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Island
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Nürnberg

Bewertungen

Insgesamt 64 Bewertungen
Bewertung vom 19.05.2013
Close Up
Abidi, Heike

Close Up


ausgezeichnet

Bei „CLOSE UP“ handelt es sich um den ersten Jugendroman der deutschen Autorin Heike Abidi. Er erschien als Taschenbuch bei „Pink“, einem Imprint des Oetinger Verlags, das sich speziell an Mädchen im Teenageralter richtet. Wie alle Bücher aus der Pink-Reihe fällt auch „CLOSE UP“ gleich durch das recht auffällige Cover mit knalligen Farben auf. Bei genauerem Hinsehen sieht man dann im Hintergrund einige Gegenstände, die im Buch eine wichtige Rolle spielen, nämlich Filmutensilien.



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Im Mittelpunkt der Geschichte steht Josie, die mit ihrer anstrengenden Schwester und ihrem Vater zusammenlebt, nachdem ihre Mutter früh gestorben ist. Sie träumt davon, Regisseurin zu werden. Mit ihren Freundinnen dreht sie deshalb einen Trailer für einen Film und sie ist zudem gemeinsam mit ihrem Kumpel Ole in der Film-AG ihrer Schule. Ansonsten sieht es mit ihren schulischen Leistungen leider weniger gut aus und sie wird sogar das Schuljahr wiederholen müssen, wenn sie sich nicht bessert. Wichtiger als die Schule ist ihr aber zunächst einmal die Teilnahme an einem Regieworkshop in Los Angeles in den Sommerferien, der allerdings sehr teuer ist. Nachdem sie sich von ihren Freundinnen zu einem Schauspiel-Casting überreden lassen hat, obwohl sie eigentlich nicht vor der Kamera stehen will, bekommt ausgerechnet sie eine erste Rolle in einem Werbespot angeboten, was ihre Chance wäre, das Geld für den Kurs in Los Angeles aufzutreiben…



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Josie ist eine sehr sympathische und authentisch gestaltete Protagonistin, die für ihr großes Ziel kämpft, aber sich selbst dennoch treu bleibt und im Verlauf der Geschichte auch noch etwas reifer wird und lernt, Verantwortung zu übernehmen. Auch die weiteren Charaktere sind überzeugend gestaltet und es bleibt trotz der Filmthematik alles recht realistisch. Das hat mir sehr gut gefallen. Der Schreibstil passt ebenfalls gut zu diesem Buch. Er ist einerseits sehr flüssig lesbar und zugleich anschaulich, bietet aber auch als kleine Besonderheit immer wieder eingefügte „Regieanweisungen“ und Einträge zu filmischen Fachbegriffen, die Josie in Gedanken in ihr Filmlexikon aufnimmt. Das passt natürlich perfekt in dieses Buch, führt aber auch dazu, dass man als Leser noch einige Dinge darüber lernt, wie ein Filmdreh genau abläuft und mit welchen Tricks dabei gearbeitet wird. Nicht zuletzt finden sich aber auch immer wieder amüsante Stellen, die zusätzlich für Lesefreude sorgen. Ich fand es jedenfalls sehr interessant, zusammen mit Josie in die Welt des Films einzutauchen und empfehle das Buch gerne weiter!

Bewertung vom 04.05.2013
Paarungszeit
Brendler, Claudia

Paarungszeit


sehr gut

„Paarungszeit“ ist der zweite im Droemer Knaur Verlag erschienene Roman der Frankfurter Autorin Claudia Brendler.

