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gormflath
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Ketsch

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Insgesamt 41 Bewertungen
Bewertung vom 20.02.2024
Der Ausflug - Nur einer kehrt zurück (eBook, ePUB)
Kvensler, Ulf

Der Ausflug - Nur einer kehrt zurück (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine tragische Entscheidung : ein Leseerlebnis!

Anna und ihr Verlobter Henrik sowie ihre beste Freundin Milena fahren jedes Jahr für ein paar Tage zum Wandern in den Norden Schwedens, um in der Natur vom Alltag abzuschalten. Milena hat einen neuen Freund und bittet Anna darum, Jacob zu dieser Wanderung mitnehmen zu dürfen. Anna und Henrik sind zunächst von dieser Idee nicht begeistert, einen Fremden auf die Tour mitzunehmen, erklären sich aber schließlich damit einverstanden. Bereits auf der Zugfahrt beim gegenseitigen Kennenlernen schlägt Jacob vor, diesmal die Route zu ändern. Stattdessen möchte er in den unbewohnten und weitläufigen Nationalpark Sarek, einem Inbegriff der Abgeschiedenheit. Sarek, Schwedens größter Nationalpark mit hohen Gipfeln, Bergmassiven, Gletschertälern, rauschenden Stromschnellen ist der Traum jedes Überlebenskünstlers. Dort gibt es keine markierten Wege, Hütten oder andere Annehmlichkeiten und bald stellt sich heraus, dass dies eine tragische Entscheidung für die Freunde sein wird. Immer wieder bringt Jacob es fertig, die Gruppe zu weiteren gefährlichen Herausforderungen anzustiften. Bald liegen die Nerven in der Gruppe blank, gegenseitige Unterstellungen, Rivalitäten und Eifersucht machen sich breit. Ist Jacob zu trauen? Bald geht es nur noch darum: Wer wird überleben und nach Hause zurückkehren?

Authentische Schilderungen des psychischen Ausnahmezustands, atmosphärische Naturbeschreibungen mit ständig neuen Bedrohungen durch die Naturgewalten und tiefgründige Charakterbeschreibungen lassen diesen Thriller zu einem wahrhaft spannungsgeladenen Leseerlebnis werden.
In seinem Thrillerbedüt versteht es Ulf Kvensler mit Cliffhangern am Ende der jeweiligen Kapitel, vielen Dialogen und perfekten Perspektivwechseln eine unvorhersehbare Handlung aufzubauen und durch zahlreiche Wendungen zwischen Anspannung und Entspannung seine Leser zu verunsichern. Dazwischen finden sich kurze Zeugenbefragungen von Anna, die nach mehreren Tage alleine aufgefunden wird und im Rückblick von der Wanderung berichtet.

Für mich war dieses Buch ein absolutes Lesehighlight, ich habe das Buch innerhalb von 24 Stunden gelesen und war ständig am Mitfiebern. So viel Spannung hat bei mir schon lange kein Thriller mehr erzeugt!

Bewertung vom 12.02.2024
Der Sturm - Vergraben / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.4
Sander, Karen

Der Sturm - Vergraben / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.4


ausgezeichnet

Cold Case auf dem Darß mit Cliffhanger
Als bei einer Sturmflut auf dem Darß ein Stück der Steilküste wegbricht, werden die Gebeine einer jungen Frau freigelegt. Noch während die Kriminaltechniker die Überreste bergen, entdecken sie ein weiteres Skelett. Kommissar Tom Engelhardt und sein Team erinnern sich an einen Fall Ende der 1980er Jahre, als der sogenannte Darß-Ripper auf der Halbinsel mehrere Liebespaare brutal ermordete. Engelhardt vermutet Parallelen zu diesem alten Fall, dessen Mörder nie gefasst wurde.
Am Fundort wird eine CD gefunden, von der man Hinweise erhofft, die Kryptologin Mascha Krieger wird hinzugezogen, doch die Daten auf der CD sind schwer beschädigt.
Beim Sichten der damaligen Ermittlungsakten aus der DDR fällt auf, dass einige Seiten fehlen. Ausgerechnet Maschas Vater war damals Ermittler und sie ahnt, dass er mehr weiß, als er preisgibt.
Wie schon in der ersten Trilogie „Der Strand“ schafft es Karen Sander auch in ihrem neuen Fall gleich zu Beginn ihre Leser zu fesseln. Fast alle der kurzen Kapitel enden mit einem Cliffhanger, da kann man gar nicht anders, als weiterzulesen!
Spannend und mit bildhaften Beschreibungen bringt uns die Autorin auf die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und eröffnet ihre neue Trilogie, die sich als vierter Band in die Krimireihe rund um die Ermittler Tom Engelhardt und Mascha Krieger einfügt.
Beim Lesen trifft man auf ein bekanntes Team mit authentischen und lebendigen Charakteren. Aber auch Leser, die die vorangegangene Trilogie nicht kennen, finden sich schnell in diesem spannenden Cold Case zurecht.
Eindrücke rund um die Ostsee, das Chaos der Zeit im Umbruch vor der Wiedervereinigung und unterschiedliche Perspektiven garantieren für viele Stunden Lesegenuss.
Auf die Fortsetzung darf man sich freuen!

