erzählt von verschiedenen Menschen, die sich an einem Wendepunkt ihres Lebens befinden. Sie treffen Entscheidungen, sie begegnen anderen Menschen – und ihr Leben verändert sich. Sie hinterfragen ihr bisheriges Leben oder sie versuchen, mehr darüber herauszufinden, wer sie überhaupt sind, woher sie kommen – und warum sich ihr Leben ändern sollte.
Jean-Pierre beispielsweise ist ein junger Arzt in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Ein Erlebnis während der Arbeit bewegt ihn dazu, sein Berufsleben zu überdenken.
Juliette musste erleben, dass sich ihre Mutter das Leben nahm. Dadurch geriet ihr Leben aus den Fugen, sie fühlt sich sinnlos und nicht wahrgenommen. Das bringt sie zu einer schwerwiegenden Entscheidung.
Hermes ist befreundet mit Jean-Pierre. Verheiratet ist er mit Virginie. Zufrieden ist er, einflussreich, erfolgreich. Bis Jean-Pierre und auch Virginie viele seiner bisherigen Strategien in Frage stellen.

Meine Meinung zu diesem Buch:
Die Leseprobe gefiel mir und auch die Idee zu diesem Buch „Vom Verschwinden und Sich-Finden“. Das schöne Cover und der Titel „Der Klang von Licht“ machen das Buch zusätzlich interessant.
Mich interessierten die Geschichten über Jean-Pierre, Juliette, Hermes, Virginie und anderen Charakteren. Wo stehen sie gerade in ihrem Leben – und wie werden sie sich weiterentwickeln? Feinfühlig und in einer schönen Sprache beleuchtet die Autorin den Werdegang ihrer Personen, deren Gedanken und Pläne.
Die Personen und ihre Schicksale sind für mich nachvollziehbar beschrieben und berühren mich. Besonders gefallen hat mir auch die psychologische Sichtweise der Autorin auf diverse Lebenssituationen, die sie gekonnt in die Handlung einflechten kann. Dabei gibt es viele positive Aspekte und Entwicklungen, die den Leser in optimistische Stimmung bringen können – auch mich.
„Der Klang von Licht“ ist ein Roman zum Abtauchen aus den Problemen des Alltags und zum Nachdenken. Ein Buch, das nach der Lektüre nachhallt und das ich gerne gelesen habe.
Ich vergebe fünf Sterne und empfehle das Buch weiter.

Bewertung vom 16.11.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Ein außergewöhnlich gutes Buch

Worum geht es in dem Buch?
Die Ich-Erzählerin Ela wächst in dem rheinland-pfälzischen Ort Obach auf. Der Vater ist ein Egoist, denkt nur an seine Interessen, wie zum Beispiel ein schönes Auto und die Renovierung einer Scheune.
Beruflich läuft es lange nicht so gut – vom Arbeitgeber fühlt er sich zu wenig geschätzt, und schiebt die Schuld dafür auch seiner Frau zu. An ihr kritisiert er ständig herum. Ein Dorn im Auge für ihn ist ihr Gewicht. Sie muss sich immer wieder vor ihm wiegen, er unterstützt sie kaum. Das Geld für die Kinder kommt vorwiegend von ihrem Gehalt als Sekretärin. Als sie ihr zweites Kind bekommt, sucht sie sich andere Verdienstmöglichkeiten.

Meine Meinung zu diesem Buch:
Durch eine Leseprobe kam ich auf dieses Buch. Es ist für mich eines der besten Bücher, die ich 2022 gelesen habe.
Das Buch bietet mir eine Rückschau auf die 1970er- und 1980er-Jahre und auf eine Familie, die absolut nicht normal ist. Der Vater nervt oft, er ist überheblich und rechtfertigt viele Misserfolge damit, dass seine Frau zu dick sei. Sie schafft, was er lange nicht schafft: sie wird zur Chefsekretärin befördert und verdient mehr Geld.
Ela muss sich entscheiden, zu wem sie hält. Oft steht sie zwischen beiden Elternteilen.
Die Mutter tat mir einerseits leid, andererseits bewunderte ich sie. Sie tat mir leid, weil nicht einmal ihre Eltern sie mochten (die Schwiegereltern mochten sie sowieso nicht) und Freundinnen hatte sie nicht. Dagegen war es bewundernswert, wie sie es schaffte, eine Gehaltserhöhung zu bekommen. Ein weiterer Moment, den ich stark finde, ist, wie sie sich um ihre Mutter kümmert, als diese Hilfe braucht.
Die Mutter ist eine starke Frau, sie kämpft, sie wehrt sich, wenn es möglich ist. Sie probiert mehrere Diäten – was aber nicht verhindert, dass sie auch wieder zunimmt.
All das ist gut und unterhaltsam aus der Sicht von Ela in der Vergangenheit beschrieben. Besonders an diesem Roman ist auch, dass nach einigen Kapiteln Anmerkungen und Gedanken von Ela als Erwachsene beschrieben sind. Da macht sie sich Gedanken, wie sie als Erwachsene manche Geschehnisse bewerten sollte. Das bringt mich als Leserin dazu, mehr über die Ereignisse in dem Buch nachzudenken.
Immer wieder gibt es wörtliche Rede in rheinland-pfälzischem Dialekt. Das hat mich nicht gestört, zumal ich die Dialektsätze verstanden habe.
Ich vergebe diesem Buch fünf Sterne und empfehle es weiter.