Diesmal sind die umtriebige Trachtenladen-, Café- und Pensionsbesitzerin Therese, die auch für das Bürgermeisteramt kandidiert, und ihre Tochter mit dem etwas seltsamen Namen Susn die Protagonistinnen. Aus deren Perspektiven wird dann auch im Wechsel erzählt. Wie der Titel schon vermuten lässt, spielen natürlich auch die Liebe und die damit verbundenen Konflikte eine wichtige Rolle im Buch. Und zwar in allen möglichen Konstellationen. Susn ist mit einem Lehramtsreferendar für Biologie und katholische Religion verlobt und steckt mitten in den Hochzeitsvorbereitungen, inklusive Diät- und Brautkleidwahnsinn und einer Mutter, die sich gerne in alles einmischt. Ihr Zukünftiger interessiert sich dagegen zu ihrem Leidwesen meist weniger für sie, als für das Paarungsverhalten seiner Zuchtfische. Ihre Mutter Therese trifft nach langer Zeit wieder auf Susns Vater, hat aber auch noch den Dorfpolizisten Fredl als Verehrer und außerdem quartiert sich dann noch eine französische Erotik-Autorin samt Bruder und ihrem Assistenten in Thereses Pension ein, was den Wahlkampf und die Liebeswirrungen auch noch einmal gehörig anheizt.

Meine Meinung ist zwiespältig. Einerseits bietet das Buch so einige humorvolle Szenen und auch die Geschichte mit Susn und ihrem fischverrückten Verlobten fand ich recht amüsant. Gut hat mir in der Beziehung auch gefallen, dass es immer wieder Parallelen zwischen dem aktuellen Stand des Paarungsverhaltens der Fische und der Beziehung der beiden gab. So wurde das zeitraubende Hobby wirklich perfekt in die Handlung integriert. Andere Stellen im Buch zogen sich aber etwas in die Länge oder waren mir doch einen Tick zu überzogen dargestellt. Mit dem Charakter von Susn bin ich recht schnell warm geworden, allerdings haben mich ihre dauernden Gedanken an ihr Wunschgewicht etwas genervt. Thereses Charakter ist sicher sehr überzeugend gestaltet, aber sie ist mir persönlich etwas zu anstrengend, sodass ich mich nicht so recht mit ihr identifizieren konnte, auch wenn sie mir nicht unsympathisch war. Insgesamt gibt es im Buch mit weiteren Verwandten, Urlaubern, Einwohnern, ehemaligen Mitschülern von Therese, usw. eine recht große Anzahl an Personen, sodass ich stellenweise nicht mehr genau wusste, in welchem Zusammenhang die jeweilige Person genau zu Therese oder Susn steht. Die Perspektivwechsel haben mich weniger gestört, da man so sehr gut mitbekommt, wie unterschiedlich Therese und Susn sind und wie sie auf das Verhalten der jeweils anderen reagieren. Als sehr anstrengend empfand ich allerdings den Umgang mit Dialekten im Buch. Es kommen recht häufig Passagen im bayerischen Dialekt vor und später kommt auch noch sächsischer Dialekt hinzu. Das bereitet mir grundsätzlich keine Verständnisprobleme, da ich selbst aus einer Gegend zwischen Oberbayern und Sachsen komme, aber es hat dennoch den Lesefluss für mein Empfinden zu sehr gestört, weil es für meinen Geschmack auch zu viel bayerischer Dialekteinsatz war, um noch natürlich zu wirken und das Sächsisch auf mich eher wie eine verzichtbare Slapstick-Einlage wirkte, da es nichts zum bayerischen Lokalkolorit beiträgt. Diesen schätze ich normalerweise schon sehr in Büchern, aber eben im richtigen Maße. Hier wäre meiner Meinung nach durch die oft sehr bezeichnenden Verhaltensweisen der verschiedenen Einwohner dieses kleinen oberbayerischen Touristenortes und einem dezenten Dialekteinsatz an ausgewählten Stellen ausreichend Lokalkolorit vorhanden gewesen, zumal die Autorin eben selbst nicht aus Bayern stammt und es somit noch etwas unnatürlicher wirkt, wenn zu viel Dialekt gebraucht wird. Ansonsten ist der Schreibstil von Claudia Brendler aber sehr angenehm lesbar und für alle, die des Bayerischen oder des Sächsischen nicht mächtig sind, gibt es am Ende auch noch eine Art Glossar, das auf eine sehr humorvolle Weise verschiedene Begriffe erklärt.