Bewertung vom 25.01.2024
Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
Tsokos, Anja;Tsokos, Michael

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge


ausgezeichnet

Eine lesens- und liebenswerte Sicht auf die Ereignisse

Auch nach der Wiedervereinigung ist Heinz Labensky im Osten Deutschlands geblieben und verbringt nun seine letzten Lebensjahre in einem „Feierabendheim“, wie es zu DDR-Zeiten hieß. Sein ganzes Leben lang galt er als geistig minderbemittelt, die Grundschule hatte er als schulbildungsunfähiger, förderungsunfähiger Intelligenzgeminderter verlassen müssen. Lediglich Rita, seine ebenso vom Leben bestrafte Jugendfreundin, hatte an ihn geglaubt. Doch eines Tages war Rita wie vom Erdboden verschwunden, in die Großstadt im Westen wollte sie. „Heinzi“ wollte sie beschützen, aber immer dann, wenn er sie endlich wieder gefunden hatte, war sie alsbald wieder weg.
Eines Tages erreicht ihn ein Brief von der Tochter der vermeintlich toten Rita, der Fragen zu ihren Eltern enthält. Er besteigt spontan den Flixbus nach Warnemünde, um der Sache auf den Grund zu gehen. Den mit einer blühenden Fantasie ausgestatteten Labensky animieren seine Mitreisenden zu einer Reise in seine eigene Vergangenheit, Heinzi erzählt eine haarsträubende Geschichte nach der anderen. Seine Zeitreise durch die DDR-Vergangenheit berichtet von Situationen, die im Westen eher unbekannt waren: typische DDR-Gegenstände, Abkürzungen, die uns nicht geläufig sind bis hin zu Bespitzelungen eigener Bürger ebenso wie westdeutscher Personen der Stasi. Heinz ist ein kauziger, älterer Herr, der Geschichten erzählt über ein Land, das es nicht mehr gibt. Doch endlich in Warnemünde am Meer angekommen, muss er die wichtigste Entscheidung seines Lebens treffen. Will er die Wahrheit zulassen und die Realität akzeptieren und lieber weiterhin mit Luftschlössern in seiner selbst geschaffenen Fantasiewelt leben?

Rechtsmediziner Michael Tsokos und Professor an der Berliner Charité ist als Autor zahlreicher True-Crime-Thriller bekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Anja, die selbst aus dem Osten Deutschlands stammt, erzählt er originell und warmherzig die Geschichte des liebenswerten Einzelgängers Labensky und seiner Sicht auf die Dinge. Großartig ist die Fabulierkunst des Protagonisten, die den Leser bis zum Ende darüber im Unklaren lässt, ob seine Geschichten sich tatsächlich so ereignet haben können oder seiner Fantasie entsprungen sind, denn schließlich ist Heinzi doch eher von schlichtem Gemüt. Über so manche geschilderten Ereignisse im Leben des Heinz Labensky kann man einfach nur schmunzeln.

