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Berlin
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Nach In 15 Jahren Reiseleitung gelingt es mir immer noch, mich über so manchen Unsinn oder Fehler in dem einen oder anderen Guidebook zu ärgern. So habe ich denn begonnen, der nahezu unübersehbaren Venedigliteratur selbst noch ein vielleicht überflüssiges Buch unter dem Titel „Was man so alles nicht über Venedig weiß“ hinzuzufügen (erscheint 2011).

Bewertungen

Insgesamt 39 Bewertungen
Bewertung vom 29.03.2010
Legende Venedig
Ritschel, Karl H

Legende Venedig


gut

Bemerkenswert: Ein Venedig-Kenner-und-Liebhaber-Autor, der auch Touristen mag

Das Buch ist wirklich des Merkens wert: Karl Heinz Ritschel schreibt nicht nur über die von ihm oft besuchte und geliebte Stadt, er mag auch Venedig-Touristen und schreibt erklärtermaßen für sie. Bei manch anderem Autor, der es sich nicht verkneifen kann, abfällige Bemerkungen über Venedig-Touristen zu machen, fragt man sich verwundert, für wen er oder sie denn eigentlich schreibe. Adressaten eines Venedig-Buches können doch wohl nur Venedig-Besucher sein. Wer die beschimpft, brüskiert seine Leser und nicht nur die, sondern eigentlich jeden, denn wohl jeder ist irgendwann und irgendwo in dieser Welt Tourist. Karl Heinz Ritschel ist sich auch nicht zu fein, sich selbst in "die Fremden" mit einzuschließen (S. 189). Das alles macht mir Buch und Autor sehr sympathisch.

Karl Heinz Ritschel meint, gleichsam wie zufällig eingefangene bunte Herbstblätter, Eindrücke und Beobachtungen, Orts- und Architekturbeschreibungen, Geschichte und Legenden, Überblicke zu Museen und Kunstwerken (S. 65-84, 122-129), zu Architekten, Bildhauern und Malern (S. 162-178), zu Musik und Theater (S. 183-200), zu Carlo Goldoni, zu den Brüdern Gozzi, zu Lorenzo da Ponte, Pietro Aretino und Giacomo Casanova (S. 190-214) liefern zu sollen. Auch Beschreibungen und Empfehlungen zu Gegenden "abseits des Touristenstromes", zu Torcello (S. 15-18), Burano (S. 133-137), Murano (S. 138-148), "Lagunenfahrt" (S.149-161, 260-262), Ghetto, Cannaregio und Zattere (S 215-220), venezianische Küche (S. 211-228) fehlen nicht. Dabei wendet er sich immer - direkt oder indirekt - an aktuelle oder zukünftige Venedig-Besucher. Er schreibt für sie, um ihnen zu einer vertieften, umfassenderen Wahrnehmung der Allerheitersten zu verhelfen und nicht etwa (wie manch anderer Autor), um sich vor Nicht-Venezianern wichtig zu tun; ja er rafft sich sogar dazu auf, Reiseveranstalter zu loben (S. 250). Danke!

Der Autor ist sichtlich bemüht, alle irgendwie im Kontext "Venedig" vorkommenden Themen anzusprechen. Auch "Venedig muß nicht sterben" (S. 229-241) darf da naürlich nicht fehlen. Wirklich alles zu bringen, ist jedoch praktisch nicht möglich und ein Auswahlkriterium, eine Systematik kann ich leider bei ihm nicht erkennen. So macht der Text oft den Eindruck des Zufälligen. Die Textabschnitte "Speziell für ihren Venedig-Besuch", "Einen Tag in Venedig", "Drei Tage in Venedig", "Ein Urlaub in Venedig", "Mit einem Blick" (S. 242-267), die ähnlich auch in nahezu allen Reiseführen vorkommen, sind sicher irgendwie nützlich, wie auch die Auflistungen "Museen und Theater", "Kunst in den Kirchen", "Künstler, Dichter, Musiker" (S. 268-275). Die 1 1/4 (!) Seiten "Tausend Jahre Geschichte" (S. 276-277) und die Auflistung der Dogen Venedigs (S. 278-281) scheint mir aber die auffälligste überflüssige Folge unsystematischen Vollständigkeitsbemühens zu sein. Dagegen fehlt ein Literaturverzeichnis. Ein Personen- (S. 282-285) und ein Sachregister (S. 285-287) ist immerhin vorhanden. Ich will dem Autor zugute halten, daß es ihm die Verlage vielleicht ausgeredet haben, genauere Angaben zur zugrundegelegten und zu weiterführender Literatur zu machen. In der Populärliteratur ist es ja weit verbreitet, auf jegliche Literaturangaben zu verzichten: Man hält wohl nicht allzu viel von seinen Lesern. Vielleicht aber auch hat die Betätigung des Philosophie-Professors als Journalist hier unvorteilhafte Wirkungen hinterlassen. Bei Journalisten ist ja wohl die Neigung, seine Quellen geheim zu halten, eine Art Berufskrankheit und das mag daher hier als läßliche Sünde durchgehen. Ohne Quellenangabe zu zitieren ist aber eine unverzeihliche Mißachtung der zitierten Autoren!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2010
Geschichte und Geschichten vom Canal Grande
Mark, Hermann E.