Bewertung vom 29.04.2013
Ein ganzes halbes Jahr
Moyes, Jojo

Ein ganzes halbes Jahr


ausgezeichnet

Der Roman „Ein ganzes halbes Jahr“ der britischen Autorin Jojo Moyes ist sicher schon jetzt einer der Bestseller des Jahres 2013 und nimmt auch aktuell den ersten Platz der Spiegel-Bestsellerliste im Bereich Belletristik ein. Das Buch ist damit auch Jojo Moyes bisher mit Abstand erfolgreichstes auf dem deutschen Markt. Die Covergestaltung orientiert sich an der englischsprachigen Originalausgabe „Me Before You“, es wurden allerdings andere Farben als dort gewählt und man entschied sich mit „Ein ganzes halbes Jahr“ auch für einen anderen Titel, den ich recht passend finde.

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Ort der Handlung ist eine fiktive Kleinstadt in Großbritannien, wo die Protagonistin Louisa, genannt Lou, lebt. Sie ist schon Mitte 20, wohnt aber noch bei ihren Eltern und muss mit für den Lebensunterhalt ihrer Familie sorgen, da sie neben ihrem Vater das einzige Familienmitglied ist, das arbeiten gehen kann. Als sie ihren Job in einem Café verliert, ist sie daher dringend auf eine neue Arbeit angewiesen. Es gibt für sie als ungelernte Kraft aber kaum Möglichkeiten und so landet sie schließlich als Pflegehelferin bei Will, der seit einem Unfall vor zwei Jahren querschnittsgelähmt ist. Zunächst sträubt sie sich dagegen, in diesem Bereich zu arbeiten, hat aber dann keine andere Wahl, als das Angebot anzunehmen. Anfangs können Will und Lou wenig miteinander anfangen, aber mit der Zeit kommen sie immer besser klar und Lou mit ihrem Einfühlungsvermögen, ihren ausgefallenen Ideen und ihrer Vorliebe für schrille Klamotten, gelingt es, zu Will vorzudringen. Dennoch schmiedet Will parallel dazu Pläne, seinem Leben mit Hilfe der schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas ein Ende zu setzen, da seine Situation für ihn als vor dem Unfall erfolgreichen Geschäftsmann, Frauenheld und Sportler absolut unbefriedigend ist.

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Es handelt sich hier um einen Roman, der mich sehr fesselte und mir neue Perspektiven zu einem zu Recht sehr umstrittenen Thema, der Sterbehilfe, eröffnete. Bisher hatte ich Diskussionen darüber eher als neutrale Beobachterin verfolgt, auch wenn ich einzelne Schicksale schon ergreifend fand. Durch den Charakter von Will und die Aussagen, die im Buch von anderen ihm nahestehenden Menschen getroffen werden, fühlte ich mich aber wesentlich betroffener und kann manche Entscheidungen so nun etwas besser nachvollziehen. Lou als Protagonistin ist sehr sympathisch und es hat mich beeindruckt, wie sie in die für sie ungewohnte Tätigkeit hineinfindet und meist intuitiv richtig handelt. Sie macht im Verlauf des Buches eine tolle Entwicklung durch. Aber auch die anderen Charaktere sind überzeugend und vielschichtig gezeichnet und das Buch enthält neben berührenden Stellen zugleich auch humorvolle Passagen. Der Schreibstil ist anschaulich und gut lesbar, gelegentlich auftretende Perspektivwechsel werden zuvor gekennzeichnet, sodass auch dies nicht für Verwirrung sorgt, aber auf jeden Fall zum besseren Verständnis für manche Handlung beiträgt. Es ist auf jeden Fall eine Geschichte, die den Leser auf keinen Fall kalt lässt, die Emotionen auslöst und zum Nachdenken über die eigene Position anregt. Daher eine klare Leseempfehlung von mir!