Auch wenn die Geschichte inhaltlich eine völlig andere ist, hat mich dieser unterhaltsame Roman ein wenig an die Erzählkunst des Romans „Rückwärtswalzer: oder Die Manen der Familie Prischinger“ von Vea Kaiser erinnert.
Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.01.2024
White Zero
Falk, Thilo

White Zero


sehr gut

Klimathriller ohne durchgehende Spannung

Deutschland wird von einer erbarmungslosen Kältewelle heimgesucht. Seit Monaten herrschen Temperaturen von bis zu -30° C, das Leben der Bevölkerung wird zunehmend bedroht. Energiepreise sind unbezahlbar geworden, durch die zerstörte Infrastruktur ist die Versorgung der Menschen nicht mehr gewährleistet und erste Gebäude kollabieren, weil auch sie den Temperaturen nicht mehr standhalten. Droht eine neue Eiszeit oder ist der Klimawandel für die Situation verantwortlich?
Fachleute in diversen Gremien versuchen, der Katastrophe auf den Grund zu gehen. Auch die Geophysikerin Jana Hollmer ist in einem Wissenschaftsteam integriert. Gemeinsam mit ihrem Partner Clemens Bach und Titus van Dijk, dem Chef einer Reederei, macht sie eine unglaubliche Entdeckung, der zunächst keiner der Fachleute Glauben schenken will.

Nach „Dark Cloud“ ist dies der zweite Umweltthriller von Thilo Falk. Die Idee zu diesem Thriller ist ebenso erschreckend wie faszinierend. Auf ein solches Szenario ist niemand vorbereitet und so wird überall nach Methoden geforscht, wie sich dieser Zustand möglichst rasch beenden lässt.
Als Leser folgt man zahlreichen Charakteren und vielen Ortswechseln in klar gegliederten Kapiteln, deren Temperaturangaben in den Überschriften Wirkung zeigen. Auch die Idee mit den eingestreuten Zeitungsartikeln finde ich sehr gut, da sie die Auswirkungen auf die Gesellschaft verdeutlichen. Politiker werden als Macher dargestellt, die trotzdem keine Lösungen parat haben.

Immer noch wird der Klimawandel zu sehr ignoriert, obwohl extreme Wetterverhältnisse zunehmen. Die Extremkälte wird meiner Meinung nach vom Autor gut dargestellt, die Szenen wirken realistisch. Beim Lesen spürt man die Verzweiflung und Hilflosigkeit der Fachleute auf der Suche nach Antworten, trotzdem fehlte mir ein durchgehender Spannungsbogen. Das Buch vereint zwar unterschiedliche Themen, zieht sich aber an einigen Stellen etwas zu sehr in die Länge.
Die Protagonistin Jana verliert im Laufe des Geschehens ihre Nahbarkeit und blieb daher für mich eher auf Distanz, auch wenn sie nie unsympathisch. Janas Lebensgefährte Clemens fungiert als Bindeglied, aber seinen Job mit Grußkartensprüchen fand ich irgendwie unpassend.
Für mich fühlte sich Manches zu sehr konstruiert an. Besonders spannend fand ich den Anfang, die Auflösung war zwar stimmig, aber etwas zu zu weit hergeholt.
Besonders fesseln konnte mich der Roman leider nicht, daher vergebe ich nur 4 Sterne.