Geschichte und Geschichten vom Canal Grande


ausgezeichnet

Ungewöhnlich - vorbildlich´

Als ich das Buch zum ersten Mal aufschlug, dachte ich: Oh Gott, was ist das? Ein Adressbuch, aber nein ... Wahnsinn! Jedes Gebäude, jeder Garten, jeder Platz am Canal Grande, jeder Seitenkanal, jede Gasse, die zu ihm hinführt, ist aufgelistet. Und nicht nur das. Zu jedem Gebäude berichtet der Autor - soweit das in Erfahrung zu bringen war - über Baugeschichte, Eigner und Bewohner, über historische Ereignisse, die damit in Verbindung stehen, und findet darüber hinaus reichlich Anlaß, von Kuriosa, Histörchen und Historie Venedigs zu erzählen - und das Ganze noch in einer erfrischend lockeren Sprache (Manch einer wird sich vielleicht daran stoßen, wenn etwa Kriege, die in dem einem oder anderen Land als Teil der ruhmvollen Geschichte gelten, als "Keilerei" bezeichnet werden. Ich meine auch: Nicht ein einziges Gemetzel hat irgendwelchen Respekt verdient!). Also höchstmögliches Berliner Lob: Da kannste nich meckern!
Das Buch ist eine Freude für jeden Perfektionisten, der möglichst von jedem Gebäude, Platz, Kanal usw. alles wissen will. Vielleicht ist es eine Anregung für weitere ähnliche Bücher...

Aber ein bißchen meckern muß ich doch: Ziemlich unverständlich ist mir - und das ist ein wirklicher Mangel - daß Hermann E. Mark nicht die Nummerierung der Objekte am Canal Grande von Giulo Lorenzetti (Venezia e il suo estuario. 1926; neu herausgegeben von Maria Lorenzetti Ciartoso 1956 und von Nero Vianello 1974, 2002, Padova 2005. Dort S. 615-645) zugrundelegt und ergänzt hat. Lorenzetti hat diese Ehre als der Venedig-Reiseführer-Klassiker überhaupt ohne jeden Zweifel verdient, auch wenn seine Ausführungen schon allein durch den Lauf der Zeit inzwischen ergänzungsbedürftig sind (übrigens ist es eine Schande, daß Lorenzetti immer noch nicht ins Deutsche übersetzt ediert worden ist; selbstverständlich gibt es immer weider englische und französische Ausgaben).
Und noch eines, was doch eigentlich selbstverständlich ist, Herr Doktor: Wenn Sie sonst für eine Krankengeschichte eine erstmalige oder klassische Beschreibung von Symptomen ausfindig gemacht haben, notieren Sie doch auch genauestens Autor und Fundstelle, damit es stets nachprüfbar bleibt. Also für eine hoffentlich bald erscheinende erweiterte und ergänzte Auflage bitte immer stets und natürlich insbesondere bei Zitaten, Interpretationen unterschiedlicher Autoren oder Legenden die genaue Quelle angeben! Das Literaturverzeichnis S. 448-449 genügt da nicht!
Der Abschnitt "Der venezianische Staat" (S. 400-415) hätte dagegen durchaus entfallen oder gekürzt und durch Hinweise auf Literatur, wo dies ausführlicher, präziser dargestellt ist, ersetzt werden können. Damit wäre Platz gewonnen, die sehr hilfreiche Zeittafel (S. 416-438), in der wichtige Daten aus Venedigs Geschichte parallel zu anderen welthistorischen Ereignissen aufgeführt werden, wesentlich zu erweitern. Wünschenswert wäre es auch, daß noch mehr aktuelle Fotos der beschriebenen Objekte entsprechenden historischen Ansichten (die Photos möglichst im gleichen Blickwinkel wie letztere) gegenübergestellt werden. Dann würde noch mehr deutlich, welchen entsetzlichen Verluste und Verunstaltungen Venedig im 19. Jahrhundert erlitten hat (man zähle einfach mal nach, wie oft von Abrissen und Umbauten am Canal Grande nach 1797 berichtet werden mußte). Die Stadt hat zu ihrer Ehre diese Kritik am 19. Jahrhundert einfach verdient!