Bewertung vom 15.10.2022
Die Wolkenstürmerin
Zimmermann, Birgit

Die Wolkenstürmerin


sehr gut

Hoch hinaus zum Erfolg

Worum geht es in dem Buch?
Der Roman spielt im Jahre 1957. Der Firma Lilienthal in Hamburg, die Flugzeuge baut, droht die Pleite. Eine Konkurrenzfirma hat ein gutes Übernahmeangebot abgegeben. Doch Marlene, die nach dem Unfalltod ihrer Eltern viele Anteile an der Firma besitzt, will die Firma aus eigener Kraft wieder in die Erfolgszone führen. Außerdem plant sie, in einem Flugtaxi Leute zu befördern.
Ihr Onkel, ihre Tante und ihr Cousin Alexander sind mit ihren Plänen einverstanden – aber ihr Cousin Maximilian nicht. Dennoch hält Marlene beharrlich an ihren Plänen fest – auch als sie merkt, dass jemand ihre Pläne sabotieren will.
Um sich zu entspannen, verbringt Marlene immer wieder einige Tage in ihrem Elternhaus an der Küste. Eines Tages trifft sie in dieser Gegend Bernhard, der ihr sympathisch ist. Zwischen beiden baut sich nach mehreren Treffen eine Partnerschaft auf. Da Bernhard aber aus Wismar in der DDR kommt und von dem DDR-System überzeugt ist, scheint es unmöglich, dass es für Marlene und Bernhard eine gemeinsame Zukunft gibt.

Meine Meinung zu diesem Buch:
Das Buch ist aus der auktorialen Erzählperspektive geschrieben (also kein Ich-Erzähler), ist spannend, interessant und lässt sich schnell lesen. Alles ist aus der Sicht von Marlene geschrieben.
Manche Ereignisse sind vorhersehbar – andere sind es nicht. Manche Vorhersehbarkeit hat mich gestört, und der Schluss war mir zu spektakulär, zu unrealistisch. Andererseits hat mich das Buch gut unterhalten, es ist eine gute Geschichte, die vom Alltag ablenkt.
Am Anfang hat es mich gestört, dass der Fokus des Buches auf der Liebesgeschichte zwischen Marlene und Bernhard liegt – und weniger auf den Fortschritten der Firma. Ich habe mich jedoch schnell daran gewöhnt, weil die Liebesgeschichte nicht kitschig ist. Es gibt Höhen und Tiefen, es gibt Momente, während derer die Liebe zwischen Marlene und Bernhard zu kippen droht. Das alles ist aber ziemlich nachvollziehbar geschrieben und konnte mich als Leserin mitreißen.
„Die Wolkenstürmerin“ ist ein guter Unterhaltungsroman über eine sympathische Frau mit einer Leidenschaft fürs Fliegen, die versucht, ein Unternehmen zu retten - und sich immer wieder gegen die Vorurteile, die die Männerwelt gegen eine Geschäftsfrau hat, durchsetzen muss. Eine Frau, die aber immer noch Mensch bleibt und herauszufinden versucht, ob es für sie und ihre Liebe Bernhard eine gemeinsame Zukunft geben kann.
Ich vergebe vier von fünf Sternen und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 15.10.2022
Ich verliebe mich so leicht
Le Tellier, Hervé

Ich verliebe mich so leicht


sehr gut

Analyse einer Liebe

Worum geht es in dem Buch?
Ein Mann, 50 Jahre alt, startet vom Pariser Flughafen aus zu einer Reise nach Schottland. Er will dort eine Frau treffen, die er liebt – und danach seine Liebe zu ihr definieren, bewerten.
Die Reise beginnt mit einer Panne – der Flug hat Verspätung. Er ärgert sich und benachrichtigt die Frau, die er treffen will.
Endlich erreicht er Schottland. Das Hotel ist nicht gut, er muss ein Zimmer in einem anderen Hotel mieten.
Dann trifft er sie. Ihr Zusammensein gestaltet sich etwas holprig. Sie ist liiert mit ihrem anderen Mann. In Schottland besucht sie ihre Mutter. Er ist nicht liiert, hat zwei Kinder. Gibt es eine Möglichkeit, dass sie und er eine Liebesbeziehung aufbauen können?