Bewertung vom 19.11.2023
Stille Falle / Leo Asker Bd.1
Motte, Anders de la

Stille Falle / Leo Asker Bd.1


ausgezeichnet

Skurrile Ermittler, ein Troll und mysteriöse Begebenheiten

Kriminalinspektorin Leonore Asker steht kurz vor ihrer Beförderung zur Leitung der Abteilung für Schwerverbrechen in Malmö, als sie plötzlich während ihrer Ermittlungen in einem Entführungsfall versetzt wird – in die Abteilung für hoffnungslose Fälle! Dort landen sonst nur ungeliebte Außenseiter und solche, die man bei der Polizei loswerden und abschieben möchte. Hier soll sie sich mit Cold Cases und niemandem in die Quere kommen.
Kurze Zeit später erhält Leo ein Foto, das zwei Figuren mitten in einer Modelleisenbahn-Landschaft zeigt. Diese beiden Figuren sehen den beiden verschwundenen jungen Leuten Smilla und Malik verblüffend ähnlich und Leo ermittelt hier unten im Keller heimlich weiter.
Ein Serienmörder raubt Menschen und ersetzt sie gegen kleine Figuren, die er in eine Modelleisenbahn-Landschaft platziert, die Figuren ähneln den verschwundenen Personen. Ist es wie in der nordischen Mythologie ein Troll, der junge Menschen entführt?
Ermittlerin Leo gilt schon durch ihren außergewöhnlich verschrobenen Vater als Außenseiterin. Gemeinsam mit ihren neuen, allesamt skurrilen Kollegen begibt sie sich auf Spurensuche. Leo deckt auf, dass es in diesem brisanten Fall um Urbexer geht, Personen, die heimlich Bunker, militärische Objekte und verlassene Gebäude erkunden, die sogenannten Lost Places.
Ihre ehemalige Vorgesetzte Vesna Rodic glaubt nicht an Leo Erkenntnisse, die sie in diesem Fall nach und nach gewinnt, und so weiht sie ihren ehemaligen Jugendfreund Martin Hill ein, denn er ist Experte für Urban Exploring. Leo ahnt nicht, wie sehr sie Martin damit in große Gefahr bringt.
Über die eingeflochtenen Rückblenden erfährt man als Leser viel über die Vergangenheit der Protagonisten.Temporeich und bis zum Ende hin mit atmosphärischen Schauplätzen und vielen überraschenden Wendungen möchte man diesen spannenden Krimi am liebsten gar nicht mehr aus der Hand legen. Zuweilen düster bis gruselig ist die Handlung, spannend das Thema Urban Exploring, glaubhaft die handelnden Figuren.
Anders de la Motte erzählt im ersten Teil dieser neuen Krimireihe abwechselnd immer wieder aus einer anderen Sicht: Mal erfährt man, was den Täter antreibt, dann geht es um die Gefühle der Opfer und schließlich um die Denkweise der Ermittler. So wechselt man als Leser ständig die Seiten und genau das zieht einen in den Bann.
Passend sowohl zum Inhalt als auch zum Titel ist das Coverbild mit einem orangefarbenen Schmetterling im verschlossenen Glas gewählt: eine stille Falle.

Dass mich beim Lesen die „Abteilung für hoffnungslose Fälle“ ein wenig an das Sonderdezernat Q und an Carl Mørck, eine Buchreihe von Jussi Adler Olsen, erinnert, schadet dem Lesevergnügen keineswegs. Ich warte schon geduldig auf den zweiten Teil um Leo Asker.

Bewertung vom 16.10.2023
Das Nachthaus
Nesbø, Jo

Das Nachthaus


gut

Genre-Mix zwischen Horror und Fantasy

Richard Elauved erzählt im ersten Teil des Schauerromans, wie er als Jugendlicher von seiner Tante und seinem Onkel in der Kleinstadt Ballentyne aufgenommen wird, nachdem seine Eltern bei einem Brand ums Leben kamen. Als einer seiner Mitschüler spurlos verschwindet, hat Richard nur eine Erklärung: Tom sei in einer Telefonzelle am Waldrand wie in einem Horrorfilm in den Hörer gesaugt worden. Lediglich Karen, ebenso Außenseiterin wie Richard, glaubt ihm diese Geschichte und ermutigt ihn dazu, Hinweisen nachzugehen, die die Polizei nicht glaubt. Richard verfolgt die Rufnummer, die Tom angerufen hat bis zu einem verlassenen Waldhaus und erblickt ein furchterregendes Gesicht im Fenster. Danach beginnen Stimmen in seinem Ohr zu flüstern. Als ein weiterer Klassenkamerad verschwindet, versucht Richard umso mehr seine Unschuld zu beweisen..
Fünfzehn Jahre später werden die damaligen Ereignisse in einem anderen Licht geschildert, und es stellt sich beim Lesen immer wieder die Frage, wie glaubwürdig Richard überhaupt ist.
Noch einmal legt Jo Nesbø im dritten Teil des Buches eine absolute Kehrtwendung hin, die zwar Vieles erklärt, aber die Leser etwas ratlos zurücklässt.