Bewertung vom 29.03.2010
Einladung zum Untergang, Venezianische Hintertreppen
Salvatore, Gaston

Einladung zum Untergang, Venezianische Hintertreppen


schlecht

Schriftsteller, bleib bei Deinen Gedichten, Erzählungen und Dramen

Der Autor gehört offenbar zu jenen Venedig-Einwanderern, die sich vor Glück, in dieser herrlichen Stadt zu wohnen, kaum halten können. Das gönne ich - zugegeben etwas neidisch - jedem. Ob einem da neben dem Herz auch die Feder überfließen und das Glück sich gleich geschwätzig in zwei Büchlein ergießen muß - darüber kann man sicher geteilter Meinung sein. Von einem gestandenen Schriftsteller erwartet man da schon gehörige Phantasie, die hier aber zumindest bei der Titelgebung seiner beiden Venedig-Bücher versagt hat: Sich selbst als Venedig-Insider aufzuspielen, ist ja wohl doch ein wenig vermessen: Der Titel seines ersten Venedig-Buches lautet: Venedig. Das Insider-Lexikon. (München 1995). Die möglichen Leser kann der Autor ja wohl unmöglich als "Insider" gemeint haben. Wen meint er also sonst damit, wenn nicht sich selbst, denn wirkliche Insider kommen bei ihm nicht zu Worte? Und eine "Einladung zum Untergang"? Was ist denn das? Wessen Untergang und warum? Der Autor erklärt nicht und hält nicht, was er titelnd und untertitelnd verspricht. Wo sind denn die "venezianischen Hintertreppen" (Bei der deutlich spürbaren Eitelkeit des Autors kann ich mir kaum vorstellen, daß er Dienstboten-Hintertreppen benutzt.)? Soll damit assoziiert werden, was man "historische Treppenwitze" nennt? Solche kommen aber im Buch nicht vor. Statt dessen kapriziert sich Salvatore immer wieder damit, welchen mehr oder weniger wichtigen Ereignissen er "beigewohnt" (Einladung S. 13; über Sprachgefühl kann man mit einem Schriftsteller wohl nicht streiten) ist, wobei er offen läßt, ob er dabei auch "...eine Gabel matschigen Risottos oder frittierter Fische zu sich zu nehmen" geruhte. "Das Menü kam seit Jahren jedem schon aus den Ohren." (Ebd. S. 78). Partygäste "fühlten sich hungrig, aber geehrt." (Insider S. 85) Auf diese Weise hat Salvatore offenbar etwas Klatsch aufgeschnappt und genügend Vorurteile hin- und hergewälzt, um seine beiden Venedig-Büchlein zu füllen.

Mit Salvatores Entdeckerlust scheint es aber nicht weit her zu sein: "Als ein befreundeter Regisseur... mich darum bat, ihm venezianische Masken... zu besorgen, entdeckte ich, daß es in ganz Venedig kein einziges Maskengeschäft gab." (Einladung S. 54). Zur der Zeit, als er sein erstes Venedig-Bändchen verfasst hat, mag das ja noch irgendwie gestimmt haben, daß er die entsprechende Passage (Insider S. 72) ungeprüft in sein erstmals 2000 und in dritter Auflage 2003 erschienenes zweites Venedig-Buch übernimmt, verursacht bei mir dann doch etwas Stirnrunzeln. Da muß er wohl mit Blindheit geschlagen gewesen sein! Auch hätte man von einem Stücke-Schreiber ein differenzierteres Urteil erwartet als: "Heute existiert in Venedig kein einziges nennenswertes Theater mehr. Das Goldoni-Theater... ein Wort darüber zu verlieren, lohnt sich nicht." Auch anderes ist einfach so dahergeschwätzt, etwa, wenn von "kollektiv-depressivem Denken" in Venedig und von "aggressionsgeladenen oder einfach hoffungslos frustrierten" Einwohnern anderer Städte gefaselt wird (Einladung S. 66) oder auf vielen Seiten (S. 51-87) über den venezianischen Karneval. Es ist einfach unerträglich!

In seinem früheren Bändchen teilt Salvatore abschließend mit: "Da ich mir selbst nicht erklären kann, warum ich in Venedig wohne, habe ich meinen Freunden diese Frage gestellt. Es war vergeblich." (Insider S. 108) Da kann ich vielleicht ein wenig aushelfen: Vielleicht war es eine Art Flucht aus Deutschland: "Die Kritiker reagierten unerwartet aggressiv auf meine ersten literarischen Versuche." (Ebd. S. 12) Ich kann nicht beurteilen, inwieweit diese Kritik berechtigt war (es interessiert mich auch nicht). Wenn seine ersten literarischen Versuche auch so erbärmlich waren, wie seine beiden Venedig-Büchlein, ist genau das zu vermuten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2010
Leben in Venedig
Schümer, Dirk