Meine Meinung zu diesem Buch:
Der Titel „Ich verliebe mich so leicht“ lässt vermuten, dass es sich um einen Roman aus der Ich-Perspektive handelt. Das ist aber nicht der Fall. Das Buch ist aus der auktorialen Erzählperspektive im Präsens (Gegenwart) verfasst.
Es handelt sich hier um einen dünnen Roman, der sich schnell lesen lässt. Gewöhnungsbedürftig ist, dass die beiden Hauptpersonen nicht mit Namen genannt werden. Die Hauptperson, der Mann, wird oft als „unser Held“ bezeichnet. Sie – die Frau, die er in Schottland treffen will – ist „unsere Heldin“. Die Handlung wird vorwiegend aus der Perspektive „unseres Helden“ geschildert. Er überlegt viel, er wägt viel ab, er beurteilt sich selbst und Situationen.
Wörtliche Rede gibt es selten, dafür mehr indirekte Rede.
Was mir an dem Buch gut gefallen hat, ist der Schreibstil. Ich bekomme hier eine etwas andere Liebesgeschichte geboten, in der abgewogen und analysiert wird. Weiterhin mag ich die Aufmachung – kurze Sätze vor jedem Kapitel mit Informationen, worum es gehen wird. Leider benötigt man für solche kurzen Informationen ein ganzes Buchblatt.
Kurze Kapitel mit Informationen dazu auf jeweils einem Buchblatt, hinten noch etwas Werbung – so kommt man dann auf 128 Seiten für 20 Euro. Dieser Preis ist schon hoch, finde ich – aber vielleicht ist solch ein dünnes Buch mit einem schönen Einbandbild (Reisender sitzt im Flugzeug und blickt auf eine wunderbare schottische Landschaft) auch ein hübsches Geschenk.
Ich vergebe vier Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 17.09.2022
Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3
Storks, Bettina

Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3


ausgezeichnet

Gelungene Darstellung über zwei Schriftsteller

Worum geht es in dem Buch?
Der Roman beginnt Ende der 1950er-Jahre. Die österreichische Lyrikerin Ingeborg Bachmann ist 32 Jahre alt und ein Star am Lyrikhimmel. Von der Kritik werden ihre Gedichte gelobt, sie feiert Erfolge, verdient Geld und geht auf Lesereise.
Der Schweizer Autor Max Frisch ist auf sie aufmerksam geworden, schreibt ihr einen Brief und will sie treffen. Sie sehen sich zum ersten Mal in Paris. Er ist 15 Jahre älter als sie, gerade geschieden – und auf der Suche nach einer neuen Beziehung.
Vielversprechend beginnt ihre Liebesbeziehung. Sie wohnt mit ihm immer wieder in der Schweiz, lässt es sich aber nicht nehmen, auch nach Rom zu reisen, weil sie dort die besten Ideen für ihre Gedichte bekommt.
Bald holt sie der Alltag ein. Unterschiedlich ist die Art der beiden Schriftsteller zu arbeiten. Max Frisch hat sich eine strukturierte Arbeitsweise angewöhnt und sitzt schon früh am Morgen an der Schreibmaschine. Ingeborg Bachmann dagegen braucht eine bestimmte Umgebung, um inspiriert zu werden. Rom zum Beispiel.
Unterschiedlich ist auch die Auffassung beider Schriftsteller über die Liebe. Ingeborg pflegt einen Briefwechsel mit Schriftstellern, auch mit Paul Celan, mit dem sie zusammen war. Das weckt Max‘ Eifersucht.