1 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2013
Weibersommer
Wanner, Heike

Weibersommer


ausgezeichnet

„Weibersommer“ ist bereits der vierte im Ullstein Verlag erschienene Roman der deutschen Autorin Heike Wanner. Schon alleine das sehr ansprechend gestaltete Cover dieses Buches, mit den Kirschen, die gut zum Sommer passen, und der etwas ungewöhnlichen Ausstanzung, weckte mein Interesse. Der Titel „Weibersommer“ impliziert, dass es sich um ein Buch handelt, in dem Frauen im Mittelpunkt stehen. Das ist hier auch definitiv der Fall, allerdings geht es hier im Gegensatz zu den „Weiberabend“-Büchern, die ja einen ähnlichen Namen tragen, um Frauen aus drei verschiedenen Generationen und auch die Zielgruppe des Romans ist wesentlich breiter gefächert. Er ist im Endeffekt für Frauen jeden Alters interessant.

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Ausgangspunkt der Handlung ist ein Kaffeekränzchen, zu dem sich die Schwestern Anne-Marie (Anne) und Marie-Louise (Lou) und deren Cousine Lisa-Marie regelmäßig mit ihren Müttern, die Zwillingsschwestern sind, treffen. Diesmal gestaltet sich das Zusammentreffen aber traurig, weil sie alle an diesem Tag erfahren haben, dass ihr 83-jähriger Onkel Horst, der in Pfronten im Allgäu auf einem Bauernhof lebte, gestorben ist. Da die beiden älteren Damen schon einen gemeinsamen Kuraufenthalt gebucht haben, fahren schließlich Anne, Lou und Lisa-Marie los, um sich um den Hof zu kümmern und alles vor Ort zu regeln. Die drei Frauen sind um die 40 Jahre alt, Krankenschwester Anne hat drei Kinder und ist mit einem ständig arbeitenden Arzt verheiratet, Lou ist erfolgreiche Innenarchitektin und mit einem Journalisten zusammen und Buchhändlerin Lisa-Marie ist unglücklich Single. Keine von ihnen hat Erfahrung damit, wie man sich um Tiere kümmert und jede schleppt gerade andere Probleme mit sich herum. Schließlich stoßen noch eine Ordensschwester, ein geheimnisvoller junger Mann namens Jo und Annes Tochter Mia zu den drei Frauen und sie decken zudem auch noch ein lange gehütetes Familiengeheimnis auf.

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Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen. Der Schreibstil der Autorin war sehr flüssig lesbar und die Handlung fesselte mich, sodass ich kaum mit dem Lesen aufhören konnte und den Roman bereits in nicht einmal einem Tag verschlungen hatte. Die hier vorliegende Mischung aus einer Familiengeschichte, ein bisschen Liebe und den damit verbundenen Problemen, dem für die Protagonistinnen ungewohntem Landleben im Allgäu, einer Portion geschichtlichem Rückblick und einer Spur Tiefgang ist das, was ich von einem guten Frauenroman erwarte. Die Hauptpersonen haben alle ihre Eigenheiten, aber sind dennoch sympathisch und realistisch dargestellt. Außerdem entstammen sie den verschiedensten Altersklassen und haben unterschiedliche Lebenssituationen, sodass jede Leserin eine Person im Buch finden kann, mit der sie sich am besten identifizieren kann. Was den wiederentdeckten Zusammenhalt in der Familie und die gemeinsamen Tage der Schwestern mit ihrer Cousine auf dem Hof angeht, könnte man fast etwas neidisch werden. Ich empfehle das Buch auf jeden Fall gerne an alle weiter, die ein Wohlfühlbuch mit etwas Tiefgang suchen und würde mich auch über eine Fortsetzung sehr freuen!

Bewertung vom 10.04.2013
Schneckenkönig / Martin Nettelbeck Bd.1
Wittkamp, Rainer

Schneckenkönig / Martin Nettelbeck Bd.1


sehr gut

Der Kriminalroman „Schneckenkönig“ ist zwar das Buchdebüt von Rainer Wittkamp, dieser ist allerdings, was Kriminalfälle angeht, durchaus kein unbeschriebenes Blatt mehr. Er war unter anderem schon als Regisseur und Drehbuchautor für diverse Krimiserien im Fernsehen tätig und kann somit auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, was Spannung angeht, zurückgreifen. Sein Erstlingswerk, auf dem eine ganze Buchreihe um den Ermittler Nettelbeck basieren soll, erschien im März 2013 im auf Krimis spezialisierten Grafitverlag.