Leben in Venedig


sehr gut

Man kann in Venedig leben, muß aber nicht

Dieses Buch ist etwas Besonderes zum Thema "Leben in Venedig": Dirk Schümer gewinnt aus einer Beobachtung eine berechtigte Frage, die er faktisch zum Motto seines Buches macht, ohne dies aufdringlich vor sich herzutragen: "...bis der Vater in breitem Sächsisch und voller Dankbarkeit für seine Herkunft ausrief: 'Also, leben möchte ich hier nicht!' (sächsisch hört sich das etwa so an: Alsou, läbn möchdich hier nich!) Aber hatte das jemand von ihm verlangt? Würde es sich womöglich jemand wünschen?" (S. 15)
Für Dirk Schümer sind, wie für Ernst Bloch (Venedigs italienische Nacht, 1934), eher die Fremden und nicht die Einheimischen die Exoten: "Offenbar kann sich kaum jemand vorstellen, daß in diesem historischen Vergnügungspark normale Menschen ihrem Alltag nachgehen." (Schümer S. 13) "Niemals fragte sich Goethe, ob man es in solch einer Stadt überhaupt aushalten könnte." (S. 17)
Der Autor braucht Venedig nicht, um etwa sich selbst allein durch die Tatsache, daß er dorthin übergesiedelt ist, eine Bedeutung zuzuschreiben. Vielmehr geben seine Beobachtungen und Erfahrungen die Normalität einer Stadt wieder, die sich von allen anderen unterscheidet (Bei welcher Stadt ist das nicht irgendwie der Fall?), aber doch irgendwie eben auch ganz normal ist. Schon einleitend mündet die Schilderung des durch die Wasserlage natürlich etwas komplizierteren Umzugs in gesunde Normalität: Die nach getaner Arbeit zur Stadtbesichtigung eingeladenen Deutschen Möbelpacker "bestaunten einen riesigen Muranoleuchter in einem Schaufenster und fragten sich, wie man den wohl auseinanderbauen und verpacken könne." (S. 12) Immer wieder gelingt es dem Autor das außerordentliche Venezianische auf Normalmaß herunterzubrechen: Singende Kneipenwirte, Schwierigkeiten, einen guten Figaro zu finden, gestrandete Seeleute, politische Verwirrungen, Blutsauger, Sondersteuern auf Touristen (In Deutschland ist die Kurtaxe viel höher, als entsprechende Abgaben in anderen Ländern: Worüber also beklagen wir uns?), Wahrsager im Fernsehen, Militärgelöbnisse, selbstgemordete Dichter mit ungewöhnlichen Testamenten, Fußballpatriotismus, Regentage, Abzocker-Restaurants, Stadtfeste, Tücken des Verkehrs, Terrorismusgefahr, Schwarzhandel, schöner Wohnen, Taubenplage, aussterbende Gewerbe, hoher Besuch, Müllprobleme, Eiszeiten - alles das gibt es in anderen Städten auch, dennoch ist es in Venedig etwas Besonderes.
Dirk Schümer gelingt die Balance zwischen Schilderung von Normalität und Eigenart. Natürlich berichtet er auch über Einzigartigkeiten, die es nur in Venedig gibt. Und natürlich die allgegenwärtigen Touristen: "Es ist ja üblich, die oft genug überforderten Leute zu verfluchen, die im Sommer gerne in Turnhose oder Unterhemd die Gassen verstopfen... Aber soll Venedig eine Geisterstadt ausgesuchter Luxusreisender werden? ...(Ich folgte auch) anfangs dem Impuls, den billigen Massentourismus zu verdammen. Dann aber stellte ich mir jede andere Stadt der Erde und ihre Fußgängerampeln vor..." (S. 51) Für gehobene Ansprüche wäre mit Peter Sarter (Venedigbilder. Der Venedigmythos und die zeitgenössischen Venedigbilder in der Literatur. Frankfurt 1992, S. 10f) zu fragen: Gibt es überhaupt eine moderne Stadtkultur ohne Massentourismus?

Autor und Verlag sind ehrlich genug, anzugeben, daß die Texte "in einer ersten Fassung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen" sind (S. 4). Wieso eigentlich wird Ähnliches in anderen Büchern oft verschwiegen? Sind denn Zeitungs- oder Zeitschriftentexte peinlich, wie einer Filmdiva Aktphotos, die sie hat machen lassen, als sie noch eine unbedeutende Hüpfdohle war? Dirk Schümer hält sich weder für eine Diva (das erkennt man z.B. daran, daß er auch gelegentlich auf andere neuere Venedig-Autoren Bezug nimmt) und noch viel weniger sind ja Veröffentlichungen in der FAZ unehrenhaft.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2010
Mit Brunetti durch Venedig
Sepeda, Toni