Wer wie gewohnt einen Krimi wie aus der Harry-Hole-Reihe erwartet, wird von von Jo Nesbø diesmal überrascht, wenn nicht gar enttäuscht sein, denn mit „Das Nachthaus“ hat der bekannte Autor diesmal einen Genre-Mix aus Horror und Fantasy veröffentlicht. Wie immer schafft es der Autor, mit seinem Schreibstil zu fesseln, aber es bleibt Geschmackssache, ob man mit der Story voller Fantasy- und Horrorelemente etwas anfangen kann. Mich hat der Roman leider nicht überzeugt, auch wenn die Gesamthandlung stimmig erscheint.

Bewertung vom 30.09.2023
Glutspur / Liv Jensen Bd.1
Engberg, Katrine

Glutspur / Liv Jensen Bd.1


sehr gut

Skandinavische Spannung

Inspiriert von wahren Begebenheiten ermittelt die ehemalige Polizistin Liv Jensen, die sich gerade als Privatdetektivin in Kopenhagen selbstständig gemacht hat. Ihre Spuren führen sie dabei immer weiter in die Vergangenheit, mitten hinein in ein dunkles Kapitel dänischer Geschichte….

Ihr Fall beginnt mit dem Selbstmord eines Häftlings auf Freigang, dazu kommt der Tod einer Museumsangestellten sowie der dreieinhalb Jahre zurückliegende Mord an einem Journalisten. Liv Jensen versucht herauszufinden, ob diese Todesfälle zusammenhängen.
Mit ihren Lesern geht sie dabei zurück in die Zeit der 1940er Jahre, als jüdische Bürger nach Schweden flüchten wollen. Bis in die Gegenwart hinein reicht die Vergangenheit, doch Liv ist nicht die einzige Protagonistin. Die Autorin Katrine Engberg erzählt im ersten Teil der Liv-Jensen-Reihe aus drei Perspektiven, neben Hannah Leon, einer Krisenpsychologin, die gerade selbst einen Schicksalsschlag erlitten hat, erhält Liv auch Unterstützung von Nima Ansari, einem iranischen Automechaniker, der in einem der Fälle selbst unter Mordverdacht gerät. Gemeinsam stößt das Trio auf Ereignisse, die jemand mit sämtlichen Mitteln geheim zu halten versucht.

Nach und nach folgen wir als Leser einer gleichbleibenden Spannung, wobei Engberg immer wieder ihre Ermittlungen in eine Richtung lenkt, um dann wieder mit unerwarteten Wendungen zu überraschen. Am Ende läuft das Netz begonnener Fäden zu einem Showdown zusammen, da fällt es einem wirklich schwer, sich von diesem Thriller zu lösen. In lebendigem Schreibstil beweist die Autorin erneut ihre Kenntnis der menschlichen Psyche. Sie setzt auf Nervenkitzel, Facettenreichtum und tolle Ermittlungsarbeit und liegt mit ihren grundverschiedenen Protagonisten, die trotzdem ein eingespieltes Team ergeben, goldrichtig.
Dieser erste Teil macht definitiv Lust auf mehr, ich freue mich schon auf den zweiten Band.

Bewertung vom 21.09.2023
60 Kilo Kinnhaken
Helgason, Hallgrímur

60 Kilo Kinnhaken


ausgezeichnet

Imposantes Werk voller Originalität

Nach seinem Bestseller „60 Kilo Sonnenschein“ nimmt Hallgrímur Helgason, einer der international erfolgreichsten Autoren Islands, seine Leser erneut mit auf eine eindrucksvolle Reise in den fiktiven kleinen Ort Segulfjörður.
Wir schreiben das Jahr 1906, eine Zeit des Aufbruchs und des wirtschaftlichen Aufschwungs, der kleine Ort entwickelt sich nach der vierten erfolgreichen Heringssaison zu einem wichtigen Zentrum in Islands Norden. Farbenfrohe Holzhäuser am Fjord, geschäftiges Treiben am Hafen mit der Chance auf schnell verdientes Geld, ausländische Fischer treffen auf junge Isländerinnen, in seinen Beschreibungen vermittelt der Autor ein lebhaftes Bild von einer Zeit des Umbruchs.

Protagonist Gestur in mittlerweile volljährig – Leser kennen den jungen Waisen aus dem unabhängig zu lesenden ersten Teil – stürzt sich voller Ehrgeiz in diese neue Welt mit ihren ungeahnten Möglichkeiten. Ohne das Wissen seines Ziehvaters trifft er Entscheidungen, er möchte vorankommen und an Fortschritt und Erfolg teilhaben.
Als das Schicksal zuschlägt und einen fiesen Kinnhaken austeilt, nimmt die Geschichte eine dramatische Wendung und setzt dem Treiben am Fjord ein jähes Ende.