Meine Meinung zu diesem Buch:
Einige Werke von Max Frisch waren Pflichtlektüre in der Schule, beispielsweise „Andorra“ und „Biedermann und die Brandstifter“. Deswegen interessierte mich dieses Buch – und ich war gespannt, mehr über ihn und Ingeborg Bachmann zu erfahren, von der ich bisher nur wenig wusste.
Die Autorin Bettina Storks schafft es, beiden Schriftstellergrößen ein Gesicht zu geben. Dieser Roman ist lebendig geschrieben mit klugen und schönen Dialogen – aber auch Episoden, die die Schwächen von Ingeborg Bachmann und Max Frisch zeigen. Man kann sich als Leser/-in gut vorstellen, bei welchen Themen es immer wieder Streitpunkte zwischen den beiden gibt.
Beide Schriftsteller sind wohlhabend. Max Frisch ist durch seine Romane und Theaterstücke zum Millionär geworden. Seine Geldausgaben hat er vorzüglich im Griff. Auch Ingeborg Bachmann verdient gut, wenn sie nicht gerade eine Schreibblockade hat.
Wer im Buch „Poesie der Liebe“ einen erotischen Liebesroman erwartet, wird enttäuscht werden. Wer aber mehr über die Menschen Ingeborg Bachmann und Max Frisch erfahren will, über ihre Stärken und Schwächen, bekommt einen gut geschriebenen Roman aus der auktorialen Erzählperspektive (kein Ich-Erzähler) in einer schönen Sprache mit einem Blick auf das Leben von Schriftstellern Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ich vergebe fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 11.08.2022
Freundin bleibst du immer
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


ausgezeichnet

Ein Lesehighlight 2022

Worum geht es in dem Buch?
Zainab, Funmi und Enitan sind nigerianische Frauen, die sich schon seit ihrem Studium kennen und befreundet sind. Als Ehefrauen und Mütter halten sie ihre Freundschaft weiter aufrecht – telefonieren und chatten -, auch wenn Enitan in die USA ausgewandert ist und sich dort ein anderes Leben aufgebaut hat.
Gelegenheit, dass sie sich alle wieder sehen, bietet die Hochzeit von Destiny, Funmis Tochter, zu der Zainab und Enitan eingeladen sind. Enitan reist mit ihrer Tochter Remi aus den USA an, Zainab kommt mit dem Bus aus einer anderen Gegend in Nigeria. Sie konnte sich von zu Hause losreißen – von einem pflegebedürftigen Mann, vier Söhnen und Enkeln. Die Ehe von Enitan und Charles ist am Ende. Nur bei Funmi scheint im Moment alles in Ordnung zu sein – Funmi, die in einem luxuriösen Haus wohnt und sich hingebungsvoll mit den Vorbereitungen der Hochzeit ihrer Tochter kümmert.
Nachdem Enitan, Remi und Zainab eine chaotische Anreise hatten, nehmen sie im Dezember 2015 mit den anderen Gästen an vor-hochzeitlichen nigerianischen Riten teil und erinnern sich an ihre Zeit an der Universität.

Meine Meinung zu diesem Buch:
Dieses Buch ist flüssig geschrieben, und ich habe es sehr gerne gelesen. Geschildert ist alles im Präteritum (Vergangenheit) aus der auktorialen Erzählperspektive (also kein Ich-Erzähler). Beim Lesen bekomme ich einen Eindruck von Nigeria und drei sympathischen Frauen, die wohlhabend sind.
Was neben dem Leben von Studenten sehr interessant für mich war, waren einige Rituale und Sitten in Nigeria. Ich habe zum Beispiel nicht gewusst, dass nigerianische Eltern ziemlich heftig reagieren können, wenn ihre Töchter heiraten wollen. Für mich ist das Buch wie eine Reise nach Nigeria mit Hauptcharakteren, die ich mochte – und ihren Zielen und Wünschen.
Das Buch bleibt mitreißend bis zum Schluss – sogar noch mit einem unerwarteten Ereignis .
Für mich ist „Freundin bleibst du immer“ ein Lesehighlight des Jahres 2022. Ich vergebe fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.07.2022
Freunde. Für immer.
McCreight, Kimberly

Freunde. Für immer.


gut

Verworrener Krimi

Worum geht es in dem Buch?
Freunde aus Collegezeiten treffen sich für ein Wochenende in den Catskill Mountains. Jonathan will seinen Freund Peter heiraten und will deswegen seine Freunde sehen. Zusammen wälzen sie Erinnerungen und genießen einen gewissen Luxus. Bis zwei der Freunde – Derrick und Keith – auf einmal verschwunden sind.

Später wird das Auto gefunden, in dem die beiden unterwegs waren. Nur einer von ihnen ist darin – tot, unkenntlich. Detective Julia Scutt nimmt die Ermittlungen auf. Sie recherchiert und befragt die Anwesenden. Dabei kommt ihr in den Sinn, dass sie vor Jahren ihre Schwester verloren hat. Die Schwester wurde ermordet. Vielleicht gibt es zwischen der Schwester und dem Freundeskreis in den Catskill Mountains einen Zusammenhang…


Meine Meinung zu diesem Buch:
„Eine perfekte Ehe“, das erste Buch von Kimberly McCreight, ist mir noch in guter Erinnerung. Deswegen freute ich mich auf ihr neues Buch und wollte es unbedingt lesen.