Mit Brunetti durch Venedig


weniger gut

Autorisierte Brunetti-Spurendarbietung

Diese Brunetti-Präsentation ist gewissermaßen durch ein Vorwort von Donna Leon veredelt. Man beeilt sich auch, auf dem Rücktitel zu versichern, daß die Autorin die einzige sei, die von Donna Leon autorisierte Führungen auf den Spuren des Commissario leite. Was soll damit gesagt werden? Sind etwa Katharina Holtmann (Auf den Spuren von Donna Leons Romanen) und Elisabeth Hoffmann, Karl-L. Heinrich (www.brunettistadtplan.de) nicht auch hinreichend legitimiert, Brunetti-Führungen in Venedig anzubieten? Muß ich und alle, die in Venedig, im Internet oder sonst irgendwo Bemerkungen zu "Brunetti in Venedig" machen wollen, Donna Leon vorher um Erlaubnis fragen? Wie jede Dienstleistung beglaubigen sich Stadtführungen und Bücher - auch das sind Dienstleistungen als Medium indirekten Erzählens - allein durch ihre Qualität selbst! Ich weiß auch nicht, wie solch eine "Autorisierung" möglich ist, wenn ich dies aber zu Ende denke, dürften sich wohl in der Konsequenz auch nur jeweils diejenigen zu Büchern äußern, die vom betreffenden Autor ausdrücklich dazu ermächtigt worden sind. Das Bedürfnis, Befugnisse zu erteilen, wie auch die Tatsache, daß sich Donna Leon standhaft weigert, ihre Venedig-Bücher ins Italienische übersetzen zu lassen, scheint mir darauf hinzudeuten, daß sie mit Kritik an ihren Werken nicht umgehen kann. Ich will es damit aber lieber beim Ausdeuten belassen, und mich an den Text halten.
So sei der Text an im Vorwort formulierten Anspruch geprüft: "In meiner Vorstellung ist Brunetti jemand, dessen Bild von seiner Stadt sich aus lauter solchen Anekdoten und Episoden zusammensetzt... Das vorliegende Buch begleitet Brunetti durch die einzelnen sestieri und blickt mit seinen Augen und Sinnen auf Orte, die ihm ein Leben lang vertraut sind." (S. 9f) Das kann ich voll und ganz bestätigen. Zwölf Rundgänge und eine Inselrundfahrt führen zu Handlungsorten der Brunetti-Bücher. Szenen und Örtlichkeiten werden vorgestellt, Textpassagen zitiert. Ordentliche Karten und Signaltexte auf der Randleiste machen alles gut übersichtlich nachvollziehbar. Bei allem Lob - ich hatte ziemliche Mühen, mich durch die 361 Seiten durchzukämpfen. Wahrscheinlich muß man alle - bislang 16 - Brunetti-Bücher gelesen und parat haben, um an der Vorstellung Sepedas seine reine Freude zu haben. Damit kann ich leider nicht dienen. Mir wäre es auch schwer gefallen, die Texte von Sepeda von den Original-Brunetti-Texten zu unterscheiden, wenn die Donna-Leon-Zitate nicht in blauer Farbe gedruckt gewesen wären. Sepeda reproduziert quasi Donna Leon. Man könnte fast zu der Auffassung kommen, die Lektüre Sepedas ersetze die der Bücher, auf die sie sich bezieht. Das ist vielleicht Ansichtssache, ob man dies für gut oder schlecht hält. Man findet bei Sepeda wenig über Donna Leon hinausgehende Gedankengänge und keinerlei kritische Erwägungen, selbst nicht zu den abfälligen Gedanken über Touristen, die Brunetti untergeschoben werden, oder etwa zu den immer wiederkehrenden Mäkeleien am Wetter, das sich buchstäblich jeweils nach Brunettis Stimmungen richtet. Ist es z.B. wirklich so, daß "die Laguna veneta dem Venezianer so unnahbar fern vorkommt" (S. 329)? Ist die Lagune wirklich "für einen Venezianer wie Brunetti weitgehend unbekanntes Terrain" (S. 336) oder vielleicht nur für Brunetti-Leon? Ich vermute vornehmlich das ist es, was ihr deren ganze Sympathie sichert. Entschuldigung, jetzt bin ich doch wieder in Mutmaßungen verfallen.

7 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2010
Kleine Geschichte Venedigs
Karsten, Arne

Kleine Geschichte Venedigs


ausgezeichnet

Kleine Geschichte - großartig

Wieso konnte ich in der größten Buchhandlung Berlins, dem Haus, wo man kulturvoll Kultur voll kaufen kann, dieses vorzügliche Buch weder unter Geschichte/Italien und auch nicht unter Reisebücher/Italien/Venedig finden? Hoffentlich doch, weil es gerade mal ausverkauft war und weitere Exemplare nicht so schnell herangeschafft werden konnten!

Das ist eine populäre Darstellung vom einem Fachmann, die gut lesbar, anschaulich und nicht überfrachtet ist. Als Perfektions- und Fußnotenfanatiker vermisse ich natürlich genaue Quellenangaben, aber das kann ich hier, wo nichts untergelegt wird, wenn keine auslegbaren Quellen da sind, verschmerzen. Aber Arne Karsten sagt und beachtet es auch (S. 29, 31, 54f), daß rechtliche Normen und andere Schriftstücke durchaus different zur Alltagsrealität sind (ich verallgemeinere hier bewußt ein wenig, denn das soll ja auch heute noch vorkommen) und die Denk- und Verhaltensweisen in früheren Zeiten andere waren, als heute. Die sozialen und Verwaltungsstrukturen Venedigs werden ausreichend (S. 56-59, 84-95, 101-109, 207-211, 239-242) umrissen (für perfektionische Erbsenzähler gibt es ja Spezialliteratur), ebenso Handel und Wirtschaft (S. 64-70, 117-123, 152-159, 202-206). Natürlich ist auch von Kriegen und politischen Verwicklungen die Rede, von Katastrophen und Zeremonien und viel natürlich von Architektur und Kunst.
Eine gute Literaturliste und ein Personenregister ist vorhanden. Den Venedig-Stadtplan auf dem Vorsatz muß ich aber kritisieren: Hier wären unbedingt Veränderungen im Verlaufe der Entwicklung kenntlich zu machen gewesen. Auch der Plan der Lagune hinten ist erläuterungs- und erweiterungsbedürftig. Das läßt sich ja mit einer Neuauflage machen und auch weitere veranschaulichende Karten könnten dann hinzugefügt werden.