Helgason beeindruckt mit seiner Fähigkeit, die Veränderungen mit einer gelungenen Mischung aus Emotionen sowie unerwarteter Wendungen zu beschreiben und liefert ein wahrhaft beeindruckendes und ebenso faszinierendes Kapitel isländischer Geschichte. Die Lebendigkeit seiner Erzählweise und vielschichtige Charaktere machen das Werk zu einem wirklich fesselnden Leseerlebnis, das seine Leser nachhaltig berührt und auf eine tiefgründige Reise entführt. Der Autor versteht es bravourös, zwischen Humor und ernsten Themen das Gleichgewicht zu halten und uns zu berühren. Wortgewaltig erzählt Hallgrímur Helgason vom abenteuerlichen Weg Islands in die moderne Welt und beweist erneut, weshalb er mit diesem vor Originalität sprühenden Werk zu den großen Autoren seines Landes zählt.

„60 Kilo Kinnhaken“ wurde bereits mit dem Preis für den besten Roman des Jahres ausgezeichnet. Dieser Meinung schließe ich mich hier sehr gerne an, ich bin absolut begeistert und möchte immer weiter lesen! Sehr gerne würde ich mehr als 5 Sterne vergeben.

Bewertung vom 28.08.2023
Der Wald
Rode, Tibor

Der Wald


ausgezeichnet

Natur und Technik gegen die Menschheit

Weltweit erhalten Tausende Menschen anonym verschicktes Saatgut auf dem Postweg. Die Päckchen erscheinen völlig harmlos – aber bis die Behörden davor warnen, diese Samen einzupflanzen, ist es bereits zu spät. Eine invasive Pflanze, die bisher völlig unbekannt war, breitet sich in äußerst rasantem Tempo aus und bringt Krankheiten und zahlreiche Todesfälle mit sich.
Marcus Holland, Botaniker und Forscher auf dem Gebiet der Pflanzen-Neurobiologie, ist davon überzeugt, dass die Intelligenz von Pflanzen bisher unterschätzt wird. Auf einer Lesereise durch die USA, wo er sein neues Buch präsentiert, wird in Portland vor seinen Augen eine junge Frau erschossen. Holland wird von einem Agenten der Homeland Security um Hilfe gegen die mysteriöse Pflanze gebeten und ahnt schnell, dass wesentlich mehr hinter den weltweit verschickten Pflanzensamen steckt. Seine Suche nach dem Ursprung der Päckchen mit den angsteinflößenden Samen führen ihn und die Archäobiologin Waverly Park von Kanada über China zurück nach Deutschland, denn Waverly hat bereits eine Spur gefunden, die sie zu der legendären Urpflanze führen soll, aus der sich alle anderen Pflanzen entwickelt haben. Gemeinsam machen sie eine unglaubliche Entdeckung, die die Wissenschaft für immer verändern wird.
Waverlys Kollegin Ava steht vor ganz anderen Problemen und Schwierigkeiten, was sich in diesem rasant erzählten Umweltthriller erst nach und nach erschließt.
Der Autor hat wissenschaftlich akribisch recherchiert, was geschehen könnte, wenn sich die Natur gemeinsam mit der Technik gegen die Menschheit mit selbstlernenden Algorithmen, einem zerstörerischen Ökosystem und somit gegen die Menschheit verbünden würde. Wie die drei beschriebenen Handlungsstränge miteinander in Verbindung stehen, fügt sich erst im Laufe des Buches zu einem Gesamtbild zusammen, das spannender – aber auch nicht erschreckender – sein könnte! Als Leser sieht man sich mit der Frage konfrontiert, ob wir Menschen für unseren Untergang selbst verantwortlich sind. Der Wissenschaftsthriller könnte nicht aktueller sein, endet das Buch, das man kaum zur Seite legen kann, doch am 25. August 2023. Der Kampf zwischen Natur und Mensch in unserer Welt wird in Frage gestellt und führt uns vor Augen, was durch die Digitalisierung heute bereits möglich ist.
Für mich ist dieser Titel ein absolutes Lesehighlight, das fünf Sterne verdient.