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Nachdem in der Nähe des Berliner Ostbahnhofes die Leiche eines Ghanaers gefunden wird, beim LKA aber gerade Personalknappheit herrscht, bietet sich für Martin Nettelbeck die Chance, wieder aktiv zu ermitteln. Er ist eigentlich einer der besten Kommissare der Behörde, wurde aber vor einiger Zeit ins Versorgungsreferat strafversetzt, weil er einen Kollegen angegriffen hat. Im Mordfall an dem Afrikaner soll er mit dem noch recht jungen Kollegen Wilbert Täubner zusammenarbeiten und zunächst kommen die beiden nur schleppend voran, da keiner den Mann gekannt haben will. Nach und nach ergeben sich aber immer neue Spuren, die zu einem christlichen Missionswerk und zu Neonazis führen. Nettelbeck und Täubner müssen den Fall auch unbedingt schnell lösen, da die Kriminalrätin Jutta Koschke wenig von Nettelbeck hält und ihn am liebsten wieder ins Referat „Versorgung“ verbannen würde.

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Es handelt sich hierbei um einen spannenden Krimi, der immer wieder überraschende Wendungen aufweist. Für zusätzliche Spannung sorgen die immer wieder auftauchenden, mit kursiver Schrift abgehobenen Textpassagen, in denen der Schneckenkönig zu Wort kommt. Das Ermittlerduo Nettelbeck und Täubner ist sympathisch, beide Personen haben aber ihre Ecken und Kanten und Eigenarten, was auch gut so ist. Etwas schade finde ich allerdings, dass Täubner weniger im Mittelpunkt steht und auch im „Klappentext“ nicht erwähnt wird. Meiner Meinung nach ist er durchaus mit Nettelbeck auf einer Ebene und stellt einen wichtigen Gegenpart dar. Gut hat mir gefallen, dass der Krimi viel mehr Lokalkolorit bietet, als ich erwartet hätte, da er ja nicht als „Heimatkrimi“ beworben wird. Aber es lassen sich immer wieder Straßen und wichtige Punkte Berlins wiedererkennen und zwar hauptsächlich abseits der klassischen Touristenanlaufpunkte. Vieles ist zudem sehr anschaulich dargestellt. Auch die kleinen Einblicke in die Welt der in Berlin lebenden Ghanaer, in die Arbeit des Missionswerks und in die Neonaziszene fand ich interessant. Alles wirkte weitgehend realistisch dargestellt und gut recherchiert. Die Sprache war leicht verständlich und der Krimi ließ sich flüssig und recht schnell lesen. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass am Ende doch noch ein paar Dinge etwas unklar blieben für meinen Geschmack, auch wenn das vielleicht die Absicht des Autors war. Ich empfehle dieses Krimi-Debüt aber auf jeden Fall gerne weiter und würde mich freuen, wenn daraus wirklich eine neue Krimi-Reihe entsteht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.04.2013
Strawberry Fields Berlin
Heun, Julian

Strawberry Fields Berlin


ausgezeichnet

Julian Heun, der Autor von „Strawberry Fields Berlin“ ist erst Anfang 20 und studiert in Berlin Literaturwissenschaft, ist aber zugleich auch einer der bekanntesten Poetry-Slammer Deutschlands, der schon einige Preise in diesem Bereich gewonnen hat. Schon allein die Tatsache, dass es sich um einen jungen deutschen Schriftsteller, der aus dem Poetry-Slam-Bereich kommt, handelt, weckte mein Interesse, seinen im Rowohlt Verlag erschienen Debütroman zu lesen, da dies auf ein kreatives und sprachgewaltiges Buch hoffen ließ. Auch das recht auffällige schwarz-gelbe Cover hätte im Buchhandel mein Interesse geweckt und passt meiner Meinung nach gut zu der Geschichte.