Arne Karsten hat auch ein Buch über den Bildhauer und Baumeister Gianlorenzo Bernini verfaßt (Bernini. Der Schöpfer des barocken Rom. München 2006, 2007), das so gut ist, daß es flugs in Italienische übersetzt wurde. Seine Arbeiten über Grabmähler sind vielleicht ein wenig zu speziell, um wirklich populär zu sein. Aber vielleicht läßt sich das ja bei diesem Thema noch machen, wenn er sich mit den interessanten, teilweise in ihrer Art ungewöhnlichen und weltweit einmalig-skurrilen Grabmälern in Venedig befaßt.
Ich muß bei dieser Gelegenheit auch auf die "Kurze Geschichte Venedigs" von Gherardo Ortalli, Giovanni Scarabello (Deutsch Milano 1999, Pisa 2008; zuerst Ital. Roma 1990) aufmerksam machen, weil es (noch) nicht möglich ist, dazu eine Rezension bei www.amazon.de einzustellen, denn sie ist auf Deutsch in diesem Jahr in 2. Auflage in Pisa (Pacini Editore S.p.A.) erschienen, im Deutschen Buchhandel bislang aber nicht erhältlich. Dieses ebenso vorzügliche Buch ist keineswegs eine Konkurrenz zu dem Arne Karstens, vielmehr ergänzen sich beide ausgezeichnet. Fragen Sie also ihren Buchhändler nach beiden, vielleicht entsteht ja so auch ein Nachfragesog Deutschland-Italien.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2010
Grundzüge der Geschichte Venedigs.
Hellmann, Manfred

Grundzüge der Geschichte Venedigs.


weniger gut

Für einen Geschichtsprofessor nicht gut genug

Warum eine Rezension zu einer Broschüre, die vor mehr als 20 Jahren erschienen ist, einmal 1981 "verbessert und erweitert" neu aufgelegt und dann noch mal 1989 unverändert nachgedruckt worden ist, seither aber vergessen scheint? Um vor Nachahmung zu warnen. Nicht vor einem grundlegenden, kurzen Blick auf die Geschichte Venedigs (zwei neuere kurze Venedig-Geschichten will ich ausdrücklich empfehlen), sondern vor der vorgesetzten Optik mit der hier der Blick eingeengt wird, vor dem Fokus, der auch fernere Mißlichkeiten bewirkt. Die 2. Auflage ist lediglich um 21 Zeilen auf S. 79 ergänzt worden, die 3. Auflage gegenüber der 2. unverändert. Ansonsten sind alle 3 Ausgaben Text- und Seitenidentisch. Ab der 2. Auflage sind einige Literaturhinweise und ein Sach- und Personenregister hinzugekommen.
Gerechterweise muß man sagen, daß Hellmann sich mit seinem Ausflug nach Venedig in ein Terrain wagte, das etwas abseits des Gebietes liegt, in dem er eine Autorität ist. Als Experte für Osteuropa, er war ordentlicher Professor für Geschichte Osteuropas, wird ihm wohl keiner so leicht etwas am Zeug flicken. Irgendwie gehört ja auch das historische Venedig durch seine einstigen ausgedehnten Wirtschaftsbeziehungen nach Südosteuropa und seine Übersee-Besitzungen mit dazu, aber eben nur "irgendwie" und nicht wirklich. Dieses Signalwort der Unbestimmtheit kommt bei Hellmann natürlich nicht vor, schließlich ist die Historiographie eine exakte Wissenschaft und will geschichtliche Abläufe exakt erklären. Ob das wirklich immer geht, wage ich zu bezweifeln. Natürlich soll, kann und muß man, soweit eben möglich, nämlich insofern die historischen Quellen präzise Informationen liefern, geschichtliche Ereignisse in Ursachen und Ablauf genau schildern. Aber man wird nicht alles erklären und verstehen können. Zum einen, weil wichtige Informationen oft nicht überliefert sind, vor allem aber, weil vielfältige Faktoren zusammenwirken und Anliegen und Erwartungen der Handelnden oft mit dem tatsächlichen geschichtlichen Resultat wenig zu tun haben: Konglomerate vielfältiger, zielgerichteter Einzelhandlungen - die ja in der Gesellschaft immer vorliegen - ergeben keine Handlungsresultate, sondern nur Ereignisse. Es ist natürlich interessant und reizvoll, den An- und Absichten, Vor- und Zielstellungen, der geschichtlich Handelnden nachzugehen. Das liefert für historische Abläufe aber in den meisten Fällen nur Scheinerklärungen. Hellmann hat offensichtlich eine wichtige Herangehensweise aus seinem Spezialgebiet Osteuropa - für die aktuelle Politik und Zeitgeschichte sind natürlich die Auffassungen und Absichten insbesondere der mächtigen Akteure ungeheuer wichtig - auf die Geschichte als solche übertragen. Andererseits ist die Sichtweise "große Männer machen die Geschichte" ja auch erst in jüngster Zeit einigermaßen überwunden worden. Aber: Bereits Heinrich Kretschmayr - wer dessen Geschichte von Venedig nicht kennt, sollte darüber nicht schreiben - wendet sich gegen eine Geschichtsauffassung, welche die Geschichte 'zum Range einer Novelle erhöhen will', als die persönliche Schuld ehrgeiziger Staatsmänner sich darstellen will" (Heinrich Kretschmayr: Geschichte von Venedig in 3 Bänden. 2. Neudruck der Ausgabe Gotha 1920. Aalen 1986, Bd. 2 S. 335).
Ich will mich nicht in Einzelheiten der Darstellung Hellmanns verzetteln. Es ist natürlich schwierig, 1.400 oder mehr Jahre Geschichte auf 201 Seiten zusammenzudrängen. Da muß schon so mancherlei unter den Tisch fallen.