Der Anfang lässt Spannung vermuten, jedoch lässt diese schnell nach. Die Freunde in den Catskill Mountains kommen immer wieder zu Wort – genauso wie die Polizistin Julia Scutt. Diese war für mich am sympathischsten, zu den anderen Mitwirkenden kann ich als Leserin keine Beziehung aufbauen. Alle erzählen aus der Ich-Perspektive, mal im Präsens, mal im Imperfekt. Das stört mich nicht, jedoch stiftet die Anzahl der Ich-Erzähler und der Konflikte, die sie zu lösen haben, immer wieder für Verwirrung beim Lesen. Das macht keinen Spaß. Ich freute mich immer, wenn ich wieder ein Kapitel über Julia Scutt lesen konnte. Hier ging die Handlung voran.

Einige der Konflikte sind, dass Jonathan und Peter einem Bauunternehmen 11.000 Dollar schulden und dass Keith, dessen Job es ist, Künstler zu vermitteln, seinen besten Künstler Finch verlieren wird. Auch innerhalb der Freunde gibt es Konflikte. Dann werden Drogen genommen, es wird Pizza bestellt – es passiert einiges in der Gegenwart, es gibt Ereignisse aus der Vergangenheit, auf die Bezug genommen wird. So ist Alice, die die Freunde aus Collegetagen kannten, ums Leben gekommen. Lange ist nicht klar, wieso und warum.

Ich habe das Buch gelesen, weil ich wissen wollte, wie sich alles auflöst. Den Schluss finde ich gut, aber bis dahin liest sich der Roman ziemlich zäh und oft verworren. Ein Thriller ist das nicht.

„Freunde. Für immer“ von Kimberley McCreight konnte mich also nicht überzeugen. Ich vergebe drei Sterne und bin bei einer Empfehlung unentschlossen.

Bewertung vom 15.06.2022
Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach
Mattera, Julia

Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach


sehr gut

Ein Wohlfühl-Sommerroman aus dem Elsass

Worum geht es in dem Buch?

Robert Walch ist 52 Jahre alt und Junggeselle. Er arbeitet im Gasthof seiner jüngeren Schwester Elsa im Elsass. Dort pflegt er eine völlige Hingabe zu seinem Gemüsegarten, zum Kochen und zum Backen. Da vergisst er alles um sich herum. Seine Kochkünste haben den Gasthof zu einem guten Ruf verholfen – ein Lokal, das bekannt ist für die beste Küche weit und breit, die auch Bio-Qualität bietet.

Hobbys hat er kaum – nur Kreuzworträtsel und eine bestimmte Quizsendung im Fernsehen.

Damit gibt er sich zufrieden – aber seine Schwester Elsa macht sich Sorgen um ihn. Sie wirft ihm vor, er sei zu wenig anpassungsfähig. Und – wie kann er durchs Leben kommen, falls sie einmal heiraten und wegziehen sollte? Würde er sie und ihre Zwillinge Charlotte und David vermissen?

Sie zwingt ihn, sich mit Hassan, einem Praktikanten, zu befassen. Er bewundert Robert und will von ihm das Gärtnern lernen. Außerdem taucht auf einmal eine Freundin von Hassans Mutter auf. Maggie heißt sie, kommt aus Großbritannien und weckt Roberts Interesse.


Meine Meinung zu diesem Buch:

Der aus der auktorialen Erzählperspektive (also kein Ich-Erzähler) im Präsens geschriebene Roman macht gute Laune. Manchmal wirkt er etwas überdreht durch die Handlung und den ziemlich eigenbrötlerischen Robert – aber das verleiht dem Ganzen auch einen gewissen Charme.

Dialoge bringen viel Action in das Buch. Außerdem finde ich die Beschreibungen darüber, wie Robert mit seinem Gemüse spricht und mit welcher Hingabe er Teig zubereitet, sehr reizvoll. Da kann man sich alles sehr gut vorstellen.

Ich habe das Buch gelesen, um zu erfahren, ob sich Robert ändert. Kann ein lernbegieriger Praktikant mit algerischem Migrationshintergrund wie Hassan aus Robert einen geselligeren und freundlicheren Menschen machen? Kann Maggie, die Britin, sein Herz rühren, so dass er mehr aus sich herausgeht?

Das ist alles sehr kurzweilig geschrieben – bietet entspannende und gute Unterhaltung. Mir hat das -Buch gut gefallen. Ich vergebe vier Sterne und empfehle diesen Roman weiter.

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