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Der Roman besteht aus zwei Handlungssträngen, in deren Mittelpunkt jeweils ein junger Mann steht. Einmal der Berliner Boulevardjournalist Schüttler, der sich irgendwie mit diesem Job arrangiert hat, auch wenn er ihn nicht wirklich mit Leidenschaft ausübt. In seiner Freizeit beschäftigt er sich lieber damit, sich immer neue Möglichkeiten auszudenken, wie er seinem Feindbild, den Hipstern schaden kann und mit dem Genuss des von ihm kreierten Gin-Borgwards. Robert dagegen tritt eine Reise nach Indien an, um seine Traumfrau Luca wiederzutreffen und befindet sich schließlich in einem Hippie-Camp auf den Andamanen, wo er nicht nur ihr, sondern auch einer Menge anderer Aussteiger und vor allem vielen Drogen begegnet.

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Insgesamt fällt mein Fazit auf jeden Fall positiv aus. Was die Sprache des Buches angeht, wurden meine Erwartungen auf keinen Fall enttäuscht, eher noch übertroffen. Hier merkt man wirklich, dass es Julian Heun durch die Poetry-Slams und sein literaturwissenschaftliches Studium gewohnt ist, kreativ mit der deutschen Sprache umzugehen. Er schreibt sehr lebendig und anschaulich und bedient sich dabei auch vieler Neologismen und Metaphern. Der Sprachstil mag zunächst etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber man findet schnell hinein und der Roman war insgesamt dann gut lesbar. Es finden sich auch viele interessante Gedankengänge in dem Buch, die einen zum Nachdenken über Dinge anregen, die einem zuvor meist noch gar nicht so bewusst waren. Bezüglich der beiden Handlungsstränge hat mich der Teil, der in Berlin spielt, mehr angesprochen, da ich die verrückten Ideen, was die Hipster-Jagd angeht, sehr amüsant fand und der Charakter von Schüttler, wie er sich bei der Arbeit und in seiner Freizeit gibt, auch sehr gut gezeichnet war. Er ist sicher nicht durch und durch sympathisch, aber durchaus interessant mit seiner Einstellung zu bestimmten Dingen. Dagegen konnte ich mit Robert und seinem Aufenthalt im Hippie-Camp nicht ganz so viel anfangen. Aber das ist wahrscheinlich Geschmackssache. Insgesamt hätte die Handlung für mich noch etwas fesselnder und runder sein können, auch wenn mich der Schluss dann durchaus überrascht hat. Aber das hat die tolle sprachliche Gestaltung aufgewogen. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung an jeden würde ich für dieses Buch aber doch nicht aussprechen. Ich denke, es richtet sich eher an ein jüngeres Publikum, das offen ist, für diese Art zu schreiben und das sich unter dem Begriff „Hipster“ zumindest ansatzweise etwas vorstellen kann. Sonst ist es wahrscheinlich schon etwas schwierig, mit diesem etwas ungewöhnlichem Debüt warm zu werden.

Bewertung vom 06.04.2013
Die schöne Philippine Welserin
Riebe, Brigitte

Die schöne Philippine Welserin


sehr gut

„Die schöne Philippine Welserin“ erschien im März 2013 im Gmeiner Verlag. Brigitte Riebe, die Autorin des Buches, ist promovierte Historikerin, sodass ihr Werk auf vielen nachweisbaren geschichtlichen Fakten kombiniert mit fiktionalen Elementen, die die Spannung steigern, beruht.

Das Buch entführt den Leser ins 16. Jahrhundert, genauer in die Jahre 1556 bis 1580. Philippine Welser ist die Tochter einer Augsburger Bürgerfamilie. Durch ihre Tante, die mit einem mittlerweile verstorbenen Adeligen verheiratet war und die in der Nähe von Prag lebt, lernt sie Erzherzog Ferdinand II. von Habsburg kennen, den Sohn des Kaisers. Beide verlieben sich trotz der Standesunterschiede, heiraten heimlich und bekommen vier Kinder. Dennoch muss die Ehe weiterhin geheim bleiben und Philippine hat mit vielen Widerständen, Intrigen und Schicksalsschlägen zu kämpfen. Gleichzeitig beschäftigt sie sich aber auch viel mit der Kräuterheilkunde, ein Interesse, dem bereits ihre Mutter nachging, von der sie viel in diesem Bereich lernte. So ist jedem Kapitel im Buch eine bestimmte Heilpflanze mit einer Illustration, ihrer lateinischen und ihrer deutschen Bezeichnung, und ihrer positiven, aber auch negativen Wirkung vorangestellt, die im betreffenden Abschnitt dann auch eine Rolle spielt.

Der Aufbau des Romans mit der Vorstellung der Heilpflanzen, die teilweise dann schon erahnen lassen, was im kommenden Kapitel geschehen könnte, und die Neugier wecken, hat mir sehr gut gefallen und ich habe auch viele neue Dinge in dieser Hinsicht dazu gelernt. Auch das Thema des Buches fand ich sehr interessant. Philippine Welser war mir bis dahin noch kein Begriff, ich nehme einmal an, dass sie, historisch bedingt, in Österreich auch einen etwas größeren Bekanntheitsgrad hat, als in Deutschland. Es handelt sich hier aber wirklich um eine interessante und vielschichtige Persönlichkeit, die ein für die damalige Zeit recht ungewöhnliches Leben führte. Beide, sie und auch Ferdinand II., scheinen sich wirklich sehr geliebt zu haben und waren bereit, für diese Liebe, wenn auch nur bis zu einer gewissen Grenze, einiges auf sich zu nehmen. Welche Probleme dies, trotz allen Komforts, den Philippine auch genoss, mit sich brachte, wird in dem Buch gut deutlich. Bei den im Buch vorkommenden Personen handelt es sich um echte historische Persönlichkeiten, von denen lediglich die Charaktereigenschaften teilweise zugunsten der Dramatik etwas extremer dargestellt wurden, und auch viele der geschilderten Ereignisse geschahen wirklich. So handelt es sich auch um ein sehr realistisches Buch. Unterstützt wird dies noch durch die Sachkenntnis von Brigitte Riebe, die immer wieder authentische Begriffe und Gepflogenheiten der damaligen Zeit berücksichtigt hat. Die Erzählung wechselt immer wieder zwischen einem neutralen Erzählstil und persönlicheren Tagebucheinträgen von Philippine Welser, die es dem Leser erlauben, an ihrer Gefühlswelt teilzuhaben, hin und her. Der Schreibstil von Brigitte Riebe ist angenehm flüssig lesbar und gut verständlich. Man muss also nicht befürchten, mit unnötigen historischen Fachbegriffen erschlagen zu werden.
Als positiv und sehr aufschlussreich empfand ich es auch, dass es am Ende des Buches noch ein kurzes historisches Nachwort der Verfasserin gibt, in dem man erfährt, was Fiktion und was historisch belegt ist und auch, wie es in der Realität mit den Personen aus dem Buch weiterging. Etwas gestört hat mich, dass im Roman selbst doch einige „Leerstellen“ blieben, auf die man sich als Leser selbst einen Reim bilden musste. Das war wohl so gewollt, aber ich hätte es dennoch, zumindest an manchen Stellen bevorzugt, Klarheit zu bekommen. Mein zweiter Kritikpunkt ist, die, wohl vom Verlag vorgenommene Klassifizierung als „Historischer Kriminalroman“, wie es auf dem Titel angegeben ist. Das halte ich für weniger zutreffend, da es zwar definitiv zu mysteriösen Todesfällen kommt, aber keine Ermittlungen im klassischen Sinn durchgeführt werden.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.03.2013
Tu dir weh
Palomba, Ilaria

Tu dir weh


ausgezeichnet

Schon der Titel „Tu dir weh“ weist darauf hin, dass man hier keine idyllische Liebesgeschichte erwarten sollte. Die Kurzbeschreibung und die italienischen Pressestimmen geben einen weiteren Vorgeschmack darauf, was den Leser erwartet. Somit war mir klar, dass es sich hier um ein relativ extremes Buch handelt, das polarisiert. Gerade das reizte mich, den kompletten Roman der Italienerin Ilaria Palomba, die selbst erst Mitte 20 ist, zu lesen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 19-jährige, sehr hübsche Philosophiestudentin Stella. Über ihr bisheriges Leben erfährt man wenig, sie wuchs recht behütet auf, lebt immer noch bei ihren Eltern, glänzte bisher durch gute Noten und ist seit zwei Jahren mit dem Archäologie-Studenten Donato, den sie den „Freak“ nennt, zusammen. Irgendwie scheint sie aber an einem Punkt angekommen zu sein, an dem sie mehr erleben will, als das. Auf einer Party trifft sie dann Marco, der sie sofort fasziniert und nimmt außerdem zum ersten Mal chemische Drogen. Die beiden haben Sex im Auto, bevor sie überhaupt wissen, wie der jeweils andere heißt. Gepaart mit dem Drogenrausch und der damit verbundenen Euphorie bewirkt dieses Erlebnis bei Stella, dass sie mehr davon will. Sie macht alles Mögliche um Marco zu gefallen, egal wie erniedrigend, schmerzhaft und gefährlich es für sie ist und gerät so immer mehr in einen Strudel, der sie nach unten zieht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Buch im doch recht katholisch geprägten Italien viel Aufsehen erregt hat. Es ist noch extremer, als ich es sowieso erwartet hatte. Was die Sex-, Drogen- und auch Gewaltszenen im Buch angeht, wird wirklich kein Blatt vor den Mund genommen, sondern alles ist schonungslos brutal geschrieben, sodass es teilweise beim Lesen schon weh tut. Es ist auch nicht möglich, sich mit der Protagonistin Stella zu identifizieren und ihr Handeln nachzuvollziehen, man möchte sie höchstens wachrütteln, damit sie endlich merkt, in welche Gefahr sie sich begibt, was kein Mann der Welt wert ist. Stella hat aber durchaus eine vielschichtige Persönlichkeit. Sie wirkt nie dumm und naiv, sondern kann Personen eigentlich relativ gut einschätzen und weiß, was gut für sie ist und was nicht. Nur ihre Handlungen stehen im Gegensatz zu dem, was ihr Verstand ihr sagt. Der Leser kann beides mitverfolgen, da ihre Gedankengänge jeweils in kursiver Schrift und aus der Ich-Perspektive vor dem stehen, was sie dann in Wirklichkeit sagt oder tut. Diese Erzähltechnik hat mir sehr gut gefallen, da sie den Widerspruch in Stellas Inneren sehr gut verdeutlicht. Die Handlung insgesamt wird von einem auktorialen Erzähler wiedergegeben, was für eine gewisse Distanz gerade bei der Beschreibung von extremen Situationen sorgt. Ansonsten ist der Schreibstil von sehr vielen kurzen Sätzen geprägt, was zum Tempo der Geschichte passt und es finden sich natürlich auch viele umgangssprachliche und oft recht derbe Begriffe, was für Authentizität sorgt. Meiner Meinung nach ist Stellas Geschichte, obwohl sie so krass wirkt, nicht vollkommen unrealistisch, ich kann mir durchaus vorstellen, dass Menschen in der Lage sind, sich so an einen Abgrund zu manövrieren, wenn mehrere ungünstige Aspekte zusammenkommen. Und dies aufzuzeigen ist Ilaria Palomba gut gelungen. Es handelt sich hier um einerseits interessante, andererseits aber auch sehr verstörende Einblicke in die Welt einer eigentlich ganz normalen Studentin, die sich von einem Mann abhängig machen lässt. Das Buch ist sicher kein Wohlfühlbuch, das den Leser in einer positiven Stimmung zurücklässt, aber es vermag dennoch zu fesseln, da man wissen möchte, ob Stella irgendwann doch noch der Absprung gelingt. Daher gibt es von mir knapp 5 Sterne, die sich ausschließlich auf die Arbeit der Autorin beziehen, die meiner Meinung nach ein Buch abgeliefert hat, das in sich rund ist. Dass die Dinge, die im Buch beschrieben werden, auf jeden Fall alles andere als nachahmenswert und oft menschenverachtend sind, steht für mich außer Frage.