Aber vielleicht hat ja auch Andrea Gottdang Recht: "Historische Genauigkeit ist letztlich das, was dafür gehalten wird." (Venedigs antike Helden. Die Darstellung der antiken Geschichte in der venezianischen Malerei von 1680 - 1760. Wien/München 2002, S. 141)

Bewertung vom 29.03.2010
Venedig
McCarthy, Mary

Venedig


schlecht

Aufgeblasenes Halbwissen

Das Buch mißfällt mir vom ersten Satz an: "Der kühle Verstand hat hinsichtlich Venedigs stets seine Zweifel gehabt." (S. 7) Hat er das? Und was soll hier eigentlich gesagt werden? Was auch immer: Wer etwas gegen Verstand und Vernunft sagt, hat erst mal jegliche Sympathie verspielt. Sicher ist das ein Vorurteil, aber doch wohl ein versta(e)nd-liches.
McCarthy gehörte zu jenen Glücklichen, die sich einen Wohnsitz in Venedig leisten können. Gottlob belästigt darauf nicht jeder Untalentierte - aber doch allzu viele - den Büchermarkt. Was soll man von jemanden halten, dem die bei der Anmietung einer Wohnung eingestanden wichtigste und dem Leser mitzuteilende Causa ist, "wie viele Personen die Wohnung im oberen Stock bewohnen würden" (S. 27), um dann gleich anschließend langweiligen Tratsch über seinen Vermieter auszubreiten (S. 28ff und passim)? Nur ihre vermutliche amerikanische Hinterwäldler-Prüderie bewahrt McCarthy offenbar vor der Auswalzung peinlicher Details.

Die Autorin reproduziert überwiegend Angelesenes. Dagegen ist an sich nichts zu sagen und da ja zu Venedig schon "alles gesagt" (Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch der Italienischen Reise) ist, ist dies auch irgendwie unvermeidlich. Wenn es doch aber wenigstens interessant erzählt wäre! Originelle Sentenzen zu Venedig entgleiten McCarthy selten und eher zufällig. Ich bin geneigt, die Verallgemeinerung, "man findet sich damit ab, daß, was man im Begriff ist zu sagen oder zu empfinden... jedem Touristen aus Iowa auf der Zunge liegt" (McCarthy S. 20), doch eher zurückzuweisen. McCarthys "man" ist auf jeden Fall zunächst sie selbst und "man" kann sie wohl durchaus mit jenem Iowaman gleichsetzen, der in den USA als sprichwörtlich einfältiger Hinterwäldler gilt, denn Seattle liegt nicht nur hinterm Walde, sondern auch noch hinter den Bergen. So ist wohl auch etwa der Plural S. 24 zu deuten: "Für uns ist die venezianische Geschichte ein Kuriosum..."

Irgendwann hat die Autorin wohl gemerkt, daß sie nicht genug Stoff hat, um ein Venedig-Buch zu füllen. Und so hat sie den Text zunehmend mit unsystematischen Beschreibungen und teilweise fragwürdigen Interpretationen von Gemälden aufgefüllt (S. 70-71, 85-91, 93, 100-101, 109-112, 116-119, 122-133, 137-160, 166-168). Da kann ich dem Verlag, abgesehen vom Vorwurf, dieses Buch überhaupt gedruckt zu haben, die Frage nicht ersparen: Was soll der Leser mit Bildbeschreibungen/-interpretationen anfangen, ohne daß diese abgebildet sind?

Ob McCarthy mit ihrem Venedig-Buch eine Schaffenskrise übertünchen wollte, ist mir nicht bekannt, das schwache Ergebnis scheint aber darauf hinzudeuten. Damit wäre sie ja auch nicht die erste. Gegenüber ihrem - ebenfalls amerikanischen - Vorgänger, der selbst im Versagen noch ein kraftstrotzender Riese war, erscheint sie allerdings als mickeriger Zwerg. Ein ordentlicher Verlag hätte einem Autor das Manuskript um die Ohren gehauen. Mit einer Dame tut man natürlich so etwas nicht.