Bewertung vom 06.08.2023
Die Erfindung des Lächelns
Hillenbrand, Tom

Die Erfindung des Lächelns


ausgezeichnet

Die gestohlene Mona Lisa
Nach seinem ersten historischen Roman „Der Kaffeedieb“ nimmt uns Tom Hillenbrand diesmal mit in das Paris der Belle Epoque. Damals war der Louvre noch ein einziger Widerspruch, ehemaliger Königspalast und gleichzeitig eine Sammlung erlesenster Kunst. Alles war verrottet, überall tropfte es durch die Decke und die Museumswächter waren größtenteils kriegsversehrte Alkoholiker, die es nicht so genau nahmen. Und genau so geschah im August 1911 das historische Verbrechen: Das Gemälde von Leonardo da Vinci „La Joconde“ – bei uns besser als „Mona Lisa“ bekannt, verschwand aus dem Louvre. Der dreiste Dieb muss einfach in den Salon Carré marschiert sein, nahm das Bild von der Wand und spazierte damit hinaus. Nicht einmal ein Wächter hielt sich zur fraglichen Zeit im Saal auf.
Zwar versetzt der Polizeipräfekt seine Männer sofort in höchste Alarmbereitschaft, lässt Straßen, Bahnhöfe und Häfen sperren, aber das Gemälde bleibt verschwunden. Commissaire Juhel Lenoir von der Pariser Polizei soll die Mona Lisa finden,aber das berühmteste Museum der Welt wird rasch ebenso wie die Polizei zum Gespött der Presse, denn es gibt keine Spur. Eine Schande für das stolze Frankreich!
Wen hat die Mona Lisa so sehr bezirzt, dass er nicht mehr ohne sie leben kann? Der Ermittler trifft auf seiner aufregenden Jagd durch Künstlercafés auf dem Montmartre, in die Opéra Garnier, zu dekadenten Grandes Fêtes im Bois de Boulogne und in absinthgetränkte Spelunken an der Place Pigalle auf die Maler Pablo Picasso und Henri Matisse, den Dichter Guillaume Apollinaire, die Ausdruckstänzerin Isadora Duncan und ihren Guru, den Satanisten Aleister Crowley, die Musiker Igor Strawinsky und Claude Debussy, die brutalen Anarchisten der Bonnot-Bande und Frankreichs größten Detektiv, Alphonse Bertillon. Wer von ihnen ist in die Geschichte des verschwundenen Bildes verwickelt? Auf seinen schwierigen Ermittlungen quer durch Paris gibt es zahlreiche Verdächtige, unter ihnen sogar Picasso.
In diesem historischen Roman voller Intrigen, Kunst und Kultur erlebt man als Leser die Künstler dieser Zeit, die noch nichts von ihrer späteren Berühmtheit ahnten wie, sie alle kämpfen für eine "neue Kunst".
In einem weiteren Handlungsstrang befasst sich der Autor mit den Anarchisten der kriminellen Bonnot-Gruppe, die für ihre neuen Ideen skrupellos überfallen und morden. So kreuzt sich das Leben der Tänzerin Isadora Duncan, einer Gegnerin des klassischen Balletts mit dem der jungen Russin Jelena, Mitglied der Bonnot-Gruppe, die sich mit der Philosophie des Illegalismus identifizierte und für damalige Verhältnisse hochtechnisierte Ausrüstung wie Repetierbüchsen und Automobile nutzte und so der Polizei immer einen großen Schritt voraus war.
Kurzweilig fängt Tom Hillenbrand die Atmosphäre und den Zeitgeist im damaligen Paris ein und spiegelt intensiv und fesselnd den Flair der Weltstadt wieder. Das turbulente Leseabenteuer ist ausgesprochen gut recherchiert und durch zahlreiche Nebenschauplätze gewinnt die Handlung noch mehr an Abwechslung.
Historisch dokumentierte Begebenheiten mischen sich mit Fiktivem, das macht den Reiz der Detektivgeschichte um Kunst, die Kunst- und Kulturszene, Täuschung, Literatur und Mode aus.
Ein Lesegenuss, der fünf Sterne verdient!

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