Bewertung vom 29.03.2010
Amor in Venedig
Baur, Eva Gesine

Amor in Venedig


ausgezeichnet

Kein Seelenschmalz, sondern eben Spuren

Wer vermutet, dieses Buch sei eines der zahlreichen nach der Masche, "Sei glücklich - Amore!" oder "Ich war da nach... gelatscht und hab... - Ja was eigentlich? - gefunden, folge den Spuren!", liegt völlig falsch.
Die Autorin versucht, berühmten Amouren in Venedig auf den Grund zu gehen, insofern das überhaupt möglich ist. Sie ist dabei sachlich, verständnisvoll - soweit man gewisse Dinge überhaupt mit Vernunft nachvollziehen kann oder dafür Verständnis aufzubringen in der Lage ist. Gleichklänge und Dissonanzen, Ein- und Mißverständnisse. Romanzen und Dramen. Mitunter klingt ein Hauch von Ironie an und Eva Gesine Baur überläßt es dem Leser, weiterzudenken, was man nicht weiß, nicht wissen kann und vielleicht auch gar nicht so genau wissen will. Niemals nimmt sie die indiskrete Schlüssellochperspektive ein, gerät nicht an die Grenze des Peinlichen. Sie ist in ihrem Urteil zurückhaltend und gerecht, gerade weil die Herrn der Schöpfung meist nicht sehr gut wegkommen: "Effi (Ruskin) genoss, John (Ruskin) jammerte" (S. 11); Giacomo Casanova: "Einigen tut er leid" (S. 19); "Der Eros changiert und Thomas Mann ändert seine Pläne" (S: 57); Richard Wagner "arbeitet sich dem Liebestod nur musikalisch entgegen" (S. 75); Antonio Vivaldi: "Der Bannfluch läßt sich wegbeten" (S. 101); Gabriele d'Annunzio: "Niemand in Italien kann ihn übersehen, diesen Wicht mit großer Geste" (S. 128); Ernest Hemingway: "Jäger, auch Frauenjäger, verstehen es zu verhindern, dass ihre Witterung aufgenommen wird" (S. 147); "Während George (Sand) nichts als Fleischbrühe, Wasser und Hafergrütze zu sich nimmt, verkostet er (Alfred de Musset) die Tänzerinnen des Teatro La Fenice, den Zenever, den Visner, den Verdiso oder Marzemino der Spelunken im Sestiere San Polo und alles, was an Rauschgiften zu haben ist." (S. 176); Pietro Pagello: "ein Arzt, der sich mit einer solchen Frau (George Sand) einlässt, schadet in Venedig seinem Ansehen mehr, als einer, der seine Kunstfehler auf dem Friedhof San Michele vergraben lässt" (S. 181); Alfred de Musset: "Die Tinte, unverwässert und makellos, überführt ihn" (S. 184); Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque: "Beide sind verwöhnt und reich, unterwegs dort, wo die Teppiche dick sind und niemand nach den Preisen fragt" (S. 202); Rainer Maria "Rilke weiß, dass eine Frau nichts stärker verführt, als von einem Künstler dem Alltag enthoben zu werden." (S. 219); George Gordon Noel Lord Byron "liefert den gelangweilten Menschen, den Altreichen und den Neureichen, die mit Kohle, Eisen, Steingut oder einer eigenen Bank zu ihrem Vermögen gekommen sind, das, was sie vermissen: den Skandal" (S. 244f). Und generell: "Sie warfen die Waffen von sich und suchten Trost bei ihrem Müttern, jenem bei Italiens Helden besonders beliebten Aufenthaltsort." (S. 170)
Die Personen und Handlungsorte stellt Eva Gesine Baur jeweils ergänzend zur Story mit kurzen Charakterisierungen und guten Abbildungen vor. Auswahlbibliographie (Amor in Venedig S. 271-278) und Register sind vorhanden (S. 281-296).

Ein Kapitel zu Niccolò Paganini - Antonia Bianchi - Archille Bianchi-Paganini, zu Klaus Kinski - Debora Caprioglio-Kinski - Nikolai Kinski fehlt. Das ist nicht zu bedauern, sondern notwendigerweise so: Diese beiden großartig-wahnsinnigen Geschichten sind nicht in ein Kapitel zu pressen. Ich wünsche mir dazu von Eva Gesine Baur möglichst bald eine Monographie (Lieber Nikolai Kinski, stemmen Sie sich bitte nicht dagegen!).
Über die von genialischen Männern oftmals schamlos ausgenutzten Frauen schreibt Eva Gesine Baur feinsinnig, gefühlvoll, fast mit Mit-Leid, aber nicht mitleidig. Wo sie mit den Damen, die für die Männer und an ihnen oft willig litten, unter sich ist, will ich besser schweigen - und das Buch empfehlen. Nur noch ein großes Lob an den Verlag muß ich loswerden: Er beweist, daß man selbst Gemälde auf normalem Papier ausgezeichnet auch in schwarz/weiß wiedergeben kann